Sommerprogramm: Empfehlungen jenseits vom Böhmischen Traum und der Vogelwiese

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Egal ob beim Dorffest, in der Open-Air-Muschel im Kurpark oder in einem Festzelt – überall spielen die Blasorchester die gleichen Stücke. Die im Betreff genannten sind immer dabei…

Den Dirigent:innen Reinhard Greß, Thomas Joha, David Keck, Daniel Peters und Miriam Raspe habe ich – im Sinne von mehr Vielfalt im Sommerprogramm – die folgende Frage gestellt:

Welches sind Deine Empfehlungen jenseits von „Böhmischer Traum“, „Vogelwiese“, „Die Sonne geht auf“ und den üblichen Blasmusik-Schlagern, die überall und von gefühlt allen Musikvereinen gespielt werden? Welche Unterhaltungsmusiktitel sind Deine Alternativen bzw. Favoriten?

Der Beitrag soll Euch Anregungen geben, Eure Sommerprogramm-Mappe auszumisten, zu erneuern und mit frischen Noten aufzufüllen. Neue Noten sind auch immer wieder die Gelegenheit, das Sommerprogramm ordentlich zu proben, denn bei den Titeln, die schon jahrelang in der Mappe sind, laufen die Orchester Gefahr, dass die Musiker:innen der Meinung sind: „Müssen wir nicht proben, können wir schon.“ Dies übrigens sehr zum Leidwesen von jungen und/oder neu hinzugekommenen Musiker:innen. Diese haben dann keine Gelegenheit, das Sommerprogramm kennenzulernen sowie richtig zu proben und werden bei den Auftritten oft ins kalte Wasser geschmissen. Und wenn die “alten” Titel auf dem Probenplan stehen, ist das oft Grund für die langjährigen Mitglieder, nicht in die Probe zu kommen (“Ich kann die Stücke ja schon.”)

Reinhard Greß

Reinhard Greß
Reinhard Greß

Dirigent des Blas-Orchesters Rodde (Rheine, NRW), Projekt-Blasorchester „Brass, Winds & Co. Rheine“, Kulturpreisträger der Stadt Rheine

Um sinnvolle Anregungen für ein individuelles Blasmusik-Sommerprogramm abzugeben, müsste man die vorhandenen Parameter eines Orchesters kennen, was natürlich unmöglich ist. Damit meine ich neben den üblichen Besetzungs-Herausforderungen auch die Frage, für welche Anlässe denn aufgespielt werden soll. Bevor ich doch einige Werke nennen werde, stelle ich einige grundsätzliche Anmerkungen bzw. Fragestellungen zu diesen Themen voran, die wiederum Anstöße zur weiteren Auseinandersetzung sind.

Besetzung: Traditionelle Blasmusik (Polka-Walzer-Marsch) fordert bei möglichst stilgenauer Wiedergabe insbesondere die vorgegebene Instrumenten-Mischung im melodie-tragenden Blechregister (Flügelhorn – Trompete, Tenorhorn – Bariton). Bin ich ansonsten in einer „dicken“ sinfonischen Besetzung unterwegs, muss ich schauen, welche Anpassungen vorgenommen können. Können idealerweise Euphonium-Spieler auf Tenorhorn/Bariton und Trompeter auf das Flügelhorn bei dann noch auskömmlicher Besetzung wechseln? Welche Rolle kann ein möglicherweise vollständig ausgebauter Saxofon-Satz übernehmen? Fühlt sich der Waldhorn-Satz wohl, wenn er 10 Stücke lang mit Nachschlag beschäftigt wird? Von den Lösungen (u.a.) dieser Fragen hängt auch die Auswahl der Stücke ab.

