Samstag, Oktober 12, 2024
MusiklebenWettbewerbe

Aufregende Tage in Riva del Garda

Inkl. Statements von Jan Van der Roost, Thomas Doss und Marco Somadossi

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Das Palmsonntagwochenende steht bei vielen Blasmusiker:innen schon traditionell im Zeichen des Flicorno d’oro, dem internationalen Wettbewerb um das goldene Flügelhorn. 14 deutsche, 12 österreichische, drei kroatische, ein schweizerisches, ein lettisches, vier spanische und 22 italienische Blasorchester haben sich in diesem Jahr in Riva del Garda zwei Jury-Teams gestellt. 57 Orchester insgesamt, aus sieben verschiedenen Ländern, waren somit im Wettbewerb vertreten.

Im Vorfeld gab es viele Diskussionen über die ungewöhnlichen Wettbewerbszeiten, die eine so hohe Anzahl von angemeldeten Orchestern zwangsläufig mit sich bringt. Es wurde vor allem unter den deutschen Blasmusiker:innen diskutiert, ob denn die Orchester, die in den späten Nachtstunden antreten, die gleichen Chancen haben, wie diejenigen, die zu „normaleren“ Uhrzeiten ihren Wettbewerb spielen. Aber siehe da, ausgerechnet das Orchester, das Samstagnacht um 0:50 Uhr antrat, hat den Flicorno d’oro gewonnen:

Herzlichen Glückwunsch an die Schwäbische Bläserphilharmonie Neckar-Teck mit ihrem Dirigenten Paul Jacot! Bravo! Sie spielten das Pflichtstück der Kategorie Colores von Jan Van der Roost und als Selbstwahlstück Requiem for a Future War von Hardy Mertens. Beeindruckend!

Die Gewinner: Die Schwäbische Bläserphilharmonie Neckar-Teck (©Emilio Santinelli)
Die Gewinner: Die Schwäbische Bläserphilharmonie Neckar-Teck (©Emilio Santinelli)

Ihr werdet es kaum glauben, bis nach dem Auftritt der Schwäbischen Bläserphilharmonie, also bis halb zwei nachts, war der Saal sogar noch zu gut 2/3 gefüllt! Ich kann es bestätigen, ich war dabei! Am Ende des Beitrags werde ich nochmals auf das Thema Uhrzeiten in Riva eingehen.

Es freut mich so sehr und ich bin stolz, dass ein deutsches Orchester in Riva gewonnen hat. Und auch ein anderes deutsches Blasorchester hat einen Spitzenplatz erreicht:

Herzlichen Glückwunsch, lieber Musikverein „Viktoria“ Altenmittlau und Glückwunsch auch an Euren Dirigenten Oliver Nickel zum 3. Preis in der Prima Categoria! Leider konnte ich dieses Orchester nicht hören, da ich am Sonntag bereits in Kärnten beim Österreichischen Blasmusik Forum war. Die Altenmittlauer hatten das Pflichtstück The Rise of the Quetzal von Luciano Feliciani zu lösen und wählten selbst Danza Sinfonica von James Barnes.

Drei österreichische Orchester haben Spitzenplätze beim diesjährigen Flicorno d’oro erreicht.

Allen voran das Sinfonische Blasorchester Tirol unter der Leitung von Bernhard Schlögl. Dieses Orchester begeisterte mich durch einen warmen, weichen, wohlklingenden Gesamtklang, einer hohen Musikalität und außerdem spielten sie noch eines meiner Lieblingswerke als Selbstwahlstück: The Lost Labyrinth von Kevin Houben. Das Sinfonische Blasorchester Tirol war das einzige Orchester mit Standing Ovation des Publikums während dem gesamten Wettbewerb. Sie lagen letztendlich in der gleichen Kategorie wie die Schwaben 1,2 Punkte hinter ihnen.

Standing Ovation nach dem Auftritt des Sinfonischen Blasorchesters Tirol
Standing Ovation nach dem Auftritt des Sinfonischen Blasorchesters Tirol

Großartig gespielt hat auch das Sinfonische Blasorchester Perg mit ihrem Dirigenten Thomas Asanger. Sie erlangten den 1. Preis in der Categoria Superiore. Das Pflichtstück in dieser Kategorie war The Stone Guardians von Thomas Doss, ein Werk über die Drei Zinnen in den Dolomiten (herzliche Empfehlung!). Und auch mit dem Selbstwahlstück Praise Jerusalem von Alfred Reed machten mir die Perger eine große Freude – der Jury Gott sei Dank auch (was in der Tat viiiiiel wichtiger ist…)!

