Schwierigkeitsgrade für Blasorchesterwerke – Kriterien aus Verleger-Sicht
Die Frage “Wer legt in Deinem Musikverlag die Schwierigkeitsgrade, die für ein Blasorchesterwerk veröffentlicht werden, fest und nach welchen Kriterien werden diese festgelegt?” beantworten die Musikverleger Ben Haemhouts (Beriato/De Haske/Hal Leonard), Alexander Knam (Hebu-Musikverlag), Koen Vergouwen (Tierolff) und Walter Weinzierl (Orchestral Art).
Ben Haemhouts antwortet:
“Das wird innerhalb des Teams festgelegt. Wir Arbeiten mit relativ festen Vorlagen basierernd auf logischen Parametern. Viele Werke sind sowieso Aufträge und haben dann bereits klare Vorgaben vom Auftraggeber aus.
Wenn etwas sehr unlogisch ist, zum Beispiel 2 Oboen Stimmen und English Horn und 4 Posaunen in einem Grad 2 Werk, dann wird darüber diskutiert wie der Komponist das löst, damit das Werk für die Mehrheit der Blasorchester geeignet ist.
Wenn wir selber Bearbeitungen oder Kompositionen ohne externen Auftraggeber veranlassen, wollen wir dafür sorgen dass die Orchester so viele Informationen wie möglich im Voraus haben, damit sie keine Katze im Sack kaufen und die Werke für eine breite Gruppe in diesem spezifischen Grad spielbar ist.”
Alexander Knam antwortet:
“Die Schwierigkeitsgrade werden bei uns in Absprache mit dem Komponisten, Oliver Grote (Lektorat) und mir bestimmt.
Dass Verlage oftmals eine andere Sichtweise haben als die Komponisten macht das Ganze nicht einfach und Oliver Grote hat schlussendlich die Entscheidungsbefugnis, da er nach meinem Dafürhalten dann die „neutralste“ Person ist. Verlage haben natürlich immer auch das „Verkaufsfördernde bzw. -hemmende“ Argument dieser Schwierigkeitsgrade im Blick. Strikte Kriterien wie die, welche die amerikanischen Verlage für die Einstufung ihrer Werke haben (und diese dann auch beim Auftrag der Komposition bereits einfordern), haben wir nicht. Auch ist zu bemerken, dass diese Richtlinien der einzelnen Verlage im Detail auch abweichen und selbst diese Kriterien verlagsunterschiedlich sind – wenngleich auch sehr sehr ähnlich.”
Koen Vergouwen antwortet:
“Beim Musikverlag Tierolff aus den Niederlanden wird bereits bei den Überlegungen für einen Kompositionsauftrag zwischen dem Komponisten und dem Verleger (Koen Vergouwen) festgelegt, welchen Schwierigkeitsgrad das Stück haben soll. Vielleicht ist es gut, dies an einem Beispiel zu erläutern: Der Verleger gibt den Auftrag für das Schreiben von einem Konzertwerk, das auch für Wettbewerbe in verschiedenen Ländern geeignet sein soll. Das Thema des Kompositionsauftrag an Thomas Asanger ist CMYK (die vier Farben, auf denen der Vierfarbdruck basiert). Diese vier Farben sollen in Musik ausgedrückt werden, am Ende auch in vermischter Form. Bei diesem Auftrag wird eine (ungefähre) Dauer sowie der Schwierigkeitsgrad vorab abgesprochen.
Die Schwierigkeitsgrade sind vielerorts festgelegt. Es gibt in der Blasmusikwelt Dokumente, in denen diese “Guidlines” mehr oder weniger festgelegt sind. Diese Guidlines sind beinhalten die Instrumentation, den Tonumfang der entsprechenden Instrumente, die Tempi, Rhythmik und die Länge des Werks. Auch Artikulation, Dynamische Zeichen spielen eine Rolle beim Schreiben der Komposition und zusammen legen alle diese Parameter schließlich den Schwierigkeitsgrad einer Kompostion fest.
Das amerikanische System ist sehr fokusiert auf “grade levels”, wobei wir Europäer das meist etwas übertrieben finden. Aber da der Musikunterricht in den Vereinigten Staaten total anders funktioniert als in Europa ist das eine verständliche Situation.
Wenn wir unsere jährlichen Aufnahmen haben besprechen wir direkt nach der Aufnahme des betreffenden Titels, losgelöst von der Idee, die der Komponist und der Verleger zuvor hatten, mit u. a. dem Klangregisseur (selbst ein sehr guter Musiker, Arrangeuer und Komponist) nochmals den Schwierigkeitsgrad. Während der Aufnahme kommt beispielsweise eine schwierige Passage für das Horn heraus, bei der die Aufnagme ins Stocken gerät: diese muß dann vielleicht drei oder vier Mal wiederholt werden, um die gewünschte (fehlerlose) Aufnahme zu erhalten. So kommen einige schwierige Passagen heraus und diese sind dann auch ausschlaggebend für den letztendlichen Schwierigkeitsgrad.
Wenn der Schwierigkeitsgrad bei der Beurteilung während der Aufnahmen signifikant abweicht zu dem was zuvor besprochen wurde, dann schauen wir nochmals kritisch auf die Komposition bevor wir uns definitv festlegen.
Wenn ein Komponist mit einem fertigen Werk kommt, dann gibt er den Schwierigkeitsgrad nach seiner Erfahrung an. Diesen überprüfen wir dann nochmals. Das gilt im übrigen auch für ein Arrangement.
Solos mit Orchesterbegleitung werden bei uns getrennt beurteilt. Es kann sein, dass der Schwierigkeitsgrad des Werkes Grad 3 ist und die Solostimme Grad 4.”
Walter Weinzierl antwortet:
“Die Einstufung lege ich als Verleger fest – und da lasse ich mich von meiner Erfahrung und meinem „Bauchgefühl“ leiten. Kriterien wie Tonart, Tonumfang, Länge usw. haben dabei nur nebensächliche Bedeutung. Man kann mit diesen Parameter ohnehin nur bedingt was anfangen.
Aussagen von Dirigenten wie: „ Vor zwei Jahren haben wir Grade 3 gespielt, jetzt können wir schon Grade 4 spielen“ sind mehr als seltsam. Dieses Messen in quasi „Fußballiga Einheiten“ zeigt von doch von einem seltsamen Verständnis für die Musik.”
In der Serie “Schwierigkeitsgrad für Blasorchesterwerke” sind bereits folgende Beiträge erschienen:
Fragestellung
Orientierung für Dirigenten
Kriterien aus Komponisten-Sicht
Im kommenden und letzten Beitrag in dieser Serie beantworten alle 13 Herren die Frage “Was soll der Schwierigkeitsgrad eines Werkes Deiner Meinung nach aussagen und in wie fern hältst Du die Angabe für notwendig?”.
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