Über den Anfang und die Einspielphase einer Musikprobe – Teil 1
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„Wie gestaltest Du den Anfang und die Einspielphase einer Probe?“
Auf Anregung eines Blasmusikblog-Lesers habe ich bei verschiedenen Dirigentinnen und Dirigenten nachgefragt, wie sie den Anfang einer Probe und die Einspielphase gestalten.
Von insgesamt 14 Dirigentinnen und Dirigenten aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz darf ich nun ihre Methoden und Tipps in insgesamt 7 Beiträgen veröffentlichen. Schon an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle für diese großartige Unterstützung, die allen Dirigentinnen und Dirigenten als Anregungen dienen und zu Gute kommen.
Im heutigen Beitrag sind die Methoden von Joop Boerstoel (NL) und Stéphane Delley (CH) zu lesen:
1. Joop Boerstoel
Der niederländische Dirigent Joop Boerstoel (*1965) studierte am Konservatorium in Enschede Blasorchesterdirektion und Klarinette sowie Orchesterdirektion am Konservatorium in Maastricht. Zur Zeit dirigiert er das „Symfonisch Blaasorkest Ganderen“, sowie die Sinfonieorchester „Philharmonie Gelre Arnhem“, „Prinses Irene Huizen“ und „La Sinfonia Contea“. Er arbeitet außerdem bei Musidesk Rijnbrink in Arnheim, wo er für die Anschaffung von Notenmaterial für die Bibliothek, diverse musikalische Projekte und Kurse verantwortlich ist. Außerdem ist er Ansprechpartner für verschiedene nationale Organisation wie zum Beispiel den WMC oder KNMO (Nationaler Musikverband der Niederlanden). Joop Boerstoel ist Präsidiumsmitglied der WASBE International.
Joop Boerstoel über seine Einspielmethoden
Der Beginn einer Probe: ein notwendiges Übel oder die Kombination von „nützlich“ und „musikalisch“?
Die zentrale Frage für dieses Thema ist kurz und scheinbar einfach: Wie gibt man dem Beginn einer Probe eine Form? Eine Frage, die mich umso mehr anspricht, weil ich in dieser (Start-up-) Phase der Probe seit einigen Jahren immer mehr den Wert und Nutzen als Dirigent sehe.
Natürlich gibt es viele Gründe, die Konzertwerke so schnell wie möglich zu proben, denn “wir proben nur einmal pro Woche”, oder “das Konzert steht schon vor der Tür und es gibt noch viel zu tun”. Wir haben gute Gründe, so schnell wie möglich mit dem Repertoire zu beginnen. Aber mehr und mehr bin ich überzeugt, dass eine gute Einspielphase viele Teile der eigentlichen Probe enthalten oder ersetzen kann, so dass die Probe als Ganzes viel effizienter und besser ist, als wenn wir diese Minuten am Anfang nicht eingeräumt hätten.
Auf die Frage, wie und mit welchem Material suche und experimentiere ich immer noch. Das Einspielen und Aufwärmen usw. sollte keine Routinearbeit werden, sondern sollte immer abwechslungsreich sein und wenn möglich neue oder andere Teile beinhalten und dadurch auf das, was zuvor angeboten wurde, eingehen. Hier passt natürlich ein Vergleich mit dem Sport gut. Ein Training mit Aufwärmen zu beginnen, ist besser für den Körper und enthält bereits Teile des eigentlichen Spiels, in das Sie später gehen oder von schwierigeren Trainingseinheiten. Die Chor-Welt gibt uns auch viele gute Beispiele. Neben dem Vorbereiten der Stimme und der Chorübungselemente sorgt der Dirigent auch dafür, dass die Chormitglieder zum Singen in die richtige Stimmung kommen. Jeder kommt aus anderen Situationen (Arbeit, Zuhause, Studium usw.) zum Chor und es ist wichtig für das Gruppengefühl und für den Chorklang gemeinsame Übungen zu machen. Als Ergebnis konzentrieren sich alle nur auf das Singen. Sie bereiten Ihren Körper auch auf die intensive Arbeit vor, indem Sie singen. Denn Singen ist harte Arbeit und ein großer Teil des Körpers muss aktiv mitwirken. Denken Sie an Atemstütze, Haltung usw.
