Gegen den Corona-Blues – Weiter geht’s!
„Spielend die Corona-Zeit“ überbrücken – für sehr viele Blasorchester eine Herzensangelegenheit. Ich selbst bin beim täglichen Scrollen durch meine Facebook-Timeline oder durch meinen Instagram-Account immer wieder erstaunt, welche Kreativität diese unglaublich schwierige Zeit bei vielen auslöst. Ich sammle alle guten Ideen auf der Fanpage des Blasmusikblogs: https://www.facebook.com/blasmusikblog/
Ich habe bei sehr vielen Dirigentinnen und Dirigenten angefragt, wie sie die Zeit musikalisch überbrücken. Acht OrchesterleiterInnen haben schon im Beitrag Gegen den Corona-Blues – Los geht’s! viele gute Ideen mit uns geteilt. Ich freue mich sehr, dass sich noch elf weitere Dirigentinnen und Dirigenten bereit erklärt haben, über ihre eigene „proben- und konzertfreie Corona-Musikvereins-Auszeit“ zu erzählen. Herzlichen Dank an Sigisbert Mutschlechnter (Südtirol), Kilian Böttger, Andreas Weller, Gordon Hein, Michael Meininger, Niki Wüthrich (Schweiz), Philip Steffe, Sonja Schleich, Stephan Wehrle, David Krause und Ricarda Strobel (für Nicole Maack). (Alle Deutschland, wenn nicht anders angegeben.)
Hier nochmals die Fragen, die ich gestellt habe:
Wie gehst Du selbst mit deinem/deinen Orchester/n mit dem Problem um?
Hast Du eigene Konzepte?
Bietest Du Deinen Musikerinnen und Musikern eine Alternative zur Probe an?
Welchen Tipp könntest Du diesbezüglich anderen Dirigenten geben?
(1) Sigisbert Mutschlechner – Musikkapelle Toblach (Südtirol)
Die Zeiten sind auch in Südtirol sehr extrem. Alles ist quasi im Stillstand.
Ich selber gehe mit dieser Zeit so um, dass ich viel Musik horche oder mir die Zeit nehme Programm für meine nächsten Konzerte aus zu suchen. Mit der Musikkapelle Toblach feiern wir 2021 unseren 200. Geburtstag und da gilt es einiges an musikalischem Programm vorzubereiten.
Mit meinem Orchester versuche ich über die sozialen Netzwerke im Kontakt zu bleiben. Ihnen Tipps zum Musik horchen gibt (muss nicht immer Blasmusik sein) oder die Noten für die nächsten Konzerte vorbereitet und ihnen zum Üben zu Verfügung stellt. Haben auch im Vorstand bereits eine Videokonferenz abgehalten und versuchen uns auf diesem Weg auszutauschen und weiter zu planen, sofern dies in der momentanen Situation möglich ist.
Da wir im Monat März immer unsere Pause nach dem Festkonzert haben, hat es uns noch nicht so schwer getroffen wie andere Orchester. Ich empfehle aber trotzdem, dass man sich als Dirigent in dieser Zeit weiterbildet. Bücher lesen, Literatur anhorchen und Literatur suchen, dafür ist momentan der richtige Zeitpunkt.
Man kann sich auch unter den Dirigenten oder Dirigierschülern austauschen und somit ein Netzwerk der Kommunikation erstellen.
Mit meinen Dirigierschülern versuche ich per Mail und Video im Kontakt und Unterricht zu bleiben.
Liebe Grüße aus Südtirol
Sigisbert
(2) Kilian Böttger – Musikverein „Lyra“ Rheinzabern
Gerne berichte ich, welche Erfahrungen wir bisher in der Corona-Zeit gemacht haben und wie wir gemeinsam versuchen, die Freude am Musizieren und am Vereinsleben aufrechtzuerhalten.
Wie viele andere Musikvereine, hat es auch uns, den Musikverein „Lyra“ Rheinzabern in der Süd-Pfalz, in doppelter Form getroffen. Nicht nur der Probebetrieb pausiert, sondern auch das Jahreskonzert (am 28.03.20), sowie die anstehende Jahreshauptversammlung mit Vorstandswahlen sind ausgefallen bzw. auf unbestimmte Zeit verschoben. Es fehlen damit nicht nur wichtige Veranstaltungen mit denen sich Verein und Musiker/-innen identifizieren, sondern auch die Möglichkeit, Präsenz in der Öffentlichkeit und bei unserem Publikum zu zeigen. Für mich als Dirigent stand schnell fest, dass diese unbeliebte „Zwangspause“ für uns als Verein auch eine Chance sein kann, etwa zum Ausbau unserer Präsenz in den sozialen Netzwerken, zum Finden und Umsetzen organisatorischer Ideen, zum gemeinsamen Austausch und natürlich auch zum mittel- und langfristigen Planen von Konzertprogrammen uvm. Darüber hinaus wollte ich natürlich vermeiden, dass die Zeit ohne Proben gar zu einer Zeit ohne Musizieren wird!
Entstanden sind über die letzten Wochen einige Projekte und Aktivitäten, die ich im Schaubild unten möglichst übersichtlich dargestellt habe. Orange eingefärbt sind die Dinge, die unmittelbar das Musizieren beschäftigen. Sie sollen möglichst alle Musiker/-innen des Vereins ansprechen und motivieren, alleine schon aus ansatztechnischen Gründen ihr Instrument trotz fehlender Proben zu spielen und zu üben. Die Farben blau und gelb stehen für Dinge, die nur bestimmte Ämter des Vereins betreffen, so etwa mich als Dirigent, die Dirigenten der Schüler- und Jugendkapelle oder die Bereiche der Öffentlichkeitsarbeit und Vorstandschaft. Wir konnten hier in Form von Video-Konferenzen und Telefonaten in den letzten Tagen schon viele gute Fortschritte/Ergebnisse erzielen, beispielsweise bei der Planung unserer Konzertreise 2021 nach Portugal und bei der musikalischen Ausbildung. Das Schöne ist hierbei auch, dass alle Vereinsmitglieder sehen: der Verein ist trotz Corona aktiv und es passiert etwas, es geht voran! Ich denke, das ist ein wichtiges und motivierendes Zeichen in dieser Zeit und damit meiner Meinung nach gleich wichtig, wie das Musizieren selbst.
