Vorteile von Jugendkapellen-Kooperationen
10 Erfahrungsberichte aus Deutschland, Österreich und Belgien
Ein Musikverein alleine ist oftmals nicht in der Lage, seinen Zukunftsmusiker:innen das leistungsgerechte Spielen in einem voll besetzten Jugendorchester zu ermöglichen. Aber mehrere Musikvereine zusammen schaffen das! In insgesamt drei Beiträgen zum Thema Jugendkapellen-Kooperationen schreiben 10 Vereinsverantwortliche über ihre Erfahrungen.
Nachdem die 10 Vereinsverantwortlichen aus Deutschland, Österreich und Belgien im ersten Beitrag ihre Kooperationen vorgestellt haben (Beispiele gelungener Jugendkapellen-Kooperationen) erzählen sie in diesem Beitrag von den Vorteilen einer Kooperation. Im dritten Beitrag schließlich werden die Probleme und Herausforderungen thematisiert (Über die Herausforderungen von Jugendkapellen-Kooperationen), die solche Kooperationen mit sich bringen.
Silvia Hackl
„Durch die Zusammenarbeit von zwei Vereinen ergab sich eine wunderbare Besetzung von rund 40 musikalischen Köpfen und das Jugendorchester hat schnell zu einem gemeinsamen Klang gefunden. Wir haben regelmäßig Beiträge (meist 2 Stücke) zu den Jahreskonzerten der beiden Stamm-Vereine beigetragen, die im Frühjahr und im Herbst stattfanden. So hatten wir auf jeden Fall zwei Fixpunkte im Jahr, auf die wir uns vorbereiten konnten. Zwischendurch haben wir aber immer wieder auch eigene Konzerte, manchmal in Kombination mit Ausflügen, organisiert. Das hat den Zusammenhalt des Jugendorchesters sehr gesteigert und sie haben quasi spielerisch den Ablauf und die Tätigkeiten im Vereinsjahr anhand der eigenen Veranstaltungen kennengelernt. Sogar das Marschieren haben wir zusammen geübt. Im Laufe der Zeit konnte das Niveau des Orchesters sehr gesteigert werden, sodass wir damals auch schon bei Wertungsspielen mitgemacht haben. Die Aktivitäten im Jugendorchester haben die jungen Musiker:innen bestens für den Einstieg ins “große” Orchester vorbereitet und sie vor allem sehr zusammengeschweißt. Heute, einige Jahre nachdem ich das Jugendorchester verlassen habe, sind fast alle noch aktive Musiker:innen in den beiden Vereinen. Einige sogar so engagiert, dass sie bereits wichtige Funktionen wie Obmann, Stabführer oder Kapellmeister übernehmen (wollen) und fest im Musikverein verankert sind. Bei Gesprächen mit den mittlerweile groß gewordenen Gründungsmitgliedern des Jugendorchesters erinnern sich alle sehr gerne an die aktive Zeit des Jugendorchesters zurück, die ihre Laufbahn im Musikverein sicher entscheidend geprägt hat.“
Michael Geiger
„Der entscheidende Vorteil für mich ist, dass durch die Einbeziehung aller Bläserklassen und der Musikschule eine gute Besetzung garantiert ist. Ein entsprechender Klangkörper ist für die Musiker und auch mich als Dirigent schöner und ermöglicht, bei der Literatur wenig bis keine Abstriche machen zu müssen. Trotz Zwangspause durch Corona waren alle hochmotiviert, als wir endlich wieder proben durften und wir konnten sogar Zuwächse verzeichnen. Die Musikvereine wiederum haben durch die Finanzierung durch die Gemeinde weniger finanzielle Last und auch kaum organisatorischen Aufwand.“
Ralf Eckert
„Die Vorteile: Vier von Fünfen Vereinen hatten vorher gar kein Jugendensemble für Orchester-Basics. Der MV Rickenbach mit einem eigenen Jugendorchester hat dieses Vorstufenorchester vor einigen Jahren aus dem Verein ausgegliedert somit zum einen die Möglichkeit für alle BJH-Vereine (BJH = Bläserjugend Hotzenwald) geschaffen und zum anderen das Ensemble in einer sinnvollen Grösse gehalten. Nur als Vorstufenensemble des MV Rickenbach hätte es mangels „Nachschub“ nicht überlebt.
Ein weiterer Vorteil ist es, dass die Instrumentalschüler, die teilweise im Partner- oder Dreier-Gruppenunterrricht zusammen sind, auch „im Orchester“ zusammenspielen können.
