SinfonischWerke

Ein Land ist stolz auf seine Werke: Die Schweiz!

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Das Jahr der Schweizer Blasorchesterliteratur 2023 neigt sich dem Ende entgegen. Die Verantwortlichen, beispielsweise im Schweizer Blasmusikverband SBV, und in vielen Blasorchestern, haben viel dafür getan, die Werke ihrer Schweizer Komponisten im Jahr 2023 ins Rampenlicht zu setzen.

Die Unterstützung Schweizer Kompositionen für Blasorchester und Brass Bands hat jedoch eine längere Geschichte und beschränkt sich keinesfalls auf dieses eine Jahr! Aus Sicht einer „Ausländerin“ schreibe ich hier voller Bewunderung: Die Schweizer Blasmusikverantwortlichen haben in den letzten Jahrzehnten sehr viel für die Erneuerung des Blasorchester-Repertoires in der Eidgenossenschaft getan. Die Grundlagen dafür wurden vor langer Zeit in der Schweiz gelegt.

Es gibt viele Faktoren, warum in der Schweiz eine sehr große Vielfalt an Werken und besonders auch an bedeutenden Originalwerken für (Sinfonische) Blasorchester entstehen konnten. Für Komponisten braucht es Unterstützung, damit sie Werke für Blasorchester schreiben. Nicht nur Auftraggeber, sondern auch Dirigent:innen und Blasorchester, die gewillt sind, die Werke aufzuführen! Und es braucht Gelegenheiten…

Schlüssel-Event „Eidgenössisches Musikfest“

Seit 1864 finden in regelmäßigen Abständen die Eidgenössischen Musikfeste statt. Seit 1966 (fast) konsequent alle fünf Jahre! Das 35. Eidgenössische Musikfest sollte 2021 in Interlaken stattfinden. Dies fiel leider wegen Corona aus. Das nächste findet nun im Jahr 2026 in Interlaken statt. Meine unbedingte Empfehlung: hinreisen!

Etwa 500 Blasorchester und Brass Bands nehmen bei jeder Ausgabe der Eidgenössischen Musikfeste teil. Dies entspricht etwa einem Fünftel bis zu einem Viertel aller im Schweizer Blasmusikverband organisierten Orchester. Würden wir das mit Deutschland vergleichen, müssten sich etwa 2.500 Musikvereine (Blasorchester, Spielmanns- und Fanfarenzüge, u. ä.) für das Deutsche Musikfest 2025 in Ulm/Neu-Ulm anmelden. Beim Deutschen Musikfest 2019 in Osnabrück beteiligten sich ca. 300 Musikvereinigungen (Quelle: https://vmb-nrw.org/2019/06/17/deutsches-musikfest-in-osnabrueck-war-ein-toller-erfolg/ ).

Für Eidgenössische Musikfeste werden traditionell Auftragskompositionen für Pflichtstücke, bzw. Aufgabenstücke, wie es in der Schweiz heißt, vergeben. Nicht immer nur, aber in der Regel an Schweizer Komponisten. Franco Cesarinis großartige Karriere als Komponist begann beispielsweise auch mit einer Auftragskomposition des Schweizer Blasmusikverbands. Für das Eidgenössische Musikfest 1991 in Lugano, im Heimatkanton von Franco Cesarini, komponierte er – damals 30-jährig – das heute immer noch viel gespielte Werk Convergents.

Neben Convergents waren auch die Bulgarian Dances I (2006, Luzern, 1. Klasse Harmonie) und Colorado (2016, Montreux, 3. Klasse Harmonie) Auftragswerke an Franco Cesarini für Eidgenössische Musikfeste.

Neben Franco Cesarini möchte ich noch Mario Bürki und Oliver Waespi als Beispiele nennen (auch immer wieder im weiteren Verlauf des Textes), weil diese drei zurzeit die international am meisten gespielten Schweizer Komponisten sind.

