6 Fragen an Timor Oliver Chadik zur Teilnahme des Orchestervereins Hilgen am DOW 2016
Weiter geht es in der Reihe „6 Fragen an…“ mit den Antworten von Timor Oliver Chadik vom Orchesterverein Hilgen:
Wie und wann hat sich Dein Orchester für den DOW qualifiziert? Was waren die Voraussetzungen zur Teilnahme am DOW?
„Wir haben uns am 27.09.2015 durch den Gewinn des Landesorchesterwettbewerbes NRW in Duisburg für den DOW qualifiziert. Die Voraussetzungen waren, dass man auf jeden Fall über 23 Punkte haben muss und den 1. Platz belegt, damit man sich direkt für den DOW qualifiziert. Ein Angleichen aller Wettbewerbsordnungen auf Länderebene wäre hierbei für den kommenden DOW wünschenswert, da die Voraussetzungen in den Ländern und damit verbunden die Mindestpunktzahl für die Qualifikation zum DOW zurzeit unterschiedlich ausfallen. Im Sinne einer besseren Vergleichbarkeit auch in Hinsicht auf die sogenannten Optionsorchester wäre das zu empfehlen.“
Mit welchen Werken tretet ihr in Ulm beim DOW an und warum hast Du für Dein Orchester gerade diese Werke ausgesucht?
„Neben dem Pflichtwerk „Suite voor Harmonieorkest“ haben wir uns für zwei Werke ganz unterschiedlichen Charakters und zeitlicher Herkunft entschieden. Das Erste haben wir extra für den DOW bei Claudio Puntin, einem bekannten Schweizer Jazzklarinettisten und Komponisten, in Auftrag gegeben. Claudio hatte bereits vor einigen Jahren als Solist ein Projekt mit dem OVH. Wir wollten mit dieser Auftragskomposition auch einen Beitrag im Sinne einer Repertoireerweiterung für die Blasmusik leisten. Außerdem ist eine Uraufführung, wie wir finden, gerade beim DOW sehr passend. Das zweite Werk, welches gespielt wird, ist ein richtiger Klassiker des Repertoires und zählt für mich zu den schwersten Werken des Genres: „Dionysiaques“ von Florent Schmitt. Wir werden in Ulm die ursprüngliche Instrumentierung des Werkes spielen. Dabei ist es spannend zu erleben, wie teilweise ganz anders die Klänge im Blasorchester gesetzt sind, was sicherlich auch mit der umfangreichen und großangelegten Instrumentation zu tun hat. Die Kombination beider Werke, das Traditionelle und das Zeitgenössische, ist unglaublich spannend.
Ich möchte an der Stelle doch allgemein ein Wort zu den Pflichtwerken verlieren, dies verbunden mit einem Wunsch für den kommenden DOW. Dem Beispiel der letztes Jahr in Deutschland stattgefundenen Europäischen Meisterschaft der Brass Bands folgend, welche als Pflichtwerk extra eine neue Komposition bei Rolf Rudin in Auftrag gegeben hatte, würde ich es mir für den kommenden DOW wünschen, dem Beispiel zu folgen und ein Werk eines deutschen oder deutschsprachigen Komponisten auszuwählen. Es muss sicherlich aufgrund des finanziellen Aufwandes nicht gleich eine Auftragskomposition sein, für den DOW würde eine entsprechende Wahl jedoch sicherlich das Profil des Wettbewerbes schärfen und unsere eigene Szene in Deutschland stärken.“
Was ist Dir in der Wettbewerbsvorbereitung besonders wichtig und wie bereitest Du Dein Orchester ganz speziell auf diesen wichtigen Wettbewerb vor?
