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Neugierde ist der Klebstoff zwischen Orchester und Publikum

„Der erste Satz in einer Rede entscheidet darüber, ob der Redner das Publikum für sich einnimmt oder nicht.“

Dieses Zitat, das ich vor kurzem auf dem Blog business-wissen.de gelesen habe, hat mich zum Nachdenken gebracht.

In diesem Beitrag von René Borbonus ist weiter zu lesen:

„’Ich habe die Zukunft gesehen, und sie wird nicht funktionieren.’ Wenn dieser erste Satz neugierig macht, dann hat er seinen Zweck erfüllt. Formuliert wurde er als Einstieg in das Resümee einer Chinareise vom New-York-Times-Kolumnist Paul Krugman. Doch dieser Satz ist viel mehr als das – er ist das Zugpferd des gesamten Beitrags. Er motiviert den Leser, dabei zu bleiben, nicht weiterzublättern. Der erste Satz provoziert Neugier, den Klebstoff zwischen dem Schreibenden und seinen Lesern. Die Neugier ist auch der Klebstoff zwischen einem Redner und seinen Zuhörern. Die Neugier sorgt  für Aufmerksamkeit.

Ganz gleich, ob in einem Zeitungsartikel, einem Buch oder einer E-Mail, im Vortrag, in der Festrede oder in der Präsentation der Quartalszahlen: Nur ein neugieriges Publikum ist ein gutes Publikum! Nur, wer mehr hören will, folgt Ihren Worten, Ihren Ideen und Ihren Botschaften.“

Ja, genau, geschätzte Blasmusik-Leserin, geschätzter Blasmusikblog-Leser. Richtig. Das lässt sich 1 : 1 auf unsere Konzerte übertragen!

Stell Dir folgende Situation vor: Es ist Samstag. Der Morgen ist gefüllt mit Wohnung putzen, Gartenarbeit und Wocheneinkauf. Der Nachmittag gehört der Couch und dem Fernseher – schließlich willst Du abends beim Konzert des benachbarten Musikvereins fit sein. Du raffst Dich auf, fährst zum Konzert, weil Du Dich darauf freust, viele Musik-Kollegen zu treffen und gute Blasmusik zu hören. Das Konzert beginnt mit einer klassischen Ouvertüre mit einem wunderbar langsamen, melodischen Anfang. So richtig schön zum Wegdämmern… Man hört den MusikerInnen auf der Bühne das Zittern vor den Klippen der Intonation so richtig an. Nervosität lässt die ansonsten grandiose Ouvertüre unsicher klingen. Wenig überzeugend.

Bringen wir diese Situation in Zusammenhang mit dem eingangs Gesagten: Das erweckt keine Neugier und damit auch keine Aufmerksamkeit für die folgenden Musikstücke. Die Chance des Anfangs ist vertan, der Konzertverlauf kommt vermutlich nicht mehr richtig oder nur schwerlich in Fahrt.

Sicher, für den Nachhauseweg ist das letzte Stück entscheidend. Aber wie wäre es denn, wenn das ganze Konzert als Erlebnis in Erinnerung bleibt? Vom ersten bis zum letzten Werk?

Mit dem ersten Werk die Neugierde auf das Konzert wecken. Mit welchen Werken ist dies möglich?

Ich denke:

  • Mit einem Werk, das gleich mit einem großen Paukenschlag beginnt.
  • Mit einem Werk, das eine große Freude im Publikum entzündet.
  • Mit einem Werk, das durch eine große Spannung neugierig macht.
  • Mit einem Werk, das sehr unerwartet und unüblich überrascht.
  • Mit einem Werk, das von den MusikerInnen aus dem Effeff beherrscht wird.
  • Mit einem Werk, das Lebensfreude ausstrahlt.
  • Mit einem Werk, das Spaß macht und das Publikum zum Lächeln bringt.
  • Mit einem Werk, das einen gewissen Wiedererkennungswert hat.
  • Mit einem Werk, das fetzig, flott daherkommt.
  • Mit einem Werk, mit dem sich die MusikerInnen die Nervosität aus den Leibern spielen können.

Welche Werke erfüllen nun ganz konkret eines oder mehrere dieser Kriterien?