Schweizer Komponisten
Die drei derzeit international erfolgreichsten Schweizer Komponisten Mario Bürki, Oliver Waespi und Franco Cesarini

Mario Bürki komponierte folgende Werke als Aufgabenstücke für Eidgenössische Musikfeste im Auftrag des SBV: Pompeij (2006, Luzern, 3. Klasse, Harmonie und Brass Band), Der Magnetberg (2011, St. Gallen, 2. Klasse, Harmonie und Brass Band) und La Corrida de Torros (2016, Montreux, 1. Klasse Harmonie).

Oliver Waespi bekam die folgenden Aufträge vom Schweizer Blasmusikverband für Eidgenössische Musikfeste: Hebridean Rhapsody (2001, Fribourg, 2. Klasse Harmonie), Fanfare and Funk (2006, Luzern, Harmonie), Divertimento (2011, St. Gallen, Höchstklasse Harmonie), Friendly Takeover (2006, Montreux, Brass Band).

Kantonale Musikfeste

Auch bei Kantonalen Musikfesten ist es Usus, Kompositionsaufträge für Pflichtstücke zu vergeben.

Stefan Roth
Stefan Roth

Die folgenden Informationen habe ich von Stefan Roth, Präsident der Musikkommission im Thurgauer Kantonal-Musikverband, erhalten und sollen als Beispiele von Aufträgen für Kantonale Musikfeste dienen:

Stefan Roth: „Wir vergaben gemeinsam mit dem Waadtländer Kantonalverband Kompositionsaufträge für die Kantonalen Musikfeste 2023. Diese nutzte auch der Schaffhauser Blasmusikverband für sein Kantonalmusikfest.

Im Auftrag des TKMV:

Notes from the Road Franco Cesarini ( 2. Klasse Harmonie)
Call of the Nomades Cedric Fuhrer (3. Klasse Harmonie)
SVALIN Marc Jeanbourquin (4. Klasse Harmonie/Brass Band)

Im Auftrag des Waadtländer Kantonalverband:

Sinfonietta in d, Thomas Trachsel (1. Klasse Harmonie)
Modus operandi, Stephan Hodel (2. Klasse Brass Band)
Equilibre, Théo Schmitt (3. Klasse Brass Band)

2019 vergab der Thurgauer Kantonal-Musikverband die Aufgabenstücke gemeinsam mit dem St. Galler Blasmusikverband an diese Schweizer Komponisten:

The Spell (Blau Schnee) Oliver Waespi (1. Klasse Harmonie)
Celtic Force Mario Bürki (2. Klasse Harmonie/Brass Band)”

Celtic Force von Mario Bürki spielen wir im Freiburger Blasorchester übrigens schon seit ein paar Jahren im Sommerprogramm. Es ist ein perfektes Beispiel, das anschaulich zeigt, dass Aufgabenstücke in der Schweiz – überwiegend – großartige Werke sind. Und viele davon sprühen vor Spaß und Freude, sind emotional, spannend, interessant und sind bei weitem keine langweilige, ätzende Pflichtmusik!

Franco Cesarini schrieb für Kantonale Musikfeste diese Werke: The Haunter of the Dark (1. Klasse Harmonie), Renaissance Suite (2008, Kantonaler Musikverband Neuchatel), Arizona (2014, Federazioni Bandistica Ticinese), Notes from the Road (siehe oben).

Neben dem oben schon genannten Celtic Force im Auftrag des St. Galler- und Thurgauer Kantonalmusikverband komponierte Mario Bürki The Enchanted Castle im Auftrag des Graubündner Kantonal Musikverband (2019, 4. Klasse Harmonie).

Oliver Waespi schrieb für Kantonale Musikfeste diese Werke: Three Pictures im Auftrag des Berner Blasmusikverbandes im Jahr 1999 für die 3. Klasse Harmonie und Brass Band, Skies für die Höchstklasse Harmonie im Auftrag verschiedener Kantone und mit Unterstützung der SUISA-Stiftung (s. weiter unten!) für die Kantonalen Musikfeste in Schwyz, Fribourg, Unterwalden und im Wallis. Im Auftrag der Kantonalen Musikverbände St. Gallen und Thurgau The Spell (wie oben schon erwähnt). Theme and Variations im Auftrag des Kantonalen Blasmusikverbands Luzern für das Kantonalmusikfest 2015 in Sempach für Brass Band.