Unser bisheriges Hauptprojekt war mit Sicherheit die #QuaranTöneChallenge, die wir nach nur zwei Wochen nach der letzten gemeinsamen Probe veröffentlichen konnten. Knapp 40 Musiker/-innen des Hauptorchesters ließen sich motivieren, ihre Videoaufnahmen zur von mir angelegten Metronom-Spur anzufertigen und damit zum Erfolg des Videos beizutragen. Da man so etwas als Dirigent aus technischer und zeitlicher Sicht kaum alleine stemmen kann, war ich froh, dass sich im Verein schnell Leute fanden, die meine Idee aufgriffen und ihre Zeit investierten. Vielen Dank dafür an dieser Stelle! Gleiches gilt für die Teilnahme an den sonntäglichen Bläseraktionen, die mittlerweile fast schon selbstverständlich von vielen mitgemacht werden – ich glaube, die vereinseigene WhatsApp-Gruppe war noch nie so aktiv und die Besetzungen selten ausgefallener 😉
Zu guter Letzt möchte ich noch kurz von einer weiteren Idee Berichten, auf die mich ein befreundeter Musiker brachte. Ziel ist es dabei, den verschiedenen Satzgruppen kompakte Aufarbeitungen verschiedener Übungen an die Hand zu geben, mit denen jeder möglichst einfach spieltechnischen Problemen begegnen kann. Im Zentrum steht die Effizienz der Übungen, also möglichst geringer Zeitaufwand und hoher Nutzen, wodurch sich hoffentlich viele zum Ausprobieren motivieren lassen. Der Aufwand bei der Erstellung des Materials ist natürlich enorm, dementsprechend wird sich die Arbeit hier noch etwas hinziehen. Andererseits bietet sich diese Idee ideal an, um sie gemeinsam mit befreundeten Dirigenten und Musikern zu erarbeiten. Auch hier kann also die Corona-Krise einen wichtigen Impuls setzen. Bleiben wir gespannt, was die nächsten Wochen noch so bringen…
Liebe Grüße!
Kilian
Linkliste:
#QuaranTöneChallenge: https://www.youtube.com/watch?v=AjlTCX2j8g0
Erklärvideo zum Übe-Workout für Schlagzeug: https://youtu.be/alfgh6Amc3o
Instagram: https://www.instagram.com/mvlyra.rheinzabern/?hl=de
Facebook: https://www.facebook.com/mvrheinzabern
(3) Andreas Weller – Blasorchester Maischeid & Stebach
Wie gehen wir als Orchester damit um:
Nachdem anfangs ja nicht abzuschätzen war wie lange die Probenpause dauert, haben wir zunächst komplett Pause gemacht damit alle Musikerinnen und Musiker erst einmal die Möglichkeit bekommen private und berufliche Dinge zu klären die sich aus der neuen Situation ergeben. Anschließend habe ich als Testballon auf freiwilliger Basis das Einspielen eines kleinen vierstimmigen Stückes mit Klicktrack angeboten. Hieraus hat dann ein technisch versierter Musiker einen kleinen Film geschnitten. So wird einerseits das Gemeinschaftsgefühl gestärkt und andererseits durchaus auch das genaue Spielen mit Metronom geübt.
Zeitgleich habe ich mit dem Vorstand zukunftsgerichtet das Repertoire abgestimmt. Welche Auftritte werden auf jeden Fall ausfallen und welche Auftritte sind derzeit noch „aktiv“? Hieraus habe ich für mich einen Plan erarbeitet welches Repertoire ohne, mit nur einer oder wenigen Proben realisierbar ist. Diesen Plan muss ich natürlich von Zeit zu Zeit den aktuellen Entwicklungen anpassen. Diese Arbeit läuft aber eher im Hintergrund.
Eigene Konzepte:
Auch wenn der Konzertbetrieb ruht, so entdecken nun doch viele das Internet und soziale Netzwerke als Konzertplattform. Hieraus habe ich versucht ein für mein Orchester passendes „Best of“ zu entwickeln. Die Balkonkonzerte erschienen mir anfangs etwas unorganisiert hinsichtlich Stückauswahl, Tempo und Tonart. Dies wollte ich für mein Orchester vereinheitlichen; dass dies für ganz Deutschland natürlich unmöglich ist, ist mir allerdings auch klar. Außerdem möchte ich das Orchester weiterhin in den sozialen Medien präsent halten um die klare Botschaft zu senden „Wir proben zwar nicht, musizieren aber trotzdem“. Bei den Projekten gilt „Bild vor Ton“. Musikalisch vielleicht nicht so versierte Musiker haben dennoch die Möglichkeit durch ein witziges Video entsprechend zur Geltung zu kommen. Auch war mir wichtig, dass am Ende kein Video durch Aneinanderreihung von einzelnen Clips entsteht, sondern ein mehrstimmiges Stück.
Ein weiteres spannendes Projekt könnte werden, dass die Musiker sauber getrennt alle Töne einzeln einspielen und man dann darauf ein kleines Lied mit Video zusammenstellt. So könnte man z.B. verschiedene Lieder aus dem gleichen Videomaterial erstellen.
Alternativen zur Probe?
Es wird viel über Möglichkeiten gesprochen wie man den Instrumentalunterricht per Videokonferenz abhalten könnte. Viele dieser Lösungen konnte ich bislang für mich nicht gut auf die Orchesterarbeit übertragen. Die technischen Voraussetzungen ermöglichen kein echtes Zusammenspiel und da es keine 1:1 Situation ist, ist ein Orchestercoaching über Videokonferenz schwierig. Ich habe Videos gesehen, die Hausaufgaben vorschlagen, die dann z.B. per Video eingesandt werden. Diesen Leistungsanspruch möchte ich für mein Orchester derzeit nicht erheben. Mir ist eine regelmäßige Beschäftigung mit dem Instrument wichtiger. Dies soll aber vorrangig Spaß machen und keinen verbesserungsorientierten Übecharakter haben.