Es fällt mir nicht leicht, diese Frage zu beantworten. Und die Antworten werden dabei auch ziemlich sicher sehr subjektiv ausfallen. Also von persönlichen Gefühlen, Interessen und vom eigenen Geschmack bestimmt sein.

Grundsätzlich einmal halte ich Konzertmärsche und Fanfaren, bzw. Werke, die einen fanfare-ähnlichen Anfang haben und im Verlauf des Werkes nicht in einen zu geruhsamen Teil abstürzen als geeignet. Oder Werke mit einer gewissen Choreografie. Trompeten-Fanfaren von der Empore oder aus dem Konzertsaal heraus. Ein Werk, bei dem zuerst ein paar MusikerInnen auf der Bühne sitzen und dann mehr und mehr hinzukommen. Das Konzert nicht auf der Bühne beginnt, sondern mit einem „Einmarsch“ durch den Saal.

Natürlich gilt auf jeden Fall: der Beginn muß zum Rest und in die Dramaturgie des Konzertprogramms passen.

Immer wieder fällt mir beim Repertoire-Stöbern auf: Uns fehlt es ganz gewaltig an durchgängig fetzigen, schnellen, rasanten Werken. Diese Werke mit den Strukturen Fanfare, Thema mit Verarbeitung, langsamer Mittelteil und schneller Schlußteil eines Werkes nehmen wirklich überhand. Durchgängig flott, davon haben wir nicht so viel. Ist aber ein anderes Thema…

Konzerte finde ich persönlich immer ganz besonders langweilig, wenn sie nicht mit Musik beginnen, sondern vielleicht erst einmal mit der Begrüßung. Ja, das gibt es stellenweise wirklich noch.

Auch die Jugendkapelle oder das Vororchester am Anfang des Konzerts finde ich nicht so prickelnd. Meistens habe ich dann physisch und psychisch schon abgeschaltet und kann mich nur schwer wieder auf die anspruchsvollere nachfolgende Musik konzentrieren. Auch wenn ich musizierende Jugend in einem Musikvereinskonzert gut finde. Am Anfang des Konzerts habe ich doch immer relativ viel Mühe damit. Warum das Vororchester nicht in der Mitte des Konzerts? Warum nicht ein oder zwei Stücke gemeinsam? Wieso nicht das Vororchester vor der Bühne platzieren und immer mal wieder ein Stück spielen lassen? Oder, warum den Jugendensembles nicht eine eigene Plattform geben?

Ich verstehe zum Beispiel auch nicht, warum sich die Werke der Vororchester / Jugendorchester oft nicht mit dem Motto des Konzertabends in Einklang bringen lassen. Werke gibt es mittlerweile doch weiß Gott genug. Aber das ist auch ein anderes Thema. Ich schweife heute wirklich zu viel ab. Muß an der Hitze liegen.

Zurück zum Konzerteinstieg.

Blöderweise ist es ziemlich anstrengend, für jedes Konzert einen spannenden Einstieg zu finden, das Publikum immer in einer anderen Weise zu überraschen. Da muß man schon ziemlich kreativ sein. Dabei hilft eine große Repertoirekenntnis natürlich enorm. Außerdem hilft es, in andere Konzerte zu gehen und mal zu schauen und zu hören, wie es denn die Kollegen so machen. Nicht nur in der engen Umgebung, wo es quasi zum Pflichtprogramm gehört, zum Nachbarverein zu gehen (sonst kommt der ja nicht zu unserem Konzert…). Sondern auch mal weiter weg fahren. Über den Tellerrand hinaus schauen. Zu Musikvereinen, die einen guten Ruf haben auch mal 50 Km zum Konzert fahren. Zu Blasmusikanlässen wie den Landesmusikfesten, Bundesmusikfesten, nach Schladming zur MidEurope, nach Neu-Ulm zum IBK – Internationalen Blasmusik Kongress, zu Bezirksmusikfesten zum Beispiel. Selbst wenn man nur sieht, wie man es selbst nicht machen möchte, hat man daraus doch viel gelernt. Und wenn es richtig gut läuft nimmt man viele gute Ideen mit.

