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Blasmusikblog Monatsrückblick Oktober 2020

So. Da stehen wir nun mit unseren Hygienekonzepten und unserer absoluten Absicht, diese peinlichst genau einzuhalten – nur um das Pandemie-Geschehen kontrolliert zu halten. Damit wir – wenigstens in kleinen Gruppen – weiter musizieren dürfen. Dass wir wenigstens Ensemble-Konzerte spielen dürfen. Weil wir u. a. auch “unseren Laden” – sprich unsere Musikvereine – zusammen halten möchten.

Es wäre weitaus einfacher, uns auf den vierwöchigen Lockdown im November einzulassen, wenn wir sicher sein könnten, damit, dann endlich, das Virus weitgehend los zu sein. Oder dann ab Dezember Wege gefunden haben, unser musikalisches Leben unbeschwerter wieder aufzunehmen. Weil wir gelernt haben, mit dem Virus in der Weise zu leben, dass es unter Kontrolle ist und bleibt.

Und was tun wir in den Musikvereinen nun? Vernunft walten lassen. Das Musizieren im November 2020 sein lassen. Die Hoffnung nicht verlieren, dass alles wieder gut kommt. Solidarisch sein. Nach allem Abwägen und im vollen Bewusstsein, dass es mit allen an der Amateur- und Profi-Kultur beteiligten die komplett Falschen trifft (ebenso mit der Gastronomie), die sich nun bestraft fühlen. Wir sind der Situation irgendwie ausgeliefert.

Das zu schreiben fällt mir wirklich sehr schwer. Mich trifft das genau so hart wie Euch alle. Es fühlt sich nach Ungerechtigkeit pur an. Und trotzdem sagt mir meine innere Stimme: Lasst uns weiter mit gutem Vorbild voran gehen. Obwohl wir alle wissen was auf dem Spiel steht: Der Untergang der kulturellen Vielfalt. Das Schrumpfen unserer Musikvereine. Wirtschaftliche Probleme, ja, auch Tragödien.

Der sehr geschätzte Kollege und Musikjournalist Claus Fischer (ARD) schrieb am 29. Oktober 2020 in einem Facebook-Post:

“Meine Gedanken zum Tag. Der „Todesstoß“ für den Kulturbetrieb und die Gastronomie kommt nicht von Merkel, Drosten, Lauterbach und den Ministerpräsidenten, sondern er kommt von denjenigen, die in den letzten Wochen so gelebt haben, als ob es die gefährliche Krankheit Covid-19 nicht gegeben hätte. Wie oft habe ich im Sommer den strunzdummen Satz gehört „Corona? Ist doch durch!“ Die Ignoranz und Unvernunft vieler (übrigens überwiegend deutscher und beileibe nicht nur „arabischer“) Mitmenschen, z.B. in puncto Verweigerung des Mund-Nasenschutzes, Familienfeiern oder Partys in Clubs haben die jetzige Situation mitverursacht. Dazu kamen, quasi als „Katalysator“ der Seuchenlage, die absolut unverantwortlichen Defilees der „Aufgewachten“ und „Querdenker“, die sich für schlauer halten als studierte Virologen und die sich angesichts der offensichtlichen Krisensituation weder solidarisch, geschweige denn empathisch gezeigt haben. Scharlatane und Quacksalber wie die Herren Bhakdi und Schiffmann haben als Agitatoren diesen Schwurblern gedankliches Futter geliefert und die Situation damit weiter verschärft…Leider müssen die Vernünftigen, die sich z.B. im Bereich klassischer Konzerte und der Gastronomie mit erheblichem Aufwand um Hygienekonzepte gekümmert haben, das alles jetzt ausbaden. Fazit: Wenn jetzt in der Kultur „das Licht ausgeht“, dann haben die Ignoranten, Verstrahlten und Verblendeten den Schalter gedrückt.”

Claus Fischer, Facebook am 29. Oktober 2020

Lasst uns das bei all unserem Unmut, unserer Frustration, in unseren Diskussionen und Streitgesprächen, im Hinterkopf behalten. Diskutiert über die Maßnahmen und die damit verbundenen Ungerechtigkeiten. Aber bitte diskutiert mit Vernunft, Bedacht, Respekt und Verantwortung.

Es wird ein stiller November werden. Ein sehr stiller. Vielleichst der stillste November, den wir je erlebt haben. Hoffentlich der stillste November, den wir je erleben werden. Lasst uns trotzdem Pläne schmieden und den Mut nicht verlieren. Pläne, wie wir lauter denn je wie Phönix aus der Asche nach dieser grausligen Zeit wieder auferstehen. Und dass diese grauslige Zeit irgendwann zu Ende ist, daran glaube ich jetzt einfach mal ganz fest!