Gemeinsame Freizeitaktionen und Probenwochenenden kommen derzeit neu in den Focus.“
Petra Springer
Vorteile für die Musikvereine:
- Besetzung ist i.d.R. ausgewogener – Jugendliche lernen auch anspruchsvollere Literatur kennen, der Übergang zu den Vereinen ist fließender.
- Schüler lernen früh einen „Orchesterklang“ kennen.
- Vereine (falls es nicht über eine Musikschule läuft) können sich die Kosten aufteilen
- Vereine kommen sich näher und arbeiten besser zusammen
- Kinder, die es schon mal gelernt haben im Orchester Lehrling, Stift und Meister gewesen zu sein, übernehmen auch später in ihren Kapellen Verantwortung.
Vorteile für musizierende Kinder und Jugendliche:
- Im vollbesetzten Orchester spielen macht mehr Spaß
- Musiker:innen lernen außerhalb ihres „Kreises“ noch andere Jugendliche kennen
- Teilnahme an Wettbewerben / Wertungsspielen ist erfolgreicher
- Es sind größere „Events“ möglich (Ausland etc.)
- Es entstehen Freundschaften und Verbindungen, die ein Leben lang halten!
Michael Jung
- Die Kooperation kam damals aus „gesunden“ Jugendkapellen zustanden. Heißt, wir waren alle gut spielfähig. Dennoch wollte man die Zusammenarbeit und die Musikschule stärken und hat sich weitsichtig für die Kooperation entschieden.
- Zudem wollte man das „Ortschaftsdenken“ der Teilorte überwinden.
- Es ist möglich alters- und leistungsgerechte Literatur zu spielen.
- Es werden tolle Konzertreisen organisiert und es entsteht ein viel größeres Miteinander.
- Auch über die Jugendzeit hinaus entstehen tiefe Freundschaften und die ein oder andere Gruppierung und Band ist aus dieser Kooperation entstanden.
- Zudem gibt es einen höheren Imagegewinn, da das Auftreten der einzelnen Parteien im Verbund viel stärker ist.
- Auch wenn mal ein Verein geringe Jugendzahlen vorweist, hat dies nicht direkt Auswirkung auf die Qualität und Spielfähigkeit des Orchesters. Es kann besser ausgeglichen werden.
Andreas Ziegelbäck
„In allen Vereinen hatten wir den Eindruck, dass neue Jungmusiker:innen am Beginn irrsinnig lange brauchen, bis sie überhaupt verstehen wie eine gemeinsame Probe funktioniert (Was macht der Dirigent? Auf wen soll ich wann und wo hören? Allgemein die Überforderung beim Hören, weil so viele auf einmal spielen. Was ist eine Fermate bzw. wie funktioniert das gemeinsam? Wie verhalte ich mich musikalisch bei einem Ritardando oder Accelerando? Auf Dynamik achten etc…). Die Erleichterung solcher Probleme und vor allem das Kennenlernen dieser musikalischen Parameter ist das Ziel des Jugendorchesters.
Die retrospektive Beurteilung ist zwar oft schwierig, da die meisten Jungmusiker:innen aufhören bei der Jugendkapelle, sobald sie zu den „Großen“ kommen, jedoch weiß ich von einigen, dass sie vor allem die Punkte „Was macht der Dirigent da eigentlich“, „Wie funktioniert eine Fermate gemeinsam“ und „Wie verhalte ich mich bei einem Ritardando und Accelerando“ schon viel besser verstehen, da sie es schon einmal erlebt haben und trainiert haben.
Ein Vorteil, welchen ich zwar lange Zeit nicht auf dem Schirm hatte, welcher mir aber von den Jugendreferenten mitgeteilt wurde, ist, dass sich die jungen MusikerInnen kennenlernen und so auch vereinsübergreifend Freundschaften entstehen, was ich aus musikalischer Sicht wieder für spätere Projekte wie einem Bezirksjugendorchester als Vorteil erachte.“
Steven Gass
„Die Vorteile sind einerseits die Effektivität aber auch der Spaß. Mit den Kindern haben wir auch andere Aktivitäten geplant wie einen Spielenachmittag oder einen Ausflug ins Erlebnisbad. Positive Auswirkungen sind auch, dass die Kinder sich über die Dorfgrenze kennenlernen und gemeinsam musizieren. Eine gewisse Scheu entfällt daher und auch in der Zukunft können solche Kooperationen den Erwachsenen Vorbild sein.“
Andrea Heinrichsmeyer
„Der Grund, aus dem wir uns entschieden haben, zwei relativ gut besetzte und erfolgreiche Jugendorchester zusammenzulegen, war, dass wir zum einen damit eine zuverlässigere gleichmäßige Besetzung des Orchesters haben. Wenn im einen Verein einmal in ein, zwei Jahrgängen nur wenig Blechbläser in der Ausbildung sind, dann gleicht sich das aus zwei Vereinen heraus besser aus.
