Komponisten im Gespräch: Andreas Ziegelbäck
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Eine junge Generation Komponisten steht in den Startlöchern, die Konzertprogramme unserer Blasorchestern zu erobern. Einer von ihnen ist der Österreicher Andreas Ziegelbäck, der derzeit (u. a.) Blasorchester-Komposition bei Oliver Waespi an der Hochschule der Künste Bern studiert. Mit ihm habe ich kürzlich ein Interview geführt. Lernt ihn in diesem Interview gerne kennen und hört Euch seine Werke an.
Wie alt warst Du, als Du Deine ersten Versuche im Arrangieren bzw. Komponieren gestartet hast, welches waren Deine allerersten Werke bzw. Komponierversuche und wie bist Du überhaupt zum Komponieren gekommen?
Andreas Ziegelbäck: „Diese Frage fällt mir insofern schwer zu beantworten, als ich mir nicht sicher bin, ab wann genau ich dann tatsächlich auch selbst von musikalischen Werken gesprochen habe und nicht mehr nur von Kompositionsversuchen. Meine Eltern erinnern mich aber das eine oder andere Mal daran, dass ich ungefähr mit 11-12 Jahren nach dem Start meines Klavierunterrichts begonnen habe zusammenhangslos Töne zu spielen und auch niederzuschreiben. Hierbei aber von Komponieren zu sprechen wäre vermessen. Die kognitive Auseinandersetzung mit Musiktheorie und Komposition, und auch der Wille, eigenes musikalisches Material auf Papier zu bringen kam dann erst sehr spät mit Beginn meines Schulmusikstudiums. Ich war ungefähr 18 Jahre alt und war durch den Tonsatzunterricht einfach neugierig auf die verschiedensten musiktheoretischen Bausteine, welche man auch zum Komponieren gebrauchen kann. Aber selbst zu diesem Zeitpunkt war ich von einem kreativen schöpferischen Prozess finde ich noch weit entfernt, da es sich meiner Meinung nach hauptsächlich um musiktheoretische Übungen handelte. Ich befand mich zu diesem Zeitpunkt aber auch im Abschlussjahr der Dirigierausbildung des Landesmusikschulwerks Oberösterreich bei Thomas Doss. Er ermöglichte es mir, als Abschlussarbeit ein Stück für Blasorchester zu schreiben. Das war dann wirklich das erste Mal, dass ich von einer motivischen Idee ausgehend ein ganzes Stück komponiert habe. Auch wenn ich dieses Stück heute niemals jemandem zeigen würde, hat mich ab diesem Zeitpunkt der Eifer völlig gepackt und ich entschloss mich dazu, ein Kompositionsstudium zu forcieren.“
Wie gehst Du an eine neue Komposition heran? Was inspiriert Dich? Wie findest Du den Anfang und die entsprechenden Motive und Themen?
Andreas Ziegelbäck: „Manchmal gibt es den glücklichen Fall, dass mir beispielsweise während des Spazierens, vor dem Einschlafen oder anderen außermusikalischen Tätigkeiten etwas einfällt. Ich habe mir mittlerweile angewöhnt mir diese Melodien auf meinen Handyrekorder zu singen, da ich einfach schon zu oft die Situation hatte, dass kein Klavier und kein Papier in Reichweite war und ich schlichtweg gewisse Einfälle wieder vergessen habe.
Es gibt aber auch die Situation, dass mir keine Idee „zufliegt“ und dann darf man sich nicht vorstellen, dass ich einen Blick in die Natur werfe und auf einmal fällt mir wieder etwas ein. Diesen Prozess muss ich hier leider etwas entromantisieren, zumindest was mich betrifft. Ich setze mich dann ans Klavier und suche nach Motiven, Themen oder auch mehrtaktigen Melodien. Manchmal singe ich auch vor mich hin und sobald mir etwas Interessantes im Ohr bleibt, schreibe ich mal ein paar Noten nieder. Dieser Prozess beansprucht sehr viel Zeit, da ich dieses Material dann täglich wieder aufnehme und neu bewerte. Es passiert dann schonmal, dass ich tagelang an einer Melodie arbeite, diese ausharmonisiere und auch zum Teil schon fortspinne zu kleineren Stückabschnitten, nur um dann irgendwann zu bemerken, dass das Thema einfach nicht stark genug ist, um für ein ganzes Stück zu taugen. Ich fange also prinzipiell beim Komponieren nicht einfach am Beginn eines Stückes an, sondern arbeite zuerst sehr lange am Thema. Zusätzlich überlege ich mir vorher schon, wie lang das Stück werden soll und wie viele Formteile vorkommen sollen. Man kann also sagen Inspirationsquelle ist die Musik oder die Töne selbst, wobei ich aber immer auch schon die Auseinandersetzung mit bereits bestehenden Melodien in einem völlig neuen Kontext spannend gefunden habe (z.B.: Volkslieder oder Hymnen als thematische Grundlage für ein Stück).“
Hast Du Vorbilder und wenn ja, warum sind dies Deine Vorbilder? Wie beeinflussen diese Vorbilder Dein musikalisches Schaffen? Welches Werk / welche Werke der Musikgeschichte halten Sie für besonders gelungen und warum?