Der Musikverein St. Willibald aus Österreich gewann den 2. Preis in der Seconda Categoria. Hier war das Pflichtstück Novem von Michele Mangani. Dieses Werk habe ich selbst tatsächlich nur einmal im Wettbewerb gehört (ich war ja nur Freitag und Samstag da…). Als Selbstwahlstück spielte der Musikverein St. Willibald Of Castles and Legends von Thomas Doss.

Das Final Ranking 2024 könnt Ihr hier kostenfrei runterladen:

Die beiden Jury-Teams in Riva del Garda waren international besetzt. Über die Notwendigkeit von zwei unabhängigen Jury-Teams äußert sich der künstlerische Leiter des Flicorno d’oro, Marco Somadossi, weiter unten in diesem Beitrag.

Jury-Sitzung
Jury-Sitzung (©Emilio Santinelli): Bjorn Bus; José Suner-Oriola; Michele Mangani; Thomas Doss; Lorena Giuliani (segreteria di giuria); Tarolli Tiziano (presidente FDO); Marco Somadossi; Jan Van der Roost; Walter Ratzek; Lino Blanchod; Andrea Gasperin; Lino Trenti (presidente Corpo Bandistico di Riva del Garda)

Die Jury der Categoria Excellenca und der Prima Categoria bestand aus Jan Van der Roost (NL) (Jury-Präsident), Lino Blanchod (IT), Andrea Gasperin (IT) und Walter Ratzek (DE).

Die Jury der Categoria Superiore, Seconda Categoria und Terza Categoria bestand aus Thomas Doss (AT) (Jury-Präsident), Björn Bus (NL), Michele Mangani (IT) und José Suner Oriola (ES).

Die beiden Jury-Präsidenten, Jan Van der Roost und Thomas Doss, habe ich gebeten, ihre Eindrücke vom diesjährigen Flicorno d’oro für die Blasmusikblog-Leser:innen aufzuschreiben.

Jan Van der Roost schreibt:

