Was brauchst Du, um gerne in die Musikprobe zu kommen?

In einer der letzten Zukunftswerkstätten kam wieder die Frage auf, was man denn tun könnte, damit der Probenbesuch besser wird.

Bei diesem Thema wird dann immer heftig diskutiert, warum die Leute nicht in die Probe kommen. Viele fühlen sich auch direkt angesprochen und der Reigen der Rechtfertigungen geht los. Krankheit, Beruf, Urlaub, usw. werden dann als Gründe genannt. Aber immer schwingt auch die Annahme mit, dass einige nicht zur Probe kommen, weil sie keine Lust haben. Oder weil „Unterhaltungsmusik für das Sommerprogramm geprobt wird“ und das „könnte man ja schließlich“. Oder dass manche halt nur grundsätzlich kommen, wenn auf ein Konzert hin geprobt wird.

Im November 2021 habe ich auf dem Blasmusikblog schon einmal über dieses Thema geschrieben: Das leidige Thema „Probenanwesenheit“. In diesem Beitrag habe ich auch viele Lösungsansätze beschrieben, um die Probenanwesenheit in den Griff zu bekommen.

Kürzlich habe ich jedoch mit einer Freundin (die Psychologin ist) über das Probenthema gesprochen, das für mich nochmals einen neuen Aspekt in das Thema bringt. Eigentlich wissen wir nicht, warum manche Musiker:innen ständig fehlen. Sie gab die Empfehlung auf jeden Fall mit den „speziellen Kandidaten“ zu sprechen (finde ich auch sehr wichtig). Aber anstatt zu fragen: „Warum kommst Du so selten in die Probe?“ die Frage zu stellen: „Was brauchst Du, um gerne in die Musikprobe zu kommen?“

Die Frage „Was brauchst Du, um gerne in die Musikprobe zu kommen?“ stellte ich auch 26 Personen, die sich auf einen Aufruf auf Facebook gemeldet haben. Und ich habe von diesen 26 Personen sehr interessante Antworten erhalten!

Ich habe alle Antworten – einige davon sehr ausführlich, andere in Stichworten – studiert und analysiert. Ich werde nun zuerst auf die am häufigsten genannten Aspekte eingehen und einige zitieren.

Am häufigsten wurde der Aspekt „Ich muss ein Ziel in der Probenarbeit sehen“ bzw. „die Probenarbeit muss zielführend sein“ genannt. Ulrike Koreny vom Sinfonischen Blasorchester Flutissima Bardowick schreibt zum Beispiel: „Im Umfeld der Probe brauche ich eine gewisse Ernsthaftigkeit, mit der gemeinsam an einem Ziel gearbeitet wird.“ Einerseits müssen also Fortschritte erkennbar sein und andererseits muss die Probe auf ein längerfristiges Ziel – beispielsweise ein Konzert, ein Auftritt bzw. ein Wertungsspiel – hinarbeiten. Jürgen Kunkel von der Stadtkapelle Hammelburg schreibt: „Der Idealzustand bei mir ist, wenn ich ein Ziel in der Probenarbeit sehe…“. Und Johanna* schreibt: „gemeinsame Ziele und die Bereitschaft, diese auch umzusetzen“.

Der zweithäufigste Aspekt bezieht sich auf die Blasorchesterwerke. Sie sollen Spaß machen, ansprechend und abwechslungsreich sein. Christiane Fery vom Musikverein Untermeitingen wünscht sich beispielsweise „abwechslungsreiche Stücke von traditionell bis modern“. Linda Prediger vom Musikverein Lauterbach/Saar schreibt: „Für mich ist unter anderem ein ansprechendes Programm wichtig.“ Marcus Kilian vom Sinfonischen Blasorchester Ludwigshafen möchte „Musik, die Spaß macht, an ihr zu arbeiten“. „Eine gewisse Toleranz ist aber vorhanden“ schiebt er hinterher. Und Jürgen Berger von der Stadtmusik Riedlingen wünscht sich „interessante und abwechslungsreiche Blasmusikstücke“. Frauke Willer hat in ihren Antworten auch den Punkt Repertoire und schreibt dazu: „Die Stückauswahl ist für mich auch ein wichtiges Kriterium. Mein letztes Stammorchester habe ich aufgegeben, weil dort das hohe Blech quasi nicht vorkam. Es drehte sich alles nur um die drei Klarinetten, die sich dann totüben konnten, während unser echt gutes Trompetenregister mit sechs Personen immer nur so Nebensächliches spielen durfte.“