Spannend war zu sehen wie gut die Musikerinnen und Musiker mit dem Klicktrack umgehen konnte. Hier war es möglich individuelle Rückmeldungen abzugeben.
Welchen Tipp könntest du diesbezüglich anderen Dirigenten geben?
– Entscheiden ob derzeit eher Spaß oder musikalische Weiterentwicklung im Orchester gewünscht wird.
– Für den Spaß eher einfachere Stücke wählen, sodass die Hemmung mitzumachen recht gering ist.
– Auch Stimmen für Blockflöte, Orff-Glockenspiel etc. anbieten, sodass es in jedem musikalischen Entwicklungsstadium möglich ist mitzumusizieren.
– Die Stücke bzw. Klicktracks nicht zu schnell wählen, sodass technische Stellen nicht unsauber werden oder umfangreich geübt werden müssten.
– Klare Handlungsanweisungen bzgl. der Einspielung geben: Wie spiele ich ein Stück fehlerfrei ein.
– Differenzieren und ggf. einigen Musikern noch anspruchsvollere Parts dazuschreiben, sodass auch die leistungsstärkeren entsprechend gefordert werden.
– Ggf. zusätzlich differenzieren und virtuelle Ensembles für besonders engagierte Musiker bilden, sodass jeder entsprechend seinen musikalischen und zeitlichen Möglichkeiten gefordert wird.
– Das Orchester ggf. auch in die Stückauswahl miteinbeziehen. Sicherlich gibt es auch unrealistische Wünsche, aber es regt durchaus die Kommunikation im Verein an.
(4) Gordon Hein – Musikverein Degerfelden
Bisher habe ich die Proben mit den 40+ Tipps aus dem Blasmusikblog.com gefüllt. Instrument putzen, Noten sortieren, Play-Alongs kaufen und dazu spielen.
Wie sieht das bei uns im Orchester aus momentan:
Wir haben momentan immer noch jeden Donnerstag um 20:00 Uhr Probe – allerdings virtuell über Zoom. In der bisher größten Probe waren 43 Musiker online.
Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass wir im Sommer keine Auftritte mehr haben werden. Deswegen bin ich schon voll auf das Jahreskonzert Programm gegangen. Es gibt jeden Donnerstag ein neues Stück und zusätzlich Übe-MP3s in 3 verschiedenen Tempi.
Zusätzlich mache ich eine Verlosung und ziehe Namen aus dem Orchester (7 Stück). Diese Personen müssen bis zur nächsten Probe ein Video mit entweder:
– einer Etüde von früher
– einem Play-Along mitgspielt
– ein Stück aus den ausgeteilten Stücken
einspielen. Diese Videos werden dann in der Probe allen gezeigt und jeder bekommt danach Applaus.
(5) Michael Meininger – Stadtkapelle Friedberg, Jugendblasorchester Altenmittlau
Seit das öffentliche Leben eingeschränkt werden musste, ruhen auch die Proben. Wenn der Probenbetrieb nach den Ferien nicht wieder aufgenommen werden kann, muss auch die Stadtkapelle Friedberg ihr großes Jahreskonzert Ende Mai absagen. Selbst wenn es bis dahin theoretisch wieder möglich sein könnte, sich zu größeren Veranstaltungen zu treffen, braucht es die noch verbleibenden wöchentlichen Proben und das geplante Probenwochenende für die Vorbereitung. Gleiches gilt für ein geplantes „Mitmach-Konzert“ des altenmittlauer Jugendorchesters. Da reihen wir uns leider in eine lange Liste von Absagen und verschobenen Veranstaltungen ein. Wir haben sogar versucht virtuell zu proben. Die enorme Zeitverzögerung macht das jedoch unmöglich. Spaßig war es dennoch. Das war auch der Auslöser sich trotz der schwierigen Situation zu treffen, eben digital. Per Videokonferenz schalten sich alle, die Lust haben, zu den regulären Proben zu und tauschen sich über die aktuelle Lage aus. Hier wird auch zusammen gelacht und über mögliche Stücke und Pläne zu digitalen Projekten gesprochen. Mit meinem Jugendorchester habe ich bereits zwei Projekte gestartet. Alle haben eine Musteraufnahme von mir bekommen, die sie als Referenz für eine eigene Aufnahme nutzen sollten. So hatten wir ein einheitliches Timing und eine intonatorische Stütze. Die Einzelaufnahmen haben mir alle geschickt und ich habe daraus ein kleines Video zusammengeschnitten. Das hat die Motivation der Jugendlichen erstmal aufrecht gehalten. Ein bisschen stolz waren sie dann auch. Es ist ja ein Zeitdokument dabei entstanden, dass man später mal den eigenen Kindern zeigen kann. Das gleiche Projekt haben wir gerade auch in Friedberg gestartet. Das Ziel ist es, etwas gemeinsam zu machen und möglichst kreativ mit dieser Situation umzugehen. Das ganze kann auch weiterführend genutzt werden. So entstand die Idee für das zweite Projekt mit dem altenmittlauer Jugendorchester. Es wird aktuell ein neues Video gestaltet und mit persönlichen Grußbotschaften für die Senioren im altenmittlauer Seniorenheim versehen. Das Ergebnis wird dann hoffentlich schon nächste Woche auf einem großen Fernseher im Wohnheim gezeigt und den Angehörigen zugesendet. Musik verbindet, auch außerhalb des gewohnten Alltags. Das könnte unsere Botschaft sein.
(6) Niki Wüthrich – Stadtmusik Bremgarten, Stadtmusik Zürich, Stadtmusik St. Gallen
Dirigent@homeoffice – (Wie) geht das?
