Herausforderung für Musikvereine: Kinder für das Musizieren begeistern!
An einige Vereinsverantwortliche habe ich die Frage gestellt:
„Wo liegen in Deinem Musikverein zur Zeit die größten Herausforderungen und wie packt Ihr diese an?“
mit der Bitte, diese für die Blasmusikblog-LeserInnen zu beantworten.
Der erste Beitrag zu diesem Thema kommt heute von Dagmar Keck von der Hotzenwald-Bauernkapelle Görwihl. Görwihl liegt im Hotzenwald, also im südlichen Teil des Schwarzwaldes.
Ein Gastbeitrag von Dagmar Keck, Hotzenwald-Bauernkapelle Görwihl
“Ein Thema, das uns schon seit Jahren beschäftigt ist, Kinder und Jugendliche dafür zu begeistern, ein Instrument zu erlernen und später in unserem Verein zu musizieren.
Wir sind ein Musikverein in einem Dorf. In unserer Gemeinde gibt es fünf Musikvereine, die sich mit einem weiteren Verein zu einer Ausbildungsgemeinschaft zusammengeschlossen haben. Die Kinder und Jugendlichen erhalten Einzel- und Gruppenunterricht und legen nach der Ausbildung das Leistungsabzeichen ab.
In diesem Jahr haben wir einen Boom zu verzeichnen: 15 Kinder sind in Ausbildung. Doch es war ein weiter Weg bis dahin. Mehrere Puzzleteile haben dazu geführt, dass wir Kinder auch aus Familien gewinnen konnten, die nicht sowieso schon mit dem Verein verbandelt sind:
Seit einigen Jahren gestalten wir beim Kinderferienprogramm der Gemeinde einen Nachmittag (Rallye mit Stationen, um auch die Instrumente auszuprobieren, basteln von Instrumenten und gemeinsames Essen). Anschließend erhalten alle eine schriftliche Info an die Eltern bezüglich der Ausbildungsmöglichkeiten.
Wie in vielen Orten stellten wir Instrumente in der Schule vor. Dazu hat unser Zöglingsorchester (s.u.) vorgespielt, anschließend in Kleingruppen die jeweiligen Instrumente vorgestellt und die Kinder ausprobieren lassen. (Wie ein Lernzirkel.) Das ermöglichte den Schülern einen schnellen Zugang und unsere Zöglinge waren stolz auf ihr Können. Im Vorfeld wurden sie vom Unterricht befreit, da die Aktion an einem Freitagvormittag stattgefunden hat. Und auch hier ging wieder eine schriftliche Info an die Eltern und eine Einladung zu einer offenen Probe. Dazu beginnt die Probe unseres Vereins etwas früher und die Kinder können sich zu den einzelnen Personen setzen.
Eine andere Art der offenen Probe hatten wir im letzten Jahr. Da wurden auch die Schülerinnen und Schüler eingeladen. Musiziert haben hier aber die Zöglinge, gemischt mit einigen der älteren Musiker. Damit konnten wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Neue Interessenten konnten geworben werden und unsere Zöglinge konnten mit den „Großen“ musizieren.
Wir versuchen zwei musikalische Projekte für die Kinder, die in Ausbildung sind durchzuführen. z. B. Einüben von Weihnachtsliedern und Auftritte auf Weihnachtsmärkten, Seniorenfeier und Kinderkrippenfeiern. Zu Weihnachten haben auch die Kinder mitgespielt, die erst (oder auch noch nicht) mit dem Instrumentalunterricht angefangen haben. Mit Rhythmusinstrumenten und Gesang konnten auch sie dabei sein. Auch unsere Schlagzeuger wurden eingebunden.
Dann gibt es ein weiteres Projekt im Jahr. Fünf oder sechs Proben und danach zwei oder drei Auftritte.
Seit diesem Jahr ist die Ausbildungsgemeinschaft in diese Projekte eingestiegen, in der Form, dass jetzt nicht nur Kinder aus unserem Verein, sondern auch aus den anderen Vereinen in unserem kleinen Orchester mitspielen.