Gelernt habe ich in den letzten Monaten dass die Kultur keine große Lobby hat. Und die Blasmusik schon gar keine. Bei den Blasmusikverbänden (mit kleinen Ausnahmen – ich schaue besonders nach Bayern) kann man den Eindruck bekommen, sie fühlen sich nur für die Weitergabe der geltenden Informationen zuständig und nicht für die politische Lobbyarbeit. Ich habe in den letzten Monaten kein gemeinsames Kämpfen in der Corona-Situation gesehen, die Bedingungen für die Musikvereine (inklusive ihrer umfangreichen Jugendarbeit) zu verbessern oder wenigstens erträglicher zu machen. Und das obwohl viele Verbände, Kreisverbände usw. Politiker als Präsidenten haben.

Ein gutes Beispiel bei denen wir starke Landesverbände gebraucht hätten ist das Thema Hygienekonzept. Kleine Kreisverbände waren mit ihren Hygienekonzepten schneller als die Landesverbände. Wäre es nicht Aufgabe der Landesverbände gewesen, diese Konzepte als Vorlage für die Kreisverbände und somit für die Musikvereine zu erarbeiten? Stattdessen kochte jeder sein eigenes Süppchen, hat jeder – wieder einmal – versucht, das Rad neu zu erfinden.

Besonders im Jahr 2020 fällt mir auf, dass die Verbandsvielfalt einem starken, einheitlichen Auftreten der Blasmusik-Szene in Deutschland nicht förderlich ist. Mich wundert sehr, dass ich keine Bestrebungen der Musikvereine sehe, mit Nachdruck eine konstruktive Zusammenarbeit über eine gute Kooperation bis hin zur Fusion zum Wohle der Blasmusik-Szene zu fordern. Warum haben wir zum Beispiel in zwei Bundesländern zwei übergeordnete Verbände, in denen die Blasorchester organisiert sind? Warum gibt es nicht den einen Blasmusik-Landesverband mit Kreisverbänden mit sinnvollen Einheiten von 80 – 120 Musikvereinen plus darüber einen starken deutschen Blasmusik-Dachverband? Weil es schon immer so war? Sehen wir nach Nordrhein-Westfalen, sehen wir nach Baden-Württemberg. Oder nach Rheinland-Pfalz, wo manche Vereine der katholischen Kirche zugehören. Oder die Feuerwehrverbände, Schützen und Turner, die jeweils noch eigene Blasmusikverbände haben. Für mich machen all diese Splittungen überhaupt keinen Sinn. Ich wäre sehr froh, wenn mir jemand einmal sinnig erklären könnte, warum wir an diesen verqueren, diversifizierten Verbandsstrukturen auch in Zukunft festhalten müssen.

In Facebook wurde von einem engagierten Dirigenten eine Kulturpartei gefordert. Wir brauchen keine Kulturpartei, weil wir alle in den Blasmusikverbänden organisiert sind. Was wir Blasmusikerinnen und Blasmusiker fordern sollte doch eigentlich von den Blasmusikverbänden in Richtung Politik kommuniziert werden, oder? Die Gastronomie fordert auch keine Gastronomie-Partei. Für sie kämpft der Hotel- und Gaststättenverband.

Mit Neid schaue ich nach Österreich und in die Schweiz und sehe, was ÖBV und SBV/ASM/ABS auf nationaler Ebene tun und erreichen.

Das engagierte, maue oder ganz fehlende Auftreten in den Sozialen Medien und die Webseiten der verschiedenen Blasmusikverbände zeigen sehr gut, was den Verbänden wichtig ist. Ist es das, was die Musikvereine, was wir Musikerinnen und Musiker wollen? Was uns wichtig ist?

Für Diskussionen zu den heutigen Themen im Blasmusikblog nutzt gerne das Kommentarfeld unter diesem Beitrag!

Hier der obligatorische Monatsrückblick, den Ihr hier in diesem Beitrag ja eigentlich erwartet:

5. Oktober 2020 Warum wir im Musikverein keine Führungskräfte sondern Manager brauchen
8. Oktober 2020 Blasmusikaspekte: Auswahlblasorchester gründen, etablieren, fortführen – Ein Interview mit Lukas Hofmann
12. Oktober 2020 Das Modell des teambasierten Vereinsmanagements
15. Oktober 2020 Lesevergnügen für Musikerinnen und Musiker
17. Oktober 2020 Uli Schneider, Klarinetten-Nerd
19. Oktober 2020 Bläserensemble “Kunterbunt” mit Family & Friends
22. Oktober 2020 Wege zu einem teambasierten Vereinsmanagement
27. Oktober 2020 Live-Thriller-Hörspiel mit Blasmusik: “Narrenfreiheit” aus dem Mainzer Schloss mit “AHA” – Ein Gastbeitrag von Silvia Casado Schneider

Liebe Blog-Leserin, lieber Blog-Leser, bleib gesund und trotz allem optimistisch.
Herzliche Grüße
Alexandra

©Beitragsbild: Niclas Link

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Lesevergnügen für Musikerinnen und Musiker

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    4 thoughts on “Blasmusikblog Monatsrückblick Oktober 2020