Andreas Ziegelbäck: „Ja, ich habe sehr viele Vorbilder, aber eigentlich nicht im Sinne von, dass ich einmal genau so komponieren möchte wie diese, sondern dass ich deren Kompositionen einfach wahnsinnig spannend finde. Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Richard Strauss und Igor Stravinsky sind für mich ein paar der spannendsten Komponisten, wobei es in der klassischen Musikgeschichte so viele zu nennen gäbe, dass diese Auswahl vermutlich nur eine Momentaufnahme ist. Und dabei denke ich noch gar nicht an die großen Jazz-, Funk- und Rockmusiker:innen des 20. Jahrhunderts. Was bei mir aber zu jeder Tages- und Nachtzeit geht, sind mit Sicherheit die Klaviersonaten von Beethoven.
Im Bereich der Bläsermusik habe ich das Glück, dass ich von zwei großen Vorbildern von mir unterrichtet wurde, beziehungsweise noch werde. Schon als jugendlicher Musiker im Blasorchester und später als Dirigent hat mich die Musik von Thomas Doss und Oliver Waespi stets begeistert, was auch dazu führte, dass ich die Dirigierausbildung bei Thomas Doss begonnen habe. Nach meinem Kompositionsstudium in Salzburg hatte ich dann noch das Ziel, mich auch in Sachen Blasorchester- und Brass Band Komposition weiter zu vertiefen. Seit Herbst 2023 mache ich das auch an der Hochschule der Künste Bern, wo ich unter anderem bei Oliver Waespi Kompositionsunterricht bekomme. Man kann also schon durchaus sagen, dass meine beiden Idole im Bläserbereich mein Schaffen beeinflussen – ganz einfach aus der Tatsache heraus, dass ich von beiden unterrichtet wurde/werde.“
Was ist Dir beim Schreiben einer Komposition besonders wichtig?
Andreas Ziegelbäck: „Ich achte beim Komponieren immer sehr darauf, dass die Musik für die Ausführenden, als auch für das Publikum interessant ist. Gerade im Amateurbereich der Blasmusik ist es oft so, dass vor Auftritten sehr viel geprobt wird, was grundsätzlich ein Vorteil ist. Das Stück sollte aber dann eben auch für alle, die in einer Probe mitwirken, interessant und spannend sein, damit diese Probenzeit nicht langweilig wird. Insbesondere bei der Instrumentation versuche ich daher, die unterschiedlichen Register so einzusetzen, dass die Musiker und Musikerinnen auch das Gefühl haben, etwas zum Funktionieren und zum Gesamtklang des Stückes beizutragen. Das ist natürlich nicht immer ganz einfach, aber es ist auf alle Fälle ein Ideal, dass ich stets zu erreichen versuche. Es gibt insbesondere im Bereich Blasorchester leider auch viele Stücke, wo man bei manchen Instrumenten das Gefühl hat, diese spielen nur als eine Art „Beschäftigungstherapie“ an vielen Stellen mit. Dieses Phänomen versuche ich tunlichst zu vermeiden. Ich finde jeder Musiker und jede Musikerin sollte sich als wichtigen Teil des Orchesters wahrnehmen. Wenn es mir dann noch gelingt, dass auch das Publikum von einer Komposition berührt wird – auf welche Weise auch immer – dann ist das schon auch als Komponist zufriedenstellend. Am schlimmsten finde ich es, wenn das Publikum gleichgültig reagiert beziehungsweise es spricht dann auch nicht für die Komposition, wenn man die Zuhörenden nach beispielsweise fünf Minuten Musik „verliert“. Diese Symbiose sozusagen, ist mir beim Schreiben eines neuen Werks immer wichtig.“
Warum schreibst Du Kompositionen für Blasorchester? Was sind für Dich die großen Unterschiede beim Schreiben einer Komposition für Blasorchester im Gegensatz zu anderen Ensemblearten?
