Konzertberichterstattung in Tageszeitungen – Die Sicht der BlasmusikerInnen
Zum Thema Konzertberichterstattung erreichte mich vor einiger Zeit folgende Zuschrift:
„Jedes Mal, wenn ich einen Konzertbericht über die umliegenden Musikvereine lese, fällt mir auf, wie einseitig die Berichte verfasst sind. Zum einen strotzen diese vor Informationen, welche teilweise komplett in Vorankündigungen bereits enthalten waren. Zum anderen scheint beinahe jedes Konzert wohlwollend und teilweise mit Superlativen versehen, aufgenommen worden zu sein. Vor allem wenn ich selbst als Besucher anwesend sein konnte, ärgere ich mich immer ein bisschen über die abweichende Berichterstattung.
Daher wären meine Fragen:
Wie verfasst man am besten einen Konzertbericht im Amateurbereich?
Wie erreicht man eine differenzierte Berichterstattung, bei der die Leistung der Musiker angemessen gewürdigt wird, aber auch kritisch (positiv wie negativ) kommentiert werden kann?“
Ich selbst war zunächst ein wenig ratlos. Ich bin meist mit einem Konzertbericht eines Musikvereins-Konzert schon dann zufrieden, wenn aus dem Text hervorgeht, dass der / die SchreiberIn Ahnung von der Materie hat und wenn alle Komponisten- und Werknamen richtig geschrieben sind.
Nach langem Überlegen habe ich mich entschlossen, diese Fragen einerseits an BlasmusikerInnen mit der Bitte um Beantwortung zu schicken, andererseits an Redakteure von lokalen Tageszeitungen, um diese um Ihre Meinung zu bitten.In diesem Beitrag kommen heute die BlasmusikerInnen zu Wort. Elisabeth Auer (Stadtkapelle Metzingen), Andreas Hirt (u. a. Trachtenkapelle Kappel), Carsten Klein (Blasorchester Seevetal), Michael Kummer (Blasorchesters Grünwald, Stadtkapelle Wasserburg, Akademischen Blasorchesters München) und Peter Wiese (Musikverein Avenwedde e. V.) haben sich dankenswerter Weise diesem Thema gewidmet:
Elisabeth Auer
Elisabeth Auer spielt Saxophon in der Stadtkapelle Metzingen und im Saxophonquartett „Sax mal 4“. Kennen gelernt haben wir uns beim Sommerkurs in Marktoberdorf. Hier ihr Beitrag:
Konzertberichterstattung bei Laienorchestern: LL – Langweilige Lobhudelei?
„Bei den allerschlechtesten Artikeln in unserer Tageszeitung sind immer auch die Berichte über Konzerte von hiesigen Musikvereinen dabei. Woran kann das liegen?
Einerseits kommen bei uns die Pressevertreter nicht zu allen Konzerten. Viele Berichte müssen unsere Pressebeauftragten selbst schreiben. Die Berichte werden bei der Zeitung eingereicht, dort “zensiert” und erscheinen in komprimierter Form mit oder ohne Foto, je nach Gusto des Redakteurs und zur Verfügung stehendem Platz im Lokalteil. Der Verfasser erkennt sein “Werk” oftmals nicht wieder.
Bei den Konzerten, bei denen Vertreter der Presse “pressent” 🙂 sind, bleiben die Journalisten meist nicht den gesamten Abend. Sie lassen sich vor dem Konzert oder in der Pause einige Informationen vom Dirigenten geben, hören eine Weile zu, machen Fotos, nehmen dann noch den Programmflyer mit und müssen weiter zur nächsten Veranstaltung. Sie verstehen leider auch meist nichts bzw. wenig von Blasmusik – ob sinfonisch oder unterhaltsam – und können deshalb auch gar nicht differenziert berichten.
Am schlimmsten finde ich Konzertberichte mit der Aufzählung der Stücke, der mehr oder weniger langweiligen Beschreibung jedes einzelnen Stücks und dann zum Abschluss noch wie toll die Musikstücke gespielt wurden und wie groß der Applaus war. In dieser Form sind leider 80% der Berichte. Interessant sind doch eigentlich eher die Hintergrund-Infos oder die Dinge, die in diesem Konzert ganz besonders sind bzw. waren.