Bedeutung der Kantonalen und Eidgenössischen Musikfeste

Die permanente Wettbewerbs-Kultur in der Schweiz hat, wie wir an den Beispielen der genannten Kantonalen und den Eidgenössischen Musikfeste sehen können, nachhaltig dazu beigetragen, dass ein lebhaftes, sich immer erneuerndes Blasorchesterrepertoire Schweizer Herkunft entstehen konnte. Und wir dürfen nicht vergessen, dass die Eidgenössischen und Kantonalen Musikfeste für die Blasorchester auch immer Gelegenheiten sind, überhaupt Originalwerke für Blasorchester zu spielen. Es gibt ja nicht nur die Aufgabenstücke, sondern auch die Selbstwahl-Stücke!

In Vorbereitung auf die Musikfeste veranstalten die Blasorchester und Brass Bands extra Vorbereitungskonzerte. Die beiden Wettbewerbswerke (Aufgabenstück und Selbstwahlstück) werden außerdem in das Programm der sowieso stattfindenden Konzerte der Blasorchester aufgenommen. Zusammen mit den Musikfesten sind das natürlich die Anlässe bzw. Konzerte, die die oben genannten Gelegenheiten darstellen. Blasorchester bzw. Dirigent:innen werden durch die Wettbewerbe ermuntert, auf diese Werke in den Konzerten zurückzugreifen.

WASBE Schweiz

Für mich war die WASBE Sektion Schweiz schon immer ein Phänomen. Weltweit gibt es etwa 500 WASBE-Mitglieder, davon leben 111 in der “kleinen” Schweiz (Quelle: Markus Mauderer, 10/23). Die Schweizer Reisegruppe, die sich jährlich zur MidWest nach Chicago aufmacht (hauptsächlich WASBE-Mitglieder), ist schon seit Jahrzehnten groß. Meine erste MidWest in Chicago habe ich 1997 erlebt und damals waren schon viele Schweizer da, aber so gut wie keine deutschen Blasmusik-Enthusiasten. Das Interesse an der speziellen Blasmusik-Sparte der Originalkompositionen hat in der Schweiz eine sehr viel längere Tradition als in Deutschland.

Legendär ist mittlerweile die WASBE-Konferenz 2001 in Luzern. Während dieser Konferenz wurden 10 Werke uraufgeführt, davon zwei Schweizer Werke: Prospero von Thüring Bräm und Tom Sawyer Suite von Franco Cesarini.

Absolut neuartig und erwähnenswert: Die große Medienpräsenz durch das Schweizer Radio DRS1 (heute SRF). Zu verdanken hauptsächlich Mr. Blasmusik Kurt Brogli, der damals beim DRS arbeitete. Ähnlich medial wurde davor und danach keine einzige WASBE-Konferenz mehr präsentiert… (Ganz davon abgesehen, dass Luzern und sein KKL der beste Ort ist, so eine Veranstaltung stattfinden zu lassen!).

Stéphane Delley
Stéphane Delley

Die Schweizer Sektion der WASBE mit ihrem derzeitigen Präsidenten Stéphane Delley ist sehr aktiv und die Unterstützung der Schweizer Komponisten und Kompositionen steht regelmäßig im Blickpunkt. Bspw. durch Auftragskompositionen, aber auch durch eine in der Regel jährliche Tages-Veranstaltung. Zum Beispiel im Jahr 2019: Am Vormittag sprachen Thomas Trachsel und Oliver Waespi über ihre Philosophie und Arbeitsweise, der Nachmittag war für den kompositorischen Nachwuchs reserviert: Cedric Fuhrer, Fabian Künzli und Sami Lörtscher.

