Komponisten im Gespräch: Derek Bourgeois

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Das folgende Interview mag Euch wie „aus dem Off“ vorkommen… Aber kürzlich habe ich mich daran erinnert, dass ich mit dem englischen Komponisten Derek Bourgeois (*1941 †2017) im Jahr 2015 ein Interview geführt habe. Das Interview habe ich nun übersetzt. Es ist das erste einer Reihe von Interviews mit jeweils den gleichen Fragen, die ich vor einiger Zeit mit Komponisten geführt habe und die ich nun nach und nach veröffentliche.

Derek schrieb mir zu den Antworten:

Liebe Alexandra,

ich war in den letzten drei Monaten sehr krank, also verlange bitte nicht zu viel, denn nach einer großen Operation im Oktober wegen eines geplatzten Dickdarms kann ich gerade erst wieder gehen.
Ich füge die beiden einzigen Bilder bei, die ich von mir habe.

Ich füge auch einen Scan im PDF-Format der ersten Seite meines Manuskriptbuchs bei. Ich habe es im Alter von 5 Jahren begonnen. Es ist kompletter musikalischer Unsinn, aber es zeigt Begeisterung. Es dauerte weitere 8 Jahre, bis ich richtigen Unterricht in Harmonielehre und Kontrapunkt erhielt.

Alles Gute,
Derek

Handschrift Derek Bourgeois: First composition MS book aged 5
Handschrift Derek Bourgeois: First composition MS book aged 5

Interview Derek Bourgeois

Wie alt warst du, als du deine ersten Versuche im Arrangieren und Komponieren unternommen hast, was waren deine ersten Werke oder Kompositionsversuche und wie bist du überhaupt zum Komponieren gekommen?

Derek Bourgeois: “Als ich fünf Jahre alt war, schickten mich meine Eltern zu einer örtlichen Klavierlehrerin, damit ich spielen lerne.  Das erste Stück, das sie mir gab, war von Mozart komponiert worden, als er fünf Jahre alt war. Ich ging nach Hause und beschwerte mich, dass ich fünf Jahre alt war und noch nichts geschrieben hatte, also ging meine Mutter los und kaufte ein Manuskriptbuch, das ich bald mit Stücken füllte, die keine wirkliche Struktur oder Kenntnis von Harmonie hatten, aber ich habe es bis heute aufbewahrt, und es macht mir Spaß, es anzuschauen.”

Wie beginnst Du eine neue Komposition? Was inspiriert Dich? Wie findest Du den Anfang und die verschiedenen Motive und Themen?

Derek Bourgeois: “So etwas wie Inspiration gibt es für mich nicht. Ich setze mich einfach hin, schreibe ein paar Takte und sehe, wohin mich die Reise führt.”

Hast Du Vorbilder und wenn ja, warum sind das Ihre Vorbilder? Wie beeinflussen diese Vorbilder Deine musikalische Arbeit? Welche(s) Werk(e) der Musikgeschichte hältst Du für besonders gelungen und warum?

Derek Bourgeois: “Die Komponisten, die mich am meisten beeinflusst haben, sind (in keiner bestimmten Reihenfolge) Sibelius, Richard Strauss, Elgar, Walton, Ravel, Vaughan Williams und Schostakowitsch. Meine Musik ist sehr eklektisch.”

Was ist für Dich wichtig, wenn Du ein Werk schreibst?

Derek Bourgeois: “Dass es fertig wird!”

Warum schreibst Du Kompositionen für Blasorchester? Was sind die Unterschiede zwischen dem Schreiben einer Komposition für Blasorchester und dem Schreiben für andere Ensemblearten?

Derek Bourgeois: “Ich schreibe für Blasorchester (und Brass Bands), weil die Musik gespielt wird. Meine Hauptliebe gilt dem Schreiben für Orchester, aber leider habe ich immer noch 107 unaufgeführte Sinfonien.”

Wie wichtig ist Blasmusik in deinem Leben?

Derek Bourgeois: “Sie ist insofern wichtig, als dass sie immer aufgeführt wird.”

Auftragskompositionen bringen Einschränkungen im Schwierigkeitsgrad, in der Besetzung und in der Länge mit sich. Wie gehen Sie damit um? Wie werden Sie ihrem Auftraggeber gerecht und bleiben doch Sie selbst in der Komposition?

Derek Bourgeois: “Ich liebe es, mit bestimmten Einschränkungen und Begrenzungen zu schreiben. Das macht das Komponieren sehr viel einfacher.”

Welches Deiner Werke ist Dir aus persönlicher Sicht am wichtigsten und warum?

Derek Bourgeois: “Meine zweiundvierzigste Sinfonie trägt den Untertitel “Das Leben, das Universum und alles”.

Wenn sie ohne Pause gespielt wird, dauert sie 155 Minuten, aber sie besteht aus drei Teilen, zwischen denen jeweils eine Pause vorgesehen ist. Sie ist für SATB-Solisten, Chor und großes (Sinfonie-)Orchester geschrieben.

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sie jemals aufgeführt wird.”

Welches war Dein erstes erfolgreiches Werk? Welches Deiner Werke sind die erfolgreichsten und wie erklärst Du Dir deren Erfolg?

Derek Bourgeois: “Meine erste Symphonie wurde aufgeführt, als ich noch Student an der Universität Cambridge war. Sie wurde danach mehrmals aufgeführt und von der BBC gesendet.  Meine sechste Sinfonie war ebenso erfolgreich.

Alle meine ersten 6 Sinfonien wurden gesendet, die siebte wurde zweimal aufgeführt, aber danach gab es keine weiteren Aufführungen der übrigen 107 Sinfonien!”

