Über „offene Proben“ als Akquise-Methode von bereits ausgebildeten Musiker:innen

Mit Praxisbeispiel: Offene Proben der Musikkapelle Haidgau

Offene Proben sind mittlerweile eine beliebte Methode geworden, bereits ausgebildeten Musiker:innen das eigene Blasorchester „schmackhaft“ zu machen. In diesem Beitrag möchte ich Euch das gelungene Beispiel einer offenen Probe der Musikkapelle Haidgau vorstellen und Euch darüber hinaus noch weitere Tipps und Überlegungen mitgeben, wie offene Proben gelingen und erfolgreich werden.

Über die offene Proben der Musikkapelle Haidgau hat deren Dirigent Klaus Wachter drei Fragen beantwortet. Die Antworten zeigen sehr gut, wie eine “offene Probe” erfolgreich durchgeführt werden kann.

Kurz-Interview mit Klaus Wachter von der Musikkapelle Haidgau

Skizziere das Konzept, den Ablauf und das Programm der offenen Probe. Gerne auch die Rahmenbedingungen.

Klaus Wachter
Klaus Wachter

Klaus Wachter: „Das Konzept einer offenen Probe habe ich bei der Musikkapelle Haidgau e.V. bereits des Öfteren ausprobieren dürfen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass gegenüber Neu- oder Wiedereinsteigern in Haidgau immer eine sehr positive Grundhaltung zu beobachten war. Unabhängig vom Herkunftsort waren die Türen also per se geöffnet.

Zunächst einmal halte ich es für unabdingbar, dass das Orchester eine positive Grundeinstellung zu einer offenen Probe hat, nicht zuletzt ist eine solche Musikprobe ja auch eine Angelegenheit, bei der sich das Orchester gegenüber möglicherweise Unbekannten oder Fremden öffnen und diese recht schnell und niederschwellig integrieren muss. Nicht zuletzt müssen die Besucher auch die positive Atmosphäre spüren, damit der „Funke“ überspringt und diese letztlich den Weg ins Orchester finden.

Diese Rahmenbedingungen fand ich bei der Musikkapelle Haidgau stets vor. Eine kritische oder ablehnende Haltung gegenüber potenzieller Neu- oder Wiedereinsteiger war vom Grunde her nicht vorhanden und so konnte der Ablauf und das Programm geplant werden.

Offene Probe Musikkapelle Haidgau

Obwohl wir (glücklicherweise!) ohne Verluste durch die Corona-Zeit gekommen sind, haben wir uns also im Sommer 2021 dazu entschieden, zwei offene Proben anzubieten. Für den Erfolg der offenen Proben war für mich wichtig, diese nicht nur auf einen Termin zu begrenzen, sondern wenigstens zwei Termine anzubieten. Ich finde, so wird den Interessierten eine breitere Möglichkeit geboten, dieses Angebot wahrzunehmen. Da wir Corona-bedingt im Sommer 2021 keine Sommerpause gemacht haben (die Zwangspause war ja lange genug!) planten wir schließlich zwei offene Proben für den 17. und den 24. August. Eine Anmeldung war im Vorfeld nicht notwendig, denn so war auch Platz für einen möglicherweise spontanen Besuch. So konnten wir also jeweils am 17. und am 24. August zwei „Wiedereinsteiger“ begrüßen (Klarinette, Trompete und zwei Mal Schlagwerk). Die Proben selbst waren locker gestaltet, also ohne den Fokus einer Auftritts- oder Konzertvorbereitung, und somit stand ein lockeres und humorvolles Proben im Vordergrund. Wichtig war mir außerdem, dass auch die ganze Bandbreite der Blasmusik (sowohl traditionelle Blasmusik als auch moderne Arrangements bis hin zu den Fäaschtbänklern) abgedeckt wurde. Damit wollte ich gewährleisten, dass die Wieder- und Neueinsteiger nicht gleich mit der „traditionellen Breitseite“ konfrontiert wurden, sondern auch merken konnten, wie vielseitig Blasmusik ist. Nach einer 90-minütigen Probe war anschließend noch ausreichend Platz für den kameradschaftlichen Austausch zwischen den Musikern.“

Welche Ziele wolltet Ihr mit der „offenen Probe“ erreichen und welche Zielgruppe stand dabei bei Euch im Fokus?