Auch im Jahr der Schweizer Blasorchesterliteratur 2023 wurde die WASBE Schweiz tätig. Sie vergab diese Auftragskompositionen an Schweizer Komponisten:

Deep Space von Oliver Waespi 
EchoSystem von Theo Schmitt 

Kompositionswettbewerbe

Pflichtstücke bzw. Aufgabenstücke für Eidgenössische oder Kantonale Musikfeste und speziell auch für die Wettbewerbe des Schweizer Brass Band Verbands (die ich in diesem Beitrag etwas vernachlässigen möchte) entstehen teilweise auch durch Kompositionswettbewerbe für einzelne Sparten.

Der Luzerner Kantonal-Blasmusikverband und der Musikverband beider Basel schrieben zusammen z. B. im Jahr 2020 einen Kompositionswettbewerb aus. Einerseits mit dem Ziel, musikalisch gehaltvolle und konzertante Musik zu fördern, andererseits sollten diese dann als Aufgabenstücke verwendet werden.

Das waren die Gewinner:
1. Preis Cascades (BB) von Sami Lörtscher (Aufgabenstück 2. Klasse Brass Band beim Musikfest 2022)
2. Preis Conversions von Reto Näf
3. Preis Lepidoptra von Cédric Fuhrer

Das Kantonale Musikfest beider Basel musste auf Grund von Corona erst verschoben und dann abgesagt werden.

Für die Kantonalen Musikfeste des Kantonalen Musikverbands Wallis, der Fédération Jurassienne de Musique und des Bernischen Kantonal-Musikverband 2024 schrieben diese drei Verbände einen Kompositionswettbewerb für die 3. Klasse Brass Band aus. Hier müssen wir noch gespannt sein, was raus kommt.

Der Schweizer Brass Band Verband schrieb dieses Jahr den Kompositionswettbewerb für die 1. Klasse Brass Band für den Schweizer Nationalen Brass Band-Wettbewerb aus.

Und im Rahmen des Jahres der Schweizer Blasmusikliteratur wurde vom Schweizer Blasmusikverband ein Kompositionswettbewerb ausgeschrieben, den der 24-jährige Waadtländer Adrian Perera gewann. Sein Werk Résilience – Le jour d’après wurde beim Festival aVENTura uraufgeführt und erhielt ein Preisgeld von CHF 5.000.

In der Regel sind Kompositionswettbewerbe für den Komponist:innen-Nachwuchs gedacht. Genau deshalb sind Kompositionswettbewerbe aber auch so wichtig. Die jungen Komponist:innen brauchen Chancen! Sie müssen sich ausprobieren können.

Auftragskompositionen von Orchestern

Ein recht neues Auswahl-Blasorchester mit semi- und professionellen Musiker:innen ist das Swiss Symphonic Wind Orchestra SSWO. Gründer und Dirigent des Orchesters ist Niki Wüthrich. Niki schrieb mir kürzlich in einer Einladung für die Herbstkonzerte 2023: „Auch wenn wir im SSWO jedes Jahr den Fokus auf Schweizer Literatur und eine entsprechende Auftragskomposition legen, sind dieses Jahr mit der Uraufführung von Stephan Hodels Werk Information Overload, der Erstaufführung der BO-Fassung von Schoecks Präludium und Oliver Waespis Deep Space drei besondere Leckerbissen der Schweizer Literatur am Start.“ 

Als weiteres Beispiel von Auftrag gebenden Orchestern möchte ich die Jugendmusik Kreuzlingen und die Stadtmusik Kreuzlingen nennen. Für das Blasorchester der Jugendmusik Kreuzlingen entstand Wind-Owed von Fabian Künzli (für das SJMF 2013 in Zug) und für das SBO Kreuzlingen Short Ride in Ecstasy von Manuel Renggli (2016 für das Winterkonzert).

Franco Cesarini erhielt beispielsweise von der Concordia Fribourg und der Stadtmusik Grenchen zusammen den Auftrag zu Mosaici Bizantini (1994), von Blasorchester Lémania zu Poema Alpestre (die UA übernahm “aus Gründen” allerdings das SBO Ried, AT), von der Stadtmusik Burgdorf zu Solemnitas (2002) und zu Concerto Rococò vom Blasorchester Gebenstorf (2011).