Bei Arrangements aus dem Pop- und Musical-Bereich sieht es vergleichsweise ähnlich – mit dann anderen „Vorzeichen“ – aus. Die (häufig aus NL-Verlagen) erhältlichen Bearbeitungen sind oftmals eher „holz-lastig“ instrumentiert – was der internationalen Besetzungsform mit dem Klarinetten-Satz als Hauptmelodie-Träger folgt. Hier besteht die Aufgabe darin, Arrangements zu finden, die bei Außen-Auftritten funktionieren – vielleicht und gerade auch mit einer verminderten Besetzung. Da sind insbesondere solche Notenausgaben sehr hilfreich, die über sinnvolle Stichnoten-Ergänzungen ein Stück auch bei unvollständiger Besetzung spielbar machen. Fehlen diese, müssen Stimmen uminstrumentiert werden. Ohnehin sollte der Dirigent / die Dirigentin im Blick haben, mit welcher Stamm-Mannschaft denn eine Sommer-Saison bestritten werden kann. Gibt es in einem Pop-Medley ein wunderbares Horn-Solo und der einzige Waldhornist kann fast nie dabei sein, macht eine Aufführung nur bei einer adäquaten Ersatzlösung Sinn –  und sei es durch eine vorher vorzunehmende und dann noch ausreichend zu probende (!) Transposition auf Flügelhorn, Alt-Saxofon oder Tenorhorn.

Anlässe: In der Sommersaison stehen Auftritte unterschiedlichster Art an. In meiner Region bei Schützenfesten auf der Straße (Marschmusik), im Festzelt, im Freien (sitzend und gelegentlich stehend), in der Konzertmuschel und auch in der Kirche. Diese Vielfalt erfordert ein gut sortiertes und gepflegtes Noten-System und – nicht zu vergessen – vor allem einen/eine akkurat und zuverlässig arbeitende(n) Notenwart bzw. Notenwartin. Auch hier ein paar Fragen: Wie häufig wird das Marschbuch mit neuen Stücken versorgt? Gibt es ein Choralbuch mit den gängigen sakralen Liedweisen? Wie dick ist die Notenmappe für die Konzert- bzw. Unterhaltungsmusik? Verfügen die Musiker über Mappen in adäquater Qualität, wird rechtzeitig vor „Saisonbeginn“ das Programm (besser nur in Teilen) getauscht, werden Jahr für Jahr Stücke mit herumgeschleppt, die nie gespielt werden?

Werke aus der traditionellen Blasmusik:

Zeit für uns (Norbert Gälle, arr. Mathias Gronert) Gr 3. Ruhige, sehr schön und angelegte böhmische Polka mit weiten Melodie-Linien und nicht zu hohem Schwierigkeitsgrad. Alle Register sind in Soli gefordert.
Junges Musikantenherz (Peter Schad) Gr 3. Flotte Polka mit Ohrwurmcharakter.
Amsel-Polka (Jaromir Vejvoda) Gr 3. Klassiker von J. Vejvoda. An einigen Stellen technische Herausforderungen, die gut geprobt werden wollen.
Polka für zwei (Karel Belohoubek, arr G. Weinkopf) Gr 3. Dankbares Stück für gute Solisten auf Flügelhorn und Tenorhorn.
Viribus Unitis (Josef Bach) Gr 3-4. Preisgekrönter Marsch (WDR-Wettbewerb 1979) von Josef Bach (der im Hauptberuf Geiger u.a. bei der Badischen Staatskapelle Karlsruhe und Dirigent von Blasorchestern war). Abwechslungsreicher und sehr wirkungsvoller Marsch. Vierstimmiger Trompeten-Satz notwendig, dazu Flügelhörner zweistimmig. Im Trio übernimmt Saxofon-Satz Führung. Solo für kleine Trommel.
Unter dem Doppeladler (J.F. Wagner, arr. Wolfgang Wössner), Gr 3: österreichischer Traditionsmarsch in einem sehr guten Arrangement von W. Wössner.
Arsenal (Jan van der Roost) Gr 4. Gilt mittlerweile als Standard-Marsch, der überall funktioniert.

Neben Polka und Marsch darf natürlich der Walzer nicht fehlen. Hier stelle ich bei der Recherche (erneut) fest, dass ich selbst noch ein paar „To-Do´s“ habe, ist doch diese Gattung bei mir vergleichsweise unterrepräsentiert. Neben dem Schneewalzer und den Rauschenden Birken gibt es noch den (sicher nicht als traditioneller Walzer geltenden) Second Waltz von Dimitri Schostakowitsch (sehr gutes Arrangement von André Waignein).