Außerdem ist die Auswahl der Stücke reichhaltiger, wenn das Orchester größer ist. Sehr oft können damit auch Wünsche der Kids z.B. aus Film- oder Popmusik umgesetzt werden, was dann besonderen Spaß macht und zum weiteren Üben motiviert. Dadurch, dass die Jugendlichen über mehrere Jahre und auch parallel zum großen Orchester noch eine Zeit lang mitspielen, sind neben den „Neuen“ immer auch schon erfahrenere Musiker:innen dabei, so dass auch anspruchsvollere Stücke gespielt werden können. Auch für diese ist meist eine größere Besetzung hilfreich – ein weiterer Grund, die Anzahl der Spieler:innen durch die Zusammenlegung zu vergrößern.
Ein Vorteil, der sich in den Jahren, die wir jetzt schon so zusammenarbeiten eindeutig auch ergeben hat ist, dass die Musiker:innen sich durch die lange Zeit zusammen gut kennen und auch Freundschaften entstehen. Nicht zuletzt dadurch ist es immer eine Selbstverständlichkeit für die meisten, beim anderen Verein auch mal auszuhelfen, falls jemand ausfällt. Einzelne entscheiden sich später auch dazu, in beiden Vereinen mitzuspielen.
Auch bei der Planung von Freizeitaktivitäten ist die Zusammenarbeit sehr hilfreich. Zum einen steht das finanzielle Budget aus zwei Vereinen zur Verfügung, zum anderen kommen auch Ideen und Helfer aus zwei Vereinen zusammen.“
Katrin Fraiß
„Da das Gasteinertal und seine fünf Musikvereine bis vor ungefähr 10 Jahren vor allem durch erbarmungslosen Konkurrenzkampf und Eifersüchteleien ziemlich entzweit waren, ist der größte Vorteil dieser Kooperation, dass die Vereine wieder näher zusammengerückt sind. Früher konnte es vorkommen, dass der Kapellmeister seinen Jungmusikern verbot, mit Musikern der anderen Vereine zu sprechen. Diese Zeiten sind jetzt vorbei. Alle Vereine existieren auf gleicher Höhe nebeneinander und die Kinder und Jugendlichen wissen genau, welchem Verein sie zugeordnet sind, jedoch ist der Austausch zwischen den Vereinen nicht mehr negativ behaftet, sondern wird nun sehr begrüßt.
Ein weiterer großer Vorteil ist, dass die Jungmusiker:innen eines Vereins wohl keine spielfähige Besetzung zusammenbringen würden und durch die Teilnahme von fünf Vereinen ein beachtliches 40-köpfiges Orchester zustande gekommen ist.“
Pascal Severin
„Auf Grund der Zusammenarbeit können die anfallenden Kosten auf beide Vereine aufgeteilt werden. Beispielsweise das Dirigenten-Honorar oder die Kosten für neue Noten werden von beiden Seiten getragen.
Die Kinder haben durch die Kooperation die Chance in einem größeren Orchester zu spielen. Wenn die Vereine ihre eigenen Jugendorchester hätten, würde bspw. in dem einen Jugendorchester der Hornsatz fehlen und dem anderen das Flötenregister. In der aktuellen Konstellation lassen sich somit Stücke für ein ganzes Orchester spielen.
Ein weiterer positiver Aspekt ist die Förderung der sozialen Kontakte, denn die meisten Kinder besuchen teilweise die gleiche Schule. Durch die Zeit welche gemeinsam verbracht wird, sehen sich die Kinder häufiger und verstehen sich mit der Zeit viel besser. Dies fördert das allgemeine musikalische Spielen, da ein Orchester mit guter Gemeinschaft in der Lage ist, gemeinsam fordernde Stück aufzuführen / zu spielen.“
Ein herzliches Dankeschön an Silvia Hackl (AT), Michael Geiger (DE), Ralf Eckert (DE), Petra Springer (DE), Michael Jung (DE), Andreas Ziegelbäck (AT), Steven Gass (BE), Andrea Heinrichsmeyer (DE), Katrin Fraiß (AT) und Pascal Severin (DE) für ihre Beiträge!
Die Serie Jugendkapellen-Kooperationen im Überblick:
Beispiele gelungener Jugendkapellen-Kooperationen
Vorteile von Jugendkapellen-Kooperationen
Über die Herausforderungen von Jugendkapellen-Kooperationen
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