Über die Harmonie zwischen jung und jung gebliebenen in unseren Blasorchestern

In meinem Beitrag Blasorchester: Ein Generationenprojekt! habe ich schon berichtet, dass es in vielen Musikvereinen als sehr besonders angesehen wird, dass „Jung“ und „Alt“ gemeinsam musizieren und ihre Freizeit verbringen. Ich habe bei acht Vereinsverantwortlichen bzw. Dirigenten aus Deutschland, Österreich, Südtirol und der Schweiz nachgefragt, wie das Zusammenspiel zwischen den Generationen in ihren Musikvereinen tatsächlich klappt. Dazu habe ich drei Fragen gestellt:

  1. Welche positiven Auswirkungen hat es, dass in Eurem Musikverein mehrere Generationen, von jung bis alt, zusammen musizieren?
  2. In welchen Bereichen / zu welchen Themen gibt es Konflikte?
  3. Wenn es in Eurem Musikverein Konflikte zwischen jung und alt gibt: wie löst Ihr das?

Nachfolgend kommen die Befragten zu Wort.

Welche positiven Auswirkungen hat es, dass in Eurem Musikverein mehrere Generationen, von jung bis alt, zusammen musizieren?

Rolf Faymonville (Dirigent des Musikvereins Loope, DE)

„Das generationenübergreifende Musizieren führt zu einem gegenseitigen Respekt zwischen den jüngeren und älteren Musikerinnen und Musikern. Geburtstage werden wahrgenommen, unterschiedliche Musikwünsche/Musikgeschmäcker werden bei der Stückeauswahl berücksichtigt und erweitern den Horizont und steigern die Wertschätzung des jeweils anderen Musikgeschmacks.“

Joachim Kaiser (Dirigent des Musikvereins Menzenschwand, DE)

„Die Älteren bleiben länger jung, die Jungen lernen von den Alten. Nach wie vor hören die Jungen gerne zu, wenn die “Alten” von früher erzählen: von ehemaligen Konzertreisen, Auftritten, Festen…. (die man ohne Facebook, Whatsapp, Email…. organisiert bekommen hat). Die alten Hasen bringen Ruhe und Gelassenheit in den Verein. Bei uns werden von den Jungen die Worte der Alten gerne respektiert.

Wir haben ein sehr gutes und harmonisches Miteinander, die Jüngsten sind 14, der älteste Musiker ist 84 Jahre alt (hat neulich die Ehrung für 70 jährige Mitgliedschaft erhalten) und immer noch fit. Wir haben Opas, die mit den Enkeln musizieren.“

Karl-Heinz Krieger (Dirigent der Historischen Trachten- und Stadtkapelle Aub, DE)

  • Interessenausgleich
  • Einbindung aller Generationen (auch außerhalb der Kapell)
  • Unterschiedliche Musikstile
  • Konstante Entwicklung
  • Harmonisches Miteinander

Anton Lang (Kapellmeister der Musikkapelle Dölsach, AT)

„Positive Auswirkung ist einfach der Zusammenhalt und der gemeinsame Spass am Musizieren die Jungen wissen, daß wir nicht ohne unsere Alten können. Genauso wissen die Alten, dass sie ohne uns nicht können. Es ist immer ein Geben und Nehmen.“

Theo Martin (Präsident Schweizer Blasmusik-Dirigentenverband)

„Gegenseitiges Verständnis. Besserer Zusammenhalt im Verein. Dadurch besserer Aussenauftritt und breitere Akzeptanz. Man lernt neue Sachen kennen. Weniger Mitgliederprobleme, weil die Leute länger im Verein bleiben. Musizieren kann man während Jahrzehnten; der Sport ist meist auf wenige Jahre beschränkt.“

Brigitte Müller

„Die Jungen profitieren von den Erfahrungen – egal ob musikalisch, menschlich, technisch oder sozial – der Alten. Die Alten können/dürfen sich nicht auf früheren Erfolgen und Errungenschaften ausruhen und müssen zumindest ansatzweise (schönes Wort im Zusammenhang mit Blasmusikern!) „modern“ und progressiv bleiben.“

Michael Strang

„Es gibt viele Vorteile durch das gemeinsame Musizieren und auch das übrige Vereinsleben profitiert davon. Kinder und Jugendliche lernen den Umgang mit den Werten der Gesellschafft, haben Respekt vor den älteren Musikern und nehmen deren musikalische Erfahrung an. 

