Donnerstag, November 21, 2024
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Was ist wichtig beim Einrichten einer Partitur?

Ein Round-Up zum Thema „Einrichten einer Partitur“ – Teil 2

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In diesem zweiten Beitrag zum Thema „Einrichten einer Partitur“ beantworten die Dirigent:innen Thomas Asanger (AT), Emilie Chabrol (FR), Thomas Joha (DE), Thomas Ludescher (AT), Heidi Maier (DE), Alex Schillings (NL) und Philipp Zink (DE) die Frage: “Nach welchen Aspekten richtest Du die Partitur ein, was ist wichtig?”

Thomas Asanger (AT)

Thomas Asanger
Thomas Asanger

Dirigent, Komponist, Dozent und Juror. Lehrer für Ensembleleitung Blasorchester am OÖ. Landesmusikschulwerk. Gast-Dirigent bei Landesjugendorchester Oberösterreich und bei voestalpine Blasorchester Linz. Stellvertretender Landeskapellmeister in Oberösterreich.

„In einem ersten Schritt erarbeite ich die Komposition in formaler Hinsicht. Es geht darum, einen Überblick über den Bauplan des Stückes zu bekommen. Dieser Schritt kann in der Probenphase gerade hinsichtlich Effizienz hilfreich sein. Welche Teile wiederholen sich? Gibt es formale Beziehungen einzelner Formteile zueinander? Wie sind die Themen verarbeitet? Gibt es motivische Bezüge?

In einem zweiten Schritt bediene ich mich der sogenannten Taktgruppenanalyse nach Hans Swarowsky. Dabei teile ich die gesamte Partitur in periodische Sinnzusammenhänge ein. In der Regel wird von einer viertaktigen Periode ausgegangen. Nach jeder Periode erfolgt am Ende entlang des Taktstriches über die ganze Partitur ein Strich. Hierfür habe ich die Farbe Orange gewählt. Gibt es Abweichungen hinsichtlich der Periode, zum Beispiel drei- oder fünftaktige Perioden, wird das mit der entsprechenden Farbe vermerkt.

So besteht immer ein guter Überblick über den periodischen Bauplan einzelner Phrasen und musikalischer Sinnzusammenhänge.“

Emilie Chabrol (FR)

Emilie Chabrol
Emilie Chabrol

Dirigentin, Saxophonistin und Saxohponlehrerin. Emilie dirigiert die Musikgesellschaft Rietheim und die Union Instrumentale de Delémont in der Schweiz. Sie ist Saxophonlehrerin an der „Yamaha Music School“ in Zürich.

„Das ist eigentlich die Fortsetzung der Arbeit. Ich mache also eine harmonische Analyse des Stücks (Akkorde, Tonarten, Phrasenstruktur). Dann mache ich eine Analyse der Wahl der Instrumentierung, die ein klares Klangbild ermöglicht. Zum Beispiel in diesem Satz: Klarinette und Oboe spielen das Thema, die Hörner die Gegenstimme, die Posaunen und Bässe spielen Akkorde in gehaltenen Noten, die den Klangteppich bilden, und schließlich spielen die Trompeten ein sich wiederholendes rhythmisches Motiv, das ein bisschen wie ein Motor ist, der den Satz vorantreibt. Ich versuche dann, mir die vier verschiedenen Stimmen in meinem Kopf vorzustellen und zu kombinieren, bis ich sie wirklich zusammen höre. Als Saxophonist benutze ich oft mein Instrument, um die verschiedenen Phrasen zu spielen und die Musik zu verstehen. Von diesem Moment an kann ich entscheiden, welches Klangbild ich haben möchte.

Zum Beispiel: Wie stark sollen die Trompeten rauskommen, ohne das Thema zu übertönen? Wie sollen die Hörner ihre Phrasen spielen (Charakter, Nuancen), damit sie das Thema der Holzbläser nicht überdecken, aber dennoch präsent sind und mit dem Klang der Trompeten harmonieren? Und so weiter…

Dieser Aspekt ist für mich von entscheidender Bedeutung, denn er ermöglicht es mir, bei den Proben klare Forderungen zu stellen, um das Orchester so nah wie möglich an das genaue Klangbild heranzuführen, das ich erreichen möchte.

