Die Konzerteröffnung – Aspekte und Ideen Teil 1
Ein Round-Up-Post mit Beiträgen von Sandra Settele, Dr. Björn Jakobs und Stefan Klein
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Intrada, Präludium, Ouvertüre, Vorspiel, Fanfare, Paukenschlag: Das erste Werk des Konzerts bestimmt dessen Charakter!
Über ihre persönlichen Auswahlkriterien für das Eröffnungswerk eines Konzerts schreiben in insgesamt drei Blog-Beiträgen neun erfahrene Dirigentinnen und Dirigenten. Diese drei Beiträge sollen Euch Inspiration und Repertoirequelle sein.
Sandra Settele
Sandra Settele ist Dirigentin der Musikkapelle Roßhaupten und im Allgäu-Schwäbischen Musikbund Referatsleiterin für Fortbildungen.
Der Entscheidungsprozess bis zur Auswahl des richtigen Eröffnungswerkes umfasst meines Erachtens viele Faktoren und wird oft unterschätzt.
Nach Festlegung diverser Ziele für die Arbeit an einem Konzertprogramm wähle ich meistens ein passendes Hauptwerk aus. Anschließend erarbeite ich mir ein schlüssiges Konzept, einen roten Faden, den das Eröffnungswerk sozusagen „eröffnet“ und weiterführt.
Ich stelle mir folgende Situation vor: Der Vorhang geht auf, das Publikum ist voller Erwartung und Vorfreude, deshalb sind meine Eröffnungswerke meist feierlich, frisch, lebendig. Ein schwungvoller Auftakt, indem die Musiker und das Publikum in eine bestimmte Atmosphäre abgeholt werden und Lust auf mehr bekommen.
Des Weiteren sollte das erste Stück nicht zu lange dauern (Dauer, Spiellänge). Die Musiker sollen auf einen guten Konzentrationslevel kommen, gefordert werden, aber nicht über- oder unterfordert werden. Gleiches gilt übrigens für das Publikum. Ein zu langes Stück würde die Konzentration überstrapazieren und die Vorfreude zum zweiten Stück vielleicht sogar bremsen. Eine Zeitangabe ist hier relativ zu betrachten, da ein Publikum eines Höchststufenorchesters mit Sicherheit ein anderes Zeitgefühl hat, als ein Publikum eines Jugendkapellenorchesters beispielsweise. Zudem ist ein Eröffnungswerk auch ein Akustikcheck für alle folgenden Stücke. Die Musiker hören zum ersten Mal wie es im voll besetzten Saal klingt. „Auf was muss ich achten – wo muss ich hinhören.“ Auch ein Grund, weshalb das erste Stück nicht zu „schwer“ sein sollte und alle Musiker gleichermaßen in Spielgenuss kommen, sich präsentieren dürfen.
Das erste Stück braucht „Luft nach oben“ bezüglich Level und Aufbau eines Spannungsbogens. Es sollte optimaler Weise vom ersten Ton an „Spielfreude“ auslösen. Von einem gut durchdachten, schlüssigen Programm profitieren nicht nur Musiker und Dirigent, sondern auch das Publikum. Die Spielfreude der Musiker wird auch das Publikum erreichen.
