Generationenübergreifende Vereinsführung

Gemeinsam ist man einfach mehr

Ein Gastbeitrag von Jutta Mettig

Jutta Mettig
Jutta Mettig

Es ist Sonntagmorgen, 08:30 Uhr, in knapp drei Stunden beginnt unser Auftritt. Es blinken in der Nachrichtengruppe meines Vereines verschiedene Nachrichten auf. Rückfragen nach Abfahrtszeiten und -Ort oder Mitfahrgelegenheiten, eine Krankmeldung erscheint auf meinem Display. Minuten später kommt die Nachricht, dass nun doch zwei Musiker (Klarinetten) mitkommen, die sich bereits seit Wochen für diesen Termin abgemeldet hatten, weshalb ich Termine verschoben hatte, damit der Verein wenigstens mit „etwas Holz“ auf der Bühne aufspielt. Einerseits freut es mich, auf der anderen Seite ärgere ich mich über diese, „Chill mal-Haltung“ der Mittzwanziger.

Sie werden sich jetzt fragen, was dies mit dem Thema: Generationenübergreifende Führung im Verein/Verband zu tun hat. Es sind genau diese Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen und die doch anders sind als noch vor Jahren. Bis zu 6 Generationen finden wir in unseren aktiven Reihen in den Vereinen. Altersunterschiede mit bis zu 70 Jahren liegen hier vor. Die klassischen Führungsstile und Führungsregeln, welche in der Arbeitswelt eingesetzt werden, greifen im Vereinsleben nicht oder bedürfen, wenn überhaupt, eines wohldosierten Einsatzes.

Unklarheiten und differenzierte Betrachtungsweisen führen zu Konfliktfeldern

Zielorientiert, Direktiv, Kooperativ, Teamorientiert oder Laissez-Faire?
Vor allem, wenn es darum geht, wie und mit welchen Werten ein Verein geführt werden sollte, werden pauschale Vorurteile gegenüber einzelnen Generationen häufig deutlich. Deshalb entstehen hier Konfliktfelder zwischen allen Generationen.

  • Wie verstehen wir den Verein und unsere Vereinskultur?
  • Welche Werte leben wir?
  • Wie ist Erfolg im Verein definiert?
  • In welcher Lebensphase stehen die Mitglieder?

Wo sind dabei im gesamten Kontext die Gemeinsamkeiten, wo die Differenzen?

Es ist für jede Vereinsführung wichtig und essentiell, sich mit dem Generationenmanagement und dem Führen von altersgemischten Teams zu beschäftigen.

Vielfalt und die Individualität sind entscheidend

Vornehmlich in meiner Betrachtung für diesen Artikel sehe ich die vielen Musikvereine, die als Dorf- oder Stadtverein unsere Kultur bereichern und prägen. 

Bestimmte Gemeinsamkeiten prägen jeweils eine Generation. Diese Einteilung ist bitte mit einer gewissen Pauschalisierung zu betrachten, denn jeder von Ihnen kennt sicherlich eine Person in seinem Umfeld und aus einer bestimmten Generation, die nicht dem hier umrissenen Bild entspricht.

Jede Generation ist nicht schlechter oder besser, sie ist anders!

Die Generation der Traditionalisten (bis 1945 geborene) sind geprägt durch die Geschichte unserer Zeit. Vereinzelt sind sie in unseren Vereinen als aktive Musiker/innen noch tätig, häufig als Ehrenmitglieder, Ehrenvorsitzende und als Freunde und Förderer. Sie haben den Verein in der Historie geprägt, häufig diesen nach 1945 wieder auferstehen lassen oder ihn in den 50er, 60er, 70er Jahren gegründet. Die Vereinsführung war zu ihrer Zeit vornehmlich direktiv geprägt und man folgte den Anweisungen. Diskutiert wird gerne – auch mit dem üblichen Argument „das war schon immer so“. Pflichtbewusstsein, Loyalität prägen sie und ihr Wissen über die Vereinsgeschichte ist wertvoll.

Die Generation der Babyboomer (bis 1965) – Leben, um zu arbeiten
Sie machen derzeit in vielen Vereinen/Verbänden eine große Anzahl aus und sind oftmals in verantwortlicher Funktion tätig. Auch sie sind in einer Vereinsführung mit eher direktivem Charakter „groß“ geworden und tun sich manchmal schwer, getroffene Entscheidungen kurzfristig zu ändern. Sie sehen die Aktivität im Verein neben dem Hobby auch als eine Verpflichtung an: dabei zu sein, mitzumachen und dem Verein damit eine Art „Gegenleistung“ zu erbringen. Der Verein ist oftmals auch wie eine Familie für sie.  
Neben dem Spaß sind hierbei auch Pflichtgefühl, Zuverlässigkeit und Loyalität prägende Werte dieser Generation. Das persönliche Gespräch als Kommunikationsweg ist für die zwischen 1945 bis 1965 Geborenen am wichtigsten. Viele packen jederzeit mit an und helfen wo es geht und sofern es gesundheitlich noch möglich ist. Aber eben genau diese Generation fehlt dann in der Zukunft. Je nachdem aus welcher Dekade diese Generation kommt, befinden sie sich langsam auf dem Weg in die Inaktivität.

