Schwierigkeitsgrad von Blasorchesterwerken – Kriterien aus Komponisten-Sicht

Die Frage “Nach welchen Kriterien legst Du den Schwierigkeitsgrad für ein Werk fest und welche Vorgaben hast Du dafür von Deinem Verlag?” beantworten in diesem Beitrag die Komponisten Thomas Asanger, Mario Bürki, Jacob de Haan, Hubert Hoche und Thiemo Kraas.

Thomas AsangerThomas Asanger antwortet:

“Den Schwierigkeitsgrad eines Werkes festzulegen ist eine komplexe Angelegenheit. Denn die Gradierung ist immer eine subjektive Frage. Objektive Kriterien für die Einstufung von Blasorchester-Werken kenne ich nicht und ist auch auf Grund der Vielfältigkeit der Blasorchester kaum durchführbar. Die Österreichische Blasmusikjugend (ÖBJ) hat für Kompositionswettbewerbe bzw. den Österreichischen Jugendblasorchesterwettbewerb ein System entwickelt, das eine gute Orientierungshilfe für Jugendorchester-Kompositionen darstellt.
Ich ziehe die Tabelle bei Jugendorchester-Werken gerne heran, um mir einen Überblick zu verschaffen. Aber die Kriterien sind durchaus relativ zu sehen. Letztlich entscheidet nämlich nicht das strikte Einhalten von Kriterien darüber, ob eine Komposition bei Jugendlichen gut ankommt und dadurch auch realisierbar ist, sondern der musikalische Gehalt. Wenn der Rhythmus beispielsweise komplexer ist, als es die entsprechenden Vorgaben erlauben, muss das nicht unbedingt ein Ausschlusskriterium sein, dass eine Komposition auch im entsprechenden Schwierigkeitsgrad realisierbar bleibt.
Mit der Frage der Kategorisierung ist immer verbunden, welche Maßstäbe angelegt und wie die einzelnen musikalischen Parameter (Rhythmus, Harmonik, Melodik) gewichtet werden – das gilt natürlich für alle Blasorchester-Besetzungen. In der Regel findet zwischen Komponist und Verleger eine Diskussion über den Schwierigkeitsgrad statt, in der dann die unterschiedlichen Parameter gewichtet werden. Ein wichtiger Gradmesser ist für mich der Grad an Transparenz hinsichtlich der Instrumentation sowie die Komplexität von Rhythmik, Harmonik und Melodik. Nicht zu vergessen ist auch, inwieweit die einzelnen Instrumente ihre rhythmische und harmonische „Komfortzone“ verlassen und in exponierten Lagen instrumentiert sind.
Die musikalische Praxis ist in dieser Hinsicht ein guter Ratgeber. Denn die Arbeit mit Blasorchestern ermöglicht dem Komponisten Einblick in die Herausforderungen, die mit der Einstudierung der eigenen Kompositionen einhergehen.”

Mario Bürki

Mario Bürki antwortet:

“Da ich seit einiger Zeit ausnahmslos im Auftrag von Verbänden, Musikvereinen etc. komponiere, ist der Schwierigkeitsgrad definiert, bevor ich überhaupt mit Schreiben beginne.
Folgende Kriterien berücksichtige ich daher:

  • Besetzung: Je tiefer der Schwierigkeitsgrad, desto variabler auch die Besetzung. Wie z.B. Doppelrohrblattinstrumente nicht obligat, nur 3 anstelle 4 Hornstimmen, max. 3 Perkussionsstimmen bei einem Grad 2 Stück.
  • Umfang der einzelnen Instrumente: Da halte ich mich lose an die Amerikanischen Instrumentations-Richtlinien. Also z.B. bei einem Stück Grad 2 Trompeten nicht übers notierte F.
  • Technische Möglichkeiten: Das benötigt gute Kenntnisse der einzelnen Instrumente. So gibt es z.B. bei den Holzbläsern Triller welche einfach, andere welche sehr schwer ausführbar sind. Dasselbe gilt auch bei Läufen, Intervallen (Wie schnell kann eine Posaune welche Tonfolge spielen?)
  • Rhythmik: Komplexität der Taktart sowie der Rhythmen. Welche Tempi sind möglich?
  • Polyphonie: Wie schwierig sind die Stimmen zueinander zu spielen? Je höher der Grade, desto mehr ist auch hier möglich.
  • Dauer: Dies betrifft vor allem Wettbewerbsstücke. Ich habe Erfahrungswerte betreffend der Werklänge: Ein Ideales Werk der Stufe 3 dauert für mich 8-10 Minuten, für Stufe 4 9-12 Minuten, Stufe 5 11-14 Minuten und Stufe 6 ab 13 Minuten.
Allerdings gilt auch hier wie überall in der Musik: Die Angaben des Schwierigkeitsgrades sind relativ. Ein technisch einfaches Werk kann dank einer Instrumentation, welcher die Instrumente in exponierten Lagen setzt, äusserst schwer zu spielen sein. Ein anderes Beispiel: Welchen Schwierigkeitsgrad erhält ein Werk, wenn einzig die Trompetenstimme hohe Ansprüche stellt, die anderen Stimmen aber einfach zu bewältigen sind?
Vorgaben vom Verlag erhalte ich keine…”