Beispiele Jahreskonzert:
Raise of the son, Rosano Galante
Tannhäuser Festival, Rirchard Strauss
Downey Overture, Oscar Navarro
Overture to a new age, Jan de Haan
Ouverture 2000, Henk van Lijnschooten
Weitere Ideen:
Paso Doble
Orgullo Santiaguista, Ignacio Sanchez Navarro
Tercio de quites, Rafale Talens Pello
Musica Apollo, Amando Blanquer
Konzertante
Satz 4 aus ‘Suite Sencilla’, Santiago Quinto Serna
Royal Procession, John Morrissey
Procession to the Nobles, Nicolai Rimsky Korsakov/J. Schijns
Alpina Fanfare, Franco Cesarini
First Suite Satz 1, Gustav Holst
New Baroque Suite Satz 1, Ted Huggens
Märsche
March Militaire Francaise, Camille Saint Saëns
Orient et Occident, Camille Saint Saëns
Letzter Satz aus ‘Symfonic Marches’, John Williams/M. Hamers
Marche Slave, Pjotr Iljitsh Tsjaikowsky
Dr. Björn Jakobs
Dr. Björn Jakobs dirigiert das Schülerorchester des Orchestervereins Wadgassen, ist Kreisdirigent des BSM (Bund Saarländischer Musikvereine) im Musikkreis Saarlouis und engagiert sich in der IGEB – Internationale Gesellschaft zur Förderung und Erforschung der Bläsermusik.
Das erste Werk eines Konzerts ist meiner Ansicht nach (neben dem letzten) ein entscheidender Anker, der zum Erfolg oder Misserfolg der Veranstaltung beitragen kann. Versetzt man sich zunächst in die Lage der/des KonzertbesucherIn, so gibt es einige Erwartungen, die mit diesem Stück befriedigt werden sollen:
1. Was sagt das erste Stück über die Qualität des Ensembles aus?
2. In welcher Besetzung spielt eigentlich das Orchester?
3. Wie wirkt das Orchester auf mich und vor allem, wie klingt es?
4. Stimmen meine Erwartungen mit dem Gehörten überein und natürlich …
5. Leitet mich das Eröffnungswerk in den Kontext des Konzertabends über.
Diesen Erwartungen versuche ich mit der Auswahl meines ersten Stückes gerecht zu werden, obwohl dies nicht immer ganz einfach ist. Natürlich ist grundsätzlich der Wille da, mit dem ersten Werk etwas Besonderes (oder beim Publikum Bekanntes) auf die Bühne zu zaubern. Dies kann sehr themenspezifisch sein und reicht bei mir in einem Neujahrskonzert von der klassischen Ouvertüre über die 20th Century Fanfare beim Filmmusikkonzert bis hin zu Queens Innuendo, wenn es am späteren Abend rockig weitergehen wird. Besonders bei den ZuhörerInnen kommen die klassischen Zweiteiler immer an, also zunächst ruhig und zum Ende hin schnell, damit hat man die meisten Menschen in wenigen Minuten in die erforderliche Konzertstimmung gebracht. Ich spiele gerne diese ersten „Earcatcher“ mit großer Besetzung, bei der auch die Musiker das Gefühl haben dürfen, im Konzert anzukommen, denn das erste Werk soll ja für Gäste und Gastgeber profitabel sein. Letztlich sollte das Werk auch zum Orchester passen. Ich kenne Orchester, die beginnen immer mit dem selben Stück, und die Leute erwarten das auch. Ich arbeite gerne mit Überraschungen und hoffe, mein Publikum damit fangen zu können. Man darf nicht vergessen, dass diese musikalische Eintrittskarte Hoffnungen auf den Rest der Veranstaltung wecken, und dafür mache ich mir oft und lange Gedanken.
Es gibt für mich immer nur „zurzeit“-Favoriten:
Neujahrskonzert oder 1. Teil Open Air: Carmen Ouvertüre, warum: nicht schwer zu spielen aber kommt (obwohl es oft gehört wird) unheimlich gut beim Publikum an.
Ebenso Ruslan und Ludmilla, etwas schwerer aber der Schluss ist echt umwerfend.
Rock Pop Konzert: Queen Innuendo oder Barcelona, kennen viele, nicht alle, machen aber unheimlich viel her.
When the Saints, Peter Kleine Schaars, ist auch so eine klassische Opener Nummer, auch mit Gesang möglich.