Andreas Ziegelbäck: „Wahrscheinlich, weil ich seit meiner Kindheit Blasmusik höre und erlebe. Ich wurde mit der Blasmusik sozialisiert und habe selbst auch lange in einem sinfonischen Blasorchester musiziert. Ich habe mittlerweile zwar die Seiten gewechselt, wenn man so sagen will, aber was nach wie vor ungebrochen ist, ist die Begeisterung für den Klang des großen Blasorchesters. Später kam dann auch noch die Faszination Brass Band hinzu. Zwischen diesen beiden Besetzungsformen liegt für mich der Hauptunterschied in den Klangfarben und Timbres der verschiedenen Instrumente. In der Brass Band sind sich die verschiedenen Instrumentengruppen viel ähnlicher, was für mich als Komponist bedeutet, dass ich beispielsweise Transparenz durch eine andere Art des Schreibens herstellen muss.
Wenn ich Stücke für kleinere Ensembles schreibe, so ist der Hauptunterschied, dass ich mich schneller in der Instrumentation wiederfinde, da ich meistens schon beim ersten Einfall ganz genau weiß, für welche Stimme, welche Passagen vorgesehen sind. Beim Schreiben für Streichinstrumente gilt es dann natürlich wieder andere (griff-)technische Voraussetzungen zu beachten und vor allem andere Achtsamkeiten hinsichtlich der Balance.“
Welchen Stellenwert hat die Blasmusik in Deinem Leben?
Andreas Ziegelbäck: „Diese Frage ist leicht zu beantworten: Einen extrem hohen Stellenwert. Ich kann mir ein Leben ohne Komponieren für Blasorchester oder Brass Band nicht mehr vorstellen. Ich kann hier voll und ganz meine Passion ausleben und denke auch, dass ich in diesem stilistisch umfangreichen Feld noch etwas Neues bieten kann neben den etablierten Werken.“
Auftragskompositionen bringen Einschränkungen im Schwierigkeitsgrad, in der Besetzung und in der Länge mit sich. Wie gehst Du damit um? Wie wirst Du dem Auftraggeber gerecht und bleibst doch Du selbst in der Komposition?
Andreas Ziegelbäck: „Den Umgang mit diesen Einschränkungen finde ich leicht, um nicht zu sagen sogar angenehm. Oft ist es schwieriger für mich ein Stück völlig frei von allen Vorgaben zu schreiben, weil die Möglichkeiten einfach unendlich sind, und brauchbare Musik in dieser Unendlichkeit zu finden ist meiner Meinung nach die viel schwierigere Aufgabe. Wenn ich Vorgaben hinsichtlich der Besetzung oder des Schwierigkeitsgrades habe, so eliminieren sich zwar Möglichkeiten von selbst, was schade sein kann, aber es schafft gleichzeitig auch Ordnung für das eigene Tun. Ich kenne viele Kollegen und Kolleginnen, die das anders sehen, aber ich habe damit seit längerer Zeit eigentlich keine Probleme mehr.
Ich war bisher eigentlich noch nie in der Situation, dass ich stilistisch irgendwelche Einschränkungen von Auftraggebern bekommen habe, was vielleicht auch daran liegen mag, dass die wenigen Auftragswerke, die ich bisher geschrieben habe, immer von Dirigenten kamen, die mich kannten und die ich kannte. Bei diesen Werken war ich bis auf die Vorgabe des Schwierigkeitsgrades und der Länge bisher immer relativ frei. Ich hatte zwar einmal den Auftrag eine Fanfare zu komponieren, jedoch konnte ich selbst innerhalb dieser Vorgabe stilistisch tun, was ich wollte.“
Welches Deiner Werke hat für Dich persönlich die größte Bedeutung und warum?