Mario Bürki komponierte im Auftrag von Schweizer Blasorchestern Sacri Monti (Aulos Blasorchester, 2009), Von Rast und Hektik (Feldmusik Neuenkirch, 2005), Die Fahrt zu Näfels (Harmoniemusik Näfels, 2012), Creator of Passion (Jubis Biel, 2020), Indian Fire (Jugendmusik Ostermundingen, 2002), Heidi und Peter (Konkordia Mels, 2009), The Flood (MG Thöringen, 2017), Brassica (MG Mühleturnen, 2020), Flight (MG Ostermundingen, 2006), Castellum (MG Pratteln, 2017), Swiss Mountain Village (MG Törbel, 2007), Jambo Africa (Musiklager Seeland, 2008), The States of Water (Musiklager Seeland, 2013), Perceval (MV Harmonie Gerlafingen, 2014), 1405: Der Brand von Bern (Sinfonisches Blasorchester Bern, 2004), Two Centuries (Stadtmusik Bern, 2016), Arowe Festival (Stadtmusik Aarau, 2016) und Märjela (Stadtmusik Saltina Brig, 2022). Außerdem einige Werke für Schweizer Brass Bands.

Oliver Waespi erhielt folgende Aufträge für Blasorchester in der Schweiz: Festive Impressions (Brass Band Henggart, 1998), Shadowlands – Suite No. 2 (Musikgesellschaft Cham, 1999), Concerto for French Horn and Wind Orchestra (Feldmusik Sarnen, 2001), Il Cantico (Stadtharmonie Zürich Oerlikon-Seebach, 2005), 2nd Sinfonietta (Musikgesellschaft Cham, 2005), Berglicht (Stadtmusik Saltina Brig, 2008), Out of Earth (Aulos Blasorchester, 2015), Silberen (Blasorchester Siebnen, 2019), The Raid (Musikgesellschaft Sörenberg, 2014), La Passiun (BB Berner Oberland, 2018), Other Lives (Valaisia Brass Band, 2019).

Die Rolle der Schweizer Verlage

Bisher zumindest brauchte es für die Veröffentlichung von Originalwerken für Blasorchester immer Verlage, die gewillt waren, das Risiko der Herausgabe zu übernehmen und auch für das entsprechende Marketing zu sorgen.

Es gibt viele Verlage in der Schweiz, die sich auch dem zeitgenössischen Material annehmen und nicht nur Polka, Walzer, Marsch und Bearbeitungen jeglicher Unterhaltungsmusik von Rock, Pop, bis hin zu Film und Show veröffentlichen. Da sind zunächst die „alteingesessenen“ wie zum Beispiel der Ruh Musikverlag (gegr. 1908), der Bichsel-Verlag (dessen Verlagsarchiv im Besitz von Hal Leonard ist), dann der Obrasso Musikverlag (gegr. 1983), die Edition Marc Reift (gegr. 1983), Musikverlag Frank (gegr. 1997), und neue Verlagsgründungen wie zum Beispiel Lucerne Music Editions (gegr. 2005) Symphonic Works, Edition Franco Cesarini, um nur einige zu nennen.

In diesem Zusammenhang muss auch Mitropa Music genannt werden, eine Gründung 1989 in Walchwil, Kanton Zug, als Dependence des damaligen De Haske-Verlags in der Schweiz. Bei Mitropa Music wurden die Werke von mitteleuropäischen Komponisten verlegt. Die Schweizer Komponisten Franco Cesarini (Werke bis zu seiner eigenen Verlagsgründung), Marc Jeanbourquin, einige Originalwerke von Gilbert Tinner und einige Werke von Bertrand Moren (Blasorchester und Brass Band) sind bei Mitropa Music verlegt. Die Zugehörigkeit zum damaligen De-Haske-Verlag bzw. dem heutigen Hal Leonard stellte und stellt den Schweizer Komponisten ein sehr starkes weltweites Marketing- und Vertriebsnetz zur Verfügung, das keine andere Schweizer Verlagsgründung je erreichte.