Marsch Konzerte: General Guisan Marsch, Jaeggi, der ist klassisch und schön und anspruchsvoll. (Eigentlich kann man danach aufhören 😉 )
Stefan Klein
Stefan Klein ist Solohornist beim Musikkorps der Bundeswehr. Er dirigiert die Musikfreunde “Fidelia” Wormersdorf, ein symphonisches Blasorchester der Oberstufe.
Das erste Werk eines Konzertes sollte meiner Meinung nach ein eher kürzeres Musikstück sein, mit einem festlichen und positiven Charakter. Es soll das Publikum musikalisch willkommen heißen und Lust auf mehr machen. Daher wähle ich meistens ein frisches Werk aus, mit dem sich das Orchester auch ebenso präsentieren kann. Es kann auch ein Konzertmarsch, eine Fanfare oder etwas hymnisches sein. Natürlich soll sich auch das Motto des Konzertes darin wiederfinden, damit das Publikum gleich zu Beginn den roten Faden in den Händen hält.
Wichtig ist, die Musik muss zum Orchester und zum entsprechenden Anlass passen.
Beim Konzertmotto “Es war einmal… Musik aus Märchen und Geschichten” wählte ich als Eröffnung El meu iaio von Ferrer Ferran. Es heißt übersetzt “Mein Großvater” und diese herrlich frische Passacaglia ist ein perfekter Start. Zudem passt ein Großvater als Geschichtenerzähler hervorragend zu einem märchenhaften Konzertprogramm.
Ein weiteres Werk aus der Feder das spanischen Komponisten ist der Walzer Destellos del alba. Eine äusserst elegante Komposition mit einer sehr ausdrucksstarken Melodie. Eine tolle Eröffnung unseres Konzertes zum Thema “Tänze”.
Fanfare – The benefaction from sky and mother earth von Satoshi Yagisawa und der Klassiker Flashing Winds von Jan Van der Roost sind zwei weitere Musikstücke die zu meinen Favoriten in dieser Rubrik gehören und alle Parameter eines Eröffnungswerkes erfüllen. Des Weiteren gibt es natürlich für verschiedene Anlässe entsprechend unterschiedliche Eröffnungswerke. So lässt sich z.B. mit dem St. Florian Choral von Thomas Doss ein Wertungsspielprogramm wunderbar eröffnen. Man kann dabei sowohl in den Raumklang als auch in den Orchesterklang “reinhören” und danach ggf. gezielte Änderungen vornehmen.
Durch die Eröffnung eines Kirchenkonzertes mit Pastime with good company von Henry VIII. lässt sich das Publikum behutsam an die Lautstärke bzw. die besondere Hörakustik einer Kirche heranführen. Und mit dem Klassiker Carribbean Hideaway von James Barnes oder dem Konzertmarsch Semper Iuvenalis von Günther E. Koch kann man mit viel Schwung und guter Laune einen zweiten unterhaltenden Konzertteil eröffnen.
Die genannten Musikstücke sind natürlich nur Beispiele und sicherlich lassen sich weitere tolle Eröffnungswerke für die verschiedensten Konzerte finden. Generell sollte versucht werden, dass sich das Orchester mit dem ersten Musikstück eines Konzertes wohlfühlt, um so dem Publikum ein positives Bild abzugeben. Musik macht Spaß!
Ein herzliches Dankeschön an Sandra Settele, Björn Jakobs und Stefan Klein für ihre Aspekte und Ideen zum Thema Konzerteröffnung!
Die 3 Teile dieser Serie im Überblick
Die Konzerteröffnung – Aspekte und Ideen Teil 1 mit Beiträgen von Sandra Settele, Dr. Björn Jakobs und Stefan Klein
Die Konzerteröffnung – Aspekte und Ideen Teil 2 mit Beiträgen von Petra Springer, Miguel Etchegoncelay und Joop Boerstoel
Die Konzerteröffnung – Aspekte und Ideen Teil 3 mit Beiträgen von Susanne Bader, Gernot Haidegger und Marco Lichtenthäler
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