Die älteren Generationen bleiben jung und nehmen auch die jüngere Musik an. Sie spielen inzwischen auch gerne Titel aus Filmen und Serien der letzten Jahre. Somit erweitert sich das Repertoire ständig und die musikalische Bandbreite wächst.

Seit einiger Zeit beobachte ich auch, dass viele ältere Musiker von jungen, gut ausgebildeten lernen und deren Tipps annehmen. Sie halten sich fit, üben öfter, spielen Basics, machen sich vor Proben und Auftritten warm.“

Michael Vikoler (Kapellmeister der Musikkapelle Völs am Schlern, Südtirol)

„In unserer Musikkapelle spielen Mitglieder von 12 bis 58 Jahren, also ganz alte sind nicht mehr dabei. Dementsprechend haben wir ein Durchschnittsalter von 26 Jahren. Positive Auswirkungen dieser Konstellation ist vor allem die Flexibilität in Punkto Literaturauswahl. Die Senioren spielen genauso gern zeitgenössische/moderne Musik wie traditionelle Blasmusik, weil eben die Jugend diese auch gerne spielt. Also ein Geben und Nehmen.“

In welchen Bereichen / zu welchen Themen gibt es Konflikte?

Rolf Faymonville

„Konflikte gibt es eigentlich nicht, allenfalls schon einmal Meinungsverschiedenheit zur Musikstückauswahl. Aber es wird immer ein Kompromiss gefunden.

Auch die Probendisziplin bzw. regelmäßige Teilnahme der jüngeren Musikerinnen und Musiker an den Proben wird manchmal kritisiert. Dennoch haben viele Ältere Verständnis für die Jugendlichen, wenn z.B. Klassenarbeiten anstehen oder wenn es auch zu Interessenskonflikten kommt (z.B. Fußballspiel contra Auftritt oder Probe).“

Joachim Kaiser

„Jung und Alt verstehen sich bei uns im Verein bestens, ich kann mich wirklich an keinen Konflikt erinnern. Bei uns lassen die Alten die Jungen halt auch was machen, trauen der Jugend was zu. Die Jungen tun Dinge vielleicht anders als die Alten, aber auch gut. Eben anders gut wie es die Alten vielleicht getan hätten.“

Karl-Heinz Krieger

  • Wenn eine Familie im Urlaub ist, fehlen oft viele
  • Konflikte zwischen den Generationen über Stile, Ausrichtung…
  • Ganz unterschiedliche Ausbildungsniveaus führt zu langsameren Fortschritten

Anton Lang

„Konflikte kommen immer wieder vor speziell im symphonischen Bereich. Der eine Mal so: ‚warum immer so schwer‘ der andere: ‚können wir nicht normale Musik machen‘, und so weiter. Wenn ich damit konfrontiert werde, sage ich immer: ‚Musik hat heute ein extremes Spektrum und wir sind 70 Musikanten/innen. Ich kann nicht immer den Geschmack aller Beteiligten treffen.‘ Und da muß sowohl ich als Kapellmeister Abstriche machen sowie auch gewisse Musiker/innen.“

Theo Martin

„Literatur. Umgang mit Traditionen. Absenzen, insbesondere kurzfristige Absenzen. Ältere haben wenig Verständnis, wenn Junge Dispens wollen, beispielsweise für Lehrabschlussprüfung oder Matura.“

Brigitte Müller

„Je nach Konflikt-Hunger und Ausgeglichenheit bzw. Kompromissbereitschaft können alle Entscheidungen explosiv wirken: Notenauswahl, Art und Zahl der Auftritte, Probenbesuch bzw. Mitspielen beim Auftritt, musikalisches Leistungsvermögen, Vereinskleidung, wie werden Zusatzproben/Proben-Wochenenden und ähnliches durchgeführt, Kommunikation und Proben digital und/oder analog, welche sozialen Zusatzangebote wie Grillen, Feste und/oder Ausflüge werden angeboten und wie durchgeführt.”

Michael Strang

  • Programmauswahl
  • Musikalische Ausrichtung
  • Gestaltung des Vereinsausflug, Ablauf der gemeinsamen Feiern
  • Gemeinsamer Besuch von Konzerten etc.

Michael Vikoler

„Gott sei Dank kann ich von keinen Konflikten berichten. In meiner 25-jährigen Tätigkeit als Kapellmeister meiner Heimatkapelle gab es nur kleine Meinungsverschiedenheiten, die man aber sehr schnell bei Gesprächen ausgeräumt hat.“

Wenn es in Eurem Musikverein Konflikte zwischen jung und alt gibt: Wie löst Ihr das?