Apropos Gute Ideen: Sich mit anderen DirigentInnen regelmäßig austauschen inspiriert. Trefft Euch mit den Dirigenten Eurer Umgebung doch mal ganz zwanglos zu einem Feierabend-Bier. Die besten Ergebnisse liefern „Meetings“ doch immer dann, wenn etwas zu Essen und zu Trinken auf dem Tisch steht.

Youtube-Videos können die Rädchen im Kopf zum Laufen bringen. Konzertprogramme anderer Musikvereine und Blasorchester bringen neue Ideen. Diese werden ja zunehmend auf Facebook veröffentlicht.

Immer dran bleiben, Jungs. Die Damen natürlich auch.

So, nun käme in meinem Beitrag eigentlich der Punkt, an dem ich Euch endlich Beispiele nennen müsste. An dem ich Euch meine Favoriten präsentiere. Meine ganz konkreten Empfehlungen schreiben müsste. Die Liste steht. Da habe ich mich jedoch im Laufe des Schreibens dieses Beitrags dagegen entschieden und möchte den Spieß einmal umdrehen. Oben habe ich schließlich gepredigt, dass wir einfach mal schauen, wie es andere Musikvereine bzw. Blasorchester machen. Und genau so machen wir das jetzt auch:

Mit welchen Werken als Konzerteinstiege hattet Ihr in der Vergangenheit großen Erfolg? Welche findet Ihr passend? Antworten gerne unten in die Kommentare! Oder per Mail an alexandra@kulturservice.link. Ich bin gespannt. Und eure KollegInnen auch…

 

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    9 thoughts on “Neugierde ist der Klebstoff zwischen Orchester und Publikum

      • Hallo Reini,
        vielen Dank für Deinen Vorschlag. Das ist kein Originalwerk für Blasorchester. Kennst Du eine Transkription?
        Um ehrlich zu sein, meine Wahl für den Beginn eines Konzertes wäre dieses Werk nicht…
        Viele Grüße
        Alexandra

        Antwort
    • Hallo Alexandra,

      hier einige Titel, welche ich als Eröffnungswerk in den letzten Jahren gewählt habe:

      – “Start up the Band” von Gilbert Tinner (Poppiges Eröffnungswerk mit Moderationsmöglichkeit im Mittelteil des Werkes)
      – “Spirals of Light” von Naoya Wada (Fanfare, relativ flotte Melodie, 3 min.)
      – Tatort Thema aus “Crime Time” von Stefan Schwalgin (zum Konzertmotto “Tatort” sehr passend)
      – “A Huntingdon Celebration” von Philip Sparke (zwar etwas lang, aber sehr energievoll)
      – “Generations Fanfare” von Otto M. Schwarz (kurze Eröffnung)

      Alle Titel kamen sehr gut beim Publikum an. Wir haben unsere Jugendabteilung immer am Anfang des Konzertes, daher ist das Klangerlebnis für die Zuhörer, wenn dann das “große” Orchester los legt noch viel beeindruckender. 🙂

      Liebe Grüße
      Christoph

      Antwort
      • Hallo Christoph,
        vielen Dank für Deine Vorschläge! “Start up the Band” von Gilbert Tinner ist auch auf meiner Liste…
        Viele Grüße
        Alexandra

        Antwort
        • Hallo Alexandra,

          du hast in deinem Artikel ja von sehr konkreten Anforderungen an solchen Stücken gesprochen und hier in deinem Kommentar auch deine persönliche Liste erwähnt. Ich würde mich dafür interessieren auch wenn sie subjektiv ist, aber das sind deine Vorstellungen für ein Anfangswerk doch sowieso 🙂

          Viele Grüße

          Sven

          Antwort
          • Hallo Sven,
            in der Tat habe ich den Beitrag mit meinen Favoriten für eine Konzerteröffnung noch nicht fertig geschrieben… Das werde ich demnächst nachholen!
            Viele Grüße
            Alexandra

            Antwort
    • “Olympic Fanfare and Theme“ von Williams

      Antwort
    • Fanfare-The Benefaction from Sky and Mother Earth
      Von Satoshi Yagisawa

      Antwort
    • Pingback: Blasmusikblog Monatsrückblick August 2018 – Blasmusik

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