Unterhaltungs-Musik in Arrangements für Blasmusik:

Die beiden Ausgaben 80er KULT(tour) 1 und 2 von Thiemo Kraas sind auf dem besten Wege, selbst Kultstatus zu erlangen. 80er KULT(tour) 1 (Gr 3+) spielt nach meinem Eindruck jeder Verein, 80er KULT(tour) 2 (Gr 3+) ist mindestens ebenso interessant gemacht – wenn auch vielleicht noch nicht so verbreitet; beide Ausgaben sind durch etliche Stichnoten grundsätzlich für nahezu jedes Orchester ohne zusätzlichen Aufwand spielbar.
Verfügt das Orchester über einen sehr guten Trompeter, der sein Faible für klassische Swing-Nummern rüberbringen und sich adäquat durch das Orchester begleiten lassen kann, dann ist der Klassiker Ciribiribin (A. Pestalozza, Arrangement Gerald Weinkopf, Gr. 4) eine gute Wahl. Mit leichten Anpassungen in der Instrumentierung und entsprechender Probenarbeit (Phrasierung/Artikulation) eine dankbare Nummer.
Peter Kleine Schaars gilt als der Spezialist für Bearbeitungen populärer Musik. Seine Arrangements Queen Greatest Hits (Gr 3) und Latin Favourites (Gr 3) verwende ich ob der guten Spielbarkeit auch bei hochstehender Sonne immer wieder gerne.
Als weitere Latin-Nummer ist das unverwüstliche Paul-Lavender-Arrangement Latin Gold (Gr 3) auch für die Sommer-Saison sehr geeignet; ich habe ein paar Retouschen vorgenommen, um das Medley durchgängig spielbar zu machen.
Nach langer Zeit des Archiv-Daseins habe ich The Best of Beatles (arr. Kurt Gäble, Gr 3+) wieder in das diesjährige Sommer-Programm aufgenommen; diese Ausgabe wird ebenfalls gut beim Publikum ankommen werden. Soll es für ein Kur-Konzert auch mal originale Literatur mit Unterhaltungscharakter und Pfiff sein, so verwende ich gerne New York 1927 (Warren Barker, Gr 3+); hier wird die Stimmung der 20er Jahre in New York musikalisch durch Ragtime, Blues und „Taxi-Hupen“ (übernehmen die Trompeten) lebendig.
Daneben greife ich auch gerne zu Jacob de Haan-Klassikern wie Queen’s Park Melody oder The Blues Factory.

Schluss-Anmerkung: das Suchen nach geeigneter Literatur ist nicht nur für das jährliche Konzertprogramm eine permanente Aufgabe. Gerade auch die sinnvolle Aktualisierung des „Stamm-Repertoires“ will ständig im Blick behalten und gut überlegt werden.
Reinhard Greß, Dirigent Blasorchester Rodde

FBO Sommerprogramm
Das Freiburger Blasorchester im Stadtgarten in Freiburg

Thomas Joha

Thomas Joha
Thomas Joha

Dirigent des Musikvereins Rittersdorf, Kreisdirigent des NBMB KV MSP, musikalischer Leiter des Kreisorchester Main-Spessart und Juror im BDMV. Aktuell arbeitet er für den deutschen Bundestag.

Das Sommerprogramm – eine Möglichkeit für eine etwas andere Frischekur zur sinfonischen Arbeit eines Musikvereins oder Orchesters

Dem übergeordnet sind für mich folgende Assoziationen: gutes Wetter, gute Laune.
Hier liegt für mich der Fokus auf eingängigen Melodien, groovenden Rhythmen und der “leichten“ Muse. Neben dem Feeling gibt uns das Thema „Sommer“ auch meist den Aufführungsort vor, nämlich open air. So schließen sich für mich Werke aus, welche längere kammermusikalische Passagen, intonatorisch heikle und dynamisch sehr reduzierte Stellen aufweisen. Aufgrund dessen fallen die meisten Konzertwerke aus dem Raster.