Erst einmal ging gar nix mehr: Anfangs März mussten wir in der Stadtmusik Bremgarten entscheiden, ob wir den Schlussspurt des grossangelegten Oratorienprojekts «The Armed Man» mit dem Oratorienchor Winterthur mit Probeweekend auf der Musikinsel Rheinau und Konzerten in Winterthur und Bremgarten noch durchführen sollen oder nicht. Auch wenn’s behördlich vorerst noch möglich gewesen wäre, entschieden wir uns nach unzähligen Gesprächen, Sitzungen und Diskussionen für einen Abbruch bzw. eine Verschiebung. Notbremse, kurz vor dem Ziel, nach zwei Jahren vorbereitender Arbeit. Und das war ja bekanntlich nur der erste Dominostein in der Reihe abgesagter Konzerte und Proben bis zum vollständigen Stillstand. Das hat mir enorm aufs Gemüt geschlagen. Stecker raus, Energie raus.
Der Turnaround kam dann mit der Idee, trotz allem zu Proben. Oder sich zumindest virtuell zu treffen. Ausgerüstet mit dem Instrument, einem Marsch und einem kühlen Getränk wurden die Musiker*innen zur gewohnten Probezeit an den Zoom-Bildschirm aufgeboten. Nach dem obligaten Warmup, mit tröpfchenunbedenklichen Atemübungen und im Bildschirmmosaik fast schon für die Synchronschwimm-WM tauglichen Stretching-Übungen, ging’s an das Durchspiel des Marsches. Nach meinem Einzählen war schon bald klar: Zoom hat weder Taktgefühl noch Sinn für eine ausgewogene Blasorchesterbalance. Ein sinnvolles musikalisches Proben auf diese Art und Weise ist nicht möglich. Aber Spass hat’s ordentlich gemacht. Und derjenige, der den Marsch als Erster durchgespielt hatte, durfte dafür das digitale Anstossen mit dem bereitgestellten Bier übernehmen. Und bei diesem gab es wie im Anschluss an die richtigen Proben auch via Smartphone viel zu tratschen und lachen. Und es hat sehr gut getan, sich – zumindest virtuell – wiederzusehen.
Als zweite Überbrückungsmassnahme bis zum Wiederstart der physischen Proben post-Corona habe ich meine Musiker*innen dazu motiviert, ab und zu ihr Instrument hervor zu nehmen und die Muse zu finden, zu musizieren. Denn ich bin überzeugt, dass es uns gerade in dieser unsicheren, hektischen Zeit gut tut und Halt gibt. Das Musizieren wirkt entspannend, bringt uns auf andere Gedanken und ein Stück Normalität in den ver-rückten Alltag zurück.
Dazu habe ich einen Austausch-Ordner mit Überessourcen, Solo-Stücken, Playalongs, Musiktheorie-Unterlagen und guten Musik-Links erstellt. Die Musiker*innen ergänzen die Sharing-Plattform mit eigenen Materialien und stellen den anderen weitere Noten und coole Links zur Verfügung.
Und als bislang letzte Corona-Challenge habe ich über Ostern – zusammen mit einer technisch talentierten Saxofonistin der Stadtmusik Zürich – ein erstes Corona-konformes stay@home-Musikvideo initiiert und realisiert. Weil das Zürcher Frühlingsfest «Sechseläuten» selbstverständlich auch abgesagt werden musste, hatte der Tages-Anzeiger dazu aufgerufen, originelle Beiträge für ein digitales Sechseläuten einzureichen.
So riefen wir in den Orchestern und via Facebook zum Mitspielen in der «United stay@home Blasmusig» auf. Unser Aufruf stiess auf grosses Echo und innert wenigen Tagen erhielten wir zahlreiche originelle Videos zugesandt, die es dann zu einem Video zusammenzuschneiden galt. Zudem mussten die einzelnen, unterschiedlich aufgenommenen Audiospuren zu einem ausbalancierten Blasorchestersound abgemischt werden. Und so ist die Corona-Edition des Sechseläutenmarschs entstanden, an der neben Mitgliedern meiner drei Stadtmusiken unter anderem auch Profimusiker aus dem Tonhalle-Orchester und aus dem St.Galler Sinfonieorchester teilgenommen haben. Mega cool, dass das Resultat einen eigenen Artikel im Tages-Anzeiger und unzählige freudige Rückmeldungen bewirkt hat.
Nun bin ich gespannt, welche digitalen Aktionen während der ja wohl noch eine Weile andauernden versammlungsfreien Zeit, noch folgen. Die etwas ruhigere Zeit, scheint die Kreativität je länger je mehr zu beflügeln. Und dennoch: Skype, FaceTime, Zoom und Co. zum Trotz: ich sehne mich riesig nach realen Proben und musikalischem Austausch mit andern Musikern, live und in Farbe. Und hoffe sehr, dass der unfassbare Virenspuk bald ein Ende findet und die Kraft des gemeinsamen Musizierens unsere Seelen wieder in allen Dimensionen beflügeln kann. Niki Wüthrich
https://www.tagesanzeiger.ch/so-toent-die-corona-version-des-sechselaeutenmarschs-981275948639
(7) Philip Steffe – Trachtenkapelle St. Ulrich
Ich denke in dieser absolut sonderbaren Zeit, in der wir uns gerade befinden, sind auch sehr individuelle und möglicherweise genauso unkonventionelle Wege im Umgang mit der Orchesterarbeit denkbar und nicht gleich zu verurteilen, weil wir uns alle momentan quasi als Entdecker und Forscher versuchen müssen, um uns den Weg durch diese Zeit frei zu bahnen.