    • Liebe Alexandra, Du sprichst mir aus dem Herzen!
      Ich bin fast vom Glauben abgefallen, dass jetzt nach Plochingen auch Millionen Steuergelder in einen Neubau in Staufen versenkt werden.
      Das kann nicht aus den Vereinen kommen, das kommt von den beiden Landesverbänden in BaWü, die noch nicht verstanden haben, dass wir alle in BaWü zusammenstehen müssen, um mit einer gemeinsamen Sprache für unsere Blasmusik in Baden Württemberg zu sprechen.
      Für mich hat der BVBW diese Tage den Vogel abgeschossen und am Tag der Verkündigung der Bundesregierung zu den kommenden Coronaeinschränkungen Bilder vom Baufortschritt gepostet! Ist es das was wir in diesen Zeiten in unseren Vereinen brauchen?
      Ich erlebe die Verbände in meinem Umfeld als antiquierte und verkrustete Organisationformen, die nicht mehr am Puls der Zeit sind und uns Vereinen, Vorständen und Dirigenten keine wirkliche Hilfe sind.
      Ich bin da wirklich enttäuscht und sehe eher schwarz für die Zukunft, was die Unterstützung durch die Verbände angeht.
      Nichtsdestotrotz lassen wir uns nicht unterkriegen und geben unser Bestes an der musikalischen Basis.
      Bleib(t) gesund und liebe Grüße
      Markus

      PS: ich schaue auch gerne rüber nach Bayern, da hat unsere Blasmusik noch einen richtig hohen Stellenwert und die Verbände nehme ich auch deutlich fortschrittlicher wahr.

      Antwort
    • Ich kann nur wiederholen, was ich in diesem Zusammenhang schon geschrieben habe.

      In Sachsen gab und gibt es eine informelle Einigung, dass der Musikrat die Informationspolitik auch gegenüber dem Land übernimmt.

      Ich gebe Dir Recht, dass es zu viele Verbände mit gleichen Inhalten gibt. Ein Weg, diesem Dilemma auf Bundesebene zu entkommen, ist die Gründung des BDCO.

      Auf Länderebene wären mE die Landesmusikräte zuständig, die dann Unterabteilungen gründen müssten. Denn die „Human Ressources“ der zig Verbände und Verbändchen sind ja wertvoll. Hier aber eine Einigung der Dutzenden herbeizuführen (es gibt in Sachsen einen Landeszupferverband, das ist genauso abstrus wie ein Blasmusikverband), gleicht der Quadratur des Kreises. Auch in den von Dir genannten Beispielen in Ö oder CH ist es doch auch ein Imageproblem – selbst in Spanien (und mehr noch in den NL) wird dem viertklassigen Sinfonieorchester der Vorzug vor dem erstklassigen Blasorchester gegeben. Das wird noch Jahrzehnte dauern, wenn es sich je angleicht.

      Das Grundproblem taucht aber nicht nur in der Blasmusik auf, sondern im Kultursektor generell. Auch im „Sport“ gibt es zwar starke Lobbyverbände, die allerdings auch vom Fußball dominiert werden. Dort hat man aber vor allem verstanden, dass in unseren Informationsgesellschaften nur mit massiven Investitionen in PR etc. Dinge zu bewegen sind.

      Wir können erstklassig in unserer Vereins-Blase arbeiten. Wenn es uns nicht gelingt, den entsprechenden Mäzen oder das entsprechende Geschäftsmodell zu finden, werden sich die Umstände weiter so darstellen.

      Mit persönlich ist da die einzelne Musikerin, die ich vom Wert der Musik an sich überzeugen und zu sinnerfülltem Tun anregen kann, näher als das „Große und Ganze“.

      Antwort
    • Liebe Alexandra, da kann ich dir nur voll zustimmen. Auch wir schütteln manchmal nur den Kopf….aber was hilft`s? Wir lassen jetzt unseren Probenbetrieb im November ruhen und wissen genau dass wir dann auch unser geplantes Neujahrskonzert Mitte Januar nicht durchführen können – die ausfallenden Proben kann auch unser Dirigent nicht so einfach “auffangen”. Aber wer weiß wie es im neuen Jahr überhaupt weitergeht? Aber wir lassen die Köpfe nicht hängen – die Musik spielt weiter!

      Antwort
    • Liebe Alexandra,
      in seinem Facebookbeitrag hat Claus Fischer es auf den Punkt gebracht. Die Covidioten haben mit ihrer Ignoranz der Hygieneregeln die nun kommende Verschärfung mitbefördert.

      Wichtig für die Orchesterarbeit ist jetzt nicht abzuwarten. Es kommen keine “besseren Zeiten” von alleine. Wir müssen mit der Pandemie leben und uns darauf einstellen.

      Ein gutes Beispiel verbandsübergreifender Zusammenarbeit ist die in dieser Woche geplante Videokonferenz zum Thema “Orchesterarbeit unter Pandemiebedingungen”. Unter dem Dach der BDMV werden wir uns über gute Praxisbeispiele aus NRW, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bayern, Feuerwehrmusik und Turnermusik austauschen.

      Antwort

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