Klaus Wachter: „Die gesetzten Ziele waren klar: Gewinnung neuer Musiker! Dabei waren die offenen Proben nicht auf den Einstieg der Jungmusiker konzipiert: Unsere Jungmusiker werden über ein Patenprogramm nach dem erfolgreichen D2 ins Orchester integriert und steigen in der Regel nach der Sommerpause in die Konzertphase ein. Die offenen Proben waren hier jedoch speziell auf bereits ausgebildete Instrumentalisten ausgerichtet, welche schon ein Instrument beherrschen (oder beherrschten und entsprechend „wiedereinsteigen“ wollten). So war also auch zu beobachten, dass diese vier oben genannten Musiker auch gleich (mehr oder weniger) vollwertig mitspielen konnten, da diese natürlich ihr Instrument entsprechend beherrschten.“

Wie kam die „offene Probe“ an, wie haben Eure Besucher:innen reagiert und welche Ergebnisse habt Ihr damit erzielt?

Klaus Wachter: „Der Austausch nach der Probe war sehr gut und die vier Wiedereinsteiger sind bis heute mit dabei. Die Resonanz war entsprechend positiv und darüber hinaus konnte eine gute und wirksame Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden. Das Orchester hat damit mittlerweile 67 Musikerinnen und Musiker.“

In den Zukunftswerkstätten kommt die Idee der offenen Probe jedes Mal auf das Plakat, wenn es darum geht, die Besetzung des Musikvereins zu erweitern. Meistens bei Musikvereinen, die durch Corona oder andere Umstände in den letzten Jahren Musiker:innen verloren haben und diese nicht mehr ausreichend durch die Jugendarbeit ersetzen konnten. Viele dieser Musikvereine wollen deshalb die Besetzung erweitern, weil manche Register unzureichend besetzt sind und sie dadurch auch schon Auftritte absagen mussten. Beispielsweise wenn der einzige Tubist oder der einzige Schlagzeuger plötzlich krank wird. Die Gründe, anzahlmäßig zu wachsen in den Blasorchestern, sind vielfältig. In einem vollständig, ausreichend besetzten Blasorchester können sehr viel mehr tolle Werke gespielt werden als in kleineren, in denen wichtige Stimmen beispielsweise nicht drei- oder vierstimmig besetzt sind (bei den Posaunen oder Hörnern beispielsweise). Ebenso klingt ein Blasorchester mit mindestens 2-3 besetzten Klarinetten pro Stimme einfach besser, als wenn nur noch 5 Klarinettist:innen sich die üblichen drei Stimmen teilen…

Eine „offene Probe“ kann immer nur ein Teil einer groß angelegten Marketing-Aktion zur Gewinnung von neuen Musiker:innen sein.

Für mich beginnt jede Marketing-Kampagne immer zuerst mit dem Produkt. Das Produkt, das wir anbieten, muss Qualität haben. Sprich: Wir müssen als Musikverein gut aufgestellt sein in den Bereichen Musik, Organisation, Jugendarbeit und Gemeinschaft (Geselligkeit, Kameradschaft, wie Ihr es nennen wollt). Sind Probleme vorhanden, wie in der Familie, zuerst intern lösen! Das setzt eine selbstkritische Analyse voraus. Es könnte ja schließlich sein, dass der Verein deshalb geschrumpft ist, weil die Organisation eine Katastrophe ist, manche einfach nur zum Musik machen kommen und sich sonst im Verein nicht einbringen, die Dirigentin langweilige Proben macht oder einfach zu viel quatscht, anstatt mit ihrem Dirigat zu zeigen, was sie will, die Probe regelmäßig 15 Minuten zu spät beginnt oder zwei Typen im Trompetenregister (wahlweise natürlich Flötenregister, Klarinettenregister, usw.) sitzen, die zu allem ihren Senf abgeben und hintenrum alle aufstacheln und schlechte Stimmung verbreiten.