Andreas Ziegelbäck: „Ich durfte im Jahr 2022 ein Wettbewerbsstück (Grad 5.5) für den Musikverein Steinerkirchen (Oberösterreich), in dem ich aufgewachsen bin, schreiben. Ich hatte hier die Möglichkeit meine Wertschätzung gegenüber vielen Personen, die mich auf meinem musikalischen Weg von Beginn an begleitet haben, musikalisch auszudrücken. Dieses Stück mit dem Titel Phenomenon wurde vom Musikverein Steinerkirchen dann beim Landeswettbewerb der Stufe E in Oberösterreich mit einem beachtlichen Erfolg aufgeführt. Ich durfte in diesem Prozess auch die Proben begleiten und es war einfach ein wahnsinnig schönes Gefühl, meine besten Freunde und Freundinnen gemeinsam am Stück arbeiten zu sehen. Das Beste daran war aber, dass das Orchester Phenomenon auch gern gespielt hat und ich den ein oder anderen beim Pfeifen der verschiedenen Themen nach der Probe ertappt habe. Das hat mich schon zum Grinsen gebracht. Nach der Aufführung beim Wettbewerb war einer meiner besten Freunde sogar den Tränen nah. Das berührt mich als Komponist sehr, wenn ich merke, welchen „Impact“ meine Musik auf andere Personen hat. Das Stück wird glücklicherweise auch demnächst veröffentlicht und so einem breiteren Publikum zugänglich.“
Welches war Dein erstes erfolgreiches Werk? Welche Deiner Werke sind bisher am erfolgreichsten und wie erklärst Du Dir deren Erfolg?
Andreas Ziegelbäck: „Über den Erfolg meiner Stücke zu sprechen, fällt mir bis dato noch schwer, da ich es selbst eigentlich noch nicht so empfinde, dass ich erfolgreich bin, oder anders gesagt: Ich bin noch nicht dort, wo ich mal hinmöchte, falls man dort überhaupt jemals ankommt. Ich habe aber schon das Gefühl, dass die Richtung mal stimmt. Dennoch gibt es ein Werk, welches mir durchaus ein paar neue Türen eröffnet hat. Das Stück Bleak Forest würde ich daher als mein bisher erfolgreichstes Werk bezeichnen. Mit diesem leichteren Werk für kleiner besetzte Blasorchester, habe ich in Belgien den Kompositionswettbewerb der „VLAMO“ 2022 gewonnen, was dazu führte, dass ich erstmals auch eine Aufführung außerhalb Österreichs hatte. Außerdem bekam ich dann auch eine Anfrage, von einer Fanfare Band, für die ich dieses Stück umschreiben sollte. Dieses Stück war also mein erstes, welches auch international auf sich aufmerksam machte und auch mein erstes Werk, welches durch den Verlag „Symphonic Dimensions Publishing“ veröffentlicht wurde, was ich persönlich als sehr großen Erfolg ansehe.“
Über welches Thema würdest Du nie eine Komposition schreiben wollen und warum nicht?
Andreas Ziegelbäck: „Ein konkretes Thema, welches ich musikalisch nie behandeln würde, kommt mir jetzt nicht in den Sinn, da ich denke, Kunst kann sich mit allem auseinandersetzen. Ich versuche aber Themen zu vermeiden, die man politisch vereinnahmen könnte. Nicht weil ich selbst keine politische Meinung hätte, sondern weil es mir aus der Beschäftigung mit der Geschichte heraus Unbehagen bereitet, dass meine Musik vielleicht irgendwann mal, von welcher politischen Couleur auch immer, instrumentalisiert werden könnte. Das bedeutet aber nicht, dass ich mich mit ernsten Themen in meiner Musik nicht auseinanderzusetzen möchte – ganz im Gegenteil – es zieht mich zu diesen Sujets sogar mehr hin. Gesellschaftliche, globale und auch persönliche Krisenzustände nehme ich sehr gerne als Ausgangspunkt für meine Kompositionen, vielleicht auch als eine Art Ventil, um damit umzugehen.“
Komponieren versus Arrangieren: wo liegen in der Tätigkeit die Gemeinsamkeiten und wo die größten Unterschiede? In welchem Bereich liegen Deine Vorlieben?
Andreas Ziegelbäck: „Das Instrumentieren und das vom (Blas-)Orchester ausgehende Denken ist mit Sicherheit eine Gemeinsamkeit. Ich habe zum Jahreswechsel die Quadrille von Anton Bruckner für Blasorchester arrangiert und gemerkt, dass natürlich ein erheblicher Teil, nämlich das „Erfinden“ von eigener Musik wegfällt. Die handwerklichen Herausforderungen hinsichtlich Instrumentation bleiben aber dieselben beziehungsweise sind sie bei einer klassischen Transkription vielleicht noch größer, weil das Blasorchester nicht die Besetzung ist, für die der Komponist gedacht hat. Bei der Quadrille ging es außerdem noch darum, die Artikulation von einem Klavierstück (sehr wenige Artikulationsangaben) adaptiert auf das Blasorchester zu übertragen, wo wir meistens mehr Anweisungen bezüglich Artikulation brauchen.