„Riva del Garda ist nicht nur eine wunderschöne Stadt in Norditalien, die von zahllosen Touristen und Besuchern geliebt wird, sondern für Blasmusikliebhaber auch ein fast magischer Ort, an dem jedes Jahr ein wunderbarer Wettbewerb stattfindet: Flicorno d’Oro.
Auch in diesem Jahr hatte ich das Vergnügen, einem der Juryteams anzugehören, und als Präsident eines dieser Teams konnte ich mich über viele schöne Darbietungen in den Abteilungen “First” und “Excellenza” freuen. Zwei Juryteams in der Tat: nicht weniger als 57 Blasorchester hatten sich beworben, so dass die Organisation das “positive Problem” hatte, den regulären Wertungszeitplan zu erweitern. Mein guter Kollege und Freund Thomas Doss schloss sich der ursprünglichen Crew an und übernahm die Aufgabe des zweiten Juryteams, das unabhängig die Kategorien 3, 2 und ‘Superiore’ bewertete.
Hier ein paar Eindrücke von diesem ‘musikalischen Fest’, das dieses Jahr vom 22. bis 24. März zum 24. Mal stattfand.
Aufgrund (oder soll ich sagen: Dank?) der unerwartet hohen Teilnehmerzahl musste der gesamte organisatorische Ablauf überarbeitet werden. Besonders der Zeitplan am Samstag war “verrückt”: das erste Blasorchester begann um 8 Uhr morgens und die beiden letzten spielten um Mitternacht bzw. 0:50 Uhr! Trotz dieser ungewöhnlichen Spielzeiten war fast durchgehend ein erstaunlich großes Publikum anwesend: das ist definitiv ein positiver Aspekt. Ich habe viele Musiker gesehen, die im Publikum saßen und ihren Mitstreitern (oder vielleicht: Konkurrenten!) zuhörten: das ist leider nicht bei jedem Wettbewerb der Fall.
Im Allgemeinen hatte ich den Eindruck, dass die Atmosphäre eher entspannt und nicht zu stressig war – was aber nicht bedeutet, dass die Auftritte ‘mittelmäßig’ oder so waren – im Gegenteil! Die meisten Orchester waren (sehr) gut vorbereitet, und unser Jury-Team konnte sich über einige wirklich schöne Auftritte und eine große Vielfalt des Repertoires freuen, mit (sehr) alten Standardstücken, aber auch einigen modernen oder neuen Stücken. In der Tat: Das Publikum hatte mit den jeweiligen Teststücken und dem breiten Spektrum an Stücken nach eigener Wahl viel zu genießen! Da die Blasorchester aus verschiedenen europäischen Ländern kamen (= Italien, Spanien, Deutschland, Österreich, Schweiz, Kroatien und Lettland), waren verschiedene Traditionen und Kulturen sichtbar und hörbar: es war schön, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu sehen und zu hören. Diesmal gab es keine Blasorchester aus Frankreich, Portugal, Slowenien, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich, Skandinavien, …: Vielleicht passte der Zeitraum oder dieses spezielle Wochenende nicht in ihre Planung oder ihren Zeitplan?
Am Ende des Wochenendes fand in der großen Halle im Erdgeschoss eine riesige “Party” statt: Wir sahen Hunderte und Aberhunderte von (meist jungen) Menschen tanzen, sich verbrüdern und viel Spaß haben! Es war wirklich schön, die Freude und die Entspannung nach der Konzentration und den Spannungen zu sehen. Die Preisverleihung begann um ± 23:00 Uhr am Sonntagabend: eine Delegation aller teilnehmenden Blasorchester wurde auf die Bühne gerufen, nachdem sie ihre Ergebnisse gehört hatten, und jedes Mal gab es einen herzlichen Applaus – sogar für die schlechteren Leistungen, die zu einem “dritten Preis” (= zwischen 70 und 75 % oder weniger) geführt hatten. Kurzum: Es war ein musikalisches Fest mit vielen positiven und ermutigenden Aspekten. Was für ein saurer und bitterer Kontrast dagegen all das Elend, das derzeit unsere Welt bedroht: Kriege, Konflikte, Feindseligkeit, Gewalt, Brutalität, Intoleranz, Hungersnot, … Über viertausend Musiker mit unterschiedlichen Altersgruppen, Religionen, Mentalitäten, Bräuchen, Traditionen, Kulturen, Orientierungen, Meinungen, Philosophien, Hintergründen, Fähigkeiten usw. haben wieder einmal gezeigt, wie eine große “musikalische Familie” ein inspirierendes Beispiel für die Welt sein kann, das zeigt, wie schön das Leben sein kann, wenn Menschen zusammen statt gegeneinander arbeiten. Ich weiß, es ist ein Klischee, aber ‘Make Music, Not War’ war ein Gedanke, der mir immer wieder in den Sinn kam, als ich all diese wunderbaren Darbietungen sah und hörte – jede Kategorie auf ihrem eigenen Niveau und musikalischen Standard. In den Sälen oder auf den Gängen waren verschiedene Sprachen, Dialekte oder Akzente zu hören, aber auf der Bühne sprachen alle dieselbe universelle Sprache, die wir ‘Musik’ nennen: Das war manchmal wirklich berührend. 
Im Allgemeinen glaube ich sagen zu können, dass die 24. Ausgabe von ‘Flicorno d’Oro’ sehr erfolgreich war: sehr gut organisiert, ein ziemlich anständiges und manchmal ausgezeichnetes musikalisches Niveau und viel Freundschaft, Kameradschaft, Kollegialität, Freude, Leidenschaft, Hingabe, Enthusiasmus, … Hier nur ein paar Bemerkungen – oder besser Empfehlungen – an die teilnehmenden Ensembles:

  • Spielt nicht zu schwierige Stücke, sondern sucht nach Werken, die Ihr wirklich beherrscht. Da ein Konzert (oder noch mehr: ein Wettbewerb) meistens Stress oder Nervosität verursacht, ist es besser, keine großen Risiken einzugehen. Einige Blasorchester hatten Probleme, weil sie zu ehrgeizig waren: Sucht Euch etwas, das Ihr wirklich ‘mit Leichtigkeit’ spielen könnt. Ein etwas “einfacheres” Stück, das (sehr) gut gespielt ist, wird oft besser bewertet als ein kompliziertes Werk, das nicht gut ankommt, weil es zu hart oder zu schwierig ist …
  • Insbesondere an (einige) Dirigenten: Versuchen Sie, wann immer es geht oder wann immer es möglich ist, ‘Musik zu machen’. Einige Aufführungen waren ‘sauber und ordentlich’ und ziemlich korrekt in Bezug auf Noten, Stimmung, rhythmische Präzision, Zusammenspiel, Ausgewogenheit usw., aber … es gab kein (oder nicht genug) ‘Herz’, keine musikalische Interpretation oder Vision … Einen Musikwettbewerb zu bewerten bedeutet, dass neben den ‘technischen Aspekten’ auch die Musikalität und die innere Intensität wichtig sind. Um es einfach auszudrücken: Als Juroren beurteilen wir nicht nur die ‘Noten’, sondern auch das, was ‘hinter den Noten’ steht … Wie der große Ludwig van Beethoven zu sagen pflegte: „Eine falsche Note zu spielen ist nicht so wichtig, aber ohne Leidenschaft zu spielen ist unverzeihlich“. Oder um ein anderes musikalisches Genie aus der Vergangenheit zu zitieren: Gustav Mahler pflegte zu sagen “Das Beste in der Musik ist nicht in den in den Noten zu finden”. Einige Stile oder Gattungen sind weniger ausdrucksstark oder emotional als andere, daher ist eine stilgetreue Interpretation ein wichtiger Aspekt des “guten und aufrichtigen Musizierens”, insbesondere in den höheren Kategorien.

Viele Komplimente und Respekt an die gesamte Organisation und an alle Teilnehmer / Musiker / Mitarbeiter auf der Bühne oder hinter den Kulissen: Ihr alle habt in gewisser Weise einen “ersten Preis” verdient!“
Ad Multos Annos, Flicorno d’Oro!
Jan Van der Roost
composer, conductor – Belgium

Jury-Team Van der Roost
Jury-Team Van der Roost: Lino Blanchod, Andrea Gasparin, Jan Van der Roost, Walter Ratzek, Mitarbeiterin FDO, Lorena Giuliani (Jurysekretärin und Moderatorin)

Thomas Doss schreibt:

„Der diesjährige Wettbewerb in Riva del Garda war für mich persönlich ein ganz Besonderer, zumal ich gemeinsam mit meinem langjährigen Kollegen Jan Van der Roost die Funktion des Jury-Präsidenten übernehmen durfte.
Ich hatte Jan, als eines meiner Idole, vor 30 Jahren bei genau diesem Wettbwerb in der Jury kennengelernt. Es war damals quasi mein Einstieg in die internationale Szene und der Beginn einer langjährigen Freundschaft.
Ich habe den Wettbewerb dieses Jahr zum 4. Mal begleiten dürfen. Gleich zu Beginn war die überaus freundliche und professionelle Atmosphäre spürbar. Die Organisation unter der künstlerischen Leitung von Marco Somadossi ist wunderbar, wertschätzend, entspannend und höchst professionell. Umgeben von einem ebenso hochqualifizierten Team und freiwilligen Helfern der Banda Riva del Garda.
Man merkt die Begeisterung für die Sache, und die Freude an der Aufgabe paart sich wunderbar mit dem herrlichen Ambiente der Landschaft.
Der Wettbewerb wurde erstmals mit 2 Juryteams ausgetragen, da es eine Rekordanzahl an Anmeldungen gab. Ca. 60 Orchester aus ganz Europa! Besonders die spanischen, deutschen, italienischen, kroatischen und österreichischen Orchester blieben mir im Gedächtnis.
Das war für die Jury eine sehr intensive Arbeitsphase. Von früh morgens bis weit nach Mitternacht gaben sich die beiden Teams abwechselnd die Klinke in die Hand.
Eine Wohltat, dass die Kollegen der Jury nicht nur professionell arbeiteten, sondern auch sehr konstruktiv und wertschätzend alles taten, um im besten Einvernehmen ein Bewertungsergebnis zu erarbeiten, welches einstimmig die Leistungen in Form von Rankings abbildeten. Juryteam-übergreifend zu arbeiten war die größte Herausforderung. Besonders im Finden des Gesamtsiegers. Da spielen Vertrauen und eine gleiche Wellenlänge zwischen den Teams eine große Rolle. Ein Ergebnis war deswegen auch hier schnell gefunden. Humor war ein wertvoller Helfer in den Besprechungen und den “Besprechungen” nach dem Wettbewerb.
Neben der Bepunktung der Leistungen könnte man anmerken, dass es schade ist, dass die Orchester kein Feedback bekommen. Somit fällt der pädagogische Aspekt völlig raus. Und es bleibt eigentlich nur mehr der pure Wettbewerb. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man nach Riva fährt. Das wäre vielleicht besonders für jene Orchester interessant, welche sich eher im mittleren Segment der Platzierungen wiederfinden.
Persönlich habe ich mich natürlich gefreut, viele meiner oberösterreichischen Kollegen:innen hier zu treffen. Und das gekrönt von sehr schönen Leistungen der Orchester und Vereine. Und auch von einem Sieg des wunderbar aufspielenden SBO Perg in der Superior Kategorie mit meinem Pflichtwerk Stone Guardians
Alles in allem kann ich nur sagen: Es ist ein TOP-Wettbewerb in einem der schönsten Monate im Jahr. Das Frühlingserwachen in Riva musikalisch so zu erleben, ist sicherlich nicht nur musikalisch ein Hit, sondern auch für jeden Verein ein soziales Event, welches das Gemeinschaftsgefühl in herrlicher Umgebung und Kulinarik zu einem unvergesslichen Erlebnis macht.
Nicht umsonst fahren viele Vereine und Orchester öfter hin, um sich zu messen.
Deswegen kann ich diesen Wettbewerb nur empfehlen – RIVA 2025!“
Thomas Doss