Wir befanden uns mit der Trachtenkapelle St. Ulrich gerade inmitten der Konzertvorbereitung für unser Frühjahrskonzert, welches im Mai stattfinden sollte. Als Besonderheit sollte dieses Konzert ein Doppelkonzert zusammen mit dem Musikverein aus dem gleichnamigen St. Ulrich aus Südtirol (Gröden) stattfinden. Warum dieses Konzert gleich aus mehreren ersichtlichen Gründen, besonders wegen der verschärften Corona-Ausbruchslage in Südtirol zum Scheitern verurteilt war, muss ich mittlerweile wohl niemandem mehr näher erläutern.
Das Konzert wurde konsequenterweise abgesagt und die Konzertvorbereitungsphase somit unterbrochen – jetzt befinden wir uns in der vierten probelosen Woche – das würde mir eigentlich noch keine allzu großen Sorgen bereiten, zumal wir diese 4-6 wöchigen Spielpausen auch von den regulären Sommerpausen kennen; dass die Situation noch bis mindestens Juni oder gar darüber hinaus anhalten könnte, macht die Lage allerdings wirklich außergewöhnlich. Ich ‘versuche’ deshalb mittlerweile in gelegentlichen Abständen über ‘Impulse’ per Mail oder Sprachnachrichten bei meinen Musikerinnen und Musikern die Motivation für das individuelle Musizieren und/oder Üben langsam aufflammen zu lassen, obwohl ich weiß, dass der eine oder andere diese Motivation nicht bräuchte. Jeder einzelne sollte sich allerdings darüber bewusst werden, dass es für das weitere Arbeiten im Orchester von wesentlicher Bedeutung ist, jetzt keinen massiven Einbruch der Ansatzkondition zuzulassen – hier verhält es sich wie mit dem Teamsport – wir können nur dann zügig und ohne zähe Einzelbemühungen wieder in alte Form kommen, wenn im gesamten Team eine gewisse Grundkondition vorhanden ist, auf die man zurückgreifen kann, wenn es wieder losgeht.
Mir geht es bei meinen Impulsen weniger um ganz konkrete Übe-Anweisungen, die ich auch aber lediglich als Vorschläge miteinbringe, als genau um dieses eher pädagogische Vermitteln der ‘Wichtigkeit’ des regelmäßigen Sich-Auseinandersetzens mit dem Instrument jedes einzelnen während dieser Krise. Ich versuche ‘anzuregen’ zum selbstständigen aktiv werden und genauso wie ich versuche bei meiner Probenarbeit einem gewissen Trott zu entgegnen, so versuche ich auch bei meinen Impulsen immer wieder neue Aspekte zu beleuchten, damit meine Nachrichten nicht bei jedem gleich ins verstaubte Archiv kommen, sondern hoffentlich Anreiz schaffen.
Wie bei der normalen Probenarbeit auch, ist es natürlich nicht einfach aber zugleich Schlüssel zum Erfolg, möglichst alle Einzelmusiker anzusprechen, was sich meines Erachtens ziemlich stark auch über das vermeintlich richtige Maß solcher Impuls-Nachrichten steuern lässt. Zwar war zu Beginn dieser Phase der Informationsbedarf in beide Richtungen wohl noch etwas größer, aber ich versuche stetig meine Impulse zu kürzen und aufs Wesentliche zu fokussieren, denn derjenige Musiker, der nach wie vor nicht viel Anleitung beansprucht, weil er oder sie von Natur aus eine hohe Eigen-Übe-Motivation mitbringt, der ‘benötigt’ auch keine lange Ansage, und der andere Typ von Musiker, der eher etwas beschwerlicher zu motivieren ist, der ‘will’ keine lange Ansage. Maximal ein Impuls pro Woche sollte momentan genügen – eine eingermaßen regelmäßige Interaktion mit dem Orchester hilft dennoch beiden Seiten, sich weiterhin einander zugehörig zu fühlen und zumindest ein wenig Gemeinschaft aufkommen zu lassen.
Meine Übe-Vorschläge, die ich gelegentlich miteinfließen lasse, zielen vorwiegend darauf ab, sich mit jeglicher Art von Literatur zu beschäftigen, egal ob das Solowerke aus dem Unterricht, Orchesterliteratur aus dem bestehenden Konzert- oder Unterhaltungsprogramm oder auswendig erlernte Stücke/Lieder sind – oder gar irgendwelche software-gestützten ‘Loops’ und dergleichen, bei denen man mehrstimmige Stücke quasi mit sich selbst zur Aufführung bringen kann – wenn man hier die notwendige Ausstattung hat, kann das richtig Spaß machen. Solange wieder eine gewisse Spiel-Regelmäßigkeit und somit Routine in den ‘musikalischen’ Alltag Einzug hält, dient das alles dem Aufbau und/oder der Erhaltung eines gewissen Grundniveaus von Ansatz und Gehör, sodass der Einstieg in die reguläre Probearbeit in hoffentlich nicht allzu weiter Ferne, für jeden einzelnen, viel reibungsloser gelingen kann. Ein Minimum an zwei Übe-/Spieleinheiten pro Woche mit jeweils ‘mindestens’ 15 minütiger Spielzeit erscheint vielen Musikern bestimmt als wenig, aber wenn sich die Mehrheit an dieses Mindestmaß hält, dann kommen wir unserem Ziel, in dieser Zeit am Ball zu bleiben, ein großes Stück näher – und ich denke, dass es ein gut realisierbares Ziel ist.
Auch die Möglichkeit mit Youtube-Videos zu arbeiten, empfinde ich als sehr einfache aber gerade deshalb gute Methode, für möglichst viele Musiker eine Methode anzuwenden, sich musikalisch begleiten zu lassen und damit nicht immer ganz alleine spielen zu müssen. Es gibt online sehr viele so genannter ‘Play Alongs’ für sämtliche Instrumente, bei denen Noten eingeblendet werden und mitlaufen, und dazu passend meist ein Klavier eine Begleitstimme spielt, wozu man dann sehr praktisch musizieren kann – vor allem, wenn man gute Lautsprecher hat. Auch wenn die Literaturauswahl meist eher seicht und auch qualitativ nicht absolut hochwertig ist, so bietet das manchmal etwas Abwechslung im musikalischen Übealltag – einfach mal auf Youtube nach ‘Play Along’ und dem entsprechenden Instrument suchen! Und sind wir doch mal ehrlich, alle diese Methoden sind sicherlich suboptimal und ersetzen nicht die realen Orchesterproben, aber ganz ohne aktiv Musik zu praktizieren, ist für uns Musiker doch die wesentlich schlechtere Alternative und wer weiß, vielleicht findet der eine oder andere Musiker ja in dieser Zeit für sich eine neue motivierende Herangehensweise an das Üben, die mit in die Normalität übernommen werden kann.
