Herausforderung für Musikvereine: Baustelle Nachwuchsgewinnung
Heute beantwortet Meike Koch vom Musikverein Winterbach (im Saarland) die Frage
„Wo liegen in Deinem Musikverein zur Zeit die größten Herausforderungen und wie packt Ihr diese an?“
Sehr interessante Lösungen sind in ihrem Gastbeitrag zu finden:
Ein Gastbeitrag von Meike Koch, Musikverein Winterbach
“Auch unsere größte Baustelle (und ich denke so geht es den meisten Vereinen) ist das Thema Nachwuchsgewinnung und die Sicherstellung der Zukunft unseres Vereins.
Wir haben die letzten drei Jahre immer mal wieder etwas Neues ausprobiert und verbinden die Jugendarbeit auch sehr mit Marketing für unseren Verein. Bei uns war es für eine verstärkte Jugendarbeit auch viertel vor 12:
Unser Verein ist mit seinen 54 aktiven Mitgliedern noch ein sehr gut besetztes Orchester. Wenn man das Vereinssterben in der Umgebung betrachtet, geht es uns wirklich noch sehr gut. Unser Fehler war es nur, uns aufgrund dieser Zahlen in Sicherheit zu wähnen und die Jugendarbeit, die viele Jahre schon ein Selbstläufer war, schleifen zu lassen. Die Arbeit funktionierte jahrelang einwandfrei und wurde auch gut betreut. Allerdings merkten wir nicht, dass die Kinder und Eltern quasi nicht mehr “von selbst” zu uns kamen.
Als dann auch noch die Grundschule im Dorf geschlossen wurde und die Kinder in anderen Orten zur Schule gingen, haben wir leider auch noch nicht reagiert. Auch unser Jugendorchester musste im Jahr 2010 aufgelöst werden.
Damit war es 2015 auch schon höchste Zeit, als wir endlich darauf aufmerksam wurden, da sich nur noch drei Kinder in der Ausbildung befanden.
Zuerst haben wir damit begonnen, uns wieder bei den Eltern und Kindern bekannt zu machen und haben Flyer zu unserer Ausbildung erstellt und in den Kindergärten und Grundschulen verteilt. Wichtig war dabei, dass wir den Flyer so gestaltet haben, dass wir ihn jedes Jahr wieder einsetzen können. Ein Wiedererkennungswert entsteht.
Zusätzlich haben wir zu unseren Ausbildungsstufen kleine Informationsabende in unserem Vereinszentrum veranstaltet und dafür auch via Social Media, Plakaten und über die Zeitung geworben. Für die viele Arbeit war der Rücklauf leider sehr ernüchternd, ABER es kamen auch vereinzelt Eltern, die dann auch ihre Kinder angemeldet haben und bis heute noch dabei sind!
Auch unseren Internetauftritt haben wir überarbeitet: Unsere Webseite wurde modernisiert und enthält nun auch einen Blog, wo wir über alle Aktivitäten unseres Vereins berichten. Die Jugend hat schon ein paar Beiträge bekommen und diese werden gut angenommen und gelesen. Über unsere Facebook-Seite erstellen wir Veranstaltungen oder bewerben Neuerungen und Blog-Beiträge auf unserer Webseite, damit sie viele Klicks bekommen.
Unsere Ausbildungsstufen, die Termine unserer Jugend und unser Jugendvorstand wird auf der Webseite dargestellt. Wir wollten den Eltern und Interessierten alles so einfach wie möglich machen und so finden sich auf diesen Seiten die Inhalte der Ausbildung, Ort, Uhrzeit und Kontakt für den Unterricht, die Anmeldungen zum ausdrucken und ein unverbindliches Kontaktformular bei Fragen.
An den Ausbildungsstufen haben wir bisher nichts verändert, da unsere Konzepte immer noch sehr gut funktionieren. Wir haben die musikalische Früherziehung (für Kinder von 3 bis 5 Jahren), den Blockflötenunterricht (6 bis 8 Jahre) und den Instrumentalunterricht (ab 8 Jahren).