Jacob de Haan

Jacob de Haan antwortet:

“Es gibt zwar offizielle ‘Guide Lines’, besonders für die Werke von einfacherem Schwierigkeitsgrad (1-3). Ich hantiere aber lieber meine persönlichen ‘Guide Lines’ aus meiner Erfahrung heraus. Von meiner Erfahrung aus kenne ich die Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Instrumente in den verschiedenen Stufen. Das Niveau ist nie überall gleich in den Vereinen in derselbsen Stufe. Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn sehr ordentlich und verkrampft exakt die Guidelines anzuwenden, da die Schwierigkeitsstufe für jedes Orchester ein Durchschnitt ist. Trotzdem ist es notwendig die technischen Kompetenzen und den Tonumfang ernst zu nehmen.”

Hubert Hoche

Hubert Hoche antwortet:

“Da gibt es für mich eigentlich 3 grundsätzliche Aspekte:

  1. die technische Schwierigkeit der Einzelstimmen
  2. die musikalische Struktur des Werkes und
  3. die Stilistik

Was die technischen Schwierigkeiten der Einzelstimmen angeht, halte ich mich zB seit 2012 an die Richtlinien der CISM, welche damals für einen Kompositionswettbewerb im Bereich Mittelstufe ausgegeben waren. Bei Bläserklassenwerken richte ich mich nach den Übersichtsseiten einer Bläserklassenschule. In den letzten Jahren, seit 2012, habe ich sehr regelmäßig für diese Schwierigkeitsgrade komponiert, somit bekommt man ein Gefühl dafür, wann es dann in andere Grades hingeht.

Zur musikalischen Struktur eines Werkes gehören für mich auch die Dauer, die Komplexität der rhythmischen Struktur des Zusammenspiels.

Ein ganz wichtiger Aspekt für mich persönlich ist der stilistische Aspekt. Wie weit könnte die Komposition von den Hörgewohnheiten der Musiker weg sein?

Letztendlich habe ich aus meiner Erfahrung als Dirigent heraus den Eindruck, dass die meisten Verlage nur die Punkte a und b beachten. Auf Grund dieses Eindruckes halte ich es im Verlag genauso, um eine grundsätzliche Vergleichbarkeit zu erreichen. Denn das sollte aus meiner Sicht das Ziel sein – Vergleichbarkeit der Schwierigkeitsgrade als Hilfestellung für Dirigenten. Aber: in Gesprächen mit Dirigenten empfehle ich den Kollegen immer ein Werk auszuwählen, dass eine Stufe unter der angenommenen Leistungsstufe des Orchesters ist, da bei den Verlagswerken bei www.MusicScores.de immer das Erlernen neuer Hörgewohnheiten dazu kommt. Legt man diese Partituren beim Orchester das erste mal auf, sollte man aus meiner Sicht sich viel Zeit nehmen können sich an andere Klänge, Strukturen und Abläufe zu gewöhnen und den technischen Aspekt mehr bei stilistisch gewohnteren Werken heraus zu kitzeln. Ist diese „Hürde“ für ein Orchester bereits genommen, dann kann man die Werke aus den genannten Schwierigkeitsgraden nehmen. Um sicher zu gehen besteht bei uns auf der Website die Möglichkeit sich die Partitur komplett anzusehen. Das halte ich nach wie vor für ein Muss.”

Thiemo Kraas

Thiemo Kraas antwortet:

“Die Einstufung eines Stückes hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Ich selbst versuche im Rahmen meiner Arbeit die jeweiligen Gegebenheiten eines Blasorchesters einer bestimmten Schwierigkeitsstufe zu berücksichtigen. Hierbei beachte ich u.a. die Besetzung, bestimmte Tonumfänge, in denen ich mich bewege, und einen gewissen „technischen“ Schwierigkeitsgrad. Dabei ist der Praxisbezug die für mich entscheidende Komponente. Ich bemühe mich darum, die sehr unterschiedlichen Voraussetzungen der einzelnen Orchester im Hinterkopf zu haben und diesen – etwa durch die Verwendung ausreichender Stichnoten – bestmöglich zuzuarbeiten. Den Schwierigkeitsgrad selbst legt dann der Verlag fest. Wichtig ist hierbei, dass dieser als eine Empfehlung und eine Art Wegweiser für die Dirigenten verstanden wird.”

 

Im nächsten Teil dieser Artikelserie erfahrt Ihr von den Verlegern Ben Haemhouts (Hal Leonard MGB – Beriato, De Haske, Mitropa, Scherzando, u.a.), Alexander Knam (Hebu-Musikverlag), Koen Vergouwen (Tierolff Muziekcentrale) und Walter Weinzierl (Orchestral Art) die Antworten zu der Frage: “Wer legt in Deinem Verlag die Schwierigkeitsgrade, die für ein Blasorchesterwerk letztendlich veröffentlicht werden, fest und nach welchen Kriterien werden diese festgelegt?”

 

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Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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