Bläserklasse im Musikverein: Der Königsweg in der instrumentalen Grundausbildung?

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Eine optimalere Konstellation kann es eigentlich nicht geben als die Kooperation von Musikverein, Grundschule und Musikschule in der instrumentalen Grundausbildung von Kindern. Und doch berichten Musikvereine, dass zu wenige Kinder nach der Bläserklasse in deren Jugendensembles weitermachen und noch viel weniger junge Musiker:innen letztendlich in den großen Blasorchestern (auch „Stammorchester“, „Erwachsenenorchester“, „bei den Großen“ oder schlicht „Musikverein“, „Blaskapelle“, „Musikkapelle“ genannt) ankommen. Das System „Bläserklasse im Musikverein“ erscheint aus Sicht des Musikvereins nicht unbedingt nachhaltig zu sein.

Fragen wir zunächst mal nach dem „Warum“ der einzelnen Beteiligten: Warum das Modell Bläserklasse: Kooperation Musikverein mit Grundschule und Musikschule?

Aus Sicht der Kinder

Die Antwort auf die Frage „Warum sollen Kinder innerhalb eines Bläserklassenprojekts ein Instrument lernen“ lässt sich sehr einfach beantworten: Es ist sehr viel spaßiger, gleich von Anfang an in einem Ensemble, zusammen mit seinen Schulfreunden zu spielen.

Die „Erwachsenen-Argumente“: Unter bestimmten Voraussetzungen lernen die Kids leichter und schneller. Besonders Rhythmus, Intonation, das Hören aufeinander und das Zusammenspiel wird von Anfang an geschult – was im Einzelunterricht eher schwieriger ist.

Die Voraussetzungen sind:

  1. Ein:e Bläserklassenleiter:in, die/der nicht nur eine C3-Ausbildung sondern auch eine spezielle Bläserklassen-Ausbildung hat. Alternativ ein:e studiert:e Musiklehrer:in, die an der Musikhochschule oder der Pädagogischen Hochschule nicht nur das Fach „Ensemble-Leitung“ sondern auch „Leitung einer Bläserklasse“ belegt hat (gibt’s das überhaupt schon?) oder zumindest eine spezielle Bläserklassen-Fortbildung besucht hat. Die/Der Bläserklassenleiter:in versteht seinen Job als richtigen Unterricht und studiert nicht nur Stücke ein.
  2. Instrumentallehrer:innen, die Hand in Hand mit dem/der Bläserklassenleiter:in arbeiten, die zu 100% hinter dem Modell stehen und das Spielen in einem Blasorchester absolut befürworten.

Aus Sicht des Musikvereins

Der Musikverein möchte für seinen Nachwuchs sorgen – damit er auch in Zukunft noch mit einer ausreichenden, ausgewogenen Besetzung spielen kann. Er sucht dabei einen Weg, bei dem die Kinder und Jugendlichen optimal auf das Spielen im Orchester vorbereitet werden. Durch das Eingehen einer Kooperation mit Grundschule und Musikschule wird einiges an organisatorischem Aufwand ausgelagert. Es müssen nicht unbedingt eigene Instrumentallehrer angestellt werden und auch nicht unbedingt eigene Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden, da Bläserklassen- und Instrumentalunterricht in der Schule stattfinden können. Der Musikverein möchte die Grundausbildung so günstig wie möglich anbieten.

Aus Sicht der Grundschule

Bläserklasse ist ein hervorragendes Angebot für die Ganztagsbetreuung. Die Bläserklassen können zu einem Aushängeschild der Schule werden. Die Grundschule kann sich durch die Bläserklasse ein musikalisches Profil geben.

Aus Sicht der Musikschule

Mittlerweile gibt es an mehr und mehr Grundschulen eine Ganztagsbetreuung. Ab dem Schuljahr 2026 hat jedes Kind im Grundschulalter einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung. Das schränkt die Zeiten ein, in denen das Kind in den Unterricht gehen kann und auch die Übe-Zeiten. Alternative Unterrichtsmethoden und -zeiten sind zur Beschäftigung der Lehrer:innen der Musikschule also gefragt.