Das Arrangieren ist für mich aber die weniger nervenaufreibende Arbeit. Das mag einerseits daran liegen, dass einfach der kreativste Prozess wegfällt, andererseits weil man vielleicht weniger persönliche Bindung zum Notenmaterial hat als bei eigenen Stücken. Das Arrangieren macht mir auf jeden Fall Spaß, aber es kommt für mich darauf an welche Musik ich arrangiere. Außerdem wäre es für mich niemals ein Ersatz fürs Komponieren.“
Außerhalb Deiner Kompositionen: welchen musikalischen und welchen außermusikalischen Tätigkeiten gehst oder gingst Du in Deinem Berufsleben nach? Und außerhalb der Musik: wie gestaltest Du am liebsten Deine Freizeit?
Andreas Ziegelbäck: „Bevor ich mein Direktionsstudium in Bern begonnen habe, habe ich Musikerziehung an einem Gymnasium in Oberösterreich unterrichtet. Zurzeit bin ich aber wieder voll und ganz Musikstudent. Meine zweite große musikalische Leidenschaft ist das Dirigieren. Die Abwechslung zwischen Dirigieren, Komponieren und Unterrichten ist etwas, was ich auch in Zukunft beibehalten möchte.
Außerhalb der Musik halten sich meine Interessen in Grenzen, ich habe aber vor Kurzem wieder das Lesen für mich entdeckt, aus dem banalen Grund heraus, dass ich abends weniger vor dem Computer oder Handy sitzen möchte. Außerdem verbringe ich gerne Zeit mit meinem engsten Freundeskreis und da ich selbst ein schlechter Koch bin, liebe ich es mit ihnen gemeinsam gut essen zu gehen.“
Was macht Dich in Deinem Leben besonders glücklich und zufrieden?
Andreas Ziegelbäck: „Die Tatsache, dass meine Familie wertschätzt und unterstützt, welchen Weg ich eingeschlagen habe und mir auch ermöglicht hat, diesen Weg überhaupt erst zu gehen.“
Was liebst Du an der Blasorchesterszene und was würdest Du gerne verändern, wenn Du für einen Tag das Sagen hättest? Wie siehst Du die Zukunft der Blasorchester und Musikvereine?
Andreas Ziegelbäck: „An der Blasorchesterszene liebe ich, dass alle Musiker und Musikerinnen mit viel Liebe zur Sache dabei sind. Es handelt sich meistens um Amateure, die aufgrund intrinsischer Motivation musizieren wollen, aber selbst professionell ausgebildete Musiker und Musikerinnen verlieren zum Blasorchester, wenn sie denn aus dieser Szene kommen, fast nie den Kontakt. Mehr noch: Es kommt nicht selten vor, dass sich Blasorchester formieren, in denen Profis unentgeltlich gemeinsam musizieren. Ohne es belegen zu können, aber ich glaube nicht, dass das in anderen Musiksparten auch in dieser ausgeprägten Form stattfindet.
Ich fände es gut, und es würde mittlerweile auch dem künstlerischen Anspruch der Bläsermusik gerecht werden, wenn Blasmusikdirektion und Blasmusikkomposition in Österreich, aber vermutlich auch in ganz Europa, universitär intensiver angeboten würde. Die Blasmusik ist vielleicht nach wie vor eine Nische, aber eine ziemlich große nach meinem Dafürhalten.
Außerdem fände ich es förderlich, wenn sich Verbände oder auch Musikvereine selbst noch intensiver bemühen, den Austausch zwischen Komponist:innen, Dirigent:innen und Musiker:innen zu intensivieren. Ich weiß, dass das vor allem über die Verbände schon oft passiert, aber die Musikvereine dürfen sich gerne an Komponisten und Komponistinnen persönlich wenden, wenn sie Informationen, Tipps oder einfach nur eine Einführung zu Stücken brauchen. Ich glaube, das ist einerseits spannend und würde auch den Mut der Musikvereine, erhöhen, sich an neuere Kompositionen oder gar Uraufführungen heranzuwagen. Es gibt schon viele Dirigenten und Dirigentinnen, die das aktiv forcieren, aber ich halte es für eine große Stärke der Blasmusikszene, dass noch so viel neue Literatur entsteht und das sollte meines Erachtens auch so bleiben. Ich habe den Eindruck im professionell-klassischen Bereich ist das viel weniger der Fall. Alles in allem glaube ich, dass das Niveau der Blasorchester ohnehin stetig steigt, aber würde man aufhören darüber nachzudenken, was man da oder dort noch besser machen kann, würde das ja Stagnation oder gar einen Rückschritt bedeuten.
