Große Dirigenten, große Fragen: Alex Schillings

Ein Gastbeitrag von Dirk Verholle

Dies ist der dritte Beitrag einer Serie von Interviews mit großen Dirigenten. Die Interviews führt Dirk Verholle, der Redakteur der Verbandszeitschrift Klankboard von VLAMO, dem flämischen Musikverband. Diesmal hat Dirk seine Fragen an Alex Schillings gestellt, dem ehemaligen Kapellmeister der Johan Willem Friso Kapel Assen und der Koninklijke Militaire Kapel Den Haag. Derzeit ist er Hauptstudienleiter Hafabra-Direktion (Blasorchester-Direktion, Brass Band und Fanfareorchester eingeschlossen), angeschlossen an ArtEZ und das Königliche Konservatorium Den Haag und Haupt-Dozent am ISEB (Istituto Superiore Europeo Bandistico/Europäisches Blasorchester-Institut).

Mit ein paar Fragen versuchen wir, in die Köpfe einiger großer Dirigenten zu schauen. Wie denken sie als professionelle Dirigenten eines Berufsorchesters über ihr Repertoire nach? Ihre Tipps und Tricks können Dirigenten bei ihren Entscheidungen für Amateurorchester inspirieren.

Alex Schillings
Alex Schillings

Wie sieht für Sie ein erfolgreiches Konzertprogramm aus?

Alex Schillings: „Für mich steht die Freude am Spiel über allem. Wenn die Freude am Spielen da ist, kommt sie auch beim Publikum an. Die Weigerung, schlechte Noten zu spielen, ist ein wichtiges Motto. Eine gute Kombination von Werken hat als übergeordnetes Ziel die Einheit des Programms und ist eine zusätzliche Arbeit.”

Wie erreicht man ein Konzertprogramm, das sowohl den Musikern als auch dem Publikum Spaß macht?

Alex Schillings: “Dies hängt von zahlreichen Faktoren ab, nicht zuletzt vom Ort des Konzerts und der Akustik. Die Programmierung im Voraus mit dem Wissen, welches Publikum anwesend sein wird, ist logisches Denken und Handeln. Für mich sollte jede Komposition das Orchester in seiner Entwicklung weiterbringen.“

Transkriptionen und Bearbeitungen oder Originalwerke?

Alex Schillings: „Eine gute Kombination ist der Schlüssel. Die Entwicklung eines Orchesters mit soliden Transkriptionen ist ein Muss, und auf der anderen Seite ist die Programmierung solider Originalwerke mindestens genauso wichtig. Nur Transkriptionen zu programmieren, lehne ich ab. Die Arrangements müssen die Kraft haben, die DNA des jeweiligen Orchestertyps zu erreichen.”

Wie trifft man eine Auswahl in der Flut von Neuerscheinungen, die Dirigenten jedes Jahr überschwemmt?

Alex Schillings: „Als Hauptstudienleiter warne ich meine Studenten vor diesem massiven Overkill. Wer regelmäßig Neuerscheinungen unter die Lupe nimmt, kommt immer wieder zu dem Schluss, dass Komponieren ein Beruf ist. Das Überangebot an fragwürdigen Kompositionen tut der Blasmusik keinen Gefallen. Ich verfolge alle Entwicklungen und Impulse im Repertoire.”

Was macht generell eine gute Komposition aus und wann ist eine Komposition für Sie besonders gelungen?

Alex Schillings: „Das hängt von der Form, dem Stil, der Orchestrierung, der Harmonisierung, den Haupt- und Nebenelementen, starken Melodien und der (immer seltener werdenden) Polyphonie ab.”

Welche Empfehlungen würden Sie Kollegen für die Zusammenstellung von Konzertprogrammen geben?

Alex Schillings: „Für mich hat ein gutes Programm mehrere Wege:

  • Die Spannung des Gesamtprogramms und dann natürlich zwischen dem ersten und dem letzten Werk. Das erste Werk weckt beim Publikum eine Erwartung an das, was es erwartet.
  • Platzieren Sie das wichtigste Werk, das Hauptwerk, an der richtigen Stelle.
  • Verstärken Sie das Hauptwerk, indem Sie eine starke Komposition davor und danach platzieren. Das Werk davor kann ein Sprungbrett sein, das Werk danach kann eine musikalische Reflexion sein und nicht eine Komposition, die vom Hauptwerk ablenkt.
  • Ein Gesamtprogramm hat eine angenehme Dauer von effektiv 50 Minuten.
  • Ich bin kein Fan von Cocktailprogrammen, die viele Stile beinhalten.
  • Ich empfehle jedem das Buch von Maarten Brandt: Klingende Alchemie.”

Was war für Sie bisher Ihr erfolgreichstes Konzertprogramm und warum?

Alex Schillings: „Ars Gallica mit der Banda Sinfonica Portuguesa. Ein französisch orientiertes Programm mit:

  1. Marche Ecosaisse (Claude Debussy/Fran Scheepers)         
  2. Trois Pieces Pittoresques (Emanuel Chabrier/D. Dondeyne)
  3. Aubade (Francis Poulenc)
  4. L’Oiseau de Feu (Igor Stravinsky/F. Fennell)”

Was wünschen Sie sich von Komponisten einerseits und Verlegern andererseits für die Zukunft?

Alex Schillings: „Dass es viel mehr Bewusstsein für die Erhaltung der klanglichen Identität der europäischen Blasmusik gibt. Nur wenige Komponisten sind sich dessen bewusst. In der Blasmusik regiert die Globalisierung. Praktisch alle Orchester klingen gleich, unabhängig von dem Repertoire, das sie spielen. Warum sollte eine englische Militärkapelle gleich klingen wie eine spanische Banda?”

Abschließend: Gibt es Werke auf Ihrer Wunschliste, die Sie noch nicht aufführen konnten, aber unbedingt aufführen möchten?

Alex Schillings:

  • Glosses II (Amando Blanquer Ponsoda)
  • Rebroll (Salvator Bretons)
  • Snake Alley (David Dzubay)
  • … and the mountains rising nowhere (Joseph Schwantner)
  • Symphonie no 6 (Vincent Persichetti)
  • Symphonie no 3 (Vittorio Gianinni)

Nebenbei noch etwas zur “Zugabe”: was passt, was passt am besten und welche Literatur eignet sich dafür?

Alex Schillings: “Eine Zugabe macht die Wirkung eines guten Programms zu oft zunichte. Wenn ich in einem guten Restaurant ein leckeres Essen gegessen habe, verlange ich auch kein Eis zum Nachtisch! Eine Zugabe sollte das gleiche Niveau haben wie das Konzertprogramm. Außerdem sind es die letzten Eindrücke des Publikums.”

Die Serie im Überblick:
Norbert Nozy
Tijmen Botma
Alex Schillings
Alain Crepin

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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