Die Europäischen Brass Band Meisterschaften 2019 in Montreux
Mit einem Interview mit Florian Nicklas von der Brass Band Regensburg und Statements von Andreas Seger (3BA), Alexander Richter (Deutscher Brass Band Verband) und Jappie Dijkstra (Brass Band Spezialist aus den Niederlanden)
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“Eine Holzbläserin in der Feuerhölle der Blechbläser“ habe ich es scherzhaft in meinem Blasmusikblog Monatsrückblick April 2019 genannt… Es klingt ein wenig überspitzt. Und wer noch nie bei Europäischen Meisterschaften der Brass Bands (kurz EBBC) war, kann das eventuell nicht ganz nachvollziehen. Aber die EBBC sind wirklich eine musikalische Feuerhölle aus Leidenschaft, Emotionen, Klängen, Höhen, Tiefen und Virtuosität! Nirgendwo auf der Welt wird ein musikalischer Wettbewerb leidenschaftlicher gefeiert als bei den EBBC.
Selbst als eingefleischte Blasorchester-Leute, solltet Ihr Euch dieses jährlich stattfindende Event wirklich einmal gönnen. Wobei das „Gönnen“ gar nicht so einfach ist. Erst einmal muss man sich sehr rechtzeitig um eines der 1.800 Tickets für dieses Event kümmern und dann sich auch noch die Mühe machen, zum jeweiligen Ort zu fahren – in diesem Jahr Montreux am Genfer See!
Apropos Tickets. Wie der Präsident des Europäischen Brass Band Verbandes, Ulf Rosenberg, in seiner gut gelaunten Eröffnungsrede in der Opening Ceremony bemerkte, waren die Tickets im freien Verkauf für Montreux bereits 5 Minuten nach Öffnung der Ticket-Online-Plattform verkauft…. Vielleicht zeigt Euch das etwas, was die Europäischen Brass Band Meisterschaften für die Brass Bands in Europa bedeuten.
Eines gleich vorneweg: Wir können sehr stolz auf unsere drei deutschen Bands 3BA Concert Band (Championship Section), die Brass Band Regensburg (Challenge Section) und die Jugend Brass Band Blechklang (Premier Section) sein. Sie haben Deutschland mehr als würdig in Montreux vertreten! Doch dazu später mehr…
Die Europäischen Brass Band Meisterschaften stehen nicht für sich alleine da. Sie sind eingebettet in ein ganzes Blechbläserfestival.
Bereits eine Woche zuvor startet die Europäische Jugend Brass Band mit ihren Proben. Diese aus 15 Ländern zusammen gestellte Band aus jungen BlechbläserInnen stand unter der Leitung von Bertrand Moren. Mark Sirok und Andreas Lugosi (beide Kornett) waren für Deutschland im Einsatz. Die Ergebnisse von einer Woche intensiver Probenarbeit durfte ich bei der Eröffnungszeremonie und im Galakonzert erleben. Hut ab! Diese Band, das kann man wohl so sagen, lebte den europäischen Gedanken in dieser Woche mehr als alle Europa-Politiker dieser Zeit zusammen.
Am Donnerstag des Festivals wurden in einem Konzert mit der Europäischen Jugend Brass Band und der Brass Band Treize Etoiles die Gewinner der European Composer Competition bekannt gegeben
Die Ergebnisse des Kompositionswettbewerbs:
1. A Dialogue of transmogrified Souls… – Daniel Hall
2. Ironbright – Paul Sagger
3. Bipolarity – Stijn Aertgeerts
Sowohl den Band- als auch den Publikumspreis erhielt Stijn Aertgeerts mit seinem Werk „Bipolarity“. In der Jury saßen John Pickard (England), Lucy Pankhurst (England) und Oliver Waespi (Switzerland).
Insgesamt gibt es bei den EBBC vier Kategorien bzw. Sections, in den die Bands antreten. In der Championship Section treten die besten Top-Bands Europas an. Diese mussten sich zuvor auf Landesebene qualifizieren – sprich, in ihren Ländern die nationalen Meisterschaften gewinnen. Ebenso die darunter liegende Challenge Section. Bei den Jugend Brass Bands gibt es ebenfalls zwei Kategorien: die Development Section und die Premier Section.
In der Championshop Section traten für ihre Länder an (Reihenfolge Programmheft):
Bayerische Brass Band 3BA Concert Band (Deutschland)
Brass Band Bürgermusik Luzern (Schweiz)
Brass Band Oberösterreich (Österreich)
Brass Band Willebroek (Belgien)
Brighouse & Rastrick (England)
Concord Brass Band (Dänemark)
Cory Band (Wales)
Eikanger-Bjørsvik Musikklag (Norwegen)
Göta Brass Band (Schweden)
Italian Brass Band (Italien)
Paris Brass Band (Frankreich)
Provinciale Brass Band Groningen (Niederlande)
Valaisia Brass Band (Schweiz, diese Band durfte als amtierender letztjähriger Meister als zweite Band für die Schweiz antreten)
In der Challenge Section:
1st Old Boys Band (Nordirland)
Annan Town Band (Schottland)
Brass Band Regensburg (Schottland)
Brass LT (Litauen)
Malaga Brass Band (Spanien)
In der Development Section (Jugend):
Eiland Silver Youth Band (England)
Brass Band Aukštyn (Litauen)
Smørås Skolemusikk (Norwegen)
Wardle Academy Youth Band (England, als letztjähriger Meister)
In der Premier Section (Jugend):
BML Talents (Schweiz)
Lions Youth Brass Band (England)
Youth Brass 2000 (England, als letztjähriger Meister)
Jugend Brass Band Blechklang (Deutschland)
Catch Basin Brass Band (Österreich)
Bei den EBBC gibt es einige Regeln, die anders als bei anderen musikalischen Wettbewerben sind. Die Jury zum Beispiel sitzt in einer Black Box (die dieses Mal weiß war). Die Juroren wissen nicht, welche Band auf der Bühne sitzt und können sie auch nicht sehen. Nur hören also, ohne zu wissen, wer gerade spielt. Die Reihenfolge der Bands wird erst jeweils zuvor ausgelost („Draw“ genannt). Die Reihenfolge der Championship Section für das Pflichtstück am Freitag morgen war also erst wenige Stunden bevor dieser Wettbewerb begann bekannt. Für die Challenge Section, die am Samstag morgen dran war, wurde ebenso am Freitag morgen gezogen. Die Reihenfolge der Championship Section Wahlstücke am Samstag Vormittag, war wieder nur wenige Stunden vor dem Wettbewerb bekannt.
Die Juroren werden bei der ganzen Veranstaltung komplett abgeschirmt. Die Zuschauer wurden mehrmals ermahnt, nicht zu viel in den Sozialen Medien zu veröffentlichen und die Juroren hatten wohl die Anweisung, sich aus den Sozialen Medien raus zu halten.
In der Championship Section spielen alle Bands – 13 in diesem Jahr – freitags ihr Pflichtstück. Dafür erhielt der Schweizer Ludovic Neurohr einen Kompositionsauftrag und schrieb „Dear Cassandra“ – ein Werk, das uns bleiben wird (anders als manche Pflichtstücke zuvor…, wenn ich gerade mal die Cassandra spielen darf), weil großartig! Ich weiß nicht, ob ich mir eine Harmonie-Fassung wünschen würde… es ist einfach genial so, wie es ist. Andererseits könnte ich mir vorstellen, dass manche Stellen durch Holzblasinstrumente noch emotionaler rüberkommen könnten.
Vergangenen Dienstag Nachmittag war kurzzeitig die Interpretation durch Eikanger-Bjørsvik auf Youtube online gestellt. Offensichtlich illegal. Ein paar Stunden später war das Youtube-Video durch den Rechteinhaber gesperrt. Ich hatte Gott sei Dank die Möglichkeit, das Werk nochmals anzuhören und war selbst beim Video wieder begeistert. Das hat allerdings auch mit der wirkungsvollen, absolut umwerfenden Interpretation durch Eikanger zu tun. Ich kann gar nicht beschreiben, was diese Band auf der Bühne abgeliefert hat… Schon im Pflichtstück war Eikanger meine top-favorisierte Band. Was für ein Erlebnis! Die Jury honorierte diese Leistung mit der höchsten Punktzahl von 98 von 100 Punkten im Teststück.
Sehr bemerkenswert, unsere 3BA erreichte die zweithöchste Punktzahl im Teststück mit 97 Punkten! Ein grandioser Erfolg und nochmals meine herzliche Gratulation an die 3BA!
Ich habe Andreas Seger von der 3BA gebeten, für diesen Beitrag ein kurzes Statement zu schreiben:
Gedanken zur Teilnahme der 3BA Concert Band an den EBBC 2019 in Montreux aus der Sicht von Andreas Seger (Euphonium):
„Für die 3BA Concert Band war die Teilnahme an den European Brass Band Championships in Montreux ein großartiger Erfolg. Mit Platz sieben im Gesamt-Ranking konnten wir die beste Platzierung seit unserem Debüt in der Championship Section 2015 erzielen.
Besonderes Highlight war für uns jedoch der zweite Platz im Pflichtstück. Dieses Ergebnis hat in der Brass-Band-Szene für großes Aufsehen gesorgt und es ist sicherlich nicht übertrieben, von einem historischen Erfolg zu sprechen. Schließlich ist die deutsche Brass-Band-Szene im Vergleich zu den traditionellen Brass-Band-Ländern wie Großbritannien, Norwegen oder der Schweiz noch sehr jung und die Struktur der 3BA unterscheidet sich grundlegend von deren Arbeitsweise. Währen sich die meisten Bands schon Monate im Voraus mit zwei bis drei wöchentlichen Proben auf den Wettbewerb vorbereiten, trifft sich die 3BA Concert Band nur zu wenigen Probentagen und einer abschließenden Probenwoche im Vorfeld des Wettbewerbs. Regelmäßige Proben sind für die 3BA Concert Band nicht möglich, da die Mitglieder in ganz Süddeutschland und darüber hinaus zuhause sind.
Besonders zu erwähnen ist an dieser Stelle die fantastische Arbeit unseres Dirigenten Luc Vertommen aus Belgien. Mit unglaublicher Detailversessenheit, Hartnäckigkeit, einer großen Portion Ruhe und seinem ganz speziellen Humor hat er es geschafft, die Band hervorragend vorzubereiten und ihr damit erst ermöglicht, dem nicht zu verleugnenden Druck standzuhalten, der bei einem solchen Wettbewerb herrscht. Hier kann jeder noch so kleine Patzer bereits über eine vordere oder hintere Platzierung entscheiden. Unsere Band konnte jedoch die fantastische Atmosphäre im voll besetzten Auditorium Stravinsky genießen und ist mit beiden Performances absolut zufrieden.
Apropos Atmosphäre: Diese ist bei den Europeans immer eine ganz besondere, da hier immer eine große europäische „Familie“ zusammen kommt. Man trifft sowohl im Teilnehmerfeld als auch im Publikum viele Freunde und Kollegen, mit denen man sich dann nach den Vorträgen austauschen kann. Besonders genießen konnten wir das diesmal im großartigen Ambiente des 2m2c mit seiner fantastischen Lage direkt am Genfer See.
Die European Brass Band Championships 2019 bedeuten für uns eine absolut gelungene Teilnahme, mit der wir den deutschen Fußabdruck auf der Brass-Band-Landkarte vielleicht doch ein Stück vergrößern konnten.“
Andreas Seger, 3BA Concert Band
Einen Satz möchte ich zur 3BA noch loswerden: Der Dirigent Luc Vertommen war für mich ein besonderes Highlight!
In der Jury saßen beim Teststück in der Championship Section Ian Bousfield (England), Hervé Grélat (Schweiz) und Bert Van Thiemen (Belgien).
Den Samstag morgen habe ich mit den fünf Bands der Challenge Section verbracht. Im Unterschied zur Championship Section spielten die Challenge-Bands sowohl Test- als auch Wahlstück hintereinander. In der Jury saßen ebenfalls Ian Bousfield (England), Hervé Grélat (Schweiz) und Bert Van Thiemen (Belgien). Teststück in dieser Kategorie war wiederum ein Werk, das speziell für diesen Wettbewerb in Auftrag gegeben wurde: Terezín von Mario Bürki. Es beschreibt Theresienstadt, das im 18. Jahrhundert als Festung von Kaiser Josef II. errichtet und nach Kaiserin Maria Theresia benannt wurde. Wir alle kennen die unrühmliche Geschichte von Theresienstadt als jüdisches Ghetto und Konzentrationslager. Mein größter Respekt, Mario Bürki, für dieses Werk! Gewonnen – für mich nicht überraschend, weil überragend gespielt – hat in dieser Section die Brass Band Regensburg. Herzlichen Glückwunsch!
Interview Brass Band Regensburg
Mit Florian Nicklas von der Brass Band Regensburg habe ich ein Interview geführt:
Wie habt Ihr Euch musikalisch auf die EBBC vorbereitet und mit welchen Erwartungen seid Ihr nach Montreux gefahren?
Florian Nicklas: Die Teilnahme an der EBBC ist natürlich zugleich eine große Freude, eine Ehre, aber auch eine Herausforderung, denn zu diesem Anlass treffen sich Brass Band Fans und Kenner aus aller Welt in Montreux, weshalb man sich von seiner besten Seite präsentieren möchte.
Nachdem wir Ende 2018 über den Deutschen Brass Band Verband die Einladung der EBBA erhalten hatten, war es daher aus musikalischer Sicht wichtig, bald ein passendes Selbstwahlstück zu finden.
Denn da uns die Einladung etwas überraschend erreichte, gab es bereits feste Konzerttermine der Band im März und April, für die eigene Konzertprogramme auflagen. Die Wahl fiel dabei auf „Spectrum“ von Gilbert Vinter, das die Band im vergangenen Jahr bei den Deutschen Brass Band Meisterschaften gespielt hatte. So bereiteten wir parallel zu den Konzertprogrammen intensiv das Selbstwahlstück vor, um dann die verbleibende Zeit für das Pflichtwerk „Terezin“ von Mario Bürki nutzen zu können, das Ende Februar per Post eintraf.
Eine besondere Herausforderung für die Band war in der Vorbereitung, dass unsere Dirigentin Christine Hartmann ihr Amt als musikalische Leiterin nach 6 Jahren niederlegen wollte und bei den Frühjahrskonzerten zum letzten Mal vor der Band stand. So wurde auch dringend ein Dirigent für die Teilnahme an der EBBC gesucht und unser langjähriger Freund und Gastdirigent Dave Lea aus Coventry sprang sofort ein.
Um die Stücke bestmöglich vorzubereiten und zu erarbeiten fanden bis Anfang April neben den zweiwöchentlichen Tuttiproben auch regelmäßige Satzproben der einzelnen Register statt, sowie mehrere Probewochenenden der Band, bei denen Christine Hartmann und Dave Lea an den Werken arbeiteten. Nach den Frühjahrskonzerten übernahm dann Dave Lea die Leitung und blieb eine Woche in Regensburg, flog über die Ostertage nach England zurück und kam nach Ostern sofort wieder nach Regensburg, um die letzten Tage vor der Abfahrt in die Schweiz noch für Proben zu nutzen, sowie ein öffentliches „Tryout-Konzert“, bei dem dann Besucher die Möglichkeit hatten, die Stücke zu hören und die Band die Werke noch einmal vor Publikum aufführen konnte.
Die Band kam damit bis zur Abfahrt nach Montreux auf rund 30 gemeinsame Termine mit Proben und Probentagen, um sich bestmöglich musikalisch auf dieses Ereignis vorzubereiten.
Wenn man an einem Wettbewerb teilnimmt, hat man natürlich immer zum Ziel, am Ende zu gewinnen und ganz oben zu stehen. Doch ist dies immer schwer einzuschätzen, besonders da wir die übrigen antretenden Bands aus unserer Section nicht kannten und es am Ende von vielen Faktoren abhängt. Nach unserer Teilnahme 2017 in Ostende (Belgien), bei der wir den dritten Platz erspielen konnten, wollten wir uns jedoch wenn möglich verbessern und uns bestmöglich präsentieren.
Wie habt Ihr Eure Reise nach Montreux organisiert und wie finanziert?
Florian Nicklas: In unserer Band gibt es ein 8-köpfiges Organisationsteam, das von unserem Bandmanager Barnabas Lugosi geleitet wird. Dieses Team trifft sich regelmäßig und steht dabei in engem Kontakt zum Dirigenten. Dabei kümmert es sich um alle organisatorischen Fragen, wie die Anreise, Unterbringung, Aushilfen, Konzert- und Wettbewerbskarten, den Zeitplan, Finanzen etc. Die Planungen für Montreux begannen kurz nach der Einladung durch die EBBA.
Jeder Musiker in der Band trägt die Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Tickets etc. selbst, jedoch wurden wir für die Teilnahme an der EBBC vom Brass Band Förderverein Regensburg bezuschusst und auch von der Stadt Regensburg unterstützt, da wir noch ein Ensemble der Städtischen Sing- und Musikschule Regensburg sind. Damit konnten die Kosten pro Musiker etwas gesenkt werden.
Wie war der Ablauf in Montreux und wie beurteilt Ihr die Organisationsstrukturen vor Ort?
Florian Nicklas: Wir brachen mit dem Bus am Donnerstag Nachmittag auf nach Montreux, kamen in der Nacht auf Freitag dort an und bezogen unser Hotel. Am Freitag stand von 11-13 Uhr noch eine Probe im Hotel auf dem Programm, bevor wir uns dann auf den Weg zum Konzertsaal machten, um den Bands der Championship Section bei ihrem Pflichtwerk zuzuhören.
Am Samstag trafen wir uns dann gegen 8:30 im Hotel, um uns Warmzuspielen, einige Stellen durchzusprechen und manche Passagen noch anzuspielen, bevor es dann zum Stravinsky Auditorium ging, wo wir von einem Guide zur Garderobe, Registrierung, auf die Probebühne und schließlich um 11:20 Uhr in den Konzertsaal geführt wurden.
Die Organisationsstrukturen des Veranstalters vor Ort waren aus unserer Sicht tadellos. Es gab einen klaren Zeitplan und viele hilfsbereite Helfer vor Ort, sodass wir uns in Montreux ganz auf unseren Wettbewerbsvortrag konzentrieren konnten.
Wie war für Dich persönlich das Erlebnis EBBC? Was waren Deine persönlichen Highlights?
Florian Nicklas: Jeder Blechbläser, der in einer Brass Band spielt, kennt die EBBC und es ist ein Erlebnis, diese als Zuhörer vor Ort oder im Live-Stream mitzuverfolgen. Als Band jedoch selbst daran teilzunehmen und mitten im Geschehen zu sein, ist etwas sehr besonderes. Nach der langen Vorbereitung und dem Hinfiebern konnten wir es kaum erwarten, als es endlich losging und wir konnten sowohl musikalisch als auch als Gemeinschaft viel lernen und erleben. Es waren spannende und intensive Tage, in der wir als Band ein großes Stück enger zusammengewachsen sind.
Meine persönlichen Highlights waren dabei
– natürlich der Gewinn der Challenge Section, da jeder Musiker/jede Musikerin an die Grenzen ging und wir letztlich mit einer Teamleistung die Jury überzeugen konnten.
– der Solistenpreis für unseren Euphoniumspieler Benedikt Seidl, da er ein sehr junger und einfach außergewöhnlicher Musiker unserer Band ist, der sich stark für die Band einsetzt
– unser Gewinn, der mich besonders für unsere Musiker Martin Zimmermann (Posaune), Denis Dorkic (Bariton) und Andreas Lugosi (Cornet) freut, die in Montreux zum letzten Mal mit der Band auf der Bühne saßen und nun als Europameister ausscheiden, um mehr Zeit mit ihren Familien verbringen oder sich auf das Studium konzentrieren zu können.
– der große Erfolg des deutschen Vertreters in der Championship Section, der “3BA Concert Band“ (7.Platz, zweitbestes Pflichtstück), unter deren Dach die Brass Band Regensburg vor 11 Jahren ihre ersten Brass Band Schritte machte
– das Miterleben der Vorträge der Championship Section wie Eikanger-Bjorsvik, Brighouse & Rastrick, der Valaisia Brass Band, der Cory Band, die Paris Brass Band, Brass Band Oberösterreich etc., die vielen Bands als Vorbilder dienen
– die vielen Nachrichten und Glückwünsche vor und nach unserem Gewinn, die den großen Rückhalt und die Unterstützung durch viele deutsche Bands, Freunde und Bekannte und besonders den Deutschen Brass Band Verband zeigen
– der Sieg der Cory Band, deren musikalischer Leiter Philip Harper noch im vergangenen November im Rahmen unseres Brass Band Camps eine Woche mit unserer Band gearbeitet hat
Herzlichen Dank an Florian Nicklas von der Brass Band Regensburg für die Beantwortung der Fragen!
Und dann kam der spannende Samstag Nachmittag mit den Wahlstücken der 13 Bands in der Championship Section…
Sehr gefreut habe ich mich über ein wunderbar musiziertes und zelebriertes From Ancient Time von Jan Van der Roost durch die Brass Band Oberösterreich (8. Platz im Gesamtclassement). Etwas fassungslos war ich beim Werk King Kong on Rue Igor-Stravinsky von Paul McGhee, hervorragend interpretiert von der Brass Band Bürgermusik Luzern, die sich insgesamt auf den 4. Platz des Wettbewerbs gespielt hat. Ebenso beim Werk Glass von Simon Dobsen (aahhrrgg, scratch on glas….), interpretiert von der Valaisia Brass Band, die 6. in der Rangliste wurde.
Die Eikanger-Bjørsvik Musikklag aus Norwegen riss mit ihrem Wahlstück Concerto Grosso von Derek Bourgeois wie auch schon am Vortag beim Teststück alle Zuschauer / -hörer von ihren Sitzen. Viele im Publikum waren sich sicher: hier haben wir den Gewinner des Wettbewerbs gehört! Die Jury hat das leider anders gesehen, nein natürlich gehört. Eikanger kam insgesamt nur auf den dritten Platz. Was für ein Raunen der Enttäuschung ging bei der Siegerehrung bei dieser Verkündigung durch den Saal… Nun, die Herzen des Publikums und den Zuhörerpreis hat Eikanger ganz sicher gewonnen!
Die Cory Band mit Philip Harper am Pult hat sich ein Werk auf den Leib schreiben lassen: Explorers on the Moon von Paul Raphael. Und hat sich damit und mit der höchsten Punktzahl des Wettbewerbs im Wahlstück den Gesamtsieg in der Championship Section erspielt. Nachdem das Publikum über den dritten Platz von Eikanger so enttäuscht war, wurde der Sieg von Cory nicht einmal gebührend bejubelt…
Etwas, das wir im Publikum auch überhaupt nicht auf dem Schirm hatten: Die Paris Brass Band mit Florent Didier. Zweiter Preis. Unglaublich. Und damit ihr nicht denkt, so eine Flötistin und das Publikum haben keine Ahnung, hier ein Bildschirmfoto der Vorab-Prognose von 4barsrest (https://www.4barsrest.com/articles/2019/1798.asp):
Die absoluten Profis haben das also genau so gesehen. Wie das immer so ist, bei diesen Wettbewerben, wird natürlich viel diskutiert. Jeder nennt so seine Favoriten und auch in meinem Umkreis von Dirigenten, Musikern und Komponisten (darunter auch der Brass-Band-erfahrene Jan de Haan) wurden die Favoriten unter denen von 4barsrest gesehen. Ich war so überzeugt, dass Eikanger gewinnt, dass ich sogar eine Wette eingegangen bin… Thomas L. und Jörg S.: Ich löse meine Spielschulden selbstverständlich ein und lade Euch, als Letztplatzierte unserer Wette, bei nächster Gelegenheit zum Italiener, wie abgemacht, ein! (Ist mir aus räumlicher Sicht zwar noch ein Rätsel, wie wir das hinbekommen, aber versprochen ist versprochen!)
4barsrest hat übrigens zeitgleich im Livestream den kompletten Wettbewerb kommentiert. Zwischendurch haben wir immer mal wieder darin nachgelesen. Sehr oft wurde unsere eigene Meinung im Chat der 4barsrest-Leute widergespiegelt. Aber so ist das halt mit den Wettbewerben. Letztendlich zählt für den Sieg nur, was die Juroren hören und gemäß Partitur beurteilen.
In der Jury Championship Section Wahlstück saßen Jan Van der Roost (Belgien), Thomas Rüedi (Schweiz) und Rieks van der Velde (Niederlande).
Die Siegerehrung der Championship und Challenge Section fand nach einem (wohldossierten, bezogen auf das Repertoire erholenden) Galakonzert der European Youth Brass Band unter der Leitung von Bertrand Moren und der Valaisia Brass Band unter der Leitung von Arsène Duc statt. Besondere Highlights in diesem Konzert: die beiden Solisten Patrick Ottiger (Trompete, Fügelhorn) mit der EYBB und Lionel Fumeaux (Bassposaune) mit der Valaisia Brass Band. Außerdem ein wunderbar zusammen musiziertes traditionelles Schweizer Volkslied „Le Vieux Chalet“. Die Stimmung, die ich von meiner letzten EBBC 2015 in Freiburg in Erinnerung hatte, kam bei dieser Siegerehrung jedoch nicht auf. Zu groß war die Enttäuschung des Publikums über die Platzierung der ersten drei Plätze in der Championship Section … Jedenfalls habe ich persönlich das so empfunden.
Das Brass Festival in Montreux endete am Sonntag morgen mit den Jugendbands. In der Premier Section gewann die Catch Basin Brass Band unter der Leitung von Andreas Lackner aus Österreich. Die Jugend Brass Band Blechklang aus Jena erspielte sich mit großartigen 94 Punkten einen vierten Platz.
In der Development Section gewann die Wardle Academy Band unter der Leitung von Lee Rigg aus England.
Wie eingangs schon erwähnt und wie oben beschrieben, können wir auf unsere deutschen Bands sehr stolz sein. Und stolz ist auch der Vize-Präsident des deutschen Brass Band Verbands DBBV, Alexander Richter:
Deutsche Brass Band Szene setzt hörbares Ausrufezeichen – Gedanken zum EBBC 2019 von Alexander Richter
„Bei den diesjährigen Europäischen Brass Band Meisterschaften in Montreux waren im hochklassigen Teilnehmerfeld gleich drei deutsche Brass Bands in den verschiedenen Stärkeklassen zu finden. Aber nicht nur die deutsche Präsenz in den verschiedenen Kategorien, auch die gezeigten Leistungen und die mehr als beachtlichen Erfolge lassen aufhorchen.
Mit Punktzahlen am obersten Ende der Skala prämiert, einem Solistenpreis und dem Gewinn einer Stärkeklasse (Challenge Section) vertraten alle drei Teilnehmer die deutsche Szene mehr als würdig. Die 3BA mit ihrem zweiten Platz beim Teststück, die Brass Band Regensburg mit dem Gewinn der Challenge Section und die Jugend Brass Band BlechKLANG mit einer beeindruckenden Performance und 94 Punkten machen uns als Verband sehr stolz.
Nicht nur mit dem aus deutscher Sicht rekordverdächtigem Abschneiden beim diesjährigen EBBC ist der Aufschwung der deutschen Brass Band Bewegung unübersehbar. Die stetige Weiterentwicklung etablierter Bands, die zunehmende Vernetzung untereinander aber insbesondere auch der Auf- und Ausbau neuer Formationen prägen dabei das Gesicht der deutschen Szene. Die Arbeit des immer noch vergleichsweise jungen Deutschen Brass Band Verbandes mit seinem Fokus auf nachhaltige Nachwuchsarbeit, die Unterstützung und Etablierung von Weiterbildungsangeboten und die Schaffung langfristig tragfähiger Strukturen trägt augen- und ohrenscheinlich erste Früchte.“
Alexander Richter – Vizepräsident des Deutschen Brass Band Verbandes
Statement Jappie Dijkstra
Und zum Schluss möchte ich noch den hoch geschätzten niederländischen Brass Band Experten Jacob „Jappie“ Dijkstra zu Wort kommen lassen. Er hat neben seiner Begeisterung für die dargebotene Musik bei den EBBC auch einiges an Kritik anzubringen.
EBK heeft de top bereikt… maar nu…
EBBC hat die Spitze erreicht … aber jetzt …
“Die European Brass Band Championships haben sich im Laufe der Jahre zu den prestigeträchtigsten Meisterschaften der Welt entwickelt.
Seit der Gründung der European Brass Band Association EBBA im Jahr 1995 haben sich die EBBC enorm rasant entwickelt. Vor 1995 war der Titel im Besitz von Boosey und Hawkes (jetzt Buffet Crampon).
In den ersten 10 Jahren wurde auch das Format angepasst. Ein verpflichtendes und ein optionales Werk wird jetzt an zwei aufeinanderfolgenden Tagen aufgeführt. Für Solisten, Dirigenten und Komponisten wurde jeweils ein Wettbewerbszyklus hinzugefügt. Und nicht zuletzt organisiert die EBBA seit 2000 eine europäische Youth Brass Band
In den letzten 10 Jahren befand sich die Organisation jedoch in einer recht engen Zwangsjacke. Die einzige große Änderung ist die Ergänzung eines Wettbewerbs für Jugendorchester am Schlusssonntag.
Trotz der Tatsache, dass das Niveau enorm hoch ist und die Wettbewerbe in der Champion-Division immer ausverkauft sind, stellt sich mir die Frage, ob die EBBA immer noch genug auf die Veränderung des Zeitgeistes reagiert.
Verschiebung der Länder
In all diesen Jahren hat die Popularität enorm zugenommen und das Niveau an der Spitze der Champion-Division ist nicht geringer als das von Profis.
Auffallend ist die Verschiebung der Länder; in der Vergangenheit waren England und Wales immer führend, während die großen Favoriten nun aus Norwegen und der Schweiz kommen.
Vor einigen Jahren spielten Länder wie Österreich, Frankreich und Deutschland in der Challenge-Section, aber jetzt sind sie fest in der höchsten Liga vertreten.
Es scheint jedoch, dass Länder wie Schweden, die Niederlande und Schottland den Anschluss verpasst haben.
Sehr positiv ist die rasante Entwicklung in Litauen und die erste Teilnahme Spaniens. Insgesamt 17 Länder nahmen bei den EBBC in Montreux teil.
Teststück
Das verpflichtende Werk von Neurohr wurde als eine sehr gründliche Komposition erlebt, ein echtes Teststück! Aber wo liegt die Grenze des Tests? Liegen diese im Schreiben außerhalb des Instrumentenspektrums? Wartet das Publikum auf eine musikalische Herausforderung oder auf das Versagen der Solisten? Übrigens ist der Begriff „verpflichtendes Werk“ viel besser als „Teststück“.
Wahlstück
Die EBBA hält an der „blinden Jury“ für das Test- und Wahlstück fest. Die Frage ist, ob dies im Wahlstück noch Sinn macht. Die Mitglieder der Jury können als echte Insider betrachtet werden, also wissen sie, welche Pseudonyme oder Anagramme von Komponisten verwendet werden. Oder welche Kompositionen von einzelnen Bands für die nationalen Meisterschaften in den verschiedenen Ländern in Auftrag gegeben wurden. Bei drei Werken war dies sehr offensichtlich und bemerkenswerterweise kamen diese Werke auf die ersten drei Plätze. Viele im Saal fragten sich, ob die Jury möglicherweise nicht wusste, dass Eikanger das Concerto Grosso von Bourgeois aufführte?
Auffallend ist auch, dass die zeitgenössischen Werke in den letzten Jahren deutlich höhere Bewertungen erzielt haben, als die traditionellen Brass-Band-Kompositionen. Hat das etwa die Bewertung von Eikanger beeinflusst?
Die Geschichte zeigt, dass Bands immer Werke wählen, die bisher bei den EBBC gute Ergebnisse erzielt haben. Es wird klar, wohin dies in der Zukunft führen wird.
Vielleicht ist es gut, dass die EBBA beim Wahlstück zukünftig eine offene Bewertung erwägt. Oder vielleicht ein Auswahlprogramm?
Jugendmeisterschaften
Das Galakonzert ist der offizielle Schlussakt der EBBC. Es ist seltsam, dass die Jugendmeisterschaften danach, am Sonntag stattfinden. Viele Besucher sind dann bereits auf dem Weg nach Hause, nur um dann in den folgenden Wochen zu verkünden, dass die Jugend unsere Zukunft ist. Die Initiative zur Einbeziehung der Jugend wird sehr geschätzt und die Jury-Mitglieder und das Publikum waren vom Niveau der teilnehmenden Orchester erstaunt. Vielleicht doch einmal über eine Änderung der Programmabfolge des Wochenendes nachdenken?
Traditionen
Die Eröffnungszeremonie und die Preisverleihung sind untrennbar mit den Europäischen Europäischen Meisterschaften verbunden. Die Eröffnungszeremonie hatte sicherlich ihren Charme und in Montreux wurde da auch die EYBB präsentiert. Die Auslosung verlief reibungslos. Aber sind die Anweisenden bereit, langen Standardreden auf Französisch und Deutsch für einen Gratis-Getränk und -Snack zu lauschen, obwohl doch jeder Englisch versteht?
Die Preisverleihung ist seit Jahr und Tag ein verpflichtender Anlass, über das sich das Publikum ärgert. Pausen, Stühle, darauf eine lange Reihe von Vertretern der Bands, die verlegen auf ihren Stühlen sitzen, Reden mit Wiederholungen, Sponsoren, die auf der Bühne Joker spielen und so weiter.
Dies sollte die Apotheose des Wochenendes sein und für Verbesserungen gibt es noch viel Spielraum.
Trotz einiger kritischer Kommentare war es ein fantastisches Wochenende in Montreux mit einem schönen Konzertsaal, einem großen Publikum, einer gut organisierten Organisation und vor allem …. wunderschöner Musik!”
Jappie Dijkstra
Eine kleine Kritik am EBBC 2019 möchte auch ich noch loswerden und hoffe, dass sie die Verantwortlichen in positiver Weise erreicht: Maßgeblich beteiligt an den Europäischen Meisterschaften sind die Komponisten der Pflichtstücke. Dies waren beim EBBC 2019 Ludovic Neurohr (Dear Cassandra, Championship Section), Mario Bürki (Terezin, Challenge Section), Daniel Hall (Sancturary!, Premier Section) und Stephan Hodel (Argos, Developement Section). Leider waren sie der Organisation nur eine ausführliche Nennung und Beschreibung ihrer Lebensläufe und der Programmnotes im Programmheft wert und der Nennung durch den Moderator auf der Bühne. Beklatschen konnten wir, das Publikum, sie weder während der Eröffnungszeremonie, noch bei einem der Vorträge auf der Bühne und schon gar nicht bei der Siegerehrung! Finde ich nicht sehr respektvoll den Komponisten und wertschätzend ihren Kompositionen gegenüber.
Was mir auch negativ aufgefallen ist: Im Programmheft gab es keine Übersicht über die ausstellenden Firmen und nur eine allgemeine Bedankungsseite für alle Sponsoren, auf der nicht einmal alle Logos abgedruckt waren.
Die nächsten European Brass Band Championships EBBC finden vom 25. April bis zum 3. Mai 2020 in Palanga, Litauen statt. Schau’n wir mal, ob ich mich da wieder in die Feuerhölle der Blechbläser traue…
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