Musikvereine mit klaren musikalischen Zielen werden mit Sicherheit auch in Zukunft Bestand haben. Schwierig wird es für jene, die kein attraktives Angebot mehr bieten können neben den vielen anderen Vereinsangeboten. Aber ich bin kein Prophet – ich kann mich irren und sollte das der Fall sein, dann ist es auch gut so. Positiv für die Zukunft stimmt mich vor allem, dass nach wie vor viele Kinder in die Blasmusik kommen und es vielen Formationen gelingt ihr „Standing“ auch gesellschaftlich beziehungsweise kulturell aufzuwerten. Viele Blasorchester und Brass Bands spielen in Konzertsälen die vor Jahrzehnten noch den professionellen Sinfonieorchestern vorbehalten waren. Das ist für mich schon ein Indiz dafür, dass Blasmusik auch Hochkultur kann.“
„Denn wenn es Kunst ist, ist sie nicht für alle, und wenn sie für alle ist, ist sie keine Kunst“: Wie stehst Du zu diesem Zitat von Arnold Schönberg?
Andreas Ziegelbäck: „Ich frage mich, wen Schönberg mit „alle“ meint. Alle Menschen generell, oder nur alle Menschen im Konzertsaal oder in einer Ausstellung? Man ist glaube ich ja grundsätzlich im „Kunstbetrieb“ tätig, weil man andere Menschen, auf welche Art auch immer, erreichen möchte. Muss das immer allen gefallen? Ich glaube nicht. Ist es künstlerisch unmoralisch, wenn man möglichst vielen gefallen will? Das glaube ich auch nicht. Schönberg hat vielleicht insofern recht, als Kunst auch etwas wagen sollte und man nicht beginnen sollte den Kitsch vorzuziehen, nur weil es beim Publikum besser ankommt. Außer natürlich, man möchte eben jenen Kitsch. Die Diskrepanz zwischen dem, was man selbst will und der Resonanz wie das aufgenommen wird, muss man aber (immer wieder von neuem) aushalten lernen.“
Vor welchen Schwierigkeiten und Herausforderungen stehst Du momentan als junger Komponist?
Andreas Ziegelbäck: “Ich befinde mich noch in einem Stadion als Komponist, wo ich noch sehr viel lernen möchte. Das ist auch der Grund, warum ich nach meinem Kompositionsstudium in Salzburg nochmals Unterricht an einer anderen Hochschule besuche. Das hat den Vorteil, dass ich mich künstlerisch noch nicht in einem bestimmten stilistischen Bereich festgelegt sehe. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass man noch nicht genau weiß, was einen erwartet, wenn man meinen Namen unter einem Stück liest auf dem Programm. Ich möchte nicht sagen, dass das Unsicherheit schafft, aber man ist im ersten Moment vielleicht etwas vorsichtiger als bei den etablierten Namen in der Blasorchesterszene. Die Herausforderung für mich besteht also zurzeit vor allem darin mit guten Stücken, meine stilistischen Möglichkeiten und meine Vielfalt zu zeigen und somit durch eifriges Arbeiten an meinen Kompositionen auf den Programmen der Musikvereine zu landen. Einer meiner Instrumentationslehrer in Salzburg verwendete immer gerne den Begriff „urabgeführt“ für Werke, die das erste Mal gespielt worden sind. Ich will nicht sagen, dass er mit dieser überspitzten Formulierung recht hat, aber es trifft die Situation von mir als junger Komponist ganz gut: Ich habe zwar schon einige, durchaus erfolgreiche, Uraufführungen gehabt, aber dass ein Stück öfter auf den Programmen von verschiedensten Musikvereinen landet, kam bisher noch nicht so oft vor. Diese Herausforderung versuche ich gerade zu bewältigen, natürlich neben dem Schreiben neuer Stücke, bei denen ich immer wieder versuche, mich bis zu einem gewissen Grad neu zu erfinden, was natürlich eine weitere Herausforderung ist. Aber zweiteres ist meines Erachtens ja auch das schöne am kreativen Prozess des Komponierens.”
Was wünscht Du Dir als junger Komponist von den Dirigent:innen und Blasorchestern einerseits und von den Verlagen und Noten-Vertrieben andererseits?