Warum überhaupt die Kooperation mit der Grundschule und nicht mit der weiterführenden Schule?

Besonders in ländlichen Gebieten gibt es die Grundschule oft am Ort oder sehr nahe in einem Nachbarsort. Weiterführende Schulen wie Realschulen, Gymnasien, Gemeinschaftsschulen oder ähnliches sind meist in den größeren Gemeinden/Städten. Die Nähe zu den einzelnen Musikvereinen ist hier oft nicht gegeben. Außerdem gehen Kinder von sehr viel mehr verschiedenen Ortschaften in die weiterführenden Schulen, so dass es bei einem Einbezug von mehreren Musikvereinen und Musikschulen sehr viel komplizierter wird. Außerdem ist es aus Sicht des Musikvereins wichtig, dass sie die Kinder so (vertretbar) früh wie möglich „abholen“. Die dritte Klasse für den Beginn ist ideal. Dennoch gibt es natürlich sehr viele Bläserklassen in weiterführenden Schulen. Dann aber nicht in Kooperation mit den Musikvereinen. Oftmals findet nicht einmal eine Zusammenarbeit statt. Am Ende des Beitrags dazu mehr!

Das System Bläserklasse im Musikverein in Kooperation mit Grundschule und Musikschule dauert zwei Jahre. Dritte und vierte Klasse. Diese zwei Schuljahre bieten nichts anderes als die musikalische Grundausbildung am Instrument. Der Spaß und die Freude ein Instrument zu Lernen steht hier vor allem anderen im Vordergrund. Es geht in diesen zwei Jahren allerdings nicht mit den reinen Bläserklassen-Stunden als alleiniger Unterricht. Ein paralleler Instrumentalunterricht eines Fachlehrers ist für die korrekten Grundlagen, vor allen Dingen von Ansatz und Haltung des jeweiligen Instruments, zwingend notwendig. Falscher Ansatz und eine falsche Haltung lassen sich später nur sehr schwer korrigieren. Optimaler Weise geht der Bläserklassenleiter eine spezielle Bläserklassenschule mit den Kindern in diesen zwei Jahren durch. Am Ende der Bläserklassenstunde schreiben die Kinder in ihre Bläserklassenschule die Übungen bzw. Nummern auf, die im kommenden Einzelunterricht vorbereitet werden sollen.

Die gängigsten Bläserklassenschulen sind:

Nach diesen zwei Jahren brauchen die Kinder nicht nur weiterhin ihre jeweiligen Instrumentallehrer:innen, sondern auch geeignete Jugendensembles in den Musikvereinen. Und genau das ist die erste „Sollbruchstelle“ im Musikverein. Nicht alle Musikvereine haben Jugendensembles wie Vor- oder Kinderorchester als Vorstufe eines Jugendorchesters, in denen die Kinder nach den zwei Bläserklassen-Jahren gemäß ihrem Kenntnisstand musizieren können. Viele Musikvereine betreiben Jugendorchester in Kooperation mit mehreren Vereinen zusammen, aber nicht unbedingt auch noch ein Vor- bzw. Kinderorchester. Die jungen Musiker:innen, die bereits im Jugendensemble musizieren, müssen sich darauf einlassen, wieder leichtere Stücke zu spielen, damit die neu hinzu kommenden auch mithalten können. Den schmalen Grat zwischen Unter- und Überforderung der jungen Musiker:innen unterschiedlichen Alters kennen viele Jugend-Dirigent:innen. Der/die Dirigent:in der Jugendensembles braucht eine ausgeprägte musikalische, pädagogische, didaktische und soziale Kompetenz mit viel Erfahrung.