Dann beginnt die mentale Arbeit des Dirigierens.
Ich arbeite an den verschiedenen Tempi und Charakteren, die verwendet werden, indem ich die Phrasen laut oder im Kopf singe und dabei leicht den Takt schlage. Die Übergänge zwischen zwei Tempi oder Charakteren sind ebenfalls sehr wichtig, da sie oft die schwierigsten Passagen für das Orchester und auch für den Dirigenten sind.
Ich übe auch, mir das Orchester vor mir vorzustellen und alle Einsätze mit einem (imaginären) Blick auf die betreffenden Instrumente zu geben. Bei dieser letzten Übung muss man oft die Partitur so gut wie möglich auswendig kennen, da man alle Einsätze im Voraus planen muss, um sie im richtigen Moment zu geben und dabei die betreffenden Musiker zu beobachten.“

Thomas Joha (DE)

Thomas Joha
Thomas Joha

Dirigent des Musikvereins Rittersdorf, Kreisdirigent des NBMB KV MSP, musikalischer Leiter des Kreisjugendorchester Main-Spessart und Juror im BDMV. Aktuell arbeitet er für den deutschen Bundestag.

„Mir persönlich sind die jeweiligen „Beziehungsebenen“ der verschiedenen Instrumentengruppen in der Komposition wichtig. Wer führt – wer begleitet? Wer macht etwas dazwischen? Etwas vereinfacht: 1. Ebene ist die Melodie, 2. Ebene ist die rhythmische Begleitung, 3. Ebene ist der Klangteppich. Die folgenden Fragen helfen dabei die Ebenen zu definieren: Welcher musikalische Gehalt soll zuerst und deutlich an das Ohr des Zuhörers? Das ist die 1. Ebene. Was unterstützt die 1. Ebene direkt? Das wäre die 2. Ebene. Welche Instrumente spielen komplementär zu der 2. Ebene? Das wäre die 3. Ebene. Und so weiter.

Parallel dazu richte ich obligatorisch ein: Übergänge, Taktgruppen, Einleitung, Klimax, etc.“

Thomas Ludescher (AT)

Thomas Ludescher
Thomas Ludescher

Professor für Blasorchesterleitung und Instrumentation an der Musikhochschule „Claudio Monteverdi“ in Bozen. Lehrer für Blasorchesterleitung am Vorarlberger und am Tiroler Landeskonservatorium. Fachgruppenleiter für Dirigieren im Vorarlberger Landeskonservatorium. Dirigent und künstlerischer Leiter von Windwerk (ehemals Sinfonisches Blasorchester Vorarlberg). Als Juror, Komponist und Gastdirigent international tätig.

„Mein Grundsatz lautet: Was ich nicht weiß, hör ich nicht! Dementsprechend versuche ich nach einem mehrstufigen Modell die Partitur zu erarbeiten und einzurichten. Verbunden damit ist eine analytische Erarbeitung (Taktgruppe, Form, Harmonik, Rhythmik, Klangfarben, …). Wenn es um die tiefere Bedeutung des Notentext geht, z. B. Tonhöhe, Harmonik, nehme ich das Klavier zur Hilfe. Im Fokus steht die persönliche Deutung des Materials, das ist für mich die zentrale Aufgabe des Partiturstudiums.“

Heidi Maier

Heidi Maier
Heidi Maier

Dirigentin, Hornistin und Horn-Lehrerin. Sie leitet die Stuttgarter Bläserkantorei und die Bläserphilharmonie Rems-Murr. Als Hornlehrerin ist sie an der Musikschule Korntal-Münchingen tätig. Außerdem ist sie Jurorin.

„Ob überhaupt, welche und wie viele Eintragungen man in die Partitur machen sollte – darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Jeder Dirigent findet hier seinen eigenen Weg und dieser ändert sich meistens im Laufe der Zeit noch. Derzeit trage ich sowohl zahlreiche handwerkliche als auch emotional-künstlerische Elemente ein:

1. Formale Eintragungen:

Taktgruppenanalyse, Tonarten, Harmonien samt Akkordfunktionen, Zäsuren, Generalpausen und Fermaten, Übersetzungen mir unbekannter musikalischer Ausdrücke (ja, es tauchen immer noch welche auf!)

2. Schlagtechnische Vermerke:

– Taktwechsel, Tempoänderungen, musikalische Höhe- und Tiefpunkte, besondere Schlagbilder, spezielle Stellen zum Umblättern

– wichtige hörbare Einsätze sowie Einsätze für Musiker, die lange nicht mehr gespielt haben und denen ich helfen muss

3. Eintragungen für die Proben:

– Zusätzliche Studienziffern und Taktzahlen an Stellen, die zum Proben nützlich sind

– potenziell problematische Stellen in Technik, Intonation, Klangbalance, Rhythmus und daraus resultierend meine Änderungen in Artikulation, Dynamik, Instrumentation, Vereinfachungen

– wenn die Musiker schwach ausgebildet sind, vermerke ich mir für Holzbläser an ausgewählten Stellen Hilfsgriffe für intonationsschwache Töne (bei Blechbläsern kann ich hierbei meist ohne Notiz helfen).