Blasmusikblogleser:innen, die sich in der Verlagsszene nicht so gut auskennen, müssen wissen, dass es Originalwerke für Blasorchester, besonders im konzertanten Bereich und vor allem in den hohen Schwierigkeitsgraden nicht leicht haben, zumindest auf Breakeven zu kommen. Jede Herausgabe beispielsweise eines Grad-5- oder Grad-6-Werkes stellt ein hohes finanzielles Risiko dar. Der heutige Markt verlangt auch ordentliche, professionelle Aufnahmen neben dem adäquaten Notenmaterial. Die Aufnahmen lassen sich heute auf keinen Fall mehr zurückverdienen.
Es ist also allen Verlagen (auch außerhalb der Schweiz) hoch anzurechnen, wenn sie Originalwerke „noch lebender“ Komponisten herausgeben. Was ich hauptsächlich in Bezug auf die Schweiz dazu sagen möchte: Die großartige Kompositionslandschaft der Schweiz ist auch den Schweizer Musikverlagen zu verdanken!

Festivals

Wie früh in der Schweiz schon damit begonnen wurde, Originalkompositionen für Blasorchester zu fördern, zeigen die Internationalen Festlichen Musiktage Uster. Ab 1960 bereits sorgte dieses Festival im Kanton Zürich für die Erneuerung der originalen Blasorchesterliteratur. Gründer des Festivals war Albert Häberling (*1919 †2012), der in der Schweiz immer noch einen klangvollen Namen, begründet auf seinen Verdiensten für die Stadtmusik Uster und dem Zürcher Blasorchester sowie den eigenen Kompositionen für Blasorchester, hat. Ab 1989 bis im Jahr 2000 war Felix Hauswirth künstlerischer Leiter des Festivals. Leider wurde es im Jahr 2000 aus diversen, aber vor allem finanziellen Gründen eingestellt.

In dieser Liste aller in Uster uraufgeführten Werke könnt Ihr sehen, dass zwar überwiegend Schweizer Komponisten gefördert bzw. aufgeführt wurden, aber z. B. auch Serge Lancen (FR), Marcel Poot (BE), Kees Vlak (NL), Henk van Lijnschooten (NL), Evzen Zamecnik (CZ), Johan de Meij (NL, heute auch USA) und Rolf Rudin (DE). Die Liste aller in Uster aufgeführten Werke könnt Ihr hier kostenfrei downloaden:

Ein weiteres Statement setzte im September das Festival aVENTura in Luzern, das als Höhepunkt des Jahres der Schweizer Blasorchesterliteratur 2023 gilt. An dieser Stelle möchte ich Euch gerne den YouTube-Chanel des Schweizer Blasmusikverbands SBV empfehlen. Dort sind viele der bei aVENTura gespielten Werke zum Anhören bereit:

Youtube-Chanel des Schweizer Blasmusikverbands SBV

Suisa Foundation / Fondation Suisa

Die Suisa (die Schweizer Verwertungsgesellschaft, wie bei uns in Deutschland die GEMA) fördert Auftragskompositionen bis etwa zur Hälfte des Komponisten-Honorars. Diese Information von Stefan Roth setzte mich in Erstaunen. Auf meine Nachfrage hin antwortete mir Stefan: „Grundsätzlich ist die Suisa sehr Blasmusik freundlich.“ Er hat bereits drei Mal einen Antrag für Fördermittel gestellt – zwei Mal für den Verband und einmal für einen Auftrag der Stadtmusik Kreuzlingen. Für jeden dieser drei Anträge wurde die Förderung bewilligt. Nun, von der GEMA kenne ich diese Blasmusik-Freundlichkeit nicht.