Aber selbst wenn es geeignete Jugendensembles für die Bläserklassen-Kids als Anschluss ihrer 2-Jährigen Grundausbildung gibt, ist es nicht selbstverständlich, dass sich alle wirklich für die Jugendkapelle entscheiden. Der allgemeine Tenor, den ich aus der Musikvereinsszene höre, ist, dass leider nach der Bläserklasse nicht alle Kinder mit Instrumentalunterricht und dem Spielen im Jugendensemble weitermachen. Vor kurzem habe ich bei 11 Bläserklassen-Verantwortlichen (von Kooperationen Musikverein, Grundschule und Musikschule) nachgefragt, wie viele Kinder tatsächlich weitermachen. Von 10% über 30-40%, 50-70%, 75% bis hin zu 90-95% war alles dabei. Nur ein Bläserklassen-Leiter konnte übrigens angeben, dass letztendlich ca. 10-15% im Großen Blasorchester des Musikvereins landen. Das sind – mit 11 befragten Bläserklassen-Verantwortlichen – nur kleine Stichproben. Es wäre sicherlich interessant, hier eine größer angelegte Umfrage durchzuführen. Aber diese Stichproben bestätigen meinen subjektiven Eindruck, den ich durch viele Gespräche mit Vereinsverantwortlichen in Online-Seminaren, Workshops und Zukunftswerkstätten in den Musikvereinen gewonnen habe: viele Kinder machen nach den zwei Bläserklassen-Jahren Schluss.

Warum ist das so? Nun, ich habe Vermutungen auf Grund von Beobachtungen vieler Bläserklassen-Projekte in Kooperation Musikverein mit Grundschule und Musikschule.

Diese Vermutungen wollte ich überprüfen und habe den oben schon genannten 11 Bläserklassen-Verantwortlichen einige Fragen dazu gestellt.

Vermutung Nr. 1: Es besteht keine Bindung von Musiker:innen des Musikvereins zu den Bläserklassenkindern. Der Musikverein bindet die Bläserklassen-Kinder nicht in die Vereinsaktivitäten ein.

Diese Bindung fehlt im übrigen auch zu den älteren Auszubildenden, also den jungen Musiker:innen in den Jugendensembles. Die „Alten“ kennen die „Jungen“ nicht. Warum nicht? Fehlendes Interesse oder fehlende Gelegenheiten? Das Zusammentreffen der Generationen wird in den Musikvereinen zu wenig gefördert.

Die 11 befragten Bläserklassen-Verantwortlichen (fast durchweg Bläserklassenleiter) berichten fast alle davon, dass sie ihre Bläserklassen in Konzerte und Veranstaltungen einbinden. Und zwar dahingehend, dass die Bläserklasse beispielsweise beim Dorffest spielt, in einigen Fällen im Konzert und bei den Jugendkonzerten, Vortragsnachmittagen der Jugend und/oder der Instrumentenvorstellung für den neuen Jahrgang.

Ein Bläserklassenleiter berichtet, dass es ein gemeinsames Sommerfest aller Ensembles des Musikvereins inklusive Bläserklasse mit Spiel und Spaß gibt, außerdem sind alle Bläserklassen-Kids mit ihren Familien beim Familientag eingeladen. Ein weiterer Bläserklassenleiter schrieb, dass die Kinder auch bei Ausflügen und Arbeitseinsätzen beim Dorffest eingebunden werden.

Ein Bläserklassenleiter schrieb, dass eine Bindung der Bläserklassen an den Musikverein von Seiten der Grundschule nicht erwünscht ist. Er gibt an, dass dies der Grund ist, warum es sehr hohe Anmeldezahlen für die Bläserklasse gibt.

Eine weitere Bläserklassenleiterin ist der Überzeugung, dass die Bindung an den Musikverein für die Bläserklassen-Kids nicht wichtig ist. Und ja, aus Sicht der Kinder ist das so. Sie denken schließlich nicht „an später“, sondern wollen im Moment einfach Spaß beim Lernen und Spielen ihres Instrumentes haben.

Vermutung Nr. 2: Es kümmern sich zu wenige Personen des Musikvereins um die Bläserklassenkinder.