Ich hoffe jedenfalls, dass wir vor allem gesund und trotz aller Schwierigkeiten mit etwas Musik durch diese herausfordernde Phase kommen und bald wieder mit ECHTEN Ensembles musizieren können.
Viele Grüße,
Philip
(8) Sonja Schleich – Musikverein Unterboihingen, Musikverein Bad Boll
Die ersten zwei Wochen hab ich meine Orchester absolut in Ruhe gelassen. Erstmal ist für mich fast eine Welt zusammengebrochen, in dem Moment als ich registriert habe, dass ich auf unbestimmte Zeit nicht mehr meiner Leidenschaft nachgehen darf und ich war auch der Meinung, dass die Musiker erstmal für sich damit klarkommen mussten.
Meine beiden Orchester sind charakterlich total unterschiedlich, was sich in dieser Situation wieder besonders spiegelt. Ein Orchester ist sehr aufgeweckt und interagiert sehr viel Selbstständig miteinander (WhatsApp Gruppe…), deshalb hab ich gewartet, bis die von selber wieder “lebhaft” werden.
Da Einzelne sich an dem Balkonkonzert “Von Freund zu Freund” beteiligt haben, hab ich dann alle mit Franco’s Noten (Anm. AL: ein Dank an Franco Hänle für das Einstellen sämtlicher Transpositionen) von der Europahymne versorgt und auch aktiv dafür “geworben”, dass sich viele beteiligen. Seither haben wir jeden Sonntag um kurz nach 18.00 Uhr wirklich sehr viele Selfies in unserer WA Gruppe. Was mich sehr freut!
Die zweite Idee war, daraus nicht nur eine Foto-, sondern eine Videocollage zu erstellen.
Als nächstes gibt‘s eine Videocollage mit einem Stück das typisch fürs Orchester ist. Die ist im Moment in Arbeit und wer weiß was uns noch so alles einfällt bis die Krise vorbei ist…
Und an unserem Probentag hat sich so eine Art “WhatsApp- Stammtisch” eingebürgert. Das ist aber absolut selbstständig aus dem Orchester entstanden. Aber natürlich schreib und poste ich sehr gerne mit.
Mein zweites Orchester arbeitet grundsätzlich musikalisch auch sehr gut mit, allerdings wollen die gerne angeleitet werden. (Von mir, Vorstand, Musikervorstand)
Da hilft Also abwarten nichts….
Der Musikervorstand hat vor kurzem den geselligen Teil in die Hand genommen und ein Videochat eingerichtet. Auch gedacht als Stammtisch am Probentag. Gleichzeitig hab ich aktiv das Balkonkonzert angetrieben, Noten verschickt und um Selfies gebeten.
Da warten wir noch die Entwicklung und die zukünftige Beteiligung ab….
Nach Ostern werde ich wöchentlich eine kleine Liste verschicken mit Titeln aus der Unterhaltungsmappe (gemischt aus Geläufigen und schon lange nicht mehr Gespielten) die dann jeder zu Hause üben kann. Eventuell mit Übehinweisen oder allgemeinen Hinweisen…
Mein Tipp an andere Dirigenten:
Fühlt in eure Orchester rein was sie wirklich brauchen!
Orchester sind so unterschiedlich und das ist absolut gut so!!
Ich finde es wichtig präsent zu sein, aber nicht aufdringlich.
(9) Stephan Wehrle – Musikverein Trachtenkapelle Siegelau
Die letzten drei Abende war ich hiermit beschäftigt: https://www.youtube.com/watch?v=xEmpX_F4q0A (ist auch vom MVTK Siegelau auf Facebook gepostet… )
Das ist bislang auch fast das einzige, was ich bislang von meinem Orchester seit der ersten ausgefallenen Probe am 13.03.2020 “eingefordert” habe – das Ganze war freiwillig, daher war die Ausbeute mit weniger als der Hälfte der Musiker eher gering – womöglich besteht eine gewisse bzw. ungewohnte Scheu, sich beim alleinigen Musizieren zu filmen oder filmen zu lassen. Ironischerweise kam das erste Video an mich aber vom ältesten Musiker Wilhelm (72 Jahre) – das hat mich echt überrascht. Die Aktion hat riesig Spaß gemacht, vielleicht gibt‘s eine Wiederholung. Jedenfalls gab‘s bereits einen Pressebericht der Badischen Zeitung unter https://www.badische-zeitung.de/musikalische-gruesse-aus-dem-homeoffice, was uns natürlich freut.
Insgesamt denke ich, dass durch die Corona-Zwangspause das gewohnte Übeverhalten bzw. die Routinen der jeweiligen Musikerinnen und Musiker verstärkt wird – diejenigen, die ohnehin viel üben, werden die freie Zeit nutzen, um ungezwungen noch mehr und ohne Vorgaben üben zu können. Und diejenigen, die sich beim Üben ohnehin eher schwer tun, werde ich als Dirigent vermutlich auch mit “Übetipps zur Überbrückung” nicht erreichen. In Siegelau ist unser primärer Kommunikationskanal die WhatsApp-Gruppe (Es sind alle außer einem älteren Musiker drin). Dort werde ich die Musiker – nach Inspiration durch Michael Schätzle, er hat das in meinem Heimatverein in Obersimonswald gemacht – nächste Woche bitten, die Tonestro-App herunterzuladen und zu nutzen bzw. sich bei Rückfragen an die Registerführer zu wenden, damit ggf. Kommunikation oder gar ein Wettbewerbsgedanke in den Registergruppen entsteht. Allerdings auf freiwilliger Basis – in der Hoffnung, dass es in einer ruhigen Minute eher aus Neugier gemacht wird, statt unter Zwang auf einen Termin hin.