– Zieltempo für mein Orchester, sofern nicht vorhanden oder abweichend vom gedruckten Tempo; ggf. Übetempo für die nächste Probe

– meine Vorstellung von Klangkombinationen, z. B. Horn, Euphonium und Posaunen spielen zusammen – welches Register ist führend?

– Bei Transkriptionen vom Sinfonieorchester notiere ich die originale Instrumentation, so kann z. B. die Tuba dann quasi pizzicato spielen wie der Streichbass und sich somit dem ursprünglichen Klang annähern.

– Phrasierung und damit verbunden auch Atemzeichen bzw. chorische Atmung

– Je umfangreicher das Schlagwerk besetzt ist, umso genauer notiere ich, wer welches Instrument und mit welchem Schlägel spielt. Sofern das Schlagwerk unterbesetzt ist, notiere ich auch, wer wann zu einer anderen Stimme wechseln muss.

4. Last but not least: meine Assoziationen von Gefühlen und Charakteren, aufkommende Bilder und Beschreibungen als Basis für eine persönliche Interpretation des Werkes.“

Alex Schillings (NL)

U. a. Ehemaliger Dirigent der Johan Willem Friso Military Band, er unterrichtet Blasorchesterleitung (Bachelor und Master) an den Musikhochschulen in Den Haag und Zwolle, Metafoor Privatstudiengang Dirigieren in Staufen, Dozent für Dirigieren, Juror, u. v. m.

• Die ungeschriebenen Dynamik- und Tempowechsel.

• Die Noten bestimmter Instrumente, die für das harmonische Konzept entscheidend sind.

• Stilinformationen und Interpretation des thematischen Materials

• Dynamische Unterschiede zwischen Haupt- und Nebenproblemen

Philipp Zink

Philipp Zink
Philipp Zink

Trompeter, Instrumentalpädagoge und Dirigent für Blasorchester. Leiter der Musikschule Waghäusel-Hambrücken, Dirigent verschiedener Ensembles und Orchesterformationen, darunter zwei Musikvereine und eine Big Band. Er engagiert sich in der WASBE Sektion Deutschland.

„Zunächst muss die Partitur für mich leserlich sein. So schreibe ich mir gerne Taktzahlen über jeden Takt, markiere deutlich Abschnitte, zeichne Taktwechsel, Doppelstriche, Wiederholungszeichen oder auch Klammern nach, mache Phrasierungen erkenntlich, stelle dynamische Bezeichnungen heraus, teile ungerade Takte. Das spart später beim Proben sehr viel Zeit, da ich immer direkt auf einzelne Stellen Bezug nehmen kann. Weiter notiere ich mir harmonische Abläufe, durch die ich später sehr viel schneller komplexe oder einfach nur wichtige Akkorde schnell ausstimmen kann, kreise mir gerne „gefährliche“ Töne ein, die auf Grund Ihrer schlechten Stimmung oder klanglichen Eigenschaften zu Problemen führen können, markiere mir Hinweise und Anweisungen, wie z.B. auch, wann ein Dämpfer wieder entfernt werden muss (was leider oft nicht klar notiert ist).“

Ein herzliches Dankeschön an die Beantwortung dieser drei Fragen an die Dirigent:innen Thomas Asanger (AT), Emilie Chabrol (FR), Thomas Joha (DE), Thomas Ludescher (AT), Heidi Maier (DE), Alex Schillings (NL) und Philipp Zink (DE).

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Felix Hauswirth hat sich intensiv mit dem Einrichten einer Partitur beschäftigt und vieles dazu in seinen Büchern verschriftlicht und veröffentlicht:

Übersicht über die drei Beiträge zum Round-Up „Einrichten einer Partitur“

Die ersten Schritte zum Erlernen einer Partitur
Was ist wichtig beim Einrichten einer Partitur?
Symbole, Zeichen und Farben für das Einrichten einer Partitur

©Beitragsbild: Dominik Wagner

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    3 thoughts on “Was ist wichtig beim Einrichten einer Partitur?

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