Vier Bläserklassenleiter berichten, dass der Musikverein zwar Kooperationspartner ist, aber in der Organisation komplett außen vor ist. Auch die Akquise läuft über die Musikschule und die Grundschule. Einige geben an, dass sich ein bis zwei Leute des (jeweiligen) Musikvereins kümmern. Meist der Jugendleiter, manchmal noch die/der Jugenddirigent:in. Nur einer der 11 befragten Bläserklassenleiter schreibt, dass er (in Personalunion als Dirigent aller Ensembles des Musikvereins), eine speziell für die Bläserklassen beauftragte Dame und der Kassierer sich um die Bläserklassen kümmern. Außerdem steht die komplette Vorstandschaft komplett hinter der Kooperation und unterstützt, wo sie kann.

Mein Eindruck ist, dass die Jugendleiter in den Musikvereinen teilweise sehr strapaziert werden. Allein die Kooperation Bläserklasse braucht ein bis zwei Leute, die sich intensiv um die Kinder (zusätzlich zum Bläserklassenleiter) kümmern. Beispielsweise um die Instrumente, die Shirts, als Aufpasser bei Auftritten, um die Organisation und Durchführung von außermusikalischen Aktivitäten, die Einbindung in das Vereinsgeschehen und vieles mehr. Der „normale“ Jugendleiter im Musikverein hat schließlich noch sehr viele andere Aufgaben zu erledigen, wie die Kinder und Jugendlichen, die in den Jugend-Ensembles spielen, zu betreuen und nicht zuletzt auch die Jugend, die bereits im Großen Orchester spielt.

Fast alle der 11 befragten Bläserklassen-Verantwortlichen sind übrigens nicht nur Bläserklasssenleiter, sondern bringen sich auch aktiv in die Organisation ein und erledigen die komplette Kommunikation mit den Eltern (in manchen Fällen mit Unterstützung der Grundschul-Leitung/-Sekretariat). Wenn ich so lese, was mir diese Bläserklassen-Verantwortlichen geschrieben haben, kommt es mir vor, als würden diese teilweise die komplette Bläserklassen-Kooperation alleine stemmen.

Vermutung Nr. 3: Die Eltern nehmen zwar gerne das kostengünstige „Einsteiger-Modell Bläserklasse“ für ihre Kinder an, haben aber zu wenig Interesse daran, ihren Kindern die weitere musikalische Ausbildung am Instrument zu ermöglichen und schon gar nicht, dass die Kinder Teil des Musikvereins werden.

Wenn diese Vermutung stimmt, haben wir im Musikverein einen schweren Stand. Eltern, die gegen Vereine und die Bindung, die Vereine nach sich ziehen, sind, können kaum davon überzeugt werden, dass das Spielen in einem Orchester eine sehr erfüllende und lebenslang erfreuende Freizeitgestaltung ist und es sich lohnt, ihren Kindern dies zu ermöglichen. Besonders nicht, wenn die Eltern selbst keine musikalische oder Orchester-Erfahrung in ihrem Leben gemacht haben. Oder wenn sie den Musikverein gerade dann gehört haben, als dieser nicht gerade in Bestform war. Ihn also negativ wahrgenommen haben. Oder wenn sie den Musikverein in ihrer Gemeinde als „Saufclub“ erlebt haben. Oder wenn sie überhaupt noch nie mit dem Blasorchester in Berührung gekommen sind.

Nun, wir selbst, in den Musikvereinen können sehr viel falsch machen. Ein negatives Image ist schneller aufgebaut als ein positives. Wenn wir behaupten, dass es toll ist, in unserem Blasorchester zu spielen, dann muss es das auch sein. Wir müssen uns regelmäßig in der Gemeinde präsentieren und jeden Auftritt als Werbung für uns und unser Hobby betrachten. Mit dem, was wir tun, unser Publikum erfreuen und begeistern und keinesfalls erschrecken…

Vermutung Nr. 4: Das Jugendensemble des Musikvereins wird von den Bläserklassen-Kids weder als attraktives Ziel, das erreicht werden will, noch als Ort einer spaßigen, lustvollen Freizeitgestaltung wahrgenommen. Das Große Blasorchester des Musikvereins schon gar nicht.