Mit dieser Philosophie im Hinterkopf suche ich seit Jahren nach Material, das sich mit all diesen Elementen beschäftigt, vorzugsweise systematisch. Bereits vor etwa 25 Jahren habe ich meine eigene “Methode” basierend auf den damaligen (und immer noch) angewandten HaFaBra-Prüfungen in den Niederlanden entwickelt. “Theorie in der Praxis” habe ich es damals genannt. Neben der Erklärung eines theoretischen Themas gab es einen orchestralen Teil mit der praktischen Ausarbeitung; und manchmal habe ich beides in einem Dokument zusammengefasst. Ich kombinierte dies u. a. mit den 20 Tune Ups von Henk van Lijnschooten (Hrsg. Molenaar Edition) und den Tone Studies ‘2’ von James Curnow (Hrsg. Curnow Music Press). Aufgrund zunehmender Arbeit war dies für mich nicht mehr zu organisieren. Zum Glück sehen wir in den letzten Jahren, dass es Kollegen und / oder Komponisten gibt, die den (Mehr-) Wert der Orchesterschulung und dem guten Einstieg in die Probe verstehen und kompositorisch so versiert sind, dies kompetent, in einer sehr persönlichen und kreativen Art und Weise zu kombinieren.
Ein weiterer Vorteil eines guten Einspielens ist, dass die Instrumente auf Temperatur kommen und mit dem Übungsmaterial schneller und / oder besser gestimmt werden können. Darüber hinaus wird das Gehör des einzelnen Musikers Stück für Stück geschult und ausgebildet, da die Aufmerksamkeit immer mehr auf dieses Organ gerichtet wird.
Da ich neben dem Dirigieren auch einen Teilzeitjob bei Musidesk in Arnheim habe und Fragen von Orchestern und Dirigenten über Repertoire und Themen wie z. B. Orchesterschulung bekomme, ist das Ausprobieren und Testen von geeignetem Notenmaterial in der Praxis oft der beste Weg, um den Inhalt kennen zu lernen. Ich verwende regelmäßig Choralbearbeitungen, Klangstücke und Vortragsstücke, die etwas länger sind als die – für Brassbands so vertrauten – Hymnen aus dem “Roten Buch” (120 Hymn Tunes for Brass Band).
Im Folgenden finden Sie eine Reihe von Vorschlägen, die mir aus unterschiedlichen Gründe gut gefallen, in zufälliger Reihenfolge, Niveau oder Ziele.
Die empfohlene Literatur von Joop Boerstoel:
Hans Peter Blaser
Band-Coaching (verschiedene „Worksheets“)
www.band-coaching.ch
Andy Clarke
5 Minutes a Day
Barnhouse
In Kombination mit Chorälen und/oder Hymnen
Sonority for Winds
Educational Material
Bravomusic Inc.
Symphonic Warm-Ups for Band
Claude T. Smith
Hal Leonard
16 Warm-Ups for Symphonic Band
Derek Bourgeois
Hafabra Music
Four Original Warm-Ups for band
Bert Appermont
Beriato Music
A Collection of Chorales
Bert Appermont
Beriato Music
Symphonic Band Clinic
Robert W. Smith
Belwin/Alfred Music
30 Original Chorals and Warm-Ups
Philip Sparke
Anglo Music
2. Stéphane Delley
Der Schweizer Stéphane Delley (*1976) studierte Trompete und Blasorchesterdirektion am Konservatorium in Fribourg (CH). Er studierte außerdem Musikwissenschaft, Geschichte und Geowissenschaften an der Hochschule in Fribourg. Seit 2005 leitet er die Harmonie Municipale de Sion, seit 2013 auch die Société de musique de Treyvaux. Er unterrichtet Blasorchesterdirektion am Konservatorium in Fribourg. Stéphane Delley ist Mitglied des Präsidiums von WASBE international und Präsident der Sektion Schweiz.