Oftmals wird die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in den Vereinen aber auch sehr stiefkindlich praktiziert. Wenn also ein guter Kontakt zu ein bis zwei Lokalredakteuren aufgebaut wird, man für jedes Konzert ein Handout mit den zentralen Hintergrund-Infos vorbereitet und eventuell noch eine Mail mit einigen Punkten, die beim Bericht über das Konzert noch wichtig wären, dann hat der Redakteur genug Infos, um nicht das Programm abschreiben zu müssen. Wie so oft gilt also auch hier: Es gibt nichts Gutes außer man tut es! Gerade vor und während einem Konzert ist halt auch immer besonders viel in den Vereinen los, es gibt Zusatzproben, Einladungsaktionen, Plakataktionen, es muss dekoriert werden und und und….. Da fällt die Einladung / Versorgung der Presse schon mal untern Tisch und dann gibt es halt wieder so einen Null-Acht-Fünfzehn-Bericht.“
Andreas Hirt
Andreas Hirt ist Dirigent der Trachtenkapelle Kappel und Vize-Dirigent der Stadt- und Bürgerwehrmusik Villingen. Im Blasmusikverband Schwarzwald-Baar ist er seit 2007 Verbandsjugendleiter und stv. Verbandsdirigent. Im Folgenden seine Reaktion auf die Zuschrift:
„Ich kann den Blog-Leser sehr gut verstehen, da es mir oft genau so geht.
Du hattest selbst ein Konzert oder warst in einem Konzert und kannst die Berichterstattung nicht wirklich verstehen, weil sie nahezu nichts vom Erlebten wiederspiegelt.
Für einen Redakteur, der nicht vom Fach ist, ist es natürlich sehr schwer einen fachlich gehaltvollen Bericht zu schreiben. Er will natürlich auch keinem „weh“ tun oder kann es eventuell gar nicht beurteilen.
Trotzdem sollte über die musikalische Qualität (Ausführung, Stückwahl, Gestaltung…) eines Konzertes differenzierter berichtet werden, was unserem Hobby auch sicherlich nicht schaden würde. Wer liest denn schon gern den Einheitsbrei bzw. wird er dann überhaupt gelesen?
So würden die wirklichen Highlights auch viel mehr zur Geltung kommen und entsprechend gewürdigt werden.
Außerdem würde sachliche Kritik vielleicht auch als Denkanstoß für Veränderungen dienen.
Im Sport ist die Berichterstattung deutlich differenzierter, natürlich nicht immer fair bzw. sachlich, aber hier wirkt sich schlechte Leistung auch spürbarer aus, denn die Folgen können z.B. Auf- bzw. Abstieg einer Mannschaft sein. Bei uns passiert ja erst einmal nichts, außer dass vielleicht im nächsten Konzert einige Besucher mehr oder weniger kommen. Deshalb spürt man manchmal auch eine Selbstzufriedenheit oder Bequemlichkeit sich mit Weiterentwicklung in allen Bereichen, musikalisch wie strukturell, gezielt auseinander zu setzen. Die Notwendigkeit zu Veränderung bzw. Optimierung wird so oftmals zu spät erkannt oder gar nicht gesehen.“
Carsten Klein
Carsten Klein ist Dirigent und 1. Vorsitzender im Blasorchester Seevetal, einer Sparte im Turnverein Meckelfeld von 1920 e.V. Bis Januar 2019 war er auch Fachwart Musik in der Kreismusikvereinigung Stade e. V. Seine Gedanken zum Thema hier:
„In der Tat steht die Amateurmusik nicht gut da. Wir werden belächelt und oft, ohne Kenntnis der Personen, negativ dargestellt. Doch am Ende sind unsere Amateurvereine die Kulturträger bei Schützen- und Volksfesten, Laternenumzügen, Festakten, Jubiläen, Kranzniederlegungen, etc.. oder hast du die Musikschule dort mal gesehen?