Wenn es keine Berührungspunkte in Richtung gemeinsamer Aktionen gibt, dann können die Bläserklassen-Kids auch nicht wissen, dass die Jugendkapelle ein lohnenswertes Ziel ist. Wenn die „Großen“ keine Vorbilder für die „Kleinen“ sind, ebenso nicht.

Vermutung Nr. 5: Wenn der/die Bläserklassen-Leiter:in auch die Dirigent:in des Vororchesters bzw. Jugendorchester oder des Großen Blasorchesters des Musikvereins ist und sich aktiv in die Akquise der Kinder und Organisation der Kooperation im Allgemeinen und der jeweiligen Bläserklasse an sich einbringt, funktioniert die Kooperation Bläserklasse im Musikverein mit Grundschule und Musikschule am besten.

Wie oben schon einmal geschrieben sind fast alle der 11 befragten Bläserklassen-Verantwortlichen, die meine Fragen beantwortet haben, auch der/die Bläserklassen-Leiter:in. Die meisten davon sind gleichzeitig Dirigent:in des Hauptorchesters, der Jugendkapelle oder wenigstens auch Instrumentallehrer, beispielsweise für das komplette Blech. 10 von den 11 Befragten berichten von hervorragend laufenden Bläserklassen-Kooperationen von Musikverein mit Grundschule und Musikschule. Daraus folgere ich, dass es hoch motivierte, sehr engagierte und fachlich top ausgebildete Bläserklassenleiter:innen braucht, damit die Kooperation Bläserklasse im Musikverein mit Grundschule und Musikschule ein großer Erfolg wird. Alle 11 befragten Bläserklassen-Verantwortlichen sind das. Ihr Herzblut, das sie in die Sache stecken, kann man aus ihren Antworten raus lesen. Die Tatsache, dass sie quasi für „ihr“ Jugendorchester oder Blasorchester ausbilden, motiviert vielleicht extra. Ein Glücksfall also, wenn Jugenddirigent:in oder der Dirigent des Erwachsenen-Ensembles die hohe Motivation mitbringt, auch die Bläserklasse zu unterrichten.

Eine der 11 Bläserklassen-Verantwortlichen (eine Bläserklassen-Leiterin) hat in ihren Antworten auf Grund der passiven Haltung des zur Bläserklasse gehörenden Musikvereins ihre Vorstellungen einer guten Zusammenarbeit so formuliert:

  • Überlasst die Betreuung der Bläserklasse nicht nur den Lehrern der Musikschule und dem Bläserklassenleiter (extern). Seid präsent und unternehmt etwas mit den Kindern. 
  • Enge, klare Kommunikation mit Musikschule und Schule ist zwingend notwendig und darf nicht nur der externen Orchesterleitung überlassen werden.
  • Alle Musiker oder zumindest ein Team aus engagierten Musikern sollten den Kontakt halten und sich für die Fortschritte, Bedürfnisse und Integration der Kinder kümmern.
  • Ein frühes Kennenlernen und Erfahren dürfen der anschliessenden Orchestermöglichkeiten ist dringend notwendig.
  • Eine stabile, spielfreudige Bläserklasse ist die beste Werbung für die nächsten Jahrgänge. Ein gutes Instrumentenkarussell mit erfahrenen Lehrkräften führt in die richtige Richtung.
  • Regelmässige Vorspiele und Elternabende ergänzend zu Gesprächen und informativen Mails ergeben eine gute Eltern-Kommunikation.
  • WIR sind der Musikverein – das muss von Anfang an klar sein.
  • … und für MEINEN Verein darf ich am Fest XY etwas tun – Waffeln backen, Getränke ausgeben, Gläser abräumen…

In ihrer eigenen Bläserklasse ist das so leider nicht vorhanden. Und um hier weiter gestaltend und wegweisend tätig zu sein, fehlt die Kraft, weswegen das Engagement zum Ende des Schuljahres ein Ende findet.