Je nach Charakter der Veranstaltung, passe ich das musikalische Konzept an. Bei einem Frühshoppen und während der Kaffeezeit am Nachmittag eignet sich stets böhmische Blasmusik. Bei einer Abendserenade darf es dann schon eher sinfonisch angehaucht sein und bei einem Stadtfest ist Rock/Pop sehr hilfreich, um die Aufmerksamkeit auf sich und den Musikverein zu ziehen.

Das Spielen open air fordert auch musikalisch einen anderen Fokus als im Konzertsaal. So muss das Spielen im „Freifeld“ derart gestaltet werden, dass der Klang – trotz aller akustischen Hindernisse und Besonderheiten – ausgewogen ans Ohr des Zuhörer trifft. So sollte als Beispiel ein piano nicht ins Unhörbare abdriften und ein staccato nicht dieselbe Kürze aufweisen, wie in einem geschlossenen (Konzert-)Raum. Denn open air fehlen die Reflektionsflächen eines geschlossenen Raums, welche psychoakustisch einen Klang sehr lebendig und voluminös empfinden lassen.

Da es sich ergibt, dass bei einer Sommerveranstaltung Zuhörer anwesend sind, die noch nicht auf den Konzerten des jeweiligen Musikvereins oder Orchesters waren, sollte jeder Sommerauftritt auch als (musikalische) Werbemaßnahme genutzt und mit überspringender Spielfreude musiziert werden. So ist es mir ein inneres Anliegen, dass gerade die böhmische Blasmusik, mit Begeisterung und eben jener Spielfreude dargeboten wird. Im Idealfall sollte diese stets frisch, beweglich und mit abwechslungsreichem Klang gespielt werden, um aufzuzeigen, wieviel Spaß böhmische Blasmusik sowohl den Musizierenden, als auch den Zuhörenden machen kann. Dies kann ein Beitrag sein, der (noch) vorherrschenden Meinung der „dicken Backen Musik“ entgegenzutreten.

Dementsprechend wäre ein böhmisches Blasmusikprogramm wie folgt gestaltet:

Eine „aufhorchende“ Mischung aus bekannten Stücken, die dennoch überraschen! Wichtig ist hierfür nicht nur die Auswahl, sondern insbesondere die Interpretation der Stücke. Das Spiel mit den Tempi, das mutige Abweichen vom 96er Klick ermöglicht es bekannte Stücke „neu aufzulegen“. Warum nicht mal die Amselpolka als „Bravourpolka“ interpretieren: Viertel = ca. 136. Gibt es eine lokale „Nationalhymne“?, wenn ja, dann unbedingt spielen! Diese eignet sich immer als Zugabe.

Auch agogisch sollten einzelne Stücke das Interesse der Zuhörenden wecken, Beispiel Böhmische Liebe (Mathias Rauch), 1. Teil Viertel = ca. 122, Trio-Einleitung als agogischen Übergang nutzen, Trio Viertel = ca. 94. Dies muss selbstverständlich mit dem Leistungsstand des jeweiligen Klangkörpers abgestimmt werden. Wäre der Astronautenmarsch leicht open air mitreißend machbar? Wenn nein, dann besser eine andere Leistungsklasse wählen. Über das ganze Programm hinweg sollte ein starker Fokus auf Artikulation und spannungsgeladenem Klang liegen, damit es die Zuhörer mitreißt.

Aus meiner Zeit mit Andy Schreck und den Kinzbach Musikanten gibt es noch ein paar besondere Stücke:

Rock/Pop/Latin:

Hier eignen sich besonders „fetzige“ Stücke am besten. Jene bieten mitreißende Beats, Wucht im Sound und das Drum-Set ist immanent wichtig. Auch kann und darf die Klangfarbe des Orchesters gerne mal „dreckig“ emotional – angelehnt an einer rauchigen Singstimme – sein. Einen komplimentierenden Kontrast bilden hierzu hervorragend Rockbaladen, welche gefühlvoll schnulzig daherkommen. Schwerpunkte dieser Genres sind ein absolut stabiler Beat, Präzision im Rhythmus und Power im Klang.