Jeder Verein freut sich über eine gute Vorankündigung in der Presse im Bezug auf ein sein Konzert. Eine entsprechende Nachberichterstattung ist ebenfalls positiv, aber auch im norddeutschen nicht durchgängig umsetzbar. Durch unsere Akzeptanz freut sich ein jeder Vereinsvorstand, wenn er einen entsprechenden Platz in den Printmedien bekommen hat. Da wird natürlich probiert den Verein positiv darzustellen und neben dem Konzert auch das gesamte Spektrum des Vereins öffentlich darzustellen. Am Besten noch mit den Nachwuchskonzepten etc. Ich glaube final ist es unsere Angst so schnell nicht wieder in die Zeitung zu kommen. Man stellt sich im Übermaß positiv dar und zeigt alle Facetten eben auf.
Was passiert dann in der Nachberichterstattung?
In der Regel laden die Vereine die örtliche Presse ein, die dann, auf Grund von Terminüberschneidungen, Desinteresse, oder nicht relevanter Berichterstattung dem Konzert fern bleibt. Aber man bekommt, wenn man eine offizielle Absage erhält, die Aufforderung gerne einen Artikel einzusenden. Dies geschieht dann auch.
Auch hier sind die Vorstände oder Presseverantwortlichen dann gefordert. Man versucht sich wieder im richtigen und positiven Licht darzustellen. Oft bestimmt etwas dicker aufgetragen, als es in Wahrheit war, aber am Ende hängt das eigene Erscheinungsbild in der Gesellschaft, der Politik und Wirtschaft davon ab. Denn wir Musikvereine brauchen für unser Hobby die Unterstützung. Nicht nur finanziell, sondern oft auch materiell oder organisatorisch.
Sollte man wirklich dann
negativ über sein Konzert berichten? ‚Das
Solo des 11 jährigen Trompeters Maximiliam Grube war mutig und interessant
rüber gebracht. Auch wenn er im Zusammenspiel mit dem Orchester in der
Intonation nicht die Erwartungen der Zuhörer erreichen konnte, war die
Bereitschaft für ein Solo nicht zu unterschlagen.’ – brauchen wir solche
Artikel?
Sicherlich überspitzt aber am Ende ist es ein menschliches Grundsatzproblem:
Wir können besser mit positiven Dingen umgehen, als mit negativen. Und dann
sollen wir gegebenenfalls schlecht über unser eigenes Konzert schreiben?
Ich gebe deinem Schreiber recht, dass die Wahrheit und der Pressetext oft nicht im Einklang stehen und vor allem musikbewanderte Zuhörer die Fehler des Klangkörpers bemerken. Ist aber am Ende der Presseartikel vielleicht nicht doch ehrlich und transparent, da das Orchester das gesamte Jahr in keiner Probe und keinem Auftritt die musikalischen Leistungen, wie auf dem Konzert gebracht hat. Dann wäre zwar das musikbewanderte Publikum eher enttäuscht, aber das Orchester im Übermaß glücklich.
Ich denke, negative Berichterstattung kann nur von unabhängigen Pressevertretern kommen. Schreiben wir selbst über uns wird es immer positiv sein. Übertragen wir unseren Verein auf ein Mittelstandsunternehmen oder eine Aktiengesellschaft: Welches Unternehmen schreibt über sich negativ? Selbst im größten Skandal findet man noch positive Argumente.“
Michael Kummer
Michael Kummer ist Dirigent des Blasorchesters Grünwald, der Stadtkapelle Wasserburg und des Akademischen Blasorchesters München. Er ist künstlerischer Leiter und Dirigent bei den jährlich stattfindenden Sommerkursen „Windrichtung“ in Marktoberdorf. Hier sein Statement:
Konzertberichte in der lokalen Presse im Amateurbereich – Zweck und Nutzen?
„Eingangs darf erst einmal die Frage stehen: was unterscheidet einen Konzertbericht von einer Kritik und wann bekommt man diesen überhaupt?
Ich denke, dass die erste Frage durchaus von Bedeutung ist – eine Kritik ist eine fachlich fundierte, seriöse Auseinandersetzung mit einem Kulturereignis. Ein Konzert-(=Veranstaltungs)bericht informiert möglichst zeitnah retrospektiv über ein aktuelles Geschehen.
