Die Bläserklasse für Erwachsene im Orchesterverein Wadgassen
Ein Interview mit dem Dirigenten Dr. Björn Jakobs
Was hat Euch bewogen, eine Bläserklasse für Erwachsene ins Leben zu rufen, wann habt Ihr begonnen und welche Ziele möchtet Ihr erreichen?
Eigentlich war es nie unser ureigenes Ziel, eine Erwachsenenbläserklasse zu gründen. Natürlich hatten wir von anderen Vereinen gehört, die dies erfolgreich vorgemacht hatten, aber dass dies in einem kleinen Ort wie Wadgassen funktionieren könnte, stand nie zur Debatte. Begonnen hatten wir im September 2021. Ulrike, eine Bekannte, hatte mich angefragt, ob ich nicht Lust hätte, eine Satzprobe bei ihr zuhause durchzuführen. Hintergrund der Geschichte war, dass der Landesmusikrat Saar ein auf zwei Jahre begrenztes Projekt am Laufen hatte, das Erwachsene zum Instrument bringen sollte. 70 Personen hatten sich dort angemeldet, und 5 interessierte Trompeter aus diesem Orchester, die ich an diesem Tag anleiten sollte, trafen sich just zu einer kleinen Sonderprobe. Nachdem wir fertig waren wollten sie mehr, doch ich war skeptisch. Ich hatte jahrelang ein gut aufgestellten Schülerorchester mit mehr als 40 Musikern geleitet, sollte ich jetzt wirklich wieder mit 5 Personen musizieren? Als ich zuhause meiner Frau von der Idee erzählte, motivierte sie mich und meinte, dass dieser Aufbau ganz schnell gehen könnte. Und so kam es auch. Zur zweiten Probe erschienen 12, zur dritten 17. Mittlerweile, nach vier Monaten kommen wir bei knapp 30 Personen, und die Zahl der Auszubildenden wächst rasant. Obwohl ich derzeit noch auf Sicht fahre, ist das gemeinsam erklärte Ziel, bis Weihnachten 2022 mindestens drei kleine Konzerte hinter uns gebracht zu haben. Für 2023 ist die Teilnahme an den Wertungsspielen anvisiert.
Wie sieht das Konzept Eurer Bläserklasse für Erwachsene aus? Wer ist für die Organisation und wer ist für die musikalische Ausbildung am Instrument verantwortlich?Welche (Kooperations-)Partner sind beteiligt? Wie sieht der Unterricht im Einzelnen aus?
Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt half dem Projekt, das wir in einer Gemeindebläserklasse aufgehen lassen möchten, mit 50000 Euro finanziell gewaltig auf die Sprünge. Ohne diese Förderung, die dabei half einen Instrumentenpool zu stellen (3 Tuben, 3 Posaunen, 2 Euphonien, 2 Baritonsaxe, Keyboard), wären wir gerade im tiefen Blech noch lange nicht so weit. Zusätzlich konnten wir professionelle Lehrer engagieren, die mit kostenlosem Unterricht Interessenten für tiefes Blech anlockten. Ein weiterer Teil der Förderung geht gegenwärtig in die Bewerbung im Social Media Bereich. Wir bekommen im Frühjahr eine eigene Webseite, einen Promotionfilm und neue Flyer, die weitläufig eingestreut werden. Wie wichtig diese Werbung im Internet ist können wir mittlerweile daran erkennen, dass fast alle Anfragen über Facebook, Instragram oder WhatsApp laufen. Die herkömmliche Ausbildung läuft über Lehrer der Musikschule, bei denen die Mitspielenden einmal pro Woche Einzelunterricht haben. Montags treffen wir uns gemeinsam, um die Stücke dann als Orchester zu üben. Da ich im Vergleich sehe, was Gruppenunterricht woanders bewirkt, kann ich nur für den Einzelunterricht werben, auch wenn er etwas teurer ist. Aber die Erfolge stellen sich viel schneller ein und sind in der fragilen Anfangsphase meiner Ansicht nach sehr wichtig.
Die Organisation übernehmen Ehrenamtler des Orchestervereins, sie verteilen mit mir die Noten, planen die Konzerte und statten die Musiker/innen mit einheitlichen Poloshirts aus. Uns ist es zu Beginn wichtig, auf bekannte Literatur zu setzen, um die Motivation hochzuhalten. Als Lehrer spreche ich da vom Anknüpfen am Erfahrungshorizont. Auch wenn der „Wellerman“, „Eye of the tiger“ oder der „Fluch der Karibik“ nicht zur etablierten Blasmusikliteratur zählen, bringen sie dem Orchester doch die Spielfreude, die zu Beginn erforderlich ist.