Im Stiftungszweck der Suisa-Foundation steht: „Die Stiftung bezweckt die Förderung des schweizerischen und liechtensteinischen Musikschaffens in allen Gattungen. Sie verfolgt weder Erwerbs- noch Selbsthilfezwecke.“ Und weiter: „Der Begriff «aktuelles Musikschaffen» im Sinne der FONDATION SUISA bedeutet das Kreieren und/oder Verbreiten von schweizerischem und/oder liechtensteinischem Musikrepertoire (Komposition und/oder Schaffen eines Öffentlichkeitszugangs) mit Bezug zur heutigen Zeit.“ 

Für Förderungen für Kompositionsaufträge gilt bei der Suisa Foundation:

  • Gesuche können nur von Auftraggebenden eingereicht werden. Komponist:innen und Verleger:innen können für sich selbst keine Unterstützung beantragen.
  • Nicht berücksichtigt werden reine Arrangementarbeiten ohne eigenständige Prägung wie Orchestrierung, Instrumentalisierung etc.

Quelle: https://fondation-suisa.ch/de/gesuche/gesuch-eingeben/

Die Rolle von Dirigent:innen und von Blasorchestern/Brass Bands

Bereits eingangs habe ich geschrieben: Es braucht nicht nur Auftraggeber für Kompositionen, sondern auch Dirigent:innen und Blasorchester, die gewillt sind, die Werke aufzuführen! Und zu „wollen“ gehört selbstverständlich „können“.

Die Entwicklung der vielfältigen Schweizer Blasmusikliteratur konnte in den letzten Jahrzehnten zum großen Teil nur dadurch entstehen, dass die Dirigenten-Ausbildung für Blasorchester und Brass Band in der Schweiz schon sehr früh professionalisiert wurde. Bereits Jahrzehnte bevor in Deutschland überhaupt nur daran gedacht wurde, dieses Fach an die Musikhochschulen des Landes zu bringen, konnte man in der Schweiz Blasorchesterdirektion studieren. Sehr stark in diesem Bereich sind die Konservatorien bzw. Hochschulen in Basel, Bern, Luzern, Fribourg und früher auch Zürich.

Zusammen mit der Professionalisierung der Dirigent:innen entstand in der Schweiz eine große Dichte an hervorragenden Blasorchestern (um die Brass Bands jetzt einmal für einen Augenblick beiseite zu lassen). Aufmerksame Blasmusikblog-Leser:innen haben sicherlich meinen Beitrag zum Lucerne Symphonic Wind Band Contest gelesen: Höchstklassige Blasmusik mit den besten Blasorchestern der Schweiz. Hier traten acht Blasorchester der Höchstklasse an. Doch das sind gar nicht alle Höchstklass-Blasorchester der Schweiz. Es gibt noch mehr! Beispielsweise die Civica Filarmonica di Lugano oder das Blasorchester Siebnen, die in Luzern nicht dabei waren. Dazu unzählige Blasorchester, die in der 1. Klasse spielen. Ganz ehrlich, spontan fallen mir in Deutschland keine 10 Orchester ein, die in der höchsten Klasse, vergleichbar wie die Höchstklass-Vereine der Schweiz und vor allem wie ich sie in Luzern vergangenen Sommer hörte, spielen…

In diesem Zusammenhang möchte ich auch bemerken, dass die Qualität der Schweizer Blasorchester eben auch mit der oben schon beschriebenen permanenten Wettbewerbskultur gesteigert wurde und wird!

Um die Qualität der Dirigentinnen und Dirigenten allgemein sorgt sich der Schweizer Blasmusikdirigenten-Verband BDV. Gegründet wurde der Verband 1945 im Hotel Schweizerhof in Olten – mit dem Ziel, den nebenberuflichen Dirigenten eine Stimme zu geben. Bei der Gründung umfasste der BDV 119 Mitglieder, heute sind es rund 1050. (Quelle: Website des BDV) Über das Ziel des BDV gibt die Website weiter Auskunft: „Der BDV ist bestrebt, Talente zu fördern. Dazu werden nationale Anlässe, wie etwa der Schweizerische Dirigentenwettbewerb, unterstützt. Zudem fördert der Verband die Schaffung von schweizerischen Blasmusikkompositionen.“

