Gestärkt durch die Krise: Ein Erfahrungsbericht

Ein Gastbeitrag von Marcus Weimer von den “Brass Cats” aus Kaiserslautern

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Wie alle Musikvereine standen auch wir – die “Brass Cats e.V.” aus dem rheinland-pfälzischen Kaiserslautern – im letzten Jahr vor der Frage, wie mit der Situation in einer Pandemie und vor allem in einem Lockdown am besten umzugehen ist. Unser Verein ist ein Blechbläserensemble nach Vorbild des berühmten “Philip Jones Brass Ensemble” und probt normalerweise wöchentlich am Montagabend. Nach kurzer Überlegung war klar, dass wir moderne Kommunikationswege nutzen wollen, um in Kontakt zu bleiben und dies am besten zum üblichen Zeitpunkt, um so viel Normalität wie möglich zu wahren.

Doch womit füllt man die virtuelle Probenzeit? Nur “sich treffen”, um wenigstens den sozialen Kontakt zu erhalten? “Musik machen” – mit allen daraus folgenden technischen Fragestellungen und Problemen?

Die Antwort darauf entwickelte unser musikalischer Leiter Malte Müller (hauptberuflich Posaunist im Orchester des Pfalztheaters Kaiserslautern) gemeinsam mit uns aus verschiedenen “losen Enden”:

  • Was ist überhaupt virtuell sinnvoll machbar?
  • Gibt es etwas, dass uns zumindest hilft, bläserisch fit zu bleiben (und uns eventuell in Teilbereichen sogar weiterzuentwickeln)?
  • Was sind die gesundheitlichen Herausforderungen der Pandemie und kann das Musizieren (und hier speziell der uns gebliebene kleine digitale Teilausschnitt) hier helfen?

Wie allgemein bekannt gab es nun zunehmend Informationen in der Öffentlichkeit über physische und psychische Schäden durch die Corona-Pandemie. Vor allem bei zwei Bereichen wurden wir hellhörig: Covid greift (nicht nur, aber verstärkt) die Lunge an und die notwendigen harten Maßnahmen führen zu mentalen Belastungen.

Wie kann man dem begegnen und kennen wir denn aus dem Musik- und Bläserbereich nicht passende Übungen? Nach den ersten schweren Krankheitsverläufen in Deutschland häufte sich die Berichterstattung sowohl über Menschen, die sich zurück ins Leben kämpfen müssen als auch über Menschen, die durch die psychische Belastung Schaden erleiden. Dabei wurde viel über die notwendige Nachsorge gesprochen.

Für uns öffnete sich in diesem Moment die Perspektive und die “losen Fäden” konnten zusammengeführt werden. Die Lösung: Ein Trainingsprogramm (entwickelt und angeleitet durch unseren Dirigenten), das bei einer Digitalkonferenz im Rahmen der üblichen Probenzeit funktioniert, uns bläserisch fit hält und weiterbringt, den Stress der Arbeitswoche in unseren normalen Berufen unter Pandemiebedingungen abbaut und Lunge und Seele stärkt, also gesundheitlich vorbeugt!

Hierfür sind unsere Meetings in verschiedene Phasen geteilt:

1. Nach einer kurzen Begrüßung beginnen wir mit Mentaltraining. Im Rahmen unserer Teilnahme am DOW 2016 in Ulm hatten wir das sogenannte “Centering” von Don Greene in unsere Probenarbeit eingeführt und nach einer Pause (in der wir uns einer anderen Methode zugewandt hatten) dieses nun wieder “herausgeholt”, da es hervorragend virtuell funktioniert. In verschiedenen Schritten beruhigt man die Atmung, entspannt die Muskulatur, findet die Körpermitte (=”Centering”) und stellt sich mit Hilfe von Schlüsselbegriffen mental auf die zu meisternde Aufgabe ein. Anfangs tut man dies in einer etwas längeren (ca. 60 Sekunden) dauernden Fassung, die man mit zunehmender Vertrautheit bis auf einen (!) Atemzug verkürzen kann.         

2. Die zweite Phase ist die zeitliche ausgedehnteste: Atemtraining! Hier kam uns zugute, dass wir seit der Verpflichtung von Malte Müller als Dirigenten 2014 unsere Proben immer mit gemeinsamen Atemübungen beginnen. Nachdem wir verschiedene Methoden ausprobiert hatten, zeigte sich die für unsere Zwecke am besten geeignete. Dies sind mehrere Übungen, die der dänische Trompeter Kristian Steenstrup nach Ideen von Arnold Jacobs neu geordnet und zusammengestellt hat.

Neben dem reinen “Training” werden hierbei vor allem auch auf einfache Weise bläserische Inhalte wie Ansatzform oder Anstoß neu konditioniert, so dass wir ohne gemeinsam spielen zu dürfen trotzdem etwas für unsere “Fundamentals” tun können.

Ergänzt werden diese Übungen, die in Originalgestalt etwa 15 Minuten dauern, durch Übungen aus dem bekannten Breathing Gym und aus Körperübungen etwa aus dem Yoga, Stretching, der Progressiven Muskelentspannung u.v.m..

3. Nach dem Atemtraining beenden wir den “musikalischen” Teil mit einem weiteren Durchlauf “Centering”. Zumeist dauern unseren Sitzungen bis dahin etwa 60 Minuten. Im Anschluss kommt dann der “gesellige” Teil – Vereinsarbeit und natürlich auch einfach “Small Talk”.