An dritter Stelle der am häufigsten genannten Aspekte steht: „Wenn der Probenbesuch gut ist.“ Doris Wehrmann von den Musikfreunden Dehmke Grupenhagen schreibt dazu: „Ich komme gerne zur Probe, wenn ich weiß, dass viele Mitspieler dabei sind und wir deshalb gut besetzt sind und so gute Musikstücke einüben können.“ Christian Wolf aus Waldstetten schreibt ganz deutlich: „Möglichst vollzähliger Probenbesuch. Es macht nur Spaß, wenn alle Stimmen besetzt sind.“ Cordula Zankl aus Österreich ist das auch sehr wichtig: „Ich komme gerne in die Probe, wenn ich nicht allein in meinem Register bin und wenn viele Leute da sind. Je mehr Leute hier sind, desto schöner lässt es sich musizieren“.

Julian Waibel dirigiert den Musikverein Beuren und spielt im Symphonischen Hochschulblasorchester Konstanz. Er ist überzeugt davon, dass der Probenbesuch einer Gruppendynamik folgt: „Ob alle Musiker gerne in die Probe kommen, ist hochgradig eine Sache der Gruppendynamik. Ein über die reine Musik hinausgehendes gutes Verhältnis untereinander unterstützt natürlich langfristig, dass alle sich gern treffen. Herzliche Verbundenheit, Kameradschaft und Freundschaft laden ein. Es gibt einen rein privaten, über das Musikalische hinausgehenden Effekt, der bewirkt, dass Leute gern hingehen, weil dort so coole Menschen sind, die man von Herzen mag.“

Weiter geht es im Ranking mit „Probengestaltung soll konzentriert, interessant und kurzweilig sein“. Das wird gleich oft genannt wie „ein motivierter, gut vorbereiteter Dirigent“ und „das gesellige Beisammensein nach der Probe“.

Zuerst möchte ich zum Thema Probengestaltung nochmals Cordula Zankl zu Wort kommen lassen: „Wichtig ist mir auch, dass die Probe interessant und kurzweilig gestaltet ist, sowie der Spaß nicht zu kurz kommt“. Oder Susanne*: „Ich liebe konzentrierte Proben, wo ohne Gequatsche und sonstige Unterbrechungen mal eine Zeit lang an einer Stelle / einem Stück gearbeitet werden kann. Dazu braucht es Fokus, Aufmerksamkeit, Mitarbeit und Interesse von allen.“

Zum Thema motivierter, gut vorbereiteter Dirigent schreibt Ulrich* beispielsweise: „Von zentraler Bedeutung bei der Probenarbeit ist für mich der Dirigent, der weiß, was er will und was er verlangen kann“. Dies schätzt auch Alexandra Pentz von der Musikvereinigung Dinkelscherben: „ein vorbereiteter und motivierter Dirigent“. Cordula Zankl äußert, was sie an einem Dirigenten gar nicht mag: „Wenn man zu viel geschimpft wird oder es dem Dirigenten bei keiner Stelle recht machen kann, dann sinkt meine Motivation.“ Und Johanna* wünscht sich vom Dirigenten „eine Kommunikation auf Augenhöhe“.

