Attraktives Wettbewerbskonzept beim Zuger Musikfestival

Letztes Jahr bekam ich vom Ressortleiter Musik im Zuger Blasmusikverband, Roland Hürlimann, eine sehr interessante Anfrage. Er lud mich ein, als Expertin für Auftritt und Visualisierung beim Konzertwettbewerb anlässlich des Zuger Musikfestivals zu fungieren. Ich musste keine Sekunde nachdenken und habe sofort zugesagt. Spannend!

Schon als ich im Vorfeld die Wettbewerbsbedingungen studiert habe, fand ich das Konzept des Wettbewerbs interessant. Am Pfingstwochenende nun habe ich 20 Blasorchestern in Steinhausen bei Zug nicht nur gelauscht, sondern auch genau hingeschaut.

Bei diesem Wettbewerb gab es keine Einstufung in Klassen und auch keine Pflichtstücke. Die einzige Vorgabe war ein Kurz-Konzert von 15 – 20 Minuten vorzubereiten. Erlaubt waren alle Genres. Die Präsentation konnte durch Show-Elemente (Ansagen, Lichtbilder, Video, Tanzeinlagen etc.) ergänzt werden. Die Bewertung der Visualisierung konnte vom jeweiligen Musikverein gewählt werden, war also kein „Muss“.

Die Blasorchester konnten sich durch die Wahl ihres Mini-Konzertprogramms einerseits selbst einstufen andererseits gemäß ihren Stärken musizieren. Ich selbst war bisher immer ein Verfechter von Pflichtstücken, wegen der Vergleichbarkeit. Durch das, dass bei diesem Wettbewerb die Klassifizierung weggelassen wurde und die Orchester nicht innerhalb einer Klasse verglichen, sondern jeweils separat betrachtet bzw. beurteilt wurden, habe ich meine bisherige Meinung grundlegend überdacht. Die unterschiedlichen Genres, die gespielt wurden, haben den Wettbewerb für das Publikum sehr interessant gemacht. Die Musikvereine, die traditionsgemäß wie in Wettbewerben üblich zwei Konzertwerke hintereinander gespielt haben, habe ich persönlich eher als langweilig empfunden. Meine Favoriten in der Programmzusammenstellung waren zwei Vereine, die jeweils einen Marsch, ein Konzertwerk und ein unterhaltendes Musikstück gespielt haben. Und manche Orchester haben für ihr Programm auch einen roten Faden gewählt (davon bin ich ja sowieso ein Fan).

Die Beurteilung für den Konzertvortrag erfolgte mit Prädikaten (ausgezeichnet, sehr gut, gut, genügend) und wurde mit schriftlichen Jury-Berichten mit konstruktiver Kritik ergänzt. Es wurde keine Rangliste erstellt. Der Konzertvortrag wurde jeweils durch drei Experten nach den folgenden Hauptkriterien beurteilt:

Musikalische Kriterien:

  • Stimmung
  • Intonation & Rhythmik
  • Metrik & Dynamik
  • Klangausgleich & Tonkultur
  • Technik
  • Artikulation, Interpretation und musikalischer Ausdruck

Kriterien für den Auftritt und Visualisierung (die ich bewerten durfte):

  • Auftritt
  • Präsentation, Effekte, Innovation, Überraschungsmomente, Publikumsattraktivität, Überzeugungskraft
  • Ausstrahlung, Programmzusammenstellung

Im Anschluss an den Vortrag erfolgte ein Gespräch mit einem der Musik-Experten.

Insgesamt waren vier musikalische Experten im Einsatz: Peter Kleine Schaars, Gilbert Tinner, Thomas Trachsel und Philipp Wagner.

Jury-Team Konzertwettbewerb
Jury-Team Konzertwettbewerb: Gilbert Tinner, Peter Kleine Schaars, Alexandra Link, Thomas Trachsel und Philipp Wagner

Im Konzertwettbewerb traten 20 Blasorchester an. Aus dem Gebiet des Zuger Blasmusikverbands nahmen alle 14 angehörigen Formationen teil.

Eine weitere Besonderheit bei diesem Wettbewerb: Die Blasorchester wussten vorher nur, ob sie am Samstag oder am Sonntag antreten müssen. Die Reihenfolge wurde jeweils in der Früh ausgelost. Im Voraus gesetzt waren die Musikgesellschaft Steinhausen als gastgebender Musikverein am Samstagmorgen um 9 Uhr, sowie die drei teilnehmenden Jugendformationen Jugendmusik Baar, IMRO Fun Brass und BO Cham Hünenberg BoCH. Vorteil dieser Vorgehensweise: Die Musiker:innen der 10 Blasorchester des jeweiligen Tages waren vor Ort und der Konzertsaal immer nahezu voll besetzt. Das gibt natürlich eine viel bessere Atmosphäre als bei anderen Wettbewerben, wo die Musikvereine teilweise nur vor ihrem eigenen mitgebrachten Fan-Club spielen.

Eine Sache ist mir noch positiv aufgefallen: Lediglich drei Orchester haben zuerst einen Choral (außerhalb der Wertung) gespielt und kein einziger Musikverein hat auf der Bühne nochmals gestimmt. Eine Wohltat. Wie oft habe ich es in anderen Wettbewerben erlebt, wie das Orchester auf der Bühne völlig „verstimmt“ wurde…

Parademusik

Ergänzend zum Konzertwettbewerb gab es am Nachmittag Parademusik, also einen Marsch-Wettbewerb. Dieser war für die Blasorchester nicht verpflichtend, aber fast alle, die vormittags im Konzertwettbewerb angetreten sind, haben auch bei der Parademusik mitgemacht. Bei der Parademusik war Richard Schweizer (seit 2014 Spielführer bei der Schweizer Militärmusik) für das Musikalische zuständig und Jessica Wipfli (Absolventin der Rekrutenschule der Schweizer Militärmusik und Musik-Offizierin) nahm sich dem Visuellen an.

Für mich waren diese beiden Tage beim Musikfestival in Zug voller neuer Erkenntnisse und Eindrücke. Und viel Spaß mit meinen Jury-Kollegen und bei vielen Gesprächen mit Festival-Besuchern hatte ich auch. Besonders gefreut habe ich mich, dass ich einige aus der Schweizer Blasmusikszene, mit denen ich schon lange in digitalem Kontakt bin, endlich einmal live getroffen habe!

Mein Wunsch: Vielleicht kann in die Wettbewerbsszene mehr Attraktivität hineingebracht werden, wenn ab und zu dieses Zuger Modell praktiziert wird. Nicht als Standard, sondern abwechselnd zu den anderen bestehenden Konzepten in den unterschiedlichen Blasmusikverbänden. Eine Methode, bei der vielleicht wieder mehr Blasorchester bei dem ein oder anderen Wettbewerb mitmachen (dem einen Orchester liegt das, dem anderen die anderen Methoden…).

Weitere Informationen, die Resultate und eine Fotogalerie: https://www.zugermusikfestival2023.ch/

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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