Andreas Ziegelbäck: “Einerseits wünsche ich mir von Dirigent:innen natürlich die Offenheit, sich meine Stücke zumindest einmal anzusehen und zu überlegen, ob man das mit den jeweiligen Musikvereinen nicht spielen könnte. Die Literaturauswahl ist aber deren Aufgabe und ich möchte mir nicht anmaßen, irgendjemanden vorzuschreiben, dass ich unbedingt gespielt werden muss. Andererseits wünsche ich mir etwas, was sich vermutlich jeder Komponist und jede Komponistin wünscht, nämlich einen gewissenhaften Umgang in der Erarbeitung eines Stückes. Es gibt natürlich die persönlichen Interpretationen der musikalischen Leiter und Leiterinnen. Das ist gut und richtig, und macht die unterschiedlichen Aufführungen ja auch zu etwas Besonderem. Ich bin aber etwas allergisch, unabhängig davon, ob es eines meiner Werke betrifft oder andere, wenn willkürlich Parameter, welche eigentlich in der Partitur festgelegt sind, verändert werden. Ich kann da auch gerne ein Beispiel nennen: Ich notiere in meinen Stücken die Tempi meistens (!) mit einer „zirka“-Angabe, was den Dirigent:innen eine gewisse Freiheit zur persönlichen Gestaltung geben soll. Eine nuancierte Schwankungsbreite ist also erlaubt, jedoch sollte man dabei Fingerspitzengefühl walten lassen und nicht auf einmal beginnen die Tempi grundlegend zu ändern.
Von den Verlagen wünsche ich mir eigentlich dasselbe: Offenheit gegenüber Neuem. In der Musikgeschichte wurde stets nach dem „frischen“ Ton gesucht und diese Entwicklung macht auch jeder Komponist und jede Komponistin auf das persönliche Schaffen bezogen auch durch, diese Suche nach dem „frischen“ Ton. Zumindest ist das bei mir der Fall. Daher wünsche ich mir auch, dass man solchen Entwicklungen offen gegenübersteht. Das schafft Vielfalt und diese Vielfalt zeichnet unsere Blasmusikszene aus. Es sei aber an dieser Stelle auch erwähnt, dass ich mit meinen Verlegern bisher sehr gute Erfahrungen diesbezüglich gemacht habe.
In puncto Noten-Vertriebe habe ich schon oft darüber nachgedacht, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, junge Komponist:innen präsenter zu platzieren oder eigene Suchfunktionen dafür einzuführen, komme aber am Schluss meiner Überlegungen immer wieder zur selben Conclusio: Ich möchte nicht, dass man mich aufgrund meines Alters spielt, sondern aufgrund der Qualität meiner Stücke. Ich weiß also gar nicht, was die Noten-Vertriebe anders machen könnten, außer dass sie Neuerscheinungen anwerben, was ohnehin bei sehr vielen bereits gemacht wird.”
Welche Rolle könnten Blasmusikverbände in der Unterstützung von jungen Komponisten spielen?
Andreas Ziegelbäck: “Sie können eine große Rolle spielen. Ich selbst habe durch die Bläserakademie Oberösterreich bereits an einem Kompositionsworkshop mit Thomas Doss teilnehmen können, was sehr lehrreich war. Solche Workshops, Kurse oder Angebote könnten viel öfter stattfinden. Außerdem erreichen die Verbände mehr Personen und Musikvereine als Einzelpersonen. Sie haben also auch die Möglichkeit jungen Komponist:innen eine Plattform oder Veranstaltung zu bieten, wo sie ihre Werke vorstellen können. Das findet zum Teil auch statt, aber ähnlich wie bei den Workshops, kann es von solchen Veranstaltungen ruhig mehr geben. Ich zumindest finde so etwas immer wahnsinnig spannend.”
Warum, denkst Du, können sich gerade Deine Werke am Markt durchsetzen? Was zeichnet Deine Werke aus?
Andreas Ziegelbäck: “Ich glaube, dass ich durch meine Vergangenheit im Blasorchester, durch meine Studien und durch meine zahlreichen Lehrer schon sehr gut einschätzen kann, was im Zusammenspiel gut funktioniert und was nicht. Ich wage auch zu behaupten, dass ich über die einzelnen Instrumente viel weiß, da ich mich immer sehr gerne mit Instrumentalist:innen über die Möglichkeiten auf ihrem Instrument unterhalten habe. Durch meine Dirigiertätigkeit achte ich beim Komponieren von Stücken aber auch darauf, dass das Stück interessant zu proben und zu leiten ist. Ich bemühe mich sehr, dass die Abläufe in meinen Stücken für die Dirigent:innen logisch sind, wenngleich es natürlich auch hier unterschiedliche Schwierigkeitsgrade hinsichtlich der Komplexität von formalen Strukturen gibt. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass ich in musikalischer Hinsicht noch etwas Neues zu sagen und zu bieten habe.