Wir können davon berichten, dass es uns so möglich gewesen ist, die schwere Zeit bisher gut zu meistern. Ein sehr hoher Prozentsatz des Ensembles schafft es, trotz pandemiebedingter beruflicher und familiärer Mehrbelastung dabei zu sein und alle Teilnehmer*innen berichten regelmäßig vom positiven Nutzen sowohl im bläserischen als auch im gesundheitlichen Bereich. Wir konnten sogar eine neue Posaunistin für unser Ensemble hinzugewinnen – ohne eine einzige “echte” Probe! 

Wer sich für unser System interessiert, ist herzlich eingeladen Kontakt mit uns aufzunehmen.
Kontakt: www.brasscats.org

Pilafian/Sheridan: The Breathing Gym

Hier noch ein paar Literaturtipps zu unseren Inhalten:

Centering:
Don Greene: Performance Success
www.winningonstage.com

Atmung:
Kristian Steenstrup: Teaching Brass und Blow your mind (hier auch “Centering”!)
www.playwithapro.com (Atemkurse mit K. Steenstrup allgemein und speziell für diverse Instrumente)
Sam Pilafian und Patrick Sheridan: The Breathing Gym
Bruce Nelson: Also sprach Arnold Jacobs

Das Ensemble

Das „Blechbläserensemble Brass Cats e.V.“ besteht aus Musikerinnen und Musikern aus der Pfalz, die sich neben ihren eigentlichen Berufen mit hohem ideellen Einsatz der Kammermusik widmen. Wir interpretieren in 10-er Besetzung Musik aus allen musikalischen Stilrichtungen sowohl in Originalkompositionen als auch Bearbeitungen von der Renaissance bis hin zu Werken zeitgenössischer Komponisten. 

Die BrassCats geben Konzerte, gestalten festliche Umrahmungen, spielen bei verschiedensten Gelegenheiten und musizieren gemeinsam mit Chören oder anderen Instrumentalensembles. Neben der Veranstaltung regelmäßiger Konzerte in den Kirchen der Pfalz und in der Reihe der Klassik Konzerte im Congress-Center Ramstein wirken wir an weiteren unterschiedlichen weltlichen Veranstaltungen mit.

Brass Cats
Brass Cats

Zu den Höhepunkten der Vereinshistorie gehören Auftritte bei Sendungen des Südwestrundfunks, eine Konzertreise nach Marokko auf Einladung der Deutschen Botschaft, eine Konzertreise 2018 mit Frau Prof. Christiane Michel-Ostertun nach Lettland, eine Uraufführung und CD-Einspielung der Komposition „Fancy“ für Solo-Tuba des Landauer Komponisten Jürgen Pfiester mit Solist Markus Hötzel vom NDR-Sinfonieorchester 1998, die Eröffnung des Weihnachtskonzertes des Bundespräsidenten Horst Köhler 2004 mit Ausstrahlung im ZDF, die Umrahmung der Festveranstaltung des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie 2011 in Berlin und 2017 in München, sowie Solokonzerte, u.a. mit Thomas Leyendecker 2011, Bassposaunisten der Berliner Philharmoniker. Seit Sommer 2014 werden wir von Malte Müller, Posaunist am Pfalztheater Kaiserslautern, geleitet.

Die BrassCats erhielten mehrfache Auszeichnungen bei Landesorchesterwettbewerben in Rheinland-Pfalz und beim Deutschen Orchesterwettbewerb des Deutschen Musikrates. So wurden wir 1996 in Gera als bestes deutsches Blechbläserensemble in der Kategorie Amateure ausgezeichnet. Damit ging dieser Titel erstmals in der Geschichte des Wettbewerbs nach Rheinland-Pfalz. Den Erfolg konnten wir bei den folgenden Wettbewerbsteilnahmen in den Jahren 2004 in Osnabrück, 2008 in Wuppertal und zuletzt als Preisträger des 9. Deutschen Orchesterwettbewerbs 2016 in Ulm wiederholen. (Kontakt: www.brasscats.org)

Der musikalische Leiter

Malte Müller in einer Probe der Brass Cats
Malte Müller in einer Probe der Brass Cats (vor Corona)

Malte Müller wurde in Kiel geboren und wuchs in Herzberg am Harz auf. Während seiner Schulzeit dort genoss er die musikalische Basisausbildung auf der Posaune, dem Klavier und im Dirigieren an der Kreismusikschule Osterode. Nach dem Abitur leistete er seinen Wehrdienst im Marinemusikkorps Ostsee Kiel. Anschließend studierte er Posaune an den Musikhochschulen Detmold und Lübeck und schloss seine Ausbildung als Diplom-Orchestermusiker und staatlich geprüfter Instrumentalpädagoge ab. Während des Studiums war Malte Müller Praktikant bei den “Hamburger Symphonikern” und spielte seitem in zahlreichen deutschen Kulturorchestern als Aushilfe. Seit 1998 ist er festangestelltes Mitglied im Orchester des Pfalztheaters, wo ihm im Jahr 2008 der Titel eines “Kammermusikers” verliehen wurde. Als Juror wirkte er u.a. bei “Jugend musiziert”, beim rheinland-pfälzischen und beim niedersächsischen Orchesterwettbewerb mit. Von ihm geleitete Ensembles nahmen erfolgreich an Wertungsspielen und Wettbewerben teil, u.a. “Bw Musix” und dem “DOW”. 2014 übernahm Malte Müller die Leitung des Blechbläserensembles Brass Cats e.V..  

Ein herzliches Dankeschön an Marcus Weimer für diesen Beitrag und die Empfehlungen!

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Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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