Was waren die besonderen Herausforderungen vor dem Start des Projekts Bläserklasse für Erwachsene und welche Schwierigkeiten gibt es im laufenden Betrieb?
Die Herausforderungen liegen darin, dass unsere Bläserklasse nicht wie üblich bei Null entstand. Bei uns trafen sich Wiedereinsteiger, Neuanfänger und Personen, die bereits 1-2 Jahre spielten. Das machte einen Probeneinstieg natürlich schwierig. Aus diesem Grund verwende ich noch heute Flex-Noten, bei denen die Spieler je nach Leistungstand hin und her switchen können. Ebenso baue ich meine Proben so auf, dass auf ein schwereres Stück immer ein leichtes folgt, bei dem alle mitkommen können. Die zweite Herausforderung lag darin, dass wir leider keine homogene Besetzung hatten. Erst durch die finanzielle Förderung und der Anschaffung tiefer Holz- und Blechblasinstrumente wird sich diese im Laufe des Jahres 2022 allmählich verbessern. Drittens bringt Corona Probleme mit sich, denn eine vollständige Besetzung hatten wir noch nie. Viele Musiker haben schon ein gestandenes Alter erreicht und sind verständlicherweise vorsichtig. Aber wir hoffen auf einen entspannteren Frühling.
Wo liegen für Euch die Vorteile der Bläserklasse für Erwachsene und welche Auswirkungen hat sie für Euer Hauptorchester?
In erster Linie sehe ich die Vorteile der Bläserklasse bei den Mitspielenden. Eine Erwachsenenbläserklasse schafft ja ungeahnte Möglichkeiten für Personen, die sich im besten Alter befinden. Man hat regelmäßige soziale Kontakte, mindestens zwei feste Termine mit Unterricht und Probe in der Woche, Erfolgserlebnisse bei den Konzerten und feste Ziele vor Augen. Alles Dinge, die ein Mittsiebziger vielleicht niemals so nochmal erreichen könnte. Weiterhin möchten wir ja langfristig die Erwachsenenbläserklasse auch mit unseren schulischen Bläserklassen bei den Konzerten kombinieren. Und da lernen Junge von Alten und umgekehrt. Alle auf einem Level, ohne Starallüren oder Ängsten, vielleicht versagen zu können. Vielleicht ist diese Erkenntnis die Wichtigste, die man aus diesem Projekt herausziehen kann. Und wer weiß, vielleicht schafft es ja auch der ein oder andere, mehr aus seinen Ambitionen zu machen und spielt einmal im Großen Orchester des Vereins mit. Das Schöne ist ja, dass unser Verein so gut aufgestellt ist, dass alle Optionen auf dem Tisch liegen.
Gibt es jemanden in Eurer Bläserklasse für Erwachsene, der gerne ein paar Sätze zu seinen eigenen Erfahrungen für diesen Beitrag schreiben möchte?
Ulrike Federspiel: “Ich spiele Trompete in dieser Bläserklasse. Vor über 20 Jahren begann ich Trompete zu lernen, da ich mit meinem Sohn, der heute Jazz-Trompeter ist, ein Ständchen für seinen Papa zum 40-igsten Geburtstag spielen wollte. Ich blieb dabei und musizierte in Wadgassen zuerst im Schülerorchester, dann im Großen Orchester eine Weile mit. Aus beruflichen und privaten Gründen musste ich aufhören. 2019 suchte der Landesmusikrat Saarbrücken Erwachsenen ohne Vorkenntnisse und ich durfte trotzdem mitspielen. Das Projekt endet im Sommer 2022 und danach muss sich jeder einen Verein suchen, in dem er mitspielen kann.
Der Aufruf vom Orchesterverein Wadgassen, eine Erwachsenen-Bläserklasse zu bilden, kam wie gerufen. Mittlerweile sind wir 35 Musiker, es macht so viel Spaß in der Gemeinschaft wöchentlich zu proben und ich bin froh, dass ich wieder mit der Trompete im Einsatz bin und dazulernen kann. Björn Jakobs ist ein toller Dirigent, der uns an anspruchsvolle Stücke heranführt, damit wir am 14.05.2022 unser erstes Konzert mit noch dem Großen Blasorchester und Schülerorchester von Wadgassen absolvieren können. Ich freue mich schon darauf.”
www.Orchesterverein-Wadgassen.de
Pingback: Blasmusikblog Monatsrückblick März 2022 – Blasmusik