Ich darf dann gleich einmal weiter fragen: sind die üblichen Blasorchesterkonzerte ein kulturelles Ereignis? Oder eine gesellige Veranstaltung eines mehr oder weniger leistungsfähigen Musikvereines mit im Idealfall ambitionierten Laienmusikern? Sicher – die Grenzen sind fließend und es gibt weder für das eine noch das andere notwendigerweise abwertende Bewertungen, vorausgesetzt man nutzt die passendende Perspektive. Im Bereich des Amateurmusizierens dürfte also der Fall einer mit professionellem Maßstab verfassten Kritik eher die Ausnahme sein und wird meist auch weder dem Umstand gerecht noch besonders positiv ausfallen.
Bleiben wir also beim Veranstaltungsbericht. Hier kommt es schon einmal sehr darauf an, wo sich der behandelte Musikverein befindet. In Ballungsräumen mit professionellen Orchestern wie in München wird es sehr schwer, Eingang in die etablierten Zeitungen und Magazine zu erhalten. Bei täglichen zig kulturellen Veranstaltungen ist es in einem Feuilleton ja kaum möglich, mehr als die wichtigsten zu besprechen. Für einen Bericht im Amateurbereich wird es nur in extremen Ausnahmefällen zu einem Beitrag kommen. In den sogenannten Regionalteilen der großen Blätter finden die Veranstaltungsberichte an sich Einzug, allerdings haben die Lokalredaktionen zunehmend Personalmangel – es ist nicht leicht, kompetente Berichterstatter für die minimalen Zeilenhonorare zu finden, die willens sind, andauernd die Abende und Wochenende im Dienste der Sache zu opfern. Viele Veranstaltungen, die noch vor einigen Jahren regelmäßig Berichte erhielten, gehen daher mittlerweile leer aus.
Etwas besser sieht es im „flachen Land“ aus, wo eine blasmusikalische Konzertveranstaltung noch ein mehr oder weniger bestehendes Alleinstellungsmerkmal hat. Allerdings wird auch hier der Bericht oft genug von fachfremdem Personal verfasst, welches ebenso gut über die Hauptversammlung des Schützenvereines oder das Fußballspiel vom Wochenende zu schreiben hat. Aus der Not heraus schreiben auch immer mehr Vereine ihre Veranstaltungsberichte selber, wobei man dann das Glück eines journalistisch begabten, dem Verein nahestehenden, Personals haben muss.
Aus dem hier kurz dargelegten ergibt sich in der Regel, dass der Konzertbericht eben meist ein reiner Veranstaltungsbericht ist, in dem der Verlauf des Konzertes nacherzählt wird. Nur selten kommt eine treffende, etwas tiefer gehende Beschreibung der Darbietung oder gar Bewertung der musikalischen Qualität vor, allenfalls wird ein Solist genannt oder wichtige Ehrengäste oder geehrte Jubilare aufgezählt. Da der verfügliche Platz in der Zeitung meist mehr als beschränkt ist und ein Lektorat ohnehin nicht stattfindet und eingereichte Beiträge oft genug brutal verstümmelt und abgekürzt werden, ergibt sich für den verfassenden Autor die Frage, was er mit seinem Bericht überhaupt erreichen will.
Ich denke, dass ein Konzertbericht vom Grundsatz her die Atmosphäre der Veranstaltung widerspiegeln sollte und in erster Linie das Positive herausstellen muss. Es geht um die Motivation von Personen, die mit viel Herzblut für ihre Mitmenschen versuchen, etwas Schönes zu generieren. Da schreibt man nicht über einen verhauten Einsatz oder mangelnde Präzision oder Intonation bei schwierigen Stellen. Etwas anderes ist es, wenn ein Ensemble inklusive seinem Dirigenten sich massiv überschätzt oder stilistisch daneben greift – z.B. in einem Kirchenkonzert unpassende Stücke zum Besten gibt. Auch ärgerliche Dinge wie zu lange Konzertdauern sowie eine aus den Fugen geratene Moderation sollte man nicht einfach übergehen. Auf keinen Fall kann und sollte ein Veranstaltungsbericht ein Ersatz für das Bewertungsgespräch bei einem Wertungsspiel oder Wettbewerb sein. Pädagogische Hilfestellungen für den Verein und seine Leitung gehören dort hin und nicht in die Zeitung.