Sommerkonzert:

Für ein sinfonisches Sommerkonzert versuche ich den Großteil des Programms musikalisch nicht zu ernst auszulegen, aber dennoch den sinfonischen Klang in den Vordergrund zu stellen. Bestens geeignet sind hier Nummern aus Musicals und aus Jazz/Swing, aber auch schwungvolle sinfonische Werke. So können die Zuhörer mit dem typischen sinfonischen Blasorchesterklang und den daraus unterschiedlich resultierenden Klangfarben begeistert werden.

Thomas Joha, Dirigent u. a. Musikverein Rittersdorf

MV Reute 1 Mai
Der Musikverein Reute am 1. Mai

David Keck

David Keck und Lukas K. Link, Cousins
David Keck und Lukas K. Link, Cousins

Dirigent des Musikvereins Reute, Musiklehrer

Grundsätzlich muss ich sagen, dass ich auch die Klassiker und „üblichen Blasmusik-Schlager“ sehr mag und gerne im Sommerprogramm dabei habe. Das Publikum fragt Titel wie Auf der Vogelwiese oder Von Freund zu Freund nach und freut sich, wenn wir als Musikverein diese Stücke spielen. Ich habe sowieso das Gefühl, dass durch die großen Blasmusikfestivals wie „Woodstock der Blasmusik“ usw. eher junge Musikerinnen und Musiker wieder auf den „Geschmack“ kommen, was die traditionelle Blasmusik angeht.
Trotzdem bin ich auch deutlich für eine Ausgewogenheit des Programms. Bei mir ist das so, dass ich oft nach dem Prinzip „Marsch, Modern, Polka“ verfahre um ein Sommerprogramm zu planen.

Als Unterhaltungstitel haben sich in den letzten Jahren mehrere Stücke aufgetan. Favoriten sind da bei mir unter anderem Hotline von Lex Abel. Ein kurzweiliges Stück im Dixie-Stil, das kommt gut an sowohl am 1. Mai als auch auf jedem beliebigen Heckenfest. Außerdem lege ich gerne das Medley Santiano von Hans-Joachim Rogoll auf. Da sind verschiedene Tempi-Wechsel drin, unterschiedliche Solo-Melodien in den Instrumenten und der Gesamteindruck ist „fetzig“. Außerdem erkennen viele Zuhörerinnen und Zuhörer die einzelnen Lieder und summen bzw. singen mit.
In der Kategorie Marsch habe ich, dank einer Musikerin, den Filmmusiktitel Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten (Arr. Roland Kreid) kennengelernt. Der Marsch ist nicht besonders schwer und bietet vor allem dem Schlagzeug einiges an Showeffekten, was das Ganze sehr unterhaltsam klingen lässt. In einem Musikcamp habe ich einst den Marsch Übere Gotthard flüg d’Brähme von Mario Bürki entdeckt. Das Tempo kann man in diesem Arrangement schön variieren, immer schneller werden, abbremsen usw. Da hält es kaum einen Zuhörer auf der Bierbank/dem Stuhl.
Ein richtiges Pfund ist The Best of Red Hot Chili Peppers von Arrangeur Thomas Asanger. Toll arrangiert, gut ausgewählte Songs der US-Rockband und sehr stimmungsvoll. Für dieses Medley braucht es aber ein starkes und konzentriertes Orchester, was ja gerade im Sommerprogramm oft auch zahlenmäßig nicht gegeben ist. Aber für ein Serenanden- oder Open-Air-Konzert ist der Titel sicher ein Hit.
Ein All-Time-Favorit, den ich schon als Jugendlicher im Musikverein gerne gespielt habe, ist Storie di tutti i giorni (Arr. Andre Waignein). Ich bin sehr froh, dass er auch meinen Musikerinnen und Musikern gefällt, denn der originale Italo-Popsong ansich war gar nicht so erfolgreich und ist nicht so bekannt, wie etwa Felicità und Konsorten. Auch da würde ich das Attribut „fetzig“ einbringen. Jedes Register hat einen anderen wichtigen Teil des Songs und kann an verschiedenen Stellen glänzen. Dazu ist es in einem schnellen Tempo, wird also auch nicht zäh.