Meines Erachtens ist dieses gemeinsame Musizieren eine Schlüsselaktion, um Kinder dazu zu motivieren, dabei zu bleiben. Hier können sie das Gelernte anwenden und lernen nebenbei Pausen zählen, aufeinander hören, miteinander im Takt bleiben usw. Durch den Ausbau der Bläserklassen an Schulen gibt es einfache Literatur, die nicht nur gut klingen kann, sondern den Kindern und Jugendlichen auch Freude macht.
Ein Highlight für unsere Kinder ist natürlich auch unser Hüttenwochenende, bei dem wir proben, spielen und basteln. Wir Leiter sind dann immer ganz begeistert, wenn das Musizieren zum Selbstläufer wird. Denn viele Kinder gehen immer wieder zu den Instrumenten und spielen – auch wenn gerade keine Probe angesetzt ist. Bei so einem Wochenende ist dann auch Zeit, sich mal in den Registern zu treffen und Unsicherheiten auszuräumen. Dann macht das gemeinsame Muszieren noch mal mehr Spaß.
Und nun ein letztes, aber umso wichtigeres Puzzleteil: Die Anbindung der Kinder an den Verein. Durch unsere Aktionen mit den Kindern lernen sie verschiedene Personen aus dem Verein schon kennen. Jedes Kind bekommt ein Vereins-T-Shirt. Wenn wir ein Fest ausrichten, versuchen wir, die Kinder mit einzubeziehen. Wir richten zum Beispiel das Erntedankfest aus. Mit den Zöglingen gestalten wir jedes Jahr ein Element im Gottesdienst (Texte vorlesen, ein Anspiel usw.). Danach dürfen sie in der Halle mithelfen, z.B. Essen austragen helfen, Flaschen einsammeln und was noch anfällt, aber natürlich freiwillig. Auch hier lernen sie die Mitglieder aus dem Verein kennen und fühlen sich nicht fremd, wenn sie dann tatsächlich das erste Mal in einer Musikprobe sind.
Bei all dieser Arbeit darf man die Kinder und Jugendlichen nicht vergessen, die vielleicht gerade erst oder seit einigen Monaten bei den „Großen“ aktiv mitspielen. Denn auch sie muss man betreuen, begleiten und fördern. Und warum nicht mal gemeinsam im Probelokal übernachten oder einen Ausflug machen. Doch das ist ein weiteres Feld, über das sich nachzudenken lohnt und hier den Rahmen sprengen würde.
Insgesamt gesehen braucht das alles einen langen Atem und Menschen, die sich dafür einsetzen und ihre Zeit und ihr Können mit den Kindern und Jugendlichen teilen möchten. Doch wenn ein Verein sich wirklich in diesem Bereich verbessern will, dann geht es nicht ohne Einsatz, Engagement und Teamarbeit. Und unser Beispiel zeigt: Es lohnt sich!”
Hotzenwald-Bauernkapelle Görwihl
Dagmar Keck
Ein herzliches Dankeschön an Dagmar Keck von der Hotzenwald-Bauernkapelle Görwihl!
Hier nochmals der Aufruf an alle Vorstände bzw. Vorstandschaftsmitglieder die Frage zu beantworten: „Wo liegen in Deinem Musikverein zur Zeit die größten Herausforderungen und wie packt Ihr diese an?“ Gerne per Mail an mich: alexandra@kulturservice.link.
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Hallo und vielen Dank für den tollen Artikel, wozu ich eine Frage habe.
Ich lese “Ausbildungsgemeinschaft”. Bei uns würden sofort Ängste aufkommen, wie die “Verteilung” der Schüler an die Vereine aussieht. Also meine Frage ist, wie wurde das Problem gelöst, dass jeder Verein in etwa gleich viel (oder vielleicht sogar bewusst nicht gleich viel) Energie in diese Gemeinschaft steckt und wie wird gewährleistet, dass jeder Verein auch gleichermaßen von dieser Ausbildungsgemeinschaft profitiert?
Vielen Dank für die Antwort!
Hallo Ralf,
Deine Frage leite ich an Dagmar weiter mit der Bitte sie hier auf dem Blog zu beantworten. Zur Zeit ist Urlaubszeit, es kann also etwas dauern…
Viele Grüße
Alexandra