Die Generation der X´ler (1966 – 1979) – Arbeiten, um zu leben.
Sie stehen heute mitten im Leben. Arbeit, Familie und Freizeit unter einen Hut zu bringen, ist für diese Generation nicht immer einfach. Sie füllen oftmals Doppelrollen aus, übernehmen sie auch bereits pflegende Aufgaben in der Familie und versuchen, wenn möglich dabei noch ihrem Hobby nachzukommen oder diesem gerecht zu werden. Dabei gibt es dann auch Zeiten, in denen die Familie wichtiger ist als ein Auftritt oder der Dienst beim vereinseigenen Fest. Gleichzeitig machen Sie meist alles möglich, um bei anstehenden Terminen dabei zu sein. Auch um sich, in der gegebenen Verpflichtung gegenüber dem Verein, treu zu bleiben.

Wenn wir uns die Workaholics unter ihnen anschauen, dann gefällt es ihnen, Verantwortung zu übernehmen – sowohl im Beruf wie auch im Verein. Dabei kommt es vor, dass sich diese Rollen vermischen, die Grenzen sind dabei oftmals fließend und nicht genau erkennbar. Geprägt sind sie ebenfalls von Werten wie Zuverlässigkeit, Loyalität und Ausdauer, die Dinge müssen effektiv und effizient laufen. Die Meinungen anderer Mitglieder sind ihnen wichtig, um sich gegenseitig zu motivieren. Andererseits können diese Personen auch sehr ausgeprägte direktive Züge annehmen und dann wiederum nur schwer delegieren oder Aufgaben abgeben.  

Die Generation Y (1980 – 1997) – Arbeit und Leben verbinden
Die gute Mitte der 20 bis 39-jährigen Musikerinnen und Musiker in unseren Vereinen und leider kein seltenes Bild: es fehlen ganze Jahrgänge von ihnen, bedingt durch den Wegzug durch Studium oder Berufstätigkeit. Viele von Ihnen konzentrieren sich auf ihre aktuelle Lebensphase. Die Y´ler sind mit dem Wissen groß geworden, dass sie alles tun und erreichen können und dennoch fehlen ihnen häufig strukturelle Vorgaben und insbesondere die Begleitung bei der ersten Übernahme von Verantwortung.
Auch „Generation Me“ genannt, achtet sie sehr auf ihre eigenen Bedürfnisse, möchte sich nicht verpflichten oder nur dann, wenn sie einen Mehrwert und Sinn für sich darin sieht. Offene Aussprachen sind häufig an der Tagesordnung, Kritik wird direkt und schonungslos geübt, Erwartungen und Wünsche kommuniziert. Hierarchien sind für sie häufig nur Gebilde und nicht unbedingt aussagefähig. Es wird auf der gleichen Ebene kommuniziert. Sie sind teilweise mit ihrer Lebensphase so beschäftigt, dass sich eine Frage zur Übernahme von Verantwortung oder auch Pflichten bei manchen von ihnen vorerst erübrigt.  

Die Generation Z (1998 – 2010) – Arbeit ist nur ein Teil des Lebens
Sie sind heute die Teens und jungen Erwachsenen im Verein. Sie kommunizieren anders, digital und medial und stehen mitten in Schule, Ausbildung, Studium oder starten in die Phase des Berufslebens. Sie suchen, anders als die Generation Y eher die Trennung zwischen Privat und Arbeit und auch der Verein zählt dabei nicht unbedingt zum engsten Kreis des Privaten. So gilt er eher einer der Arbeitswelt zuzuschreibenden Verpflichtung in der sie gerne feste Strukturen sowie den Sinn suchen. Ergibt etwas für sie keinen Sinn, machen sie es oftmals nicht. Verantwortung übernehmen können sie sich grundsätzlich vorstellen, jedoch ohne den Druck oder damit verbundenen Konsequenzen der Verpflichtung. Die eigene Entfaltung wird vielmehr in der Freizeit und im Kontakt mit dem Freundeskreis gesehen. Die Leistungsbereitschaft ist insofern vorhanden, wie sie den Mehrwert für sich selbst darin erkennen. Oftmals musikalisch zwar gut ausgebildet ist der Probenbesuch oder die Teilnahme an Auftritten etc. – insbesondere in den Zeiten von Ganztagsschule, Studium und Partys – oftmals eher zweitrangig.  

Die Generation Alpha (2010 – 2025) unser Vereinsnachwuchs
Wir wissen, dass sie schon das Scrollen lernen, bevor sie sprechen können und sie wachsen mit einer Technik auf, die auf sie zugeschnitten ist. Weltweit verbringen Vorschulkinder im Durchschnitt 14 Stunden pro Woche mit digitalen Geräten. Sie beeinflussen schon in jungen Jahren und zum Teil in hohem Maße die Eltern und diese – oftmals von dem schlechten Gewissen, der Doppelberufstätigkeit geplagten – geben den Wünschen der Kinder statt. So ist es häufig nicht verwunderlich, dass sie nur bedingt das Durchhaltvermögen mitbringen, ein Instrument zu erlernen und sich zu einer regelmäßigen Probenteilnahme zu verpflichten.