Wie überall in der Musik zählt für mich „die Mischung macht’s“ – ein gutes Unterhaltungsprogramm soll dem Orchester Freude bereiten und diese Freude und Euphorie überträgt sich dann auf die Zuhörerinnen und Zuhörer.
David Keck, Dirigent Musikverein Reute

Daniel Peters

Daniel Peters
Daniel Peters

Dirigent des Musikvereins Rentrisch und des Kolpingblasorchesters Kaiserslautern.
Außerdem Dozent für Satz- und Registerproben bei verschiedenen Blasorchestern.

Gedanken zur Unterhaltungsmusik

Das Thema Unterhaltungsmusik wird, zumindest teilweise, sehr angeregt und kontrovers diskutiert. Von dem einen Extrem, dass im Grunde nur volkstümliche Unterhaltungsmusik gespielt werden sollte, bis hin zu den „modernen“ Unterhaltungsprogrammen, die diese Musik spöttisch ablehnen, ist mir (fast) jede Meinung zu diesem Thema schon einmal begegnet.
Ich selbst sehe den Horizont einer Unterhaltungsmappe oder eines Unterhaltungsprogramms ziemlich weit gefasst. Im Grunde könnte man es so zusammenfassen: Alles, was gefällt und die Füße mitwippen lässt, ist erlaubt.
Das beginnt selbstverständlich bei traditioneller Blasmusik, von den in der Überschrift genannten Titel, über „gute“ Märsche zu populären Einzeltiteln oder Medleys. Ich bediene mich auch gerne der Werke, die bspw. bei André Rieu im Programm stehen, da ich denke, dass ein solcher Erfolg mit populären-klassischen Werken durchaus auch seine Berechtigung in einem Unterhaltungsauftritt eines Blasorchesters hat. Ich selbst habe sehr gerne das Stück The Second Waltz in meinem Unterhaltungsprogramm, da diese Melodie dem Zuhörer sicherlich mehr sagt und mehr in Erinnerung bleibt, als der 10te Marsch in einem Programm.
Des Weiteren sind für mich grundsätzlich auch Werke von Disney Filmen oder Musicals gut machbar, auch wenn ich derzeit aus diesem Genre wenig programmiere.
Konkrete Empfehlungen, die sowohl im Orchester, als auch bei der Zuhörerschaft gut ankommen wären: God Save the Queen von Carlos Marques, Tom Jones in Concert von Gilbert Tinner, I`m so excited von Peter Kleines Schaars, Mambo Greats! von Stephen Bulla.
Daniel Peters, Dirigent Musikverein Rentrisch und Kolpingblasorchester Kaiserslautern

Miriam Raspe

Miriam Raspe
Miriam Raspe

Dirigentin der Stadtkapelle Herrenberg, Lehrerin für tiefes Blech an der Musikschule Herrenberg, Dozentin für Blasorchesterleitung an der Musikhochschule in Trossingen

Ich finde, dass ein Unterhaltungsauftritt eine gute Mischung an Stücken beinhalten sollte, wo wirklich für jede Altersklasse und jegliches Klientel etwas dabei ist. Sprich: schöne Konzertmärsche, Medleys von diversen Pop-Künstlern (aktuell und auch etwas älter, z.B. Queen oder Abba), vielleicht das ein oder andere Schlager-Medley, sofern nicht zu verstaubt (z.B. Pur oder Helene Fischer), und außerdem aktuelle Titel von angesagten Brass-Bands wie Viera Blech, Fäaschtbänkler etc. Und ja, auch die Polka-Evergreens wie die Vogelwiese sollten gelegentlich aufs Programm, denn wenn man sie nicht spielt, so wird garantiert irgendwann im Laufe eines Unterhaltungsauftritts aus dem Publikum genau dieser Stückwunsch geäußert.