Die alle zwei bis drei Jahre stattfindenden Kongresse haben zusätzlich zum fachlichen auch einen gesellschaftlichen Teil – denn der Austausch unter Gleichgesinnten ist ein zentrales Anliegen. Die Dirigentinnen und Dirigenten sollen nicht nur durch Vorträge, sondern auch im Gespräch Anregungen bekommen und Probleme klären. Neben einem Dirigenten-Pool, Dirigentenchoachings, dem Vermitteln von Stellvertretungen und weiteren Fortbildungsmaßnahmen gibt der BDV auch Gehaltsempfehlungen an seine Mitglieder.

Ein wichtiger Bestandteil in der Förderung der Dirigent:innen – die ja letztendlich zu einem großen Teil die Qualität eines Blasorchester beeinflussen – ist der Schweizer Dirigentenwettbewerb. Bereits zum 10. Mal fand dieser im Jahr 2022 statt. Diesen gewann die französische, in der Schweiz lebende, von mir sehr geschätzte Dirigentin Emilie Chabrol.

Emilie Chabrol
Emilie Chabrol beim Schweizerischen Dirigentenwettbewerb

Der Schweizer Dirigentenwettbewerb wird von einem Verein aus engagierten Musikerinnen und Musikern sowie Dirigent:innen, die sich der Förderung der schweizerischen Blasmusikszene verschrieben haben, organisiert. Neben dem Verein Schweizerischer Dirigentenwettbewerb sind es vor allem zwei große Verbände, die hinter dem Anlass stehen und diesen auch finanziell unterstützen: Der Schweizer Blasmusikverband SBV und der Schweizer Blasmusikdirigenten-Verband BDV.

aVENTura 2023

Eigentlich hatte ich geplant, Anfang September zum Festival aVENTura nach Luzern zu reisen. Ich wurde von Felix Hauswirth zu einer Podiumsdiskussion eingeladen mit dem Thema „Schweizer Blasmusikliteratur im internationalen Vergleich“ und wäre zusammen mit Leon Bly (USA/DE), Lorenzo Della Fonte (IT), Miguel Etchegoncelay (ARG/FR), Thomas Ludescher (AT) und Hermann Pallhuber (AT) im Panel gesessen. Gemeinsam mit diesen Herren und dem Moderator Felix Hauswirth hätte ich über die Schweizer Blasmusikliteratur diskutiert. Felix hatte mich im Vorfeld gebeten, ein kurzes Statement dafür vorzubereiten. Grundlage dieses ausführlichen Beitrags über die Schweizer Blasorchesterliteratur war mein kurzes Statement, das ich für diesen Anlass vorbereitet hatte. Natürlich wollte ich auch ausführlich auf dem Blasmusikblog über meine Erlebnisse berichten… Aber meine Gesundheit hat gestreikt! Dieser Beitrag soll ein kleines „Wiedergutmachen“ sein für die Versprechungen, die ich durch meine Erkrankung nicht einhalten konnte. An dieser Stelle ein Dankeschön an Franco Hänle, der sehr kurzfristig für mich in dieser Podiumsdiskussion einsprang.

Die Recherche zu diesem Beitrag war gar nicht so einfach. Ich habe jede Menge Fragen an verschiedene Schweizerinnen und Schweizer geschickt – herzlichen Dank für Euer Mitwirken Franco Cesarini, Mario Bürki, Oliver Waespi, Felix Hauswirth, Stéphane Delley (Präsident WASBE Schweiz), Theo Martin (Präsident BDV) und Stefan Roth.

Sollte ich wichtige Aspekte in der Förderung der Schweizer Blasorchesterliteratur vergessen haben, mögen die Schweizerinnen und Schweizer es mir bitte verzeihen! Als Ausländerin schaue ich eben nur drauf und nicht mitten in die Schweiz hinein… Deshalb freue ich mich sehr über Ergänzungen im Kommentarfeld weiter unten auf dieser Seite!

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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