Jury Doss
Jury Doss: Björn Bus, José Suner Oriola, Thomas Doss, Michele Mangani, Marco Somadossi (Künstlerischer Leiter FDO), Lorena Giuliani (Jurysekretärin und Moderatorin)

Der künstlerische Leiter des Flicorno d’oro, Marco Somadossi ist froh und glücklich darüber, dass es gelungen ist, dass die vorbereiteten musikalischen und organisatorischen Elemente perfekt funktioniert haben und dass eine Atmosphäre von freundschaftlicher Herzlichkeit an allen Tagen geherrscht hat.

Marco Somadossi zum diesjährigen Flicorno d‘oro:

„Die Ernsthaftigkeit, das Engagement und die Präzision, mit der meine Mitarbeiter gearbeitet haben, waren außergewöhnlich: In den drei Tagen des Wettbewerbs hat sich kein einziger Auftritt verzögert, und ich habe keine einzige Beschwerde über die Ineffizienz der Organisation erhalten.
Nachdem im Dezember 2023 60 Orchester angemeldet waren, mussten wir alle technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen überprüfen und Lösungen finden. Die größten Herausforderungen waren dabei die Verwaltung des Zeitplans des Wettbewerbs und die Organisation der Arbeit der Jurys. Der ursprüngliche Entwurf des Zeitplans, der die Nutzung der drei vollen Wettbewerbstage vorsah, wurde geändert, um den Bedürfnissen der Teilnehmer gerecht zu werden. Wir mussten daher das gesamte Programm überarbeiten und die Auftritte der Blasorchester sowie die Arbeit der mehr als 70 Freiwilligen, die mit dem FDO zusammenarbeiten, anders organisieren. Bei einer so großen Teilnehmerzahl und mehr als 35 Stunden Musik aus den beim FDO präsentierten Repertoires war es notwendig, die Arbeit auf zwei unabhängige Jurys aufzuteilen, die sich aus hochkarätigen Fachleuten zusammensetzten und von zwei sehr erfahrenen Vorsitzenden geleitet wurden: Thomas Doss und Jan Van der Roost.
Das im letzten Jahr eingeführte elektronische Berechnungssystem für die Punkt-Bewertungen der Juroren wurde weiter verbessert. Ich möchte hervorheben, dass dieses System den Juroren viel Zeit und “Mühe” erspart hat, so dass sie noch mehr Zeit und Aufmerksamkeit ausschließlich der Bewertung der musikalischen Leistungen widmen konnten.
Die Pflichtstücke stellten für die teilnehmenden Blasorchester eine große Herausforderung dar; dies gilt insbesondere für die beiden Extremkategorien (Dritte Kategorie und Eccellenza), bei denen die korrekte Wiedergabe des Notentextes allein nicht ausreichte, um die kompositorische Idee ans Licht zu bringen. Bei der Auswahl der freien Stücke ist mir aufgefallen, dass – mit einigen Ausnahmen – oft “ruhige” und wenig innovative Werke gewählt wurden. Dies war ein Aspekt, den auch die beiden Juryvorsitzenden bei ihrem Treffen mit den Vertretern der Blasorchester hervorgehoben haben, ebenso wie die Feststellung einiger Mängel in interpretatorisch-musikalischer Hinsicht im Vergleich zur sehr hohen technischen Qualität der Aufführungen. Ein deutlicher Hinweis, der zusammen mit den Bewertungsbögen ein wirksames Instrument für die Planung der künftigen Aktivitäten der am Wettbewerb teilnehmenden Blasorchester sein könnte.