Tendenziell bemerke ich: je fetziger gerade die modernen Titel sind, desto besser – daher sollte man bei der Auswahl darauf achten, ob die Medleys oder Stücke dazu geeignet sind, Stimmung zu machen. Im Bereich der Pop-Medleys kann ich da sehr das Bon Jovi Rock Mix von Wolfgang Wössner empfehlen, es kommt immer gut an und macht den Musikern wie auch dem Publikum großen Spaß. Von den Fäaschtbänklern ist zur Zeit Partyplanet angesagt, ebenfalls ein toller Stimmungsmacher – bei diesen und anderen Blech-Formationen muss man immer ein wenig ein Auge drauf haben, dass ein einstiger Hit nicht mittlerweile schon wieder kalter Kaffee ist (Beispiel: Can you English please). Was Polkas angeht, so ist mein aktueller Liebling die Salletmayr Polka, die zwar eigenwillige Harmonien enthält, welche aber gerade die außergewöhnliche Klanglichkeit dieser Polka ausmachen. Viel zu viele Märsche und Polkas klingen quasi alle gleich, daher horche ich immer auf, wenn sich mal ein Stück aus diesem Genre klanglich vom Rest abhebt.
Wenn es auch mal etwas gehobenere Unterhaltungsmusik sein darf, warum nicht auch mal Filmmusik – Moment for Morricone zum Beispiel. Auch Solisten-Nummern lockern einen Unterhaltungsauftritt auf und kommen super beim Publikum an, solange es kein zweistimmiger Gesang in einem Polka-Trio ist – das finde ich persönlich extrem kitschig und nicht mehr zeitgemäß.

Bei der Erstellung eines Unterhaltungsprogramms denke ich einerseits an die Musiker – das Programm soll abwechslungsreich sein, sodass z.B. Nachschlagspieler wie Horn und Posaune auf ihre Kosten kommen. Ferner spielen Besetzungskriterien eine Rolle, auch in der Auswahl der Arrangements: ist das Stück auch dann spielbar, wenn wichtige Führungsspieler fehlen oder wenn die Musiker schon einen gewissen Alkoholpegel haben? Ist das Stück mit einem überschaubaren Schlagwerk-Apparat spielbar? Ein Programm darf auch im Ganzen nicht zu anstrengend fürs Blech sein, insbesondere die Trompeten, weil die irgendwann nicht mehr auf die hohen Töne rauf kommen und dann die Fanfaren in den Polkas und Märschen verhauen. Desweiteren stelle ich Überlegungen zur Programmdramaturgie an: ich setze komplexere Stücke eher an den Anfang, Gassenhauer eher an den Schluss des Auftritts. So lässt sich das Publikum allmählich mitreißen. Dabei animiere ich das Publikum sehr gern zum Mitklatschen. Außerdem ist es auch zwecks Publikumswirksamkeit wichtig, dass ein Arrangement nie zu viele dünn besetzte, langsame und/oder leise Passagen enthält, denn das kommt in einem belebten Festzelt akustisch überhaupt nicht durch. Sehr gut eignen sich Arrangements, bei denen die meiste Zeit ein Drumset-Beat durchläuft. 
Miriam Raspe, Stadtkapelle Herrenberg

Ein herzliches Dankeschön an Reinhard Greß, Thomas Joha, David Keck, Daniel Peters und Miriam Raspe für ihre Ausführungen zum Thema vielfältiges Repertoire für das Sommerprogramm und ihre Literaturempfehlungen!

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Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    2 thoughts on “Sommerprogramm: Empfehlungen jenseits vom Böhmischen Traum und der Vogelwiese

    • 25. April 2024 at 17:55
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      Sehr interessante Beiträge. Leider wird bei der Instrumentierung nicht auf die Percussion eingegangen. Hat man einen eingefleischten Polkatrommler am Set, klingen Queen, Beatles und Bon Jovi eher grausam.

      Reply
      • 25. April 2024 at 23:17
        Permalink

        Hallo Rudi, da hast Du wirklich einen Punkt! Umgekehrt gilt das natürlich auch… Viele Grüße, Alexandra

        Reply

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