Ist das Problem „Wir sind zu wenig Musiker:innen“ erkannt, ist wie oben schon geschrieben eine offene Probe eine mögliche Lösung. Bei der offenen Probe muss das Konzept stimmen. Wir müssen davon ausgehen, dass die potentiellen Besucher der offenen Probe länger nicht mehr gespielt haben und eventuell auch kein Instrument mehr zu Hause haben. Wir müssen uns also schon im Vorfeld überlegen, wie wir die „Neuen“ mit Unterricht und einem Instrument unterstützen können. Wenn wir ein Musikverein sind, der überwiegend traditionelle Blasmusik (Polka, Walzer, Marsch) spielt, so muss das erstens in der Werbung deutlich sein und zweitens sollten diese Gattungen in dieser Probe dann auch geprobt werden. Das besondere von unseren Musikvereinen ist, dass viele Musiker:innen nach der Probe noch zusammensitzen zum Plaudern und Feiern. Also muss bei der offenen Probe auch für Getränke und Snacks danach gesorgt sein. Eine entsprechende Begrüßung der „Schnupperer“, die Begleitung durch den Abend und Musiker:innen, die sich eingehend mit den Neuen beschäftigen sind ebenso notwendig.

Ich habe vorher schon geschrieben, dass eine „offene Probe“ nur ein Teil der Marketing-Kampagne zur Gewinnung von neuen Musiker:innen ist. Im Jahres-Redaktionsplan sollte immer auch ein Aufruf zum Mitspielen in den Presse- und Online-Medien inklusive Social Media eingeplant sein. Auch auf der Website sollten leicht Informationen für Interessierte, wie mit Euch Kontakt aufgenommen werden kann, der Probenort und die -Zeit zu finden sein. Und für die „offene Probe“ selbst braucht’s das Übliche, wie für ein Konzert auch: Pressetext, (digitales) Plakat, (digitale) Flyer und den Einsatz aller Musiker:innen bei der Bewerbung nach dem Prinzip: “Haltet Eure Ohren und Augen auf, wenn Ihr durch unsere Gemeinde geht – vielleicht gibt es ja Blasmusiker:innen in unserem Ort, die noch nicht bei uns spielen”. Die persönliche Einladung zur offenen Probe ist bestimmt die erfolgreichste.

Nochmals zusammengefasst:

  • Das eigene „Haus“ in Ordnung bringen
  • Arbeitsgruppe bilden, die die Offene Probe vorbereitet und durchführt
  • Konzept für die „offene Probe“ entwickeln
  • Ansprechpartner für die Interessierten benennen
  • Werbemittel erstellen und in alle Kanäle geben
  • Website aktualisieren
  • Nach der „offenen Probe“: Kontakt mit den Besuchern/Interessierten/Probe-Spielern halten und nachfassen
Offene Probe Stadtmusik St. Gallen
Offene Probe Stadtmusik St. Gallen

Eine „öffentliche Probe“ ist übrigens nicht unbedingt eine „offene Probe“. Ich habe schon Werbung für „öffentliche Proben“ von Musikvereinen gesehen, die eine „Schau-Probe“ auf einem öffentlichen Platz (draußen, z. B. auf dem Kirchplatz) veranstaltet haben, nach dem Motto „Komm unverbindlich vorbei und schau mal zu. Bier und Würstchen gibt’s auch.“ Kann man auch machen. Ist jedoch wirklich sehr unverbindlich und nicht zielführend geplant.

Wann ist eine „offene Probe“ erfolgreich? Nun, ich denke, jede:r neue Musiker:in ist ein Gewinn für den Musikverein. Und wenn es in diesem Jahr nicht klappt, dann vielleicht im nächsten? Nicht so schnell aufgeben.

Offene Probe
Offene Probe

Herzlichen Dank an Klaus Wachter für das Interview und die Einblicke in die offene Probe der Musikkapelle Haidgau.

©Beitragsbild: AL. Das Beitragsbild zeigt das ganz wunderbar ausgestattete Probelokal der Musik- und Trachtenkapelle Fischerbach im Kinzigtal im “Dach der Vereine”. Ich habe selten so einen schönen, großen, luftigen Probenraum gesehen. Auf der anderen Seite lässt eine große Fensterfront über die gesamte Breite auf Schwarzwaldhügel blicken.

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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