12 Blasorchesterwerke mit allem was fliegt… oder nicht.

Manchmal entstehen Blogbeiträge sehr ