Otto M. Schwarz und der Certamen International de Bandas de Música in Valencia

Otto M. Schwarz und Miguel A. Roig-Francoli
Otto M. Schwarz und Miguel A. Roig-Francoli in der Juroren-Loge

Voller positiver Eindrücke und grandiosen musikalischen Erlebnissen ist Otto M. Schwarz, einziger deutschsprachiger Juror beim im Juli stattgefundenen renommierten Wettbewerb Certamen International de Bandas de Musica in Valencia, zurückgekommen. In einem langen Gespräch per Skype hat er mir eindrücklich, leidenschaftlich und begeistert von diesem einzigartigen Blasorchesterwettbewerb erzählt.

Otto flog extra schon einige Tage vor dem Wettbewerb nach Valencia um in aller Ruhe die Partituren der Pflichtstücke ausgiebig zu studieren. Besonders bei den drei spanischen Pflichtstücken war dies notwendig. Die Instrumentation ist sehr breit angelegt. Celli und Kontrabass beispielsweise obligatorisch. Die Einteilung der Partitur ist oft gewöhnungsbedürftig und nicht in der internationalen Norm notiert. Hörner beispielsweise über den Trompeten notiert, Schlagzeugstimmen mittig in der Partitur notiert oder der Posaunensatz nur in einer Linie, und andere Kuriositäten. Und natürlich waren alle Angaben wie zum Beispiel die Instrumente oder die Spielanweisungen auf Spanisch. Das allein erfordert schon hohe Aufmerksamkeit und einiges an Vorbereitung. Die Werke in diesem Top-Bereich der Blasmusikliteratur komplex, kompliziert und aufwändig.

Besetzung und Einteilung der Orchester

Certamen International
Groß angelegte Partituren und riesige Orchester

Die Pflicht- und Selbstwahlstücke waren allesamt Werke des obersten Schwierigkeitsgrads, obwohl die Orchester in vier Kategorien eingeteilt waren. Einzige Unterscheidung der Kategorien ist nicht wie bei uns üblich der Schwierigkeitsgrad der gespielten Werke, sondern die Größe des Orchesters! Bei spanischen Blasorchestern ist es keine Seltenheit, dass mehr als 100 Musikerinnen und Musiker gemeinsam musizieren. Ein Orchester von insgesamt ca. 130 Musikern war beispielsweise mit 31 Klarinetten, 2 Es-Klarinetten, 2 Bassklarinetten, 2 Altklarinetten und Kontrabassklarinette bestückt. Und ganz verrückt: viele Orchester spielten mit 2 Basssaxophonen (obwohl für diese keine Stimme in der Partitur verzeichnet steht)! 6 Celli, 4 Kontrabässe, 4-5 Oboen, 3-4 Fagotte und Kontrafagott waren fast schon die Normalität. Ebenso spielte kein Orchester mit weniger als 10 Schlagzeugern.

Vor jedem Beitrag war es Pflicht für die Orchester einen Paso Doble als Einspielstück zu spielen. Dies gab den Juroren schon einmal etwas Zeit sich in den Orchesterklang einzuhören und sich ein Bild über die teilweise gewaltige Besetzung zu machen.

Die Einteilung der Orchester erfolgte also in Sektion 1 bis 3 und obendrüber die sogenannte „Honour Section“. Selbst in der 3. Sektion wurden Stücke gespielt, die bei uns in der Höchstklasse gespielt werden.

Die Jury

Jury beim Certamen
Jury und Organisationskomitee

Die Jury bestand neben Otto M. Schwarz aus Österreich aus den Spanierinnen Margarita de Reizábal und Lucia Marín, der Engländerin Cheryl Francis-Hoad und dem in den USA lebenden Spanier Miguel A. Roig-Francoli.

Margarita de Reizábal ist Pianistin, Komponistin und Dirigentin. Sie hält momentan einen Lehrauftrag für Dirigieren an der Musikhochschule des Baskenlandes inne. Lucia Marín ist eine international tätige Profi-Dirigentin, die neben Sinfonieorchestern auch große Opernproduktionen leitet. Cheryl Frances-Hoad ist Komponistin, deren Kompositionen u. a. auch schon bei der BBC Night of the Proms gespielt wurden. Und der in Ibiza geborene Miguel A. Roig-Francoli ist Professor für Musiktheorie und Komposition an der Universität von Cincinnati. Es erübrigt sich auf dem Blasmusikblog.com den Komponisten Otto M. Schwarz in diesem Jurorengremium vorzustellen. Insgesamt eine hochprofessionelle Jury (beachtenswert: drei Frauen und nur zwei Männer!), aus verschiedenen Genres kommend und allesamt top vorbereitet. Otto erzählte von einer professionellen, angenehmen Zusammenarbeit voller gegenseitiger Wertschätzung – obwohl die Meinungen über gewisse Darbietungen, wie in jeder Jury auch üblich, teilweise auseinander gingen.

Empfang Valencia
Empfang durch den Bürgermeister von Valencia

Die Jury-Zusammensetzung war übrigens bis ca. 2 Wochen vor dem Wettbewerb geheim. Noch im Mai wurde die Jury komplett ausgetauscht, weil einer geplaudert hatte…

Die Bewertung

Die fünf Juroren hatten für das Pflichtstück und Selbstwahlstück jeweils bis zu 40 Punkte zu vergeben. Die Höchstpunktzahl war somit 400. Es wurden die vier Bereiche Stimmung, Klang, Interpretation und Technik bewertet (maximale Punktzahl in einem Bereich also 10 Punkte). Die höchste und niedrigste Punktzahl fällt bei diesem Wettbewerb nicht raus, wie es beispielsweise beim internationalen Wettbewerb Flircorno d’oro in Riva del Garda ist.

Großartige Leistungen und strenges Reglement

Nach Ottos Aussage haben alle Orchester sensationell gespielt. Wörtlich „Es gab in jeder Sektion ‚hervorragendste’ Leistungen.“ Die Perfektion der Darbietungen war teilweise unglaublich. Alle Musikerinnen und Musiker in den Orchestern waren extrem gut vorbereitet – bis hin zum sprichwörtlich letzten Pult der dritten Klarinette. Von einem Orchester aus der Honour Section hörte er, dass es seit einem halben Jahr täglich für den Wettbewerb probte. Es gab keine groben Fehler, keine Ausreißer, selbst Stimmungsschwankungen kamen bei allen Orchestern so gut wie nicht vor. In den Orchestern musizierten so gut wie keine professionellen Musiker. Lediglich 5 professionelle Musiker pro Orchester waren zugelassen. Und wenn professionelle Musiker „eingekauft“ werden, dann die Besten! So wurde zum Beispiel der Tubist von Spanish Brass auf der Bühne gesichtet oder der Soloposaunist des Royal Concertgebouw Orchestras Amsterdam…

Das Reglement was die Besetzung betrifft wird in Valencia sehr strikt gehandhabt. Jeder Musiker mußte sich vor dem Zutritt zur Bühne mit Personalausweis ausweisen – nur wer auf der Liste stand durfte spielen. Ebenso darf ein Musiker in einer Kategorie nur in einem Orchester mitspielen. Auch der Anteil der ausländischen Orchester war in jeder Kategorie begrenzt. Die Teilnahme am Wettbewerb wird von den Orchestern sehr ernsthaft betrieben. Wenn man eingeladen wird, bei diesem Wettbewerb zu spielen, dann will man auch gewinnen! Alle Register werden gezogen… Die Ernsthaftigkeit ging in diesem Jahr so weit, dass ein spanisches Orchester gegen die Teilnahme der Harmonie aus Peer, Belgien, geklagt hat – mit der Folge, dass dieses spanische Orchester vom Wettbewerb ausgeschlossen wurde.

Die Preisträger

Koninklijke harmonie van Peer
Koninklijke Harmonie van Peer

Die Harmonie von Peer (Belgien) unter der Leitung des Dirigenten und Komponisten Kevin Houben erspielte sich im Wettbewerb die insgesamt höchste Punktzahl von 392,5 Punkten. Angetreten ist Peer in der zweiten Sektion mit dem grandiosen Werk „Derivations“ von Marco Pütz, mit dem schon die Bläserphilharmonie der Stadt Blaustein unter der Leitung von Manuel Epli den Deutschen Orchesterwettbewerb in Ulm in der Kat. B1 gewonnen hat. Ein sensationeller Erfolg für Peer und unseren herzlichen Glückwunsch!

Wenn auch Peer sich die meisten Punkte erspielt hat, muß man bei diesem Wettbewerb jedoch sagen, dass fast alle Orchester auf einem sehr hohen professionellen Level spielen, so dass die Punkte erstens sehr eng beieinander liegen und ein deutlicher Unterschied der Leistungen fast nicht heraushörbar ist. Ein wenig kann man diesen Wettbewerb mit den Europäischen Brass Band Meisterschaften vergleichen. Da sitzen auch die Bands auf der Bühne und spielen alle so klasse, dass man auf einmal „Hören“ sicherlich nicht entscheiden könnte, wer wirklich der Beste ist….

Neben den wirklich hervorragenden Orchestern in Valencia hat Otto M. Schwarz vor allem die gespielte Literatur begeistert. Das Schöne war auch, dass bis auf Jef Penders (er verstarb im vergangenen Jahr) alle Komponisten der Pflichtstücke und viele Komponisten der gespielten Selbstwahlstücke, zum Beispiel Ferrer Ferran oder Teo Aparaicio-Barbéran (der selbst auch mit einem Orchester teilgenommen hat) anwesend waren.

Für die Spanier ist der Certamen International der Wettbewerb überhaupt. Hier geht es um Leidenschaften, sie legen all ihr Herzblut und ihre Energie in diesen Wettbewerb. Der Stellenwert, den dieser Wettbewerb bei den spanischen Blasmusikern einnimmt ist nicht zu beschreiben.

Bekannt gegeben wird bei diesem Wettbewerb übrigens nur die Gesamtpunktzahl. Es gibt weder einen Jurybericht noch Empfehlungen an die Orchester. Lediglich die Endpunktzahl – und diese wird von einem Notar veröffentlicht, der den gesamten Wettbewerb beaufsichtigt. Wer weiß, was da alles in der Vergangenheit schon passiert ist, dass zu solchen Maßnahmen gegriffen wird….

Die Organisation des Certamen International

Die Organisation des Certamen International ist perfekt – bzw. so perfekt wie es nur geht. Otto erzählte, dass er von einem Fahrer schon auf dem Flughafen abgeholt und ins Hotel gebracht wurde. Dort wartete schon ein Empfangskomitee auf ihn. Sämtliche Mahlzeiten waren auf die Minute organisiert ebenso wie der Transport vom Hotel zum Veranstaltungsort und wieder zurück. Vor dem Wettbewerb konnte sich die Jury kennenlernen und sie bekamen auch eine Führung durch die Konzerthalle „Palau de la Musica“ mit ihren Nebenräumen, in denen die Orchester sich einspielen konnten (organisiert ähnlich wie in Riva).

Der Konzertsaal im „Palau de la Musica“ fasst mehr als 1.700 Besucher und war während des Wettbewerbs immer gut besucht – bei der höchsten Sektion sogar bis auf den letzten Platz mit einem begeisterten Publikum belegt.

Zum Schluß bleibt wieder einmal die Frage im Raum in wie weit Musik – besonders auch auf diesem hohen, professionellen Niveau – bewertet werden kann. Die Professionalität und die Qualität der Darbietungen profitiert jedoch in sehr großem Maße von so einem Wettbewerb. Der Sportsgeist der Musiker, diesen Wettbewerb gewinnen zu wollen, treibt diese zu musikalischen Höchstleistungen an. Und genau das wollen wir mit Wettbewerben. Punkte, Rang, Preise? Fast egal.

Wer sich dennoch für die Punkte und die drei ersten Sieger in jeder Kategorie interessiert, kann diese auf der Website des Certamen International nachlesen.

Eines ist schon jetzt sicher: einmal möchte ich bei diesem Wettbewerb dabei sein! Wenn auch nur unter den Zuhörern….

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Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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