Über den Anfang und die Einspielphase einer Musikprobe – Teil 5
Bereits Teil 5 der insgesamt 7-teiligen Serie, in der sich erfahrene Dirigenten zum Thema “Einspielphase einer Musikprobe” äußern. Heute geben Gunnar Merkert und Alois Papst ihre Tipps weiter.
Gunnar Merkert
Gunnar Merkert dirigiert zur Zeit den Musikverein Gingen / Fils und ist Kreisverbandsdirigent im Blasmusikkreisverband Göppingen.
“Ich beginne die Probe mit einer Tonleiter in verschiedenen Tonarten. Erst die Töne aushalten, anschließend auch in verschiedenen Artikulationen. Zu beachten ist, dass es für jedes Instrument in einer bequemen Tonlage erfolgt. Bringt ja nichts, wenn man sich in einer zu tiefen oder zu hohen Tonlage einspielt. Anschließend beginnen wir mit einem, meistens kurzem Stück (etwa 10 – 15 Minuten). Anschließend wird eingestimmt. Anschließend kommen bestimmte Dreiklangsübungen. Das hat folgenden Grund. Wenn die Einspielzeit zu lange ist, dann langweiligen sich einige, vor allem die Schlagzeuger. Wir haben verschiedene Übungen. Dreiklänge, Kanon oder auch Choräle.”
Viele Grüße
Gunnar Merkert
Alois Papst
Alois Papst studierte Blasorchesterdirektion bei Prof. Thomas Doss am Claudio-Monteverdi-Konservatorium in Bozen. Er unterrichtet am oberösterreichischen Landesmusikschulwerk das Fach Ensembleleitung Blasorchester. Seit 2016 ist Alois Papst musikalischer Leiter der Werkskapelle der voestalpine in Linz. Darüber hinaus leitet er seit 2008 sehr erfolgreich den Musikverein Gaspoltshofen.
Ein gelungener Start ist die halbe Miete…
“Viele Faktoren sind entscheidend dass eine Probe gut beginnen kann. Neben den musikalischen Aspekten wie „guter Ansatz“ oder das individuelle Einspielen ist es meiner Meinung nach vor allem auch der gesellschaftliche Aspekt der wesentlich zu einem guten Probenstart beiträgt. Eine entspannte Atmosphäre bei der zuerst Zeit bleibt sich gegenseitig auszutauschen bevor es dann mit dem Instrument los geht wäre dazu sicherlich erstrebenswert. In meinen Orchestern nenne ich das „Warm Up“ – Phase. Ziel dabei ist es dass sich alle Musiker bereits 15 Minuten vor dem tatsächlichen Tutti-Beginn einfinden um eben Persönliches auszutauschen oder sich am Instrument individuell aufwärmen zu können.
Bevor es an die Erarbeitung der Werke geht folgt in meinen Proben beinahe immer das Tutti-Einspielen. Es gilt die Instrumente aufeinander abzustimmen, die Musiker in gemeinsame Schwingung kommen zu lassen, ja womöglich gleich ein Flow-Erlebnis zu erzeugen. Generell ist es dabei wichtig mit abwechslungsreichen Methoden zu arbeiten. Und doch denke ich dass eine regelmäßige „Einstudierung“ von ausgewählten Aufwärmübungen sehr zielführend sein kann. Auf eine konkrete Methode möchte ich im Folgenden kurz eingehen. Ich habe diese Methode bei einem ÖBV-Meisterkurs in Ossiach (Kärnten, Dozent Andreas Spörri) kennengelernt und mehrfach erfolgreich bei meinen Orchestern angewandt. Der Grundsatz lautet: Durch einfache Übungen (ohne Notenblatt) im Unisono-Spiel möglichst rasch ein Flow-Erlebnis für die Musiker erzeugen! Die Übungen sind technisch so einfach gestrickt dass für die Musiker Zeit bleibt sich sofort auf Klang, Intonation, Zusammenspiel, persönliche Wahrnehmung usw. zu konzentrieren. Im Folgenden möchte ich ein konkretes Beispiel vorstellen:
Intervall-Übung (Orchester startet unisono mit klingendem B)
Die kleine Trommel (ohne Snare) spielt Achtelnoten und sorgt so für eine gemeinsame Tempovorstellung. Zwischen den einzelnen Zellen genügend Zeit lassen damit sich die Musiker auf das neue Intervall (es kommt jeweils ein Halbton hinzu) einstellen können. Wenn eine Zelle gut funktioniert geht es weiter zur nächsten, ansonsten die betreffende Zelle sooft wiederholen bis sich eine deutliche Verbesserung einstellt. Der Dirigent gibt zwischendurch Hilfestellungen (Atmung, Luftführung, Intervall vorsingen…).
Ich habe die Erfahrung mehrmals gemacht dass sich der Klang eines Blasorchesters mithilfe von Unisono-Einspielübungen innerhalb von wenigen Wochen ganz entscheidend in eine positive Richtung verändern kann. Vor allem in Hinblick auf einen Wettbewerbsauftritt sehe ich hier einen enormen Vorteil. Ist eine Übung gut einstudiert so schaffen es die Musiker sofort in ein Flow-Gefühl einzutauchen und können sich auf das Wesentliche konzentrieren: „Wie höre ich mich auf der fremden Bühne, welche Register nehme ich wahr, was kann ich zu einem guten Gesamtklang beitragen“…”
Alois Papst
Ein herzliches Dankeschön an Gunnar Merkert und Alois Papst für ihre Beiträge! In der folgenden Ausgabe – Teil 6 – lassen uns Joachim Pfläging und Philip Steffe an ihren Gedanken zum Thema Einspielen teilhaben.
Teil 1 – Joop Boerstoel und Stéphane Dellay
Teil 2 – Franco Hänle
Teil 3 – Marianne Halder und Dominik M. Koch
Teil 4 – Jochen Lorenz und Michael Meininger
Teil 5 – Gunnar Merkert und Alois Papst
Teil 6 – Joachim Pfläging und Philip Steffe
Teil 7 – Mathias Wehr und Wolfgang Wössner
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