Eine Tatsache, die ich an Musikvereinen, die sich für das Ausbildungsmodell Bläserklasse im Musikverein in Kooperation mit Grundschule und Musikschule entschieden haben, zunehmend kritisiere, ist, dass sich die Musikvereine in ihrer Akquise nicht mehr um die Kinder kümmern, die sich Ende der 2. Klasse zufällig nicht für das Bläserklassen-System entschieden haben. Aus welchen Gründen auch immer sie sich nicht entschlossen haben, zu dem Zeitpunkt ein Instrument zu lernen. Alle diese Kinder werden nicht mehr „umworben“…

Und um endlich die Eingangsfrage „Bläserklasse im Musikverein: Der Königsweg in der instrumentalen Grundausbildung?“ zu beantworten: Bläserklasse im Musikverein in Kooperation mit Grundschule und Musikschule kann ein Königsweg sein. Es müssen allerdings viele Parameter stimmen und es braucht mehrere top engagierte Personen, die sich ständig mit viel Herzblut kümmern.

Instrumentalunterricht plus Anfängerensemble als Alternative

Eine Alternative zum Bläserklassen-System wie eben beschrieben ist, Kinder und Jugendliche für das Spielen eines Instruments des Blasorchester zu begeistern, den Instrumentalunterricht entweder mit eigenen Kräften, der vereinseigenen Bläserschule oder in Kooperation mit der Musikschule organisieren und gleichzeitig, von Anfang an ein Anfänger-Ensemble anzubieten. Literatur für solche Anfänger-Ensembles – neben den gängigen Bläserklassenschulen, die natürlich auch verwendet werden können – gibt es viel. Empfehlen möchte ich:

Bläserklassen an weiterführenden Schulen

Wie oben schon geschrieben, gibt es an sehr vielen weiterführenden Schulen Bläserklassenprojekte – meist 5. und 6. Klasse. Für Deutschland gilt: je nördlicher, desto mehr Bläserklassen in Gemeinschaftsschulen, Gesamtschulen, Realschulen und Gymnasien. Als die große Bläserklassen-Bewegung vor ca. 25 Jahren auf Grund des massiven Engagements der Instrumentenfirma Yamaha und der groß angelegten Werbekampagnen des Musikverlags De Haske für das Schulwerk Yamaha Bläser Klasse (mittlerweile auf Grund ausgelaufener Lizenzen vergriffen) und später Essential Elements, einen großen Aufschwung bekam, sind zuerst die weiterführenden Schulen auf den Zug aufgesprungen. Auch deshalb, weil diese Schulen im Fokus der Werbemaßnahmen standen. Dabei war es kein Thema, die Schüler:innen für das Spielen im örtlichen Musikverein bzw. Blasorchester auszubilden, sondern überhaupt zum Spielen eines Instruments zu gewinnen. Die Blasorchester bzw. Musikvereine haben erst später gemerkt, dass Bläserklasse für sie ein gewinnbringendes Modell sein kann. Ebenso haben sie gemerkt, dass Bläserklasse für sie nur in der Grundschule in Frage kommt, da die Kinder sonst schon andere Freizeitaktivitäten gefunden haben – Klasse 5 ist für die Musikvereine zu spät. Mittlerweile gibt es eine riesengroße Bläserklassen-Bewegung an den weiterführenden Schulen ab Klasse 5, die sehr selbstständig neben den Musikvereinen besteht. Viele Musikvereine klagen, dass diese Kinder und Jugendlichen nicht zu ihnen kommen, sondern lieber in den Schulensembles, die als logische Folge der Bläserklasse in Klasse 5 und 6 für die höheren Jahrgangsstufen entstanden sind, spielen. Nüchtern betrachtet stellen die Bläserklassen-Instrumentalist:innen natürlich ein großes Potential für die Blasorchester in den zur Schule gehörenden Gemeinden dar. Nur, auch hier gilt: Sind die Musikvereine attraktiv genug? Und: haben die Kinder und Jugendlichen überhaupt noch genügend Freizeit, um auch noch im örtlichen Jugendblasorchester oder Musikverein zusätzlich zu ihrem (musikalischen) Schul-Engagement, zu spielen? Meiner Meinung nach ist es nicht tragisch, wenn wir diese Schüler:innen nicht motivieren können, in unseren Blasorchestern zu spielen. Aber wenn sie die Schule beendet haben, können wir ihnen eine schöne Heimat bieten, ihr Instrument weiterhin in einem Blasorchester zu spielen.