„Wir bereiten uns für den Wettbewerb nicht speziell anders vor. Mit dem DOW haben wir jedoch einmal ein neues und schon länger angedachtes Modell der zeitlichen Abfolge von Satz-, Register- und Tuttiproben getestet. Wir haben an den Anfang der Vorbereitung für den DOW zu Beginn des Jahres ganz bewusst 3 – 4 Wochen lang ausschließlich Satz- und Registerproben gesetzt. Es wurde hierbei anfangs in einzelnen Sätzen und Stimmen unterteilt geprobt, danach die Register zusammengeführt und erst danach Tuttiproben angesetzt. Wir wollten die technisch schweren Stellen vor den Tuttiproben zu 90 Prozent erledigt haben, um sich in den Gesamtproben dann wirklich auf das rein Musikalische und Klangliche konzentrieren zu können.“
Welchen Stellenwert haben Wettbewerbe und Wertungsspiele einmal für Dich selbst und andererseits für die Musikerinnen und Musiker in Deinem Orchester?
„Für mich persönlich ist ein Wettbewerb oder ein Wertungsspiel einfach eine andere Art des Konzertes. Man hat weniger Zeit, einen musikalischen Bogen zu spannen und eine anspruchsvolle und spannende Programm- und Literaturauswahl zu treffen. Darin liegt für mich die Herausforderung. Und das versuche ich auch dem Orchester zu vermitteln.“
Was spricht Deiner Meinung nach generell für Wertungsspiele bzw. Wettbewerbe, was dagegen?
„Wertungsspiele halte ich für die Orchester eine sehr positive Sache. Man bekommt durch eine fachkundige Jury ein externes Bild auf sein eigenes Orchester, quasi eine zweite Fachmeinung. Wettbewerben gegenüber habe ich persönlich doch ein sehr zwiespältiges Verhältnis. Für mich ist der Wettbewerbsgedanke, das Vergeben von Punkten und Platzierungen, in Kombination mit dem Gedanken von musikalischem Genuss und der in der Musik so wichtigen Offenheit und Nichtfasslichkeit ein wenig widersprüchlich. Es gibt kein Richtig oder Falsch, kein System, nachdem man Platzierungen und Ränge wie im Sport vergeben kann. Ein Umstand, der es jeder Jury in einem Wettbewerb das Werten und Bewerten an sich wirklich schwer macht.“
Mit welchen Erwartungen gehen Du und Deine Musikerinnen und Musiker nach Ulm?
„An erster Stelle: tolle Werke aufführen zu können und gute Musik zu machen. Für uns steht das Konzerterlebnis, das Erlebnis des Klanges und das gemeinsame Musizieren im Vordergrund. An zweiter Stelle freuen wir uns auf die Konzert- und Musikbeiträge der anderen teils gut befreundeten Orchester. Und danach schauen wir einfach mal, was am Ende des Tages dabei herauskommt.“
Über den Orchesterverein Hilgen 1912 e. V.
Der Orchesterverein Hilgen 1912 e. V. (OVH) ist eines der führenden sinfonischen Blasorchester Deutschlands. Mit seiner Arbeit etabliert er die Sinfonische Blasmusik als eine von Farbenreichtum und Instrumentenvielfalt geprägte Besetzungsform weit jenseits der Militär- und Volksmusik. Den Schwerpunkt der Orchesterarbeit bildet die klassische und moderne Ernste Musik. Neben der Darbietung geeigneter Arrangements von Werken für Sinfonieorchester leistet der OVH durch Uraufführungen und Kompositionsaufträge einen großen Beitrag zur Bereicherung des zeitgemäßen Blasorchesterrepertoires. Dabei bleibt das Orchester flexibel und widmet sich zu verschiedensten Konzertanlässen auch anderen Genres wie der Film- oder Unterhaltungsmusik sowie Kinder- und Jugendprogrammen und bietet so spannende Projekte – anspruchsvoll und unterhaltend.
Seine Wurzeln hat der OVH im Bergischen Land östlich von Köln in dem 1876 in Burscheid gegründeten Oelberger Musikverein Eintracht. Bis auf den heutigen Tag haben die Bläser ihren Sitz in Burscheid und proben hier mit bis zu 70 Musikern. Auf dieser Tradition fußend zeigt sich der OVH heute als zeitgemäßes Konzertorchester.