Abschließend kann man sich noch Gedanken über den Nutzen eines Konzertberichtes für die Vereinsarbeit machen. Ich habe meine Zweifel, ob solche Berichte den Zuschauerstrom in die örtlichen Konzerte stark befördert. Sicher ist eine generell positive Darstellung der Vereinsarbeit übers Jahr in jedem Fall erstrebens- und wünschenswert. Nachdem aber Konzertberichte nur in der Regel zwei Mal im Jahr und dann auch noch nach der Veranstaltung zu lesen sind, halte ich seine Wirkung eher für marginal. Insgesamt geht es hier also nach meiner Meinung nicht um kulturellen Journalismus, der ohnehin meist nicht geleistet werden kann, sondern im Wesentlichen um schlichte Eigenwerbung. Und die sollte Per Se positiv sein – sonst kann man sie sich gleich schenken.“
Peter Wiese
Peter Wiese spielt Tuba im Musikverein Avenwedde e. V. von 1911. Groß geworden ist er im Jugendmusikkorps Avenwedde – Stadt Gütersloh – e. V., dort ist er heute im Vorstand tätig. Die Pressearbeit leistet Peter Wiese für beide Vereine. Außerdem musiziert er noch in der BläserPhilharmonie Ostwestfalen-Lippe.
“Seit ungefähr 15 Jahren mache ich nun die Pressearbeit für das Orchester, in dem ich selbst spiele und für unser Jugendorchester (unsere Jugendausbildung ist in einem eigenständigen Verein organisiert, dort bin ich im Vorstand tätig). Die Frage, wie man als Blasorchester-Verein eine differenzierte Konzertberichterstattung erreichen kann, beschäftigt mich genau so lange. Noch immer klappt es nicht bei jedem (Jahres-)Konzert, aber über die Jahre ist die “Trefferquote” zumindest gestiegen. Der Weg dorthin war jedoch lang und auch mit Rückschritten gepflastert. Und ich glaube, man muss die Pressearbeit ganzjährig betreiben und ganzheitlich betrachten, nicht nur den Konzertbericht. Daher fühlte ich mich irgendwie berufen, auch einen kleinen Text zu diesem Thema zu verfassen, vielleicht enthält er ja einige Anregungen, die für andere Musikfreunde nützlich sein können.
Was wünschen wir uns?
Als erstes habe ich mir die Frage gestellt, was wünschen wir uns denn eigentlich für eine Berichterstattung und warum? Was mich und meine Vereine betrifft, kann ich sagen, dass wir uns schon einen Text wünschen, der nicht nur die gespielten Stücke auflistet (“Als erstes wurde XY gespielt, als nächstes YZ und dann XYZ…”), sondern auch die Leistung des Orchesters beschreibt und beurteilt. Also irgendwie eine echte Konzertkritik, aber natürlich nur positiv… Wir wünschen uns das, weil das letztendlich bedeutet, dass wir als Kulturträger verstanden und ernst genommen werden, etwas, was für Blasorchester in der deutschen Kultur- und in der Presselandschaft immer noch nicht selbstverständlich ist und wenn wir ehrlich sind, ist es auch bei vielen Blasorchestern verständlich, dass es nicht so ist. Aber gerade deswegen wünschen wir es uns vermutlich für unser eigenes Orchester, um uns von den weniger ambitionierten zu differenzieren. Allerdings sollten wir dabei auch stets reflektieren, ob wir uns selbst nicht für wichtiger halten als wir es tatsächlich sind!?
Die äußeren Umstände
Zunächst einmal gilt es, die äußeren Umstände zu betrachten. Wie groß ist mein Ort? Ist er Hauptort der Lokalausgabe oder liegt er im Umfeld? Wie viele Lokalzeitungen gibt es noch am Ort? Gibt es für meinen Ort eine eigene lokale Kulturseite, wenn ja täglich? Oder findet Kultur nur im normalen Lokalteil statt? Wie viele Blasorchester und vergleichbare Ensembles gibt es im Ort und im Bereich der Lokalausgabe? Und wer schreibt eigentlich den Konzertbericht?