Wenn es eine Sache gibt, die ich derzeit nicht lösen kann, dann ist es die, allen teilnehmenden Orchestern zu erlauben, die Schlaginstrumente auszuprobieren: Das Bereitstellen aller technischen Angaben der Schlaginstrumente ist meiner Meinung nach nicht ausreichend. Das FDO bietet vor Beginn des Wettbewerbs eine Überprüfung an, aber diese Möglichkeit wird (aus verschiedenen Gründen) von den teilnehmenden Orchestern nicht genutzt.
Die Party zur Preisverleihung war wirklich ein berührender Moment, in dem viele Menschen, vereint durch ihre Leidenschaft für die Musik, zusammenkamen, um ihr Engagement zu feiern. Ein selbstloses, konstruktives und proaktives Engagement, das, wenn es in der heutigen Gesellschaft, die von Apathie, Individualismus und Langeweile geprägt ist, betrachtet wird, noch außergewöhnlicher ist. Auch das ist der Flicorno d‘oro.”
Marco Somadossi, Künstlerischer Leiter

Spielgemeinschaft Grünsfeld/Schweinberg
Die Spielgemeinschaft der Musikvereine Grünsfeld und Schweinberg beim obligatorischen Orchester-Foto vor dem Gardasee (©Emilio Santinelli)

Wenn Ihr mit dem Gedanken spielt, in einem der nächsten Jahre einmal nach Riva del Garda zu fahren, gebe ich Euch als jemand, der schon sehr oft in Riva als Zuschauer/-hörerin war und als aufmerksame Beobachterin, die auch nach dem Wettbewerb die Ergebnisse genau studiert und analysiert und die Ergebnisse mit den eigenen Aufzeichnungen vergleicht, einige Empfehlungen auf den Weg.

Beim Flircorno d’oro handelt es sich um einen hochwertigen, internationalen Wettbewerb, der in einer Reihe mit dem WMC in Kerkrade und dem Certamen International de Bandas de Musica in Valencia gesehen werden kann. Punkte gibt es theoretisch bis 100, ab 70 werden tatsächlich Punkte vergeben. Dabei kann man als Anhaltspunkt sagen, dass mit über 90 Punkten nur herausragende musikalische Leistungen bewertet werden. Alle Punktzahlen mit einer 8 davor, also 80 bis 89 Punkte sind gute bis sehr gute Leistungen. Unter 80 Punkten liegen Orchester, die den Notentext zwar beherrscht haben, aber in der Intonation, dem Zusammenspiel, der Musikalität, der Interpretation, der Stilistik, den Solisten sehr schwächeln und / oder nicht die notwendige Besetzung haben. Achtung: das sind meine persönlichen Beobachtungen!

Instrumentendoktor Yamaha
Instrumentendoktor: für kleine Wehwehchen am Instrument standen die Instrumentenmacher der Firma Yamaha bereit

Auch in diesem Jahr habe ich gesehen und gehört, dass einige Orchester sich eine Kategorie zu hoch eingestuft haben. Lieber eine Stufe drunter als im heimischen Kreisverband gewohnt und dafür musikalisch ausgereift spielen. Die Kategorie Eccellenza ist tatsächlich nur für die überragenden Orchester geeignet! Sie ist über der Höchstklasse in Verbandswertungsspielen zu sehen. Das hohe Niveau in Riva könnt Ihr allein an den geforderten Pflichtstücken erkennen. Und es reicht definitiv nicht, das Werk technisch zu beherrschen. Es muss nicht nur die Partitur korrekt in Musik umgesetzt sein, sondern auch was zwischen den Noten steht klingen.