Wichtige Höhepunkte der jüngeren Orchestergeschichte waren die in 1997 und 2002 unternommenen Konzertreisen nach Brasilien, 1997 und 1998 zehn Aufführungen von „Peter und der Wolf“ im Opernhaus Köln mit anschließender CD-Aufnahme und vier Aufführungen der „Carmina Burana“ im Kloster Andechs am Ammersee im Rahmen der Carl-Orff-Festspiele 2000. In den Jahren 1996, 2000 und 2004 wurde der OVH dreimal in Folge bestes deutsches Blasorchester beim Deutschen Orchesterwettbewerb des Deutschen Musikrats. Im Mai 2008 gewann der OVH den internationalen Orchesterwettbewerb EOLIA in Straßburg in der höchsten Kategorie mit gleich drei ersten Preisen für Orchester und Dirigent Johannes Stert. Beim Deutschen Orchesterwetbewerb 2012 in Hildesheim konnte der OVH den 2. Platz erringen und gewann die Sonderwertung “zeitgenössische Musik”. Im Mai 2013 gab es einen ersten Preis mit großer Auszeichnung beim “Concours Européen HaFaBra” in der Luxemburger Philharmonie.
Über Timor Oliver Chadik
Timor Oliver Chadik wurde 1976 geboren. Er studierte bei Prof. Dr. Hermann Dechant und Prof. Peter Falk an der Musikhochschule Würzburg. Er schloss sein Diplom im Jahr 2000 und die anschließende Meisterklasse im Jahr 2002 mit Auszeichnung ab.
Nach seinem Studium war er an der Oper Dortmund engagiert, zuletzt als 2. Kapellmeister. Als Gastdirigent leitete er u.a. die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz Ludwigshafen, die Philharmonie Südwest in Siegen, die Nürnberger Symphoniker, die Kammerphilharmonie in Budweis sowie das Prime Philharmonic Orchestra in Dej Jeong, Südkorea.
Im September 2006 trat er in die Bundeswehr ein und war seitdem als stellvertretender Chef beim Luftwaffenmusikkorps 3 Münster eingesetzt. In der ersten Jahreshälfte 2007 war er in gleicher Funktion beim Stabsmusikkorps der Bundeswehr, wo er für die Durchführung der protokollarischen Ehrendienste im Bundeskanzleramt und Bundesministerium der Verteidigung verantwortlich war. Von Juni – Oktober 2010 führte er vertretungsweise als Chef das Heeresmusikkorps 300 Koblenz. Von 2012 – 2015 leitet er als Chefdirigent das Luftwaffenmusikkorps in Münster. Seit Januar 2015 hat Timor Oliver Chadik die BigBand der Bundeswehr übernommen. Er ist damit der 7. Bandleader dieser herausragenden Formation.
Timor Oliver Chadik ist Preisträger beim Internationalen Dirigentenwettbewerb des WMC in Kerkrade und Stipendiat der Richard Wagner Stiftung. Von 2005 bis 2007 wurde er durch das Deutsche Dirigentenforum, einem Förderprogramm des Deutschen Musikrates, gefördert. Ihn verbindet eine enge Zusammenarbeit mit der Deutschen Bläserphilharmonie, der Bläserphilharmonie Süd-West und der Bläserphilharmonie Ostwestfalen-Lippe. Er ist regelmäßiger Gastdirigent beim Rundfunk Blasorchester Leipzig.
Ab November 2014 übernimmt Timor Oliver Chadik die musikalische Leitung des renommierten Orchesterverein Hilgen, der u.a. durch den mehrmaligen Gewinn des Deutschen Orchesterwettbewerbes zu den führenden Sinfonischen Blasorchestern in Deutschland zählt.
Ein herzliches Dankeschön an Timor Oliver Chadik für die Beantwortung der 6 Fragen zur Teilnahme des Orchestervereins Hilgen am Deutschen Orchesterwettbewerb 2016.
Der Orchesterverein Hilgen spielt sein Wettbewerbsprogramm am Montag, den 2. Mai um 14.00 Uhr im Edwin-Scharff-Haus in Neu-Ulm. Auch dem Orchesterverein Hilgen viel Glück und Erfolg beim Wettbewerb!
Der nächste Beitrag erscheint schon morgen, am Montag, mit den Antworten von Oliver Nickel vom Musikverein „Viktoria“ Altenmittlau.