Die Gedanken von Stéphane Delley zur Einspielphase einer Probe
Das Aufwärmen des Orchesters und seiner Instrumente ist meines Erachtens jeweils sehr persönlich. Es ist sehr schwer, sogar unmöglich, eine gute Aufwärmung zu finden, die mit allen Typen von Instrument und von Instrumentalisten gemeinsam funktioniert. Ein Marathonläufer hat schließlich auch nicht dieselbe Aufwärmung wie ein Speerwerfer. Dennoch machen sie beide Leichtathletik… Das ist der Grund, warum mir eine persönliche Aufwärmung jedes einzelnen Musikers unentbehrlich scheint. Jeder Musiker soll das Rezept entwickeln, das zu ihm passt, um für die Probe bereit zu sein.
Am Anfang der Probe, nach dem individuellen Aufwärmen jedes Einzelnen, widme ich ungefähr zehn Minuten lang verschiedenen Übungen. Das ist in diesem Sinne keine Aufwärmung sondern eher eine «Schleuse» zwischen den Aufregungen der äußerlichen Welt und der für die Arbeit günstigen Atmosphäre im Probesaal. Dieser Moment erlaubt mir ebenfalls, eventuelle Probleme, wie zum Beispiel einen Rhythmus, eine Artikulation, u.s.w., zu lösen, auf die das Ensemble im Repertoire des Konzertes trifft.
Dazu benutze ich Ausgaben, in denen ich Übungen mit genau den Problemen finde, die ich gerne aufgreifen möchte.
Für das Blasorchester empfehle ich «Symphonic Warm-Ups for Band» von Claude Thomas Smith. Es handelt sich um eine vorbildliche Sammlung, die gleichzeitig erlaubt, den Klang, die Intonation, die Balance, den Rhythmus, u.s.w. mit dem Orchester zu üben. Mit meiner Brass Band benutze ich «The Brass Band Method» von Bruce Fraser. Das ist eine sehr vollständige Ausgabe, die eine große Anzahl von genau den Übungen umfasst, die den Blechblasinstrumenten zu Gute kommen.
Es kommt bei mir ebenfalls vor, dass ich spezifische Übungen in Verbindung mit dem aktuellen Repertoire selbst schreibe.
Infolge dieser ersten Übungsphase in der Probe spiele ich im allgemeinen ein einfaches, tonales Werk, mit wenigen Stimmen. Ich suche einen guten Gesamtklang, eine gute Balance. Ich versuche, wenn möglich, ein Werk in der Tonart des ersten Stückes im Programm der Probe zu wählen. Das Repertoire für diese Phase des Einspielens ist sehr umfassend. Ich benutze zum Beispiel einen Choral von Johann Sebastian Bach, nehme einen Choral aus «Symphonic Warm-Ups for Band», eine Nummer aus den «120 Hymns for Brass and Wind Band», oder aus «16 Warm-ups for symphonic band» heraus.
Schließlich in der letzten Phase des Einspielens das Stimmen mit der Oboe als Referenz für das ganze Blasorchester. Mit einer Brass Band stimme ich die Instrumente während der Choral-Phase.
Die empfohlene Literatur von Stéphane Delley:
Symphonic Warm-Ups for Band
Claude Thomas Smith
Hal Leonard, 1982
The Brass Band Method
Bruce Fraser
Musikverlag Frank, 2007
120 Hymns for Brass and Wind Band
Ray STEADMAN-ALLEN, Ray
Wright & Round, 3rd Edition
16 Warm-ups for symphonic band
Derek Bourgeois
HAFABRA Music, 2007
Vielen Dank an Joop Boerstoel und Stéphane Delley!
Im Teil 2 dieser Serie schreiben die beiden Dirigenten Franco Hänle und Marinne Halder über ihre Methoden.
Teil 1 – Joop Boerstoel und Stéphane Dellay
Teil 2 – Franco Hänle
Teil 3 – Marianne Halder und Dominik M. Koch
Teil 4 – Jochen Lorenz und Michael Meininger
Teil 5 – Gunnar Merkert und Alois Papst
Teil 6 – Joachim Pfläging und Philip Steffe
Teil 7 – Mathias Wehr und Wolfgang Wössner
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