Generationenübergreifende Führung – gemeinsam ist man mehr

Baby Boomer erwarten Partizipation, Konsens und Entscheidungstreue. Sie präferieren Teamarbeit und vermeiden möglichst Konflikte. Wertschätzung und Verlässlichkeit sind ihnen wichtig. Sie stecken aber auch häufig im Entscheidungsdilemma, einmal getroffene Entscheidungen werden selten kurzfristig revidiert.

Gen X´ler sind eher kooperativ geprägt, unkompliziert aber eben auch direkt. Sie konzentrieren sich auf Ergebnisse und möchten genau das tun, was zur Zielerreichung notwendig ist – egal ob gemeinsamen beschlossen oder auch nicht. So führen sie auch meist, ergebnis- und zielorientiert.

Gen Y´ler erwarten dagegen eine lösungsorientierte, faire und „freundschaftliche“ Zusammenarbeit. Die Teammitglieder werden als gleichwertig und auf Augenhöhe, mit jeweils unterschiedlichen Verantwortungen und Aufgaben gesehen. Die Generation auch „Why“ genannt, diskutiert gerne getroffene Entscheidungen und Regelungen. Einschätzungen werden eingeholt und Informationen in Form des „Schwarmwissens“ geteilt.

Gen Z´ler sind sich darüber bewusst, dass durch die Digitalisierung die Arbeit immer und von überall möglich ist. Für sie bedeutet dies jedoch nicht, dass die Arbeit nach Feierabend mit nach Hause oder in den Urlaub mitgenommen wird. Die GenZ möchte gezielt zwischen Beruf und Privatleben differenzieren und so auch in den Vereinsaktivitäten.

Neben einer offenen Kommunikation sowie der gegenseitigen Wertschätzung gibt es als eine Möglichkeit des erfolgreichen Zusammenarbeitens den Dialog der Generationen.

Sprechen Sie dabei mit allen Vertretern der verschiedenen Altersstrukturen und Lebensphasen über den Vereinsalltag und erörtern Sie deren Wünsche und Vorstellungen in Bezug auf Vereinsführung und Attraktivität als Verein. Für jeden hat der Verein nämlich eine andere Bedeutung. Weiterhin bedeutet dies: Die individuellen Anforderungen sowie die Wünsche zur Vereinbarkeit von Berufs-, Privat- und Vereinsleben sollten erhoben, sowie der unterschiedliche Wissens- und Erfahrungsstand berücksichtigt werden. So können anschließend Ideen und Maßnahmen umgesetzt werden, die eine gemeinsame erfolgreiche Vereinsarbeit gewährleisten. Darüber hinaus gilt es, die Konfliktpotenziale zwischen den Generationen zu identifizieren.

Und weiterhin: die Übernahme von Verantwortung will gelernt werden. Auch wenn es uns früher keiner beigebracht hat, heute erwarten dies die Y´ler und Z´ler und wir sollten ihnen das im Sinne unseres Vereins auch zuteilwerden lassen.

Wie Sie mit weiteren Tipps und Impulsen die verschiedenen Generationen im Verein erfolgreich führen, erfahren Sie auf dem IBK – Internationalen Blasmusik Kongress vom 16. – 19.01.2020 in Neu-Ulm im Workshop der Autorin Jutta Mettig am 16.01.2020 um 16:30 Uhr.

Jutta Mettig, ist Betriebswirtin, Trainerin sowie Business Coach und war rund 20 Jahre als Managerin und Geschäftsführerin, mit einer Personalverantwortung von bis zu 70 Mitarbeitenden tätig, bevor sie ihre Beratungsgesellschaft gründete.

Als Kind eines Musikerhaushaltes war die Musik schon immer ein wichtiger Baustein in ihrem Leben und ist seit dem Kindesalter voll integriert. Sie ist Sängerin, spielt Klarinette und engagiert sich zudem seit 20 Jahren als Vorstand/Vorsitzende u.a. in Musikvereinen, Chören und Verbänden.

Als Trainerin und Business Coach begleitet sie seit über 20 Jahren Menschen in Führungsaufgaben und Unternehmen in der Entwicklung und Orientierung. Mit ihrer Erfahrung aus der Personal- und der Geschäftsführung entwickelt sie gemeinsam mit ihren Kunden Ideen, für eine individuelle und erfolgsorientierte Unternehmensführung in der Zukunft. Übertragen auf die Vereinsarbeit gibt sie das Wissen bei Verbänden und Vereinen an andere Vorstands- und Verbandsmitglieder.

Sie ist Vorsitzende im heimatlichen Musikverein und im Kreismusikverband Mayen-Koblenz als Medienverantwortliche tätig. Außerdem Mitglied des Vorstandes der Landesmusikjugend Rheinland-Pfalz.

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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