Wer sich über niedrige Punktzahlen gegenüber den Wertungsspielen “daheim” wundert, dem sei gesagt, dass, wie oben schon beschrieben, tatsächlich der komplette Rahmen von 70 bis 97 Punkten ausgeschöpft wird. Bei vielen Wertungsspielen in den Kreisverbänden sehe ich lediglich Punktzahlen von ca. 85 bis 95 Punkte.

Auch in diesem Jahr habe ich Orchester-Abordnungen in Riva gesehen, die sich den Wettbewerb zunächst angeschaut bzw. angehört haben. Das ist genau richtig so. Der Gardasee ist vor allem für die Orchester im Süden von Deutschland, von der Schweiz oder von Österreich nicht so weit entfernt, als dass man sich nicht mal ein Wochenende mit Blasmusik mit ein paar Musikkollegen gönnen könnte. Einzelne Hotel-Zimmer in Riva und der näheren Umgebung gibt es auch wenige Wochen vor dem Wettbewerb noch. Und dem Wettbewerb als Zuschauer/-hörer zu folgen macht extrem viel Spaß, ist spannend und außerordentlich bereichernd für den eigenen Horizont. Außerdem fühlt es sich immer wie ein großes Familientreffen an…

Musikerinnen

Ich möchte an dieser Stelle nochmals auf die Wettbewerbszeiten zurückkommen. Wenn sich viele Orchester in Riva anmelden, müssen viele Orchester eingeplant werden. Logisch. Die Alternative wäre also gewesen, einigen Orchestern abzusagen. Wäre das klug gewesen? Gerade jetzt im ersten guten Jahr nach Corona? So wurde allen angemeldeten Orchestern die Chance gegeben, am Wettbewerb teilzunehmen und die Reise an den Gardasee anzutreten. Manche hatten dann Glück mit den Uhrzeiten, andere Orchester vermeintlich nicht.

Mir hat übrigens die Jugendkapelle Obergünzburg, die am Samstagmorgen um 8 Uhr und das Corpo Musicale S. Cecilia Valmadrera, die am Sonntagmorgen um 8 Uhr dran waren, sehr viel mehr Leid getan, als die, die Samstag in der tiefen Nacht dran waren! So früh musizieren… Wäre bei mir persönlich besonders schwierig… Aber siehe da: Die Obergünzburger erspielten sich 81,71 Punkte und Valmadrera gewann den 1. Preis in der Terza Categoria mit dem Pflichtstück Winter Tour von Angelo Sormani (der im Jahr 2022 viel zu früh verstarb) und dem Selbstwahlstück Fable von Erik Morales. So viel zum Thema Wettbewerbszeiten…

© Beitragsbild: Emilio Santinelli

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    One thought on “Aufregende Tage in Riva del Garda

    • Die Teilnahme war für uns ein wahres Erlebnis und ich kann die Worte von Alexandra gut nachvollziehen, vor allem den Rat an zukünftige Orchester, nicht zu schwierige Stücke zu spielen, um möglichst frei musizieren zu können und sich neben der Technik auf Intonation, Klang und Interpretation konzentrieren zu können, finde ich hilfreich und möchte ich unterstreichen.

      Wir haben mit dem SBO Perg ursprünglich auch eine Teilnahme in der Categoria Eccellenza überlegt, mangels Erfahrung auf internationalem Parket aber schnell verworfen. Wir waren zunächst wirklich gespannt, und später auch beeindruckt von tollen Leistungen, aber gleichzeitig auch irritiert vom teilweise divergierenden Niveau in den einzelnen Kategorien.
      Müsste ich mir als Komponist so manche Darbietung anhören, wüsste ich nicht, ob die Skala von mindestens 70 Punkten (nach unten hin) ausreichen würde…

      Ein großes Kompliment an alle (überwiegenden) Orchester, die es geschafft haben, sich selbst einzuschätzen und damit der qualitätsvollen Musik einen Dienst zu erweisen.

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