Ob sich meine Werke am vielfältigen Blasmusikmarkt schließlich durchsetzen können oder nicht, kann ich ehrlicherweise gar nicht sagen. Ich versuche auf alle Fälle mit viel Ehrgeiz immer „besser“ zu werden, kreativ zu bleiben und meine Kompositionen weiterzuentwickeln. Ob mein Stil, wie auch immer der sein mag, dann auch angenommen wird von den Blasorchestern und vom Publikum kann ich mir zwar wünschen, aber nicht erzwingen.”
Wie schätzt Du die Zukunft für gedruckte Blasorchesternoten ein? Welche Chancen und welche Risiken birgt die zunehmende Digitalisierung?
Andreas Ziegelbäck: “Ich bin vermutlich die falsche Person, der man eine solche Frage stellt. Ich liebe gedruckte Partituren, ganz einfach, weil ich Noten auch haptisch „begreifen“ möchte. Ich möchte Einzeichnungen machen und blättern können. Sobald mir ein Stück gefällt oder interessant vorkommt, kaufe ich mir die Partitur, weil ich darin regelrecht stöbern möchte. Das ist auf einem Computerbildschirm oder einem Tablet finde ich nicht dasselbe. Von daher hoffe ich, dass sich gedruckte Blasorchesternoten noch halten werden. Ich gehe aber stark davon aus, dass es nicht mehr lange dauern wird, und die gedruckten Noten sind passé. Ich bin in puncto digitales Notenmaterial wirklich nicht auf dem neuesten Stand, aber die offensichtlichste Gefahr ist, dass Noten gescannt und breitenwirksam verschickt oder im schlimmsten Fall sogar verkauft werden, ohne dabei Rücksicht auf die Urheberrechte zu nehmen. In Zukunft wird es wahrscheinlich aber auch Möglichkeiten geben, Noten digital zu „markieren“ und so den Zugang zum Material auf jene zu beschränken, die sich diese auch auf legale Weise erworben haben. Und wer weiß, vielleicht lässt sich so auch das illegale Kopieren und Weitergeben eindämmen. Es gibt also mit Sicherheit Chancen und Risiken, was aber auch auf Noten in gedruckter Form zutrifft. Am Ende bleibt mir aber wahrscheinlich nichts anderes übrig, solchen Entwicklungen offen gegenüberzustehen und mit ihnen umgehen zu lernen. Bis dahin werde ich mir aber noch viele gedruckte Partituren anschaffen.”
Die veröffentlichten Werke für Blasorchester von Andreas Ziegelbäck
Bleak Forest
Jetstream
Golden Fairytales
Young Symphonics
Festive Opening
Phenomenon
Vita Andreas Ziegelbäck
Andreas Ziegelbäck wurde 1997 in Wels (Oberösterreich) geboren. Er besuchte in seiner Jugend den Instrumentalzweig des Adalbert Stifter Gymnasiums in Linz. Nach der Matura studierte er an der Universität Mozarteum Salzburg Musikerziehung und an der Paris Lodron Universität Geschichte. Neben dem Studium absolvierte er eine vierjährige Ausbildung im Fach Dirigieren/ Ensembleleitung beim Dirigenten und Komponisten Thomas Doss, welche er 2018 abschloss. Doss war es auch, der das Interesse am Komponieren weckte. Es folgte ein Studium in Komposition bei Johannes Maria Staud an der Universität Mozarteum Salzburg, welches 2021 abgeschlossen wurde. 2020 war er Teilnehmer einer Masterclass für Brass Band Komposition bei Oliver Waespi in Bern mit anschließender Uraufführung durch die Swiss Army Brass Band. 2022 gewann er mit seinem Stück „Bleak Forest“ (Grad 2,5) den Kompositionswettbewerb der VLAMO in Belgien. Der Fokus der kompositorischen Arbeit liegt auf Werken für Blasorchester, Brass Band und Fanfare Band, wobei auch Ensembleliteratur einen hohen Stellenwert im Schaffen von Andreas Ziegelbäck hat. Seit seinem 20. Lebensjahr ist er auch als Dirigent bei verschiedensten Blas- und Streichorchestern tätig. Seit September 2023 studiert er Blasmusikdirektion mit dem Schwerpunkt Komposition an der Hochschule der Künste Bern bei Rolf Schumacher, Phillipe Bach und Oliver Waespi. Seine Werke sind seit 2023 im Verlag Symphonic Dimensions Publishing (vertrieben von Hal Leonard) erhältlich.