Wir haben in unserer Stadt die in Deutschland leider inzwischen eher außergewöhnliche Situation, dass es noch drei eigenständige Lokalzeitungen gibt. Unsere Stadt hat 100.000 Einwohner und ist damit der Hauptort aller Lokalausgaben. Alle drei Zeitungen haben außerdem noch weitere Seiten für die kleineren Städte und Gemeinden im Umkreis. Die beiden auflagenstärkeren Zeitungen haben täglich außer montags mindestens eine Seite “Lokale Kultur” für unsere Stadt, nicht jedoch für die Umlandgemeinden. Für uns ist es daher wichtig, dass wir auf diesen lokalen Kulturseiten stattfinden, nur dann werden wir in einer Stadt mit mittel- bis großstädtischem Kulturangebot überhaupt als Kultur wahrgenommen. Und längst nicht alle Chöre und Ensembles unserer Stadt finden auf den lokalen Kulturseiten statt. Hingegen wird über die Blasorchester der Umlandgemeinden im jeweiligen Lokalteil für deren Ort berichtet und das möchten sie auch so, denn nur dort werden sie von den Bürgern ihres Ortes auch gefunden und wahrgenommen.
Für die lokalen Kulturseiten ist innerhalb der Lokalredaktion jeweils ein Redakteur bzw. eine Redakteurin zuständig. Die können aber verständlicherweise nicht bei allen Veranstaltungen, über die berichtet werden soll, selbst anwesend sein. Also greifen sie jeweils auf einen Pool an Berichterstattern zurück, die das ganze nebenberuflich, um nicht zu sagen “als Hobby” machen – gegen ein relativ geringes Entgelt, das Budget der Verlage für die Lokalredaktionen ist nicht gerade üppig. Die “Qualität”, also Musikkenntnisse und -vorlieben (!), Formulierkünste usw. dieser Berichterstatter ist relativ breit gestreut. Ich habe schon alles erlebt von der 16-jährigen Schülerin über den freischaffenden Bildhauer bis zur promovierten Kunsthistorikerin oder sogar auch Musikwissenschaftlerin. Wie man sich denken kann, sind aber auch hier die Spitzenkräfte eher selten anzutreffen. Abgesehen davon sind heutzutage Menschen, die bereit sind, ihre Abende und ihre Wochenenden mit dem Besuchen von Laienkonzerten zu verbringen, sowieso eher rar gesät. (Wobei in unserer Stadt noch dazu kommt, dass sich um diese wenigen Menschen auch noch drei Zeitungen schlagen.) Ich weiß das, weil ich selbst auch schon von zwei Redaktionen angesprochen wurde, ob ich nicht über die Konzerte anderer Blasorchester berichten wolle? Vielleicht ist das übrigens auch eine Idee, von der sich der ein oder andere Blasmusiker durchaus angesprochen fühlt, einfach mal in den lokalen Redaktionen nachfragen! Viele Sportler engagieren sich in ihrer Sportart ja auch nebenher noch als Schiedsrichter. Kurzum, es ist jedenfalls Glücksache, wer als Berichterstatter kommt. Und wenn mal jemand mit Ahnung kommt, dann muss man auch liefern, um dadurch vielleicht beim nächsten Mal die Chance zu haben, dass sie oder er auch wiederkommt.
Was kann man selbst tun?
– Ich habe die Redaktionen besucht. Nichts ist so wichtig wie der persönliche Kontakt! Ich möchte, dass der Redakteur ein Bild von mir vor Augen hat, wenn er meine Mail liest oder mit mir telefoniert. Alle paar Jahre vereinbare ich deswegen einen Termin mit dem zuständigen Redakteur und besuche sie oder ihn in seinem Büro. Das ganze ist natürlich immer anlassbezogen, z. B. vor einem Vereinsjubiläumsjahr, zu einem wichtigen Wertungsspiel (z. B. Deutsches Musikfest), bei einem Dirigentenwechsel usw. Nur Mut, ich habe nur positive Erfahrungen gemacht, die freuen sich, wenn man sich für ihre Arbeit interessiert. Wenn ich selbst auf einer Veranstaltung zu Gast bin und dort einen der Redakteure antreffe, halte ich immer einen Smalltalk mit ihnen.