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    4 thoughts on “Bläserklasse im Musikverein: Der Königsweg in der instrumentalen Grundausbildung?

    • 27. Juni 2022 at 19:39
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      Liebe Alexandra,
      ein wichtiges Thema, zu dem ich aber gerne eine weitere Vermutung ergänze: Mit Schule und Verein treffen zwei völlig unterschiedliche Systeme und Denkwelten aufeinander. Während die Schule auf Pflichtanwesenheit und festen Strukturen (Stundenpläne, Hierarchien) aufbaut, fußt das Vereinswesen auf Freiwilligkeit, Freiräumen und Engagement. Das erzeugt ganz unterschiedliche Erwartungshaltungen, die den beteiligten Partner oft nicht bewusst sind und wenn, dann werden sie nur selten kommuniziert.
      Daraus ergeben sich strukturelle Fragen, beispielsweise nach der „Sollbruchstelle“ nach der 4. Klasse (oder zu einem andern Zeitpunkt) aus Sicht der jungen Menschen: „Will ich das Instrument aus der Schulzeit mit in meine Freizeit nehmen?“ Aus vielerlei Gründen sind das meist nicht viele Kinder (Kosten, Zeitmanagement, Erreichbarkeit…)
      Dazu kommt: die Bläserklasse wird tendenziell als Teil der Schulzeit wahrgenommen. Die Konsequenz daraus ist, dass Eltern oftmals nicht einmal erkennen (können), dass ein Verein hinter der Bläserklasse steckt. Zudem wissen junge Eltern teils nicht mehr, was „Verein“ überhaupt bedeutet. Viele Menschen der heutigen Elterngeneration kennen so etwas wie Vereinsleben nicht mehr aus eigener Erfahrung. Ich würde gar nicht so weit gehen, dass sie von einem schlechten Image beeinflusst würden; sie haben einfach noch gar keine Vorstellung davon, was „Musikverein“ bedeutet. Das müssen wir mehr erklären – und uns das „wer/was sind wir?“ überhaupt erst einmal bewusst machen.
      Bei Vereinen wurde in der Vergangenheit eine schwierige Erwartung durch Bläserklassen geweckt, nämlich stets (und schnell) hohen Nachwuchszahlen zu generieren – wo direkt davon ausgegangen wurde, dass diese sich mittelfristig im Orchester widerspiegeln. Dabei stelle ich mir die Frage: Was ist denn eine „gute Quote“? Das Ziel einer Bläserklasse sollte vor ihrer Einrichtung realistisch definiert sein. Ist es nicht schon immer so gewesen, dass “am Ende” eh nur 10-15% eines Jahrgangs in den Orchestern landet? Ist das nicht sogar auf Dauer ausreichend, wenn man im Durchschnitt aus jedem Jahrgang etwa 1 oder 2 Personen hat? (In der Summe aller „aktiven Jahrgänge“, so grob zwischen 15 und 65.)
      Nur auf die Schnelle ein paar Gedanken… Trotzdem sind Bläserklassen natürlich wichtige Einrichtungen: Allein schon, weil sie Chancen bieten, dass viele Kinder zumindest eine Zeit lang ein Instrument in der Hand halten und die Musik als Kulturgut kennenlernen.