Unser einziger größerer Auftritt im Frühjahr wäre das Frühlingsfest beim/vom MV Dächingen gewesen, welches nun natürlich ausfällt. Wir hätten im erfahrungsgemäß proppevollen 3.000-Mann-Zelt gespielt – am Sonntagmittag von 10-13 Uhr. Ein Traum. Entsprechend war ein größeres Unterhaltungskonzert geplant, welches in der Vorbereitung allerdings nicht mit einem Jahreskonzert vergleichbar ist. Von daher trifft uns projekttechnisch die Pause nicht sonderlich hart. Dennoch geht insbesondere bei den “Selten-Übern” der Ansatz nun peu-a-peu den Bach runter… von daher bin ich ebenfalls nachdenklich und sehr gespannt, wie sich die Kollegen bei Dir äußern.
Da Siegelau für das eigene Frühlingsfest Ende Mai die Fäaschtbänkler gebucht hat (es war bereits Ende Dezember 2019 komplett ausverkauft!), sind die Musiker dort große Fans. Vor kurzem habe ich das Arrangement von deren Song “Ein Leben lang” gekauft und das PDF zum Download für die Musiker erhalten.
(10) David Krause – Blasorchester der Stadt Singen, Städtisches Blasorchester Tuttlingen
Die Situation ist aktuell schwierig und „proben” eigentlich ja nicht möglich. Bin gespannt wann wir wieder unsere Proben ganz normal abhalten können.
Derzeit kursieren ja viele Videos von Musikvereinen deren Musiker am Sonntag auf dem Balkon oder am Fenster musizieren, es werden alte Konzerte nochmal aufgewärmt und als „Frühjahrskonzert 2020“ präsentiert oder Stücke aus dem Programm von jedem daheim eingespielt … und: Ein Video habe ich bekommen in dem sich viele Musiker eines Vereins gemeinsam auf einem Parkplatz getroffen und gemeinsam aus ihren Autos gespielt haben. Das alles ist super für den Zusammenhalt und sind Möglichkeiten doch irgendwie „gemeinsam” spielen zu können.
Für’s Proben gibt es nicht viele Möglichkeiten. Ich weiß von Chorleitern, die mit Zoom oder Skype arbeiten; das geht aber auch nur beim Chor und selbst da bleibt das gemeinsame Erlebnis aus. Der Chorleiter spielt dabei am Klavier die Stimmen – gleichzeitig oder einzeln – und die Sänger machen daheim mit. Durch die Verzögerung kann es aber nie zum gemeinsamen / gleichzeitigen Singen kommen.
Ich mache aktuell mit meinem Orchester ein Video-Projekt. Angelehnt an die oben genannten Ansätze – nur mit einem komplett neuen Stück, welches ich im Sommer neu in’s Programm genommen hätte. Die Musiker bekommen die Noten und eine Aufnahme zur Orientierung. Jeder übt das Stück für sich und nimmt sich auf, wenn er soweit ist – und schickt mir diese Aufnahme. Analog zum derzeit vielerorts praktizierten digitalen Unterricht gebe ich dann Feedback zu der Aufnahme … und so arbeitet jeder einzeln weiter daran – und irgendwann werden die Aufnahmen zusammengesetzt und so “spielen“ die Musiker dann ein bisher unbekanntes Stück digital / auf der Aufnahme gemeinsam … bevor wir es dann hoffentlich bald auch real zusammen spielen können.
Das gemeinsame Spielen und eigentliche Proben bleibt leider auch so unmöglich – es ist aber eine Möglichkeit an Neuem zu arbeiten und mit den Kollegen verbunden zu bleiben bis wieder der persönliche Kontakt möglich ist.
Das Video-Projekt läuft beim Blasorchester der Stadt Singen; das Städtische Blasorchester Tuttlingen leite ich auch noch – da hat man auf meine Idee erst mal zurückhaltend reagiert (wenn, dann wollen wir’s richtig machen und das bedeutet viel Aufwand) und will abwarten, ob wir nicht doch bald wieder mit den Proben beginnen können… vielleicht auch zu Beginn nur mit Registerproben – die Hoffnung stirbt zuletzt. Wenn das nicht zeitnah geht, ist es aber durchaus denkbar, dass wir auch dort so vorgehen.
Das Projekt ist schon ziemlich viel Arbeit, gerade weil die Musiker das Stück noch gar nicht kennen und halt jeder Musiker so seine Stärken und Schwächen hat, z.B. beim Vom-Blatt-Spiel. Da gilt es nicht nur Fehler zu korrigieren – von denen es anfangs natürlich einige gibt – sondern es ist viel psychologische Arbeit notwendig. Viele sind nicht die „Rampensau“ die die Sachen einfach raushaut, sondern fühlen sich im „Rudel“ also im Register / Orchester wohl – da kostet es sehr viel Überwindung alleine zu spielen und das dann noch dem Dirigenten zu schicken. Auch die Situation der Aufnahme ist ungewohnt – und spannenderweise entwickeln sich da dann sehr viele zu Perfektionisten und sind mit keiner Aufnahme so richtig zufrieden – dabei hat man da ja so viele Chancen, wie man braucht und will – bei der normalen Probe, dem Auftritt oder dem Konzert hat man genau eine Chance.
Apropos Chance: Das Ganze ist eine gute Gelegenheit ehemalige Musiker wieder zu kontaktieren – gerade die, die eigentlich gerne noch mitspielen würden, aber aus beruflichen oder privaten Gründen inzwischen zu weit weg wohnen um an Proben und Auftritten teilzunehmen sind bei diesem Projekt gerne mal wieder dabei und verlieren so nicht ganz den Kontakt zu ihrem Verein. Andere wohnen noch in der Nähe, hatten aber aufgrund der Lebensumstände keine Zeit mehr für den Verein – sind nun aber in einer ganz anderen Situation und haben vielleicht Lust das Instrument mal wieder abzustauben und bei so einem Projekt mitzumachen.