– Ich reiche im Laufe eines Jahres etliche Artikel ein, um im Gedächtnis zu bleiben. Vielleicht erscheinen nicht alle (der Platz ist halt begrenzt, wie gesagt, wir sollten uns auch nicht zu wichtig nehmen), aber bei den Redakteuren bleibt auf jeden Fall etwas hängen. Wir machen im Jahr neben den Jahreskonzerten (1 x Musikverein, 1 x Jugendorchester) noch weitere Veranstaltungen wie Sommerkonzert open air, Instrumente ausprobieren für Kinder, Kerzenkonzert im Advent, Maibaumaufstellen und -einholen, die Mitgliederversammlungen, alle Jubeljahre mal eine längere Reise mit dem Jugendorchester. Ich schreibe immer einen kurzen Vorbericht / Veranstaltungshinweis und immer einen Nachbericht, bei den “kleineren” Konzerten mache ich das in der Tat selbst. Die Redaktionen finden das gut, denn sie müssen niemanden suchen, der dorthin geht und sie sparen überdies noch Geld (siehe oben). Dafür habe ich mit ihnen den Deal, dass dann zum Jahreskonzert auf jeden Fall jemand kommt. Die Texte sind immer in der Außensicht geschrieben, also wie von einem Externen, nie in der Wir- oder Ich-Form.
– Wenn ich eine wichtige Botschaft habe, dann kommt sie über längere Zeit in jedem Text, den ich selbst schreibe, immer wieder in einem Nebensatz vor. (z. B. “das Jugendorchester, mit knapp 200 Aktiven eines der größten im Land, plant dieses oder jenes zu tun…” Selbst wenn es rausgekürzt wird, beim Redakteur ist die Botschaft irgendwann angekommen.
– Wenn jemand kommt, dann bereite ich immer eine Presseinfo vor. Das sind ein oder mehrere Blätter, auf denen ich alles stichwortartig aufschreibe, was ich gerne später im Text haben möchte bzw. was ich weiß, was Journalisten sonst gerne fragen.
Beispiele für ein Konzert: Informationen zur Programmfolge*), Informationen zu den einzelnen Stücken*) (z. B. Klappentext), Anzahl der Musiker, Infos zum Dirigenten, geschätzte Besucherzahl, Zugaben (die Berichterstatter gehen ja gerne früher, so fällt das dem Leser aber nicht auf) *) falls es nicht im Programmheft steht, die vollständigen Namen aller einzeln auftretenden Protagonisten (z. B. Moderator, Vorsitzender, Solisten), dann werden die auch nicht mehr falsch geschrieben!
Beispiele für die Mitgliederversammlung: Tagesordnung, Zusammenfassung der Berichte (sollte der Pressewart vor der Versammlung kennen, bei den Vorstandskollegen erfragen!), bei Wahlen Namen aller Kandidaten, Namen aller Geehrten usw.
– Auf die Presseinfo weise ich in der Einladung hin, sie wird aber erst beim Konzert an der Kasse ausgegeben, so weiß ich, wer da ist.
– Ich frage nach, wenn mir etwas nicht gefällt oder eine Vorankündigung nicht erscheint.
– Bei den Deutschen Musikfesten 2007 und 2013 habe ich jeweils einer Zeitung angeboten, dass wir auf unsere Kosten einen Berichterstatter auf die ganze Reise mitnehmen. Wir waren jeweils mit zwei Orchestern und zusammen mehr als 100 Leuten da, da fiel dann einer mehr oder weniger monetär auch nicht mehr ins Gewicht. Mitgefahren ist jeweils ein Volontär (also sozusagen ein Journalisten-Azubi), ganz normal wie alle anderen im Bus und mit Mehrbettzimmer in der Jugendherberge. Das ganze war eine Win-Win-Situation. Die Zeitung hatte ein interessantes Projekt für ihren Volontär. Der konnte eine ganze Seite gestalten und vor allem: Wir haben eine ganze Seite Berichterstattung über unsere Teilnahme bekommen. Die in Frage kommenden Themen haben wir vorher abgesteckt. (Vorbereitung, Interview mit den Dirigenten, ältester und jüngster Teilnehmer, Reisebericht, Bericht vom Wertungsspiel, Berichte über die weiteren Orchester aus dem Verbreitungsgebiet der Zeitung). Nachhaltig war für mich aber vor allem der gewonnene enge Kontakt zu den Redaktionen und das aufgebaute Vertrauen.
– Zu guter letzt: Eine Rolle spielt für mich auch das gesamte Erscheinungsbild des Konzertes. Wir haben ein einheitliches Corporate Design für wirklich alle Drucksachen (Plakat, Flyer, Eintrittskarte, Programmheft, Reserviert-Schildchen, Bühnenbild, besagte Presseinfo). Das zeigt, dass wir unsere Sache in allen Belangen ernst nehmen. So wird man auch von Außenstehenden (also z. B. den Berichterstattern) eher ernst genommen.
Vielleicht hilft mein Text ja dem ein oder anderen zukünftig bei seiner Pressearbeit.”
Herzlichen Dank an Elisabeth Auer, Andreas Hirt, Carsten Klein, Michael Kummer und Peter Wiese für ihre Beiträge.
Einen Punkt möchte ich gerne nochmals aufgreifen und auf meinen Beitrag zur permanenten positiven Außendarstellung verweisen. Eine strukturierte Öffentlichkeitsarbeit, in der ein eventueller Konzertnachbericht lediglich ein Teil des Musikvereins-PRs darstellt, erscheint mir immer noch am sinnvollsten.
Neugierig möchte ich euch jetzt auf die Beiträge der Journalisten machen. Diese erscheinen in Kürze!
Einladen möchte ich Euch, Eure Meinung zu diesem Thema unten in die Kommentare zu schreiben. Vielleicht ergibt sich hieraus eine rege Diskussion mit ein paar konstruktiven Hinweisen und Ergebnissen, die wir als Wünsche in Richtung Presse bzw. Tageszeitungen formulieren können.
Ich bin ebenfalls in der Pressearbeit im Musikverein Harmonie Tennenbronn tätig und kann ALLES von Peter Wiese gesagt nur unterstreichen!
Als erstes muss man sich selbst klar werden, was das Besondere und Unverwechselbare dieser Veranstaltung/Konzert ist. Welche Botschaft will ich vermitteln mit meiner Veranstaltung/Konzert.
Wenn die Veranstaltung kein Alleinstellungsmerkmal hat (Emotion, Gag, Highlight, Klasse, Masse, Ambiente, …) dann wird jeder Bericht, vereinseigen oder Presse, in einer Aneinanderreihung der Stücke münden.
Dieses Zentralbotschaften kann man selbst in der Vorberichterstattung sowie in einer Pressemappe für die Veranstaltung immer wiederholen. Man kann so manchmal die Berichterstattung etwas steuern.
Und ja, wichtig ist der persönliche Kontakt zu den Redakteuren. Auch im persönlichen Gespräch bei der Veranstaltung kann man die Zentralbotschaften platzieren.
Ein Themenkonzert mit wirklich passenden gut ausgesuchten Titeln erleichtert die Pressearbeit (intern und extern)
Aber nochmal: Voraussetzung ist, dass eine Veranstaltung eine Besonderheit hat, Emotionen weckt.
Emotionen sind für Zuhörer oft wichtiger wie hochklassige Qualität.
Herzlichen Dank für Deinen wertvollen Kommentar, Ulrich. Ich sehe das ganz genau so.
Viele Grüße
Alexandra
Hallo Zusammen, ich war Pressewart beim Musikverein Frohsinn Albershausen und hatte auch so meine Probleme mit der Tageszeitung. Mir wurde vom zuständigen Redakteur erklärt, dass für sie ein Konzert der 42 Kreisvereine kein Highlight ist. Was natürlich für uns Vereine ein Schlag ins Gesicht war, denn ich denke, für jeden Musiker ist ein Konzert, auf das man Wochen lang intensiv darauf übt, ein besonderes Event. Und außerdem werden die Berichte nur veröffentlicht wenn es der Platz zulässt. Was komisch war, dass jede Sportveranstaltung groß und breit veröffentlich wurde. Schlimmer war noch, wenn sie unsere Bericht gekürzt haben und der Inhalt total auseinander gerissen wurde. Kam nach außen blöd an und wir wurden gerügt, was wir denn für einen Unsinn schreiben würden. Ich gab irgendwann den Kampf gegen die Zeitung auf, denn diese sitzen ja am längeren Hebel.
Danke für Deinen Kommentar, Annette! Tut mir leid, dass Du so negative Erfahrungen gemacht hast. Viele Grüße Alexandra
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