Rolf Faymonville

„Wir haben eine aktive Jugendwartin und es wird im Bedarfsfall ein klärendes Gespräch gesucht.“

Joachim Kaiser

„Da wir diesbezüglich keine Konflikte haben brauchen wir auch keine Lösungen.“

Karl-Heinz Krieger

  • Wir sind alle per DU – ob 10 oder 70, Schüler oder Bürgermeister!
  • Alle Altersstufen einbinden – auch im Vorstand
  • Diskussionen – hart aber fair
  • Alle haben gleiche Rechte! Keine (auch noch so alt eingesessene) Meinung zählt mehr als andere
  • Neues zulassen und auch probieren
  • Versuch, allen Generationen etwas zurück zu geben
  • Mentoren-/Patenprogramm

Anton Lang

„Wir lösen das ganz einfach: die Alten helfen uns bei den alten Werken und wir ihnen bei den neuen Klängen und Rhythmen.“ 

Theo Martin

„Wie andere Meinungsverschiedenheiten auch; keine Sonderbehandlung für Generationenkonflikt. Also ermahnen, eingehen auf gewisse Wünsche, diskutieren, abstimmen, usw.“

Brigitte Müller

„Da wir leider keine Jugend mehr im Verein haben, gibt es nur Konflikte zwischen Mittelalter und „fast“ alten. Meistens gibt der Klügere nach, der Weg des geringsten Widerstands führt auch zu einem Ziel…“

Michael Strang

„Vorschläge zur Programmauswahl für Konzerte darf jeder machen, der Dirigent sichtet diese und stimmt das Programm dann mit dem Vorstand ab. Bei kleinen Auftritten wird das Programm kurzfristig vom jeweiligen Leiter aufgeschlagen.

Die musikalische Ausrichtung hängt in erster Linie von der Art der Auftritte ab. Bei einem Auftritt mit Stuhlreihen, also einem aufmerksamen Publikum, kann ein anspruchsvolleres Programm als in einem Biergarten oder Festzelt aufgeführt werden. Hier habe ich schon mehrfach erlebt, dass der Dirigent die falsche Auswahl getroffen hat und anschließend lange darüber diskutiert wurde. Es ist sinnvoll, im Voraus die Erwartungen des Veranstalters abzufragen und auf seine Wünsche einzugehen.

Für den jährlichen Ausflug, den gemütlichen Abend und die Weihnachtsfeier werden Arbeitsgruppen gebildet. Dem jeweiligen Team wird ein Budget zur Verfügung gestellt und es organisiert die Veranstaltungen selbstständig. 

Leider ist es mittlerweile nicht mehr möglich mit dem gesamten Orchester/Musikverein Konzerte zu besuchen. Beim Musizieren kann sich noch geeinigt werden, aber nicht jeder ist bereit sich mehrere Stunden nur eine Richtung anzuhören. Dadurch wird im Verein über angebotene Konzerte gesprochen und es bilden sich Interessengemeinschaften, die dann das Konzert im Kölner Dom, der Philharmonie, oder das Festival besuchen.“

Michael Vikoler

„Wenn man wirkliche Konflikte nicht kennt, tut man sich schwer, eine Lösung anzubieten. Wie oben erwähnt, reden, reden, reden…. Jeden Einzelnen als wichtiges Mitglied zählen…. Gegenseitiger Respekt ist das A&O, und jedes Mitglied sollte zu gegenseitigem Respekt erzogen werden.“

Ergänzend zu seinen Antworten schrieb mir Joachim Kaiser über den Musikverein Menzenschwand: „Was bei uns vielleicht noch was Besonderes ist: Nach der Probe sitzen Jung und Alt ganz gemischt beieinander, man trinkt noch was zusammen und unterhält sich. Dies ist meines Erachtens auch ein wichtiger Punkt. Miteinander reden, Spass haben und auch mal Blödsinn machen und lachen.“

Und Anton Lang: „Man muss *als Kapellmeister* (*AL) auch überzeugen können und für alle ein offenes Ohr haben, dann läuft’s. Und was ich meinen Musikantinnen und Musikanten auch immer sage: ‚Wer aufhört, besser zu werden, hört auf, gut zu sein‘“ Und diese Aussage trifft für alle Altersklassen zu!

Ein herzliches Dankeschön an Rolf Faymonville, Joachim Kaiser, Karl-Heinz Krieger, Anton Lang, Theo Martin, Brigitte Müller, Michael Strang und Michael Vikoler für ihre Antworten zum Thema “Generationenübergreifendes Musizieren im Blasorchester”.

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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