Deine 40+ Tipps habe ich auch gleich an mein Orchester weitergegeben – da sind viele gute Anregungen drin und man kann als Verein liegengebliebenes und anderes, was man sinnvollerweise mal neu strukturieren oder angehen sollte … in Angriff nehmen.
Ansonsten finde ich es sehr wichtig den Kontakt zu den Musikern zu halten. Nicht alle freuen sich über Aufgaben oder Aktionen – manche sind ziemlich gestresst … mit Kindern / Schulsachen, Job, familiäre Situation … da sind die Umstände aktuell sehr individuell und deutlich unausgeglichener als sonst. Wichtig ist aber, dass man das Interesse an den Musikern zeigt und den Kontakt Aufrecht erhält.
(11) Ricarda Strobel – Sinfonisches Blasorchester Flutissima Bardowick
Ein Orchester im Homeoffice – Flutissima übt zu Hause
In Zeiten des „social distancing“ nutzen die Musikerinnen und Musiker nicht nur die viele zusätzliche Freizeit, sondern auch alle medialen Möglichkeiten, um miteinander in Kontakt zu bleiben und die Instrumente nicht einstauben zu lassen.
Das Corona Virus macht vor Bardowick nicht Halt, und so wurde auch das für März geplante Konzert des sinfonischen Blasorchesters im Rahmen der „Musikuss“-Reihe des Landkreises abgesagt, ebenso wie das Kinder-Musical vom „Kleinen Kerl“. Die vorerst letzte Orchesterprobe fand vor über einem Monat statt, in der Woche vor den Schulschließungen. Wer jetzt aber denken würde „das war’s jetzt erst mal mit der Musik“, der hätte sich getäuscht: geübt wird jetzt nämlich zu Hause.
Räumlich getrennt, aber doch gemeinsam musiziert wird zum Beispiel bei der europaweiten Aktion „Musik vom Balkon“ seit 22. März, an der sich Flutissima beteiligt: Alle Musiker sind über die sozialen Medien aufgerufen, immer sonntags um Punkt 18 Uhr am offenen Fenster, auf dem Balkon oder im Garten Beethovens „Ode an die Freude“ erklingen zu lassen. Besonders die Erwachsenen der BläserKlassen und die Kinder nutzen die Gelegenheit gern. Die Orchestermitglieder zeigen seitdem auch unter dem Motto „Wir über Zuhause“ bei Facebook und Instagram, wie ihr Instrument solo oder im Duett mit den häuslichen Mitbewohnern klingt – jeden Tag gibt es ein anderes Kurzvideo.
Für die musikalische Leiterin und Dirigentin Nicole Maack sind diese Wochen keinesfalls eine Zeit der Entspannung, denn sie erschließt den Musikern mit Musikunterricht per Internet neue Wege. An den Wochentagen stellt sie für jede Gruppe, von Blockflöte, Piccolino und Saxonett, über die BläserKlassen bis hin zum Orchester, Videos, Arbeitsblätter und Probenpläne über WhatsApp und per E-Mail zur Verfügung. Bei den Kleinen ist das mit der Empfehlung an die Eltern verbunden, dass die Kinder einfach zur normalen Flutissima-Zeit üben sollten. Auf die vielen Videos, mit denen die Musikerinnen zeigen, was sie geübt haben, gibt es natürlich Rückmeldungen. Die wöchentlichen Registerproben für Flöten, Klarinetten, Trompeten und Saxophone bis hin zum tiefen Blech werden durch eigens erstellte professionelle online Tutorials auf YouTube ersetzt und mit einer Videokonferenz zur üblichen Probenzeit ergänzt. Alle Gruppen erhalten Unterricht über das Online-Meeting-Tool Zoom. Auch der Vorstand des Musikvereins tagt per Videokonferenz.
In den nächsten Wochen wird es wohl so weiter gehen; wie lange genau und mit welchen schrittweisen Lockerungen, das weiß bis jetzt noch niemand. Um die Verbreitung des Virus möglichst zu verlangsamen, gilt weiterhin: Wir bleiben zu Hause – und wir üben zu Hause.
Ricarda Strobel
Weitere Ideen sind herzlich willkommen! Wenn auch Ihr von Euren Aktionen gegen den Corona-Blues erzählen möchtet, dann nutzt gerne das Kommentarfeld unter diesem Beitrag für Eure Ideen!
Alle Aktionen sind richtig und wichtig für den jeweiligen Musikverein. Es gilt, auch in dieser schwierigen Zeit den „Laden zusammen zu halten“ und als Verein nicht aus dem Bewusstsein seiner Mitglieder – und auch seiner Gemeinde – zu verschwinden. Ich finde es sehr wichtig, dass hier Initiative ergriffen wird – unschwer daran zu erkennen, dass ich neben dem Beitrag 40+ Tipps… auch die beiden Beiträge Gegen den Corona-Blues – Los geht’s und Gegen den Corona-Blues – Weiter geht’s geschrieben bzw. organisiert habe. Ein weiterer Blog-Beitrag ist noch mit sämtlichen Ideen, die ich in den Sozialen Medien gefunden habe und sehr gut finde, in Planung.
Trotz aller Aktivitäten kommt man jedoch nicht umhin festzustellen, dass das alles nur etwas schwache Alternativen für eine echte Musikprobe mit anschließendem geselligen Zusammensein sind. Wir werden in Zukunft unsere gemeinsamen Proben „live und in Farbe“ – wie Niki es oben geschrieben hat – mehr schätzen und genießen. Davon bin ich überzeugt.
Pingback: Blasmusikblog Monatsrückblick April 2020 – Blasmusik