Zu welchem Thema würdest Du niemals eine Komposition schreiben und warum nicht?

Derek Bourgeois: “Ich habe keine Beschränkungen. Wenn jemand es will, werde ich es schreiben.”

Komponieren versus Arrangieren: Wo liegen die Gemeinsamkeiten und die größten Unterschiede zwischen diesen Tätigkeiten? Was gefällt Dir am besten?

Derek Bourgeois: “Komponieren ist anspruchsvoll und interessant. Arrangieren ist einfach, aber langweilig.”

Abgesehen vom Komponieren: Welche musikalischen und außermusikalischen Aktivitäten sind bzw. waren Teil Deines Berufslebens?  Und abgesehen von der Musik: Was machst Du gerne in Deiner Freizeit?

Derek Bourgeois: “Ich habe meine gesamte berufliche Laufbahn in der einen oder anderen Form im Lehrberuf verbracht, einschließlich der Lehrtätigkeit an der Universität und neun Jahre lang als musikalischer Leiter des National Youth Orchestra of Great Britain.

Meine Hobbys sind Golf, Gartenarbeit und gute Weine.”

Was macht Dich besonders glücklich und zufrieden in Deinem Leben?

Derek Bourgeois: “Ein friedliches Leben. („Peaceful existence.“)”

Was liebst Du an der Blasorchesterszene und was würdest Du gerne verändern, wenn Du für einen Tag das Sagen hätten? Wie siehst Du die Zukunft der Blasorchester und Musikvereine?

Derek Bourgeois: “Die Blasmusikszene ist lebendig und gedeiht. Ich sehe keine Notwendigkeit für Veränderungen, da sie bereits extrem flexibel ist.”

“Wenn es Kunst ist, ist sie nicht für alle, und wenn sie für alle ist, ist sie keine Kunst.” Was denkst Du über dieses Zitat von Arnold Schoenberg?

Derek Bourgeois: “Blödsinn.

Er schrieb auch etwas wie “Wenn ein Komponist nicht für sich selbst, sondern für das Publikum schreibt, ist er kein wahrer Künstler.” Das ist genauso dumm.”

Auswahl bedeutender Werke für Blasorchester und Brass Band

Serenade for Wind Band, op. 22c
Trombone Concerto, op. 114b
A Cotswold Symphony

Bandland
Blitz (Brass Band)

Vita Derek Bourgeois

Derek Bourgeois wurde 1941 in Kingston an der Themse geboren. Er schloss sein Musikstudium an der Universität Cambridge mit Auszeichnung ab und promovierte anschließend. Er verbrachte zwei Jahre am Royal College of Music, wo er Komposition bei Herbert Howells und Dirigieren bei Sir Adrian Boult studierte.

Er komponierte einhundertvierzehn Sinfonien, siebzehn Konzerte, mehrere andere umfangreiche Orchesterwerke, sieben große Werke für Chor und Orchester, zwei Opern und ein Musical. Neben einer beträchtlichen Anzahl von Kammer-, Vokal- und Instrumentalmusik komponierte er fünfzehn erweiterte Werke für Brass Band und sieben Sinfonien für Symphonisches Blasorchester. Er hat auch eine beträchtliche Anzahl von Musik für Fernsehproduktionen geschrieben.

Von 1970 bis 1984 war er Dozent für Musik an der Universität Bristol. Von 1980 bis 1983 war er Dirigent der Sun Life Band und im gleichen Zeitraum Vorsitzender der Composers’ Guild of Great Britain sowie Mitglied des Music Advisory Panel des Arts Council. Im September 1984 gab er seinen Posten an der Universität auf, um Musikdirektor des National Youth Orchestra of Great Britain zu werden.   Im Jahr 1988 gründete er das National Youth Chamber Orchestra of Great Britain, das im Sommer 1989 seinen ersten Kurs abhielt. Im Jahr 1990 wurde er zum künstlerischen Leiter des Bristol Philharmonic Orchestra ernannt.

Im August 1993 verließ er das National Youth Orchestra, um Musikdirektor der St Paul’s Girls’ School in London zu werden. Im Juli 2002 zog er sich nach Mallorca zurück. Im Frühjahr 2009 zog er zurück nach Dorset in England und ist nun mit Norma verheiratet, die auf den Philippinen geboren und auf Hawaii ausgebildet wurde und fast vierzig Jahre lang als Verwaltungsangestellte am Vassar College Department of History arbeitete.

Am 6. September 2017 verstarb Derek Bourgeois in Poole, Großbritannien.

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    2 thoughts on “Komponisten im Gespräch: Derek Bourgeois

    • 20. Dezember 2023 at 7:42
      Permalink

      Verständlich.
      Ich würde auch lieber Sinfonie- als Blasorchester dirigieren. Aber es gibt halt viel mehr Blas- als Sinfonieorchester

      Reply
      • 21. Dezember 2023 at 19:14
        Permalink

        Hallo Christoph, ich glaube nicht, dass es daran liegt, dass es weniger Sinfonieorchester gibt. Ich glaube, dass die Sinfonieorchester zu sehr damit beschäftigt sind Mozart, Beethoven, Brahms & Co aufzuführen. Werke noch lebender Komponisten sieht man doch – im Gegensatz zu den Blasorchester-Programmen – sehr viel weniger auf den Konzertprogrammen. Im Amateur-Sinfonie-Bereich fast gar nicht. Das ist bei den Blasorchestern doch tatsächlich und Gott sein Dank anders. Es ist schon so, wie Derek es damals geschrieben hat: “Die Blasmusikszene ist lebendig und gedeiht. Ich sehe keine Notwendigkeit für Veränderungen, da sie bereits extrem flexibel ist.”
        Viele Grüße, Alexandra

        Reply

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