Das gesellige Beisammensein nach der Probe beschreibt Ralf Wittmann vom Musikverein Edelweiß Busenbach so: „Mit vielen motivierten Kolleginnen und Kollegen sich jede Woche zu treffen und dem gemeinsamen Hobby zu frönen ist Motivation pur. Da darf natürlich das gemütliche Beisammensein nach der Probe nicht fehlen!“.

Auch die zwischenmenschliche Ebene muss im Musikverein stimmen. Deshalb wünschen sich mehrere ein wertschätzendes Miteinander, eine offene Informationspolitik und Kommunikation, eine angemessene Disziplin und Verständnis, wenn man einmal fehlt.

Jürgen Kunkel von der Stadtkapelle Hammelburg ist die Frage persönlich und auch selbstkritisch angegangen. Er schreibt: „Belastende Alltagssituationen, egal ob im beruflichen oder im häuslichen Umfeld, können dazu führen, dass ich ungern oder auch unmotiviert in die Musikprobe gehe. Wenn ich mich dann aber aufgerafft habe und es dann noch schaffe, mich voll und ganz auf die Musikprobe einzulassen, kann dieser Zeitraum sehr entspannend für Seele und Geist sein.“ Ähnlich sieht es auch Susanne*: „nach einer guten Probe bin ich erfrischt/lebendig/wach und entspannt. Das geht sogar noch nach einem anstrengenden Tag im Büro.“

Ein besonderer Satz kommt von Tim Strittmatter: „Also grundsätzlich als allererstes, brauche ich dafür nichts, denn es ist mein Hobby, meine Leidenschaft. Wenn sich das mal zwanghaft oder so ähnlich anfühlt, dann wird’s Zeit aufzuhören.“

Und Alexandra Pentz von der Musikvereinigung Dinkelscherben kommt zu dem Schluss: „Ein Freitag ohne Musikprobe ist kein anständiger Wochenabschluss und mir würde etwas fehlen.“

Dirk Ost, Dirigent des Musikvereins „Harmonie“ Selbach, schreibt aus seiner Sicht: „Aus Dirigentensicht gesehen, braucht es für mich persönlich eine gute Probenvorbereitung meinerseits. Wenn ich unvorbereitet zu einer Probe muss (kurzfristig für einen Kollegen einspringen muss, ohne das Notenmaterial vorher gesehen zu haben) fühle ich mich unwohl und ich denke, die Musiker merken das dann auch. Auch wenn man das Beste draus macht und die Musiker einem vielleicht ein positiveres Feedback geben, als man sich selbst geben würde. Da bin ich dann doch eher selbstkritisch-perfektionistisch und mit mir selbst nicht ganz zufrieden. Desweiteren ist es für mich wichtig, vor der Probe etwas „runterzukommen“ und ohne Stress und Hektik in die Probe zu fahren. Gleiches gilt natürlich auch für Auftritte. Wenn ich mein Orchester vor mir sitzen habe, von denen ich weiß, dass die meisten Musiker auch auf die Probe vorbereitet sind, ist die Vorfreude auf die Probe schon Anreiz genug.“

In der Antwort von Ulrich Grießhaber, Tubist im Musikverein Harmonie Tennenbronn, können wir (fast) alle der oben genannten Aspekte zusammengefasst lesen:

  1. Ich mag es, wenn in der Musikprobe konzentriert gearbeitet wird und nicht nur durchgespielt wird. Es soll an Korrektheit, Zusammenspiel und Stil gefeilt werden, damit am Ende der Probe auch ein Fortschritt erkennbar ist. Dabei ist es mir egal, welche Art von Stück gespielt wird. Ein Choral oder eine Polka verdienen es genau so wie sinfonische Blasmusik, dass sie mit ihren jeweils stiltypischen Merkmalen in guter Qualität dem Publikum präsentiert werden.
  2. Dies erfordert einen Dirigenten, der musikalisch gut ausgebildet ist. Und er muss es auch umsetzen können, sein Handwerk beherrschen. Die Partitur muss erarbeitet sein und die Probe sollte geplant sein. Der Fortschritt am Ende der Probe sollte geplant sein und nicht dem Zufall überlassen werden.
  3. Die Probe sollte in guter Atmosphäre entspannt und locker sein. Auch hier ist der Dirigent ein wichtiger Faktor. Der Dirigent und die Vorstandschaft benötigen mindestens so viel menschliches Einfühlungsvermögen wie musikalische Kompetenz.
  4. Zur guten Atmosphäre gehört auch, dass man sich mit seinen direkten Registerkollegen oder Nebensitzern gut versteht.
  5. Damit die Probe Spaß macht, muss ich weitgehend in der Lage sein, die Stücke fehlerfrei zu spielen bezüglich der Griffe und Rhythmik. Das bedeutet für mich, dass ich auch üben muss. Nur mit gutem Ansatz und einigermaßen fehlerfreiem Spiel, kann ich die Probe genießen und die Anforderung des Dirigenten an Dynamik oder Stil zusätzlich umsetzen. Meine Einstellung zur Musik, Probe und Verein ist somit auch wichtig, damit Spaß aufkommen kann.

Die komplette Antwort von Axel Fabricius von der Stadtkapelle Lahr habe ich mir für den Schluss aufgehoben. Er zieht ein tolles Fazit:

„Was brauchst Du, um gerne in die Musikprobe zu kommen?“

„Diese Frage hat für mich zwei Aspekte:

1. Musikalisch

Ich spiele Klarinette in der Stadtkapelle Lahr. Wir sind ein sinfonisches Blasorchester mit aktuell 75 Musikerinnen und Musikern. Ich halte mich für einen eher durchschnittlichen Musiker und um in diesem Orchester auf diesem Niveau mitspielen zu können, brauche ich jede Probe. Zuhause alleine üben ist natürlich wichtig, kann aber eine Probe nie ersetzen. Ich brauche die Erklärungen von unserem Dirigenten und das zusammen Proben, um ein Gefühl für die Stücke zu bekommen. Gerade bei „sperrigen Stücken“ wie Unending Stream of Live, das wir momentan für ein Konzert in der Kirche vorbereiten.

2. Kameradschaftlich 

Wir sind nicht nur ein sinfonisches Blasorchester – wir sind ein Verein! Und in diesem Verein bin ich seit 1975 aktives Mitglied. Das bedeutet viel mehr als Orchestermusiker zu sein. Mit vielen Musikerinnen und Musikern spiele ich seit 20 oder 30 Jahren. Andere sind die Kinder von Musikerkameraden – und die kenne ich tatsächlich seit ihrer Geburt. In der Musikprobe treffe ich also viele Freunde. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir nur deshalb auf diesem Niveau Musik machen können, weil hinter dem Orchester eine funktionierende Vereinsgemeinschaft steht. Nur wenn es untereinander harmoniert, kann man harmonisch Musik machen. In den Sommerferien, wenn 5 Wochen lang keine Proben stattfinden, fehlt mir etwas.

Fazit : „Was brauchst Du, um gerne in die Musikprobe zu kommen?“

Eigentlich nichts Besonderes. Nur das gemeinsame Musizieren und die Freunde, die ich da treffe.“

Ich hoffe und wünsche, dass es Euch allen so geht!

Die Antworten zu der Frage „Was brauchst Du, um gerne in die Musikprobe zu kommen?“ kamen hauptsächlich von motivierten Blasmusiker:innen, die offensichtlich alle sehr gerne in die Probe gehen und ihre Wünsche und Bedürfnisse erfüllt bekommen. Ich selbst neige dazu den Schluss zu ziehen, wenn die Leute nicht (mehr) gerne in die Probe kommen und öfter fehlen (ohne offensichtlichen Grund), dann stimmt irgendetwas nicht und ich gebe die Empfehlung, an den oben genannten Aspekten zuerst anzusetzen und zu arbeiten.

*Diese Personen möchten gerne anonym bleiben

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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