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      • 27. Juni 2022 at 19:41
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        Lieber Philipp, vielen Dank, interessante Aspekte!
        Viele Grüße, Alexandra

        Reply
      • 30. Juni 2022 at 17:25
        Permalink

        Philipp Maier, das sind gute Ergänzungen.
        Mich wundert, dass das Konzept Bläserklasse in der Grundschule nicht viel mehr hinterfragt wird. Da stecken wohl mittlerweile so viele Ressourcen drin, dass man Angst hat, eine musikpädagogisch, inhaltliche Diskussion zu beginnen. Für mich liegt hier der Kern des Problems. Es war ein grundlegender Fehler, den alt-hergebrachten Anfangszeitpunkt im Einzelunterricht (Klasse 3) einfach auf das Modell Bläserklasse zu übertragen. Es ist nicht möglich, dass dies in der Fläche funktioniert. (Mir ist bewusst, dass es Ausnahmen gibt, wo Vereinsmodelle gut laufen. Wäre das aber in der Fläche so, hätte Alexandra Link ihren Artikel oben nicht geschrieben.) Es gibt so viele Argumente, die gegen diesen frühen Beginn am Instrument im Klassenunterricht sprechen. Ich kann hier nicht alles ausführen, da ich dann mehrere Stunden am schreiben wäre.
        Nur dieses: In USA und Japan, wo diese Klassenmusizier-Modelle herkommen, fangen die Kinder in der Regel in Klasse 6 an. Es gibt Untersuchungen die belegen, dass der Anfangszeitpunkt (ob Klasse 5, 6 oder 7) für die Fähigkeiten am Instrument mit 15 oder 16 Jahren keine wesentliche Rolle spielt. Auch weiß man, dass die Abbrecher-Quote umso höher ist, je früher in Klassenmusizier-Modellen begonnen wird.
        Trotzdem hält man bei uns an dem fest, was man einmal begonnen hat und noch schlimmer – trotzdem werden solche Modelle weiterhin ins Leben gerufen. Und das, obwohl die ganzen Schwierigkeiten inzwischen bekannt sind.
        Ich verstehe das nicht. Man weiß wie es geht. Warum macht man es anders, verschwendet Ressourcen und lässt zu, dass viele Kinder die Freude an der Musik schnell wieder verlieren?
        Es würde ausreichen, wenn jede Grundschule einen guten Kinderchor hätte und jährlich ein Musical aufführt. Vielleicht in Kooperation mit einem Ensemble des örtlichen Musikvereins.
        Ich bin mir mit meiner Erfahrung aus 20 Jahren Bläserklasse an einer weiterführenden Schule ganz sicher, dass die Amateurorchester in wesentlich höherem Maße von diesen Kinderchören profitieren würden, als von allen Grundschulen-Bläserklassenprojekten zusammen. Nebenbei wäre der Ressourcen-Einsatz ein Bruchteil dessen, was in den Grundschulen-Bläserklassen eingesetzt wird.
        Mir ist klar, dass ich hier quasi gegen Windmühlen anrede. Hätte ich jedoch nicht eines der größten Bläserklassenmodelle in Deutschland aufgebaut, das nach 20 Jahren und nach Corona immer noch weiter wächst und sich weiter entwickelt, würde ich das nicht sagen.
        Und aus dieser Erfahrung heraus widerspreche ich Philipp Maier in einem Punkt ganz entschieden. Eine langfristige Weitermach-Quote von 10-15% wäre eine Bankrotterklärung für ein Bläserklassen-Modell. Das kann und darf nicht der Anspruch sein. Vielmehr ist die angebliche Tatsache, dass dies “vielleicht schon immer so ist” noch viel mehr Begründung dafür, Kinder nicht in der dritten Klasse ein Blasinstrument in die Hand zu drücken.

        Reply
    • 30. Juni 2022 at 22:14
      Permalink

      Liebe Alexandra und alle, die kommentieren,
      Das ist ein hervorragendes Thema, das auch mich sehr interessiert… ich habe auch begonnen, dieses System hier in Deutschland, wo ich unterrichte und arbeite, zu hinterfragen, da ich in einem Land aufgewachsen bin, in dem dieses “Bläserklassensystem” seit Jahren funktioniert.
      Ich freue mich darauf, mehr zu lesen, und vielleicht können wir gemeinsam etwas Besseres für die Zukunft der Musikausbildung schaffen!

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