Die musikalische Früherziehung und der Blockflötenunterricht werden dabei von unseren Musikern und Mitgliedern übernommen und in unseren Proberäumen durchgeführt. Damit entsteht eine erste Bindung zu unserem Verein für die Kinder und Eltern.
Die Bindung zu den Eltern ist für uns generell ein sehr wichtiges Thema.
Unternehmen wir Freizeitausflüge fragen wir auch immer die Eltern, wer als Betreuer helfen kann. Auf unserem Dorffest verkaufen wir einmal im Jahr Cocktails, um so die Freizeiten zu finanzieren. Auch hier werden wir von den Eltern unterstützt.
Zusätzlich versuchen wir in diesem Jahr, uns einmal im Halbjahr mit den Eltern zu einem Stammtisch zu treffen und uns so über verschiedene Themen auszutauschen.
Auch haben wir für unsere Instrumentalschüler wieder ein Schülerensemble gegründet und treffen uns zweimal im Monat zum Proben. Dabei lassen wir uns auch manchmal Besonderheiten neben den Probearbeiten einfallen: z.B. Gruppenspiele, die Gestaltung eines Plakats für den Fastnachtsumzug oder einfach spontane Fahrten zum McDonald`s.
Unsere Instrumentalschüler helfen auch schon bei Aktionen des großen Orchesters, wie z.B. die Halle schmücken, wenn ein Konzert ansteht.
Das ganze Jahr über bemühen wir uns außerdem Auftritte für die Kinder zu organisieren, damit sie einen kleinen Motivationsschub bekommen. Seniorennachmittage, Weihnachtsfeiern, offene Proben, Kindergartenfeste usw. bieten dafür eine gute Gelegenheit und außerdem eine kleine Werbefläche für den Verein.
Das Ganze kann man sich auch gerne mal anschauen, unter: www.musikverein-winterbach.de
Diese viele Arbeit hat dazu geführt, dass wir wieder 20 Kinder in Ausbildung bei uns haben.
Wir als Jugendleiter werden manchmal ein bisschen überrascht angesehen, wenn wir immer mehr machen und anbieten möchten und auch mal sehr große Veranstaltungen planen wollen. “Was wollt ihr denn, es läuft doch wieder richtig gut für uns”, heißt es dann.
Man muss sich aber mal überlegen, was in der Zeit, in der ein Kind anfängt ein Instrument zu lernen und bis es im großen Orchester sitzt, alles passieren kann: Studium und Umzug, keine Lust mehr, ein anderes Hobby gefunden, zu viel Stoff in der Schule, usw.
Das heißt, wir in der Jugendarbeit sehen generell eigentlich mehr Kinder gehen als kommen und müssen einen langen Atem und sehr viel Geduld beweisen.
Eins habe ich bisher gelernt: Bei der Jugendarbeit im Musikverein muss man kreativ und ideenreich sein. Setzt man seine Ideen dann um und experimentiert und probiert aus, fällt man meistens fünfmal auf die Nase, bis man einen Erfolg verzeichnen kann. Aber das “auf-die-Nase-fallen” lohnt sich allemal.
Unser Job im Verein ist es auch, die Musiker und den Vorstand mit Ideen und Vorschlägen ein bisschen zu nerven und dafür zu sorgen, dass die Jugend nicht unter den Tisch fällt oder noch einmal für lange Zeit in Vergessenheit gerät.
Und wenn man dann einen Erfolg verzeichnet (z.B. der erste Auftritt des neu gegründeten Schülerensembles) ist man stolz und motiviert weiter zu machen.”
Viele Grüße aus dem Saarland,
Meike Koch vom Musikverein Winterbach
Ein herzliches Dankeschön an Meike Koch für den Beitrag und die Ideen, die in diesem Beitrag stecken! Für mich sehr interessant: Die Erkenntnis, dass Nachwuchsgewinnung nicht ohne einen ausgewogenen Marketing-Mix und eine permanente positive Außendarstellung gelingt!
Hier nochmals der Aufruf an alle Vorstände bzw. Vorstandschaftsmitglieder die Frage zu beantworten: „Wo liegen in Deinem Musikverein zur Zeit die größten Herausforderungen und wie packt Ihr diese an?“ Gerne per Mail an mich: alexandra@kulturservice.link.
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