Klaus Schulz: Erinnerungen an eine fast vergessene Verlegerpersönlichkeit
Anfang August verstarb im badischen Freiburg-Tiengen eine Verlegerpersönlichkeit, die maßgeblich an der Entwicklung und vor allem der Verbreitung von (originaler) Blasorchesterliteratur beteiligt war: Klaus Schulz.
Der Blasmusikverlag Schulz war jahrzehntelang nicht nur im Südwesten von Deutschland sondern auch weit darüber hinaus und vor allem auch im grenznahen Ausland und in Österreich gleichbedeutend mit „Literatur für Blasorchester“. Wir reden hier vor allem von der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der schon sein Vater weitsichtig die Grundlagen für eine eigenständige deutsche Blasorchesterliteratur gelegt hat. Ab 1973 bereits setzte sein Sohn Klaus Schulz die Bestrebungen des Vaters bis zum Verkauf des Verlags im Jahr 1997 nahtlos fort. Wichtig war ihm, wie auch schon zuvor seinem Vater, jungen Komponisten eine Chance zu geben und die zeitgenössische Literatur zu fördern. Nicht außer Acht ließ er dabei damals die Möglichkeiten und die Gegebenheiten der vielen Musikvereine landauf landab, die mit heutigen Verhältnissen in puncto Besetzung, Ausbildungsstandards und Niveau vielerorts nicht mehr vergleichbar ist. Einer seiner Haupt-Komponisten war Emil Dörle aus Herbolzheim (nahe Freiburg, *1886, †1964), sein Bestseller natürlich seit seines Vaters Zeiten der Marsch „Hoch Badnerland“ – bei dem im Trio die „Nationalhymne“ aller Badener erklingt. Aber auch viele „Pioniere der Blasmusik“ – wie wir es noch bei den JMLA-Abzeichen in den Achtziger Jahren gelernt haben – waren in seinem Verlag vertreten. Wie zum Beispiel zunächst Ernest Majo, später Hermann Kahlenbach und Hans Hartwig.
Als Beispiel eines (sehr) jungen Komponisten, den Klaus Schulz damals gefördert hat, ist Thorsten Reinau, der nach Stationen beim Halter-Verlag und beim Kliment-Musikverlag mittlerweile seinen eigenen Verlag (Reinau Musikverlag) besitzt, zu nennen. Ihn habe ich gebeten, über seine damalige Zusammenarbeit mit Klaus Schulz ein paar Sätze zu schreiben:
„Die Zusammenarbeit mit Klaus Schulz als Komponist kam folgendermaßen zustande:
Im Jahr 1993 fand in Durmersheim das Verbandsmusikfest des Blasmusikverbandes Karlsruhe statt. Zu dieser Großveranstaltung hatte das Verbandspräsidium entschieden, eine mit 3000 DM dotierte Auftragskomposition zu vergeben.
Der damalige Verbandsdirigent Manfred Keller entschied damals, den Auftrag an mich zu vergeben. Klaus Schulz hatte sich im Vorfeld bereit erklärt die Komposition zu veröffentlichen, da das Werk als Ehrengabe an alle teilnehmenden Orchester überreicht wurde. So entstand unser Kontakt im Verhältnis Autor/Verleger.
“Standing Ovation” ist eine viersätzige, moderne Suite, der ich ursprünglich den Titel “Music for a Musical” geben wollte, da sich alle Sätze auf typische Musicalszenen beziehen: Ouvertüre (Intro), Love Song (Main Theme), Dancing (Tanzszenen), Finale.
Die Uraufführung war dann im Sommer 1993 zur Eröffnung des Verbandsmusikfestes in Durmersheim durch das Verbandsjugendorchester Karlsruhe unter meiner Leitung.
Zu diesem Zeitpunkt war ich als Militärmusiker Mitglied im Luftwaffenmusikkorps 2 Karlsruhe, hatte aber auch schon vor dieser Zeit im Rahmen meiner Beschäftigung beim Musikverlag Halter gelegentlich Kontakt zu Klaus Schulz. Ab 1997 dann auch in meiner Funktion als Verbandsdirigent des BLM Karlsruhe.
Ich lernte Klaus Schulz als sehr angenehmen, zuvorkommenden Menschen kennen, als Verleger in allen Bereichen kompetent und in vielen Dingen richtungsweisend.
So war der Musikverlag Schulz z.B. der erste Verlag der die Formel “Jedem Musiker seine Stimme” propagierte, d.h. dass man die in früherer Zeit übliche, kostensparenden Doppelstimmen (z.B. Hörner, Posaunen, Trompete 2+3) abschaffte und in seinen Ausgaben nur noch Einzelstimmen druckte.
Auch das unternehmerische Risiko das Blasmusiklexikon von Wolfgang Suppan zu veröffentlichen ging er ein, was nicht hoch genug geschätzt werden kann.
Zusammenfassend ist zu sagen:
Klaus Schulz war als Verleger gegenüber seinen Komponisten immer sehr fair und zuverlässig (dies weiß ich auch von anderen Autoren).
In der Verlagsarbeit ein absoluter Fachmann und Visionär!“
Thorsten hat die Zusammenarbeit von Klaus Schulz mit Prof. Dr. Wolfgang Suppan (*1933, †2015) angesprochen. Herr Suppan lebte einige Jahre in der Freiburger Gegend während seiner Funktion als musikwissenschaftlicher Referent des Deutschen Volksliedarchivs in Freiburg. Er leitete einige Blasorchester in unserer Gegend, wie zum Beispiel den Musikverein Niederrimsingen (Breisach), die Gemeinde, in der er auch wohnte (bis 1974). Das neue Lexikon des Blasmusikwesens hat Thorsten bereits erwähnt. Aber aus der Zusammenarbeit Suppan-Schulz entstammte auch das riesige Werk „Blasmusik in Baden“ (Beschreibungen aller Blasorchester mit Foto in Baden), sowie die Herausgabe der damaligen Theoriehefte für die JMLA-Hefte und auch die „Etüden und Vortragsstücke“, die bis in die Anfang-Neunziger Pflicht waren. Eine wichtige Reihe war die Initiierung der „Musik aus der Steiermark“. Prof. Dr. Wolfgang Suppan kann man als einen langjährigen Wegbegleiter und Ratgeber von Klaus Schulz bezeichnen.
Klaus Schulz und der Schulz-Verlag ist mir schon seit meiner Kindheit ein Begriff. Mein Vater, Zeit seines Lebens in der Trachtenkapelle Hartheim nicht nur als Musiker, sondern auch als Kassier und „Mann für alle Fälle“ aktiv, war immer für den Einkauf für Noten, Instrumente und Zubehör zuständig. Oft hörte ich von ihm, „Ich muß noch zum Schulz nach Tiengen Noten holen“ oder wenn ich Noten für den Flötenunterricht brauchte „das hol’ ich schnell beim Schulz-Verlag“. Ab 1989 machte ich meine Ausbildung zur Musikalienhändlerin bei Musik Gillhaus in Freiburg und arbeitete dort bis ich im Jahr 1996 bei De Haske anfing. Seit 1989 kannte ich Klaus Schulz auch persönlich, bis er sich 1997 aus dem Verlagsgeschäft zurückzog. Musik Gillhaus und Schulz-Verlag war immer eine angenehme, freundschaftliche Zusammenarbeit. Wußte ich einmal nicht, wo ein Blasorchesterwerk zu bekommen war, sagte die Chefin „Ruf mal beim Schulz an“ – und ich bekam auch immer Hilfe, Informationen und Tipps! Erst nach ein paar Jahren mündete das in einer gegenseitigen Hilfsbereitschaft…
Noch nicht gesprochen habe ich von den Funktionen von Klaus Schulz im Bund Deutscher Blasmusikverbände und von seiner Arbeit als Verleger und Herausgeber der Verbandszeitschrift „Die Blasmusik“. Nicht weil ich diese Arbeit weniger schätze, sondern weil ich ihn persönlich in dieser Funktion nicht in Erinnerung habe. Seine Verdienste um die Blasmusik sind jedoch auch aus Verbands-Sicht enorm. 23 Jahre war er Geschäftsführer des Bund Deutscher Blasmusikverbände (1973 bis 1995). Eine lange Zeit, in denen er die Geschicke und Geschäfte des Verbandes sicher maßgeblich geprägt hat. Ein ausführlicher Nachruf erscheint in der kommenden Ausgabe, der „Blasmusik“, dem Verbandsorgan des Bund Deutscher Blasmusikverbände – den ich zur weiteren Lektüre gerne empfehle!
Abschließen möchte ich doch noch sagen, dass ich es trotz oder gerade wegen meiner verlegerischen Vergangenheit schade finde, dass die Arbeit von Klaus Schulz und somit auch seines Vaters Fritz Schulz nicht konsequent fortgeführt wurde. Auch wenn ein Verlag verkauft wird, sollte doch die Tradition und die Philosophie vom kaufenden Verlag fortgesetzt werden – sonst macht auch ein Kauf eines Traditionsverlags keinen Sinn. Das ist meine persönliche Meinung, von der ich weiß, dass sie viele teilen.
Den Familien Schulz und Winterhalter in Freiburg-Tiengen möchte ich mein tiefempfundenes Mitgefühl aussprechen. Sein Wirken als Musikverleger und als Verbandsfunktionär für die Blasmusik ist bei uns Blasmusikern nicht vergessen.
Klaus Schulz, Ruhe in Frieden.
Herzlichen Dank an Doris Schweinzer von der IGEB und an Thorsten Reinau (Reinau Musikverlag).
Das Foto hat mir freundlicherweise der BDB zur Verfügung gestellt.
Bei einem Nachruf auf diese bedeutende Verlegerpersönlichkeit sollten wir – neben dem Blasmusiklexikon, das ich damals in mich aufgesogen habe – auch seine Verdienste um das “klassische Saxophon in Deutschland” nicht vergessen. In Zeiten als “Jugend musiziert” noch ohne Saxophonbeteiligung stattfand, es beim Verband Deutscher Musikschulen noch keinen Lehrplan für Saxophon gab – weil schlichtweg an den meisten Jugendmusikschulen das Fach nicht existierte und es keine Lehrer gab -, veröffentlichte der Schulz-Verlag 1976/78 mit der deutschen Übersetzung von “Saxophon spielend leicht” des französischen Virtuosen und Professors Jean-Marie Londeix das erste brauchbare Unterrichtswerk für dieses bis dahin völlig verkannte Instrument – aus damaliger Sicht ein verlegerisches Risiko. Das Vorwort schrieb seinerzeit Dr. Hans-Walter Berg als Direktor der Bundesakademie Trossingen. Diese nicht hoch genug einzuschätzende Initiative zur Etablierung des klassischen Saxophons ging damit federführend von der Blasmusikszene aus. Als damaliger Student und junger Musikschullehrer hatte ich dieses Werk regelrecht herbeigesehnt. Ein erster Synergieeffekt dieser Schulz-Initiative war, dass das Saxophon in Deutschland plötzlich in einem anderen Licht gesehen wurde und damit der Boden bereitet wurde für den Welt-Saxophon-Kongress 1982 in Nürnberg – diesen kann man im Nachhinein als die Initialzündung zur Etablierung bzw. Rehabilitierung des bis dahin verkannten – weil lange Zeit verfemten – Instruments betrachten.
Vielen Dank, Michael Ruf, für diese wichtige Ergänzung! Das war mir so nicht bekannt… Viele Grüße Alexandra
Pingback: Meine Heimat und welche Blasorchesterwerke ich damit verbinde – Blasmusik
Pingback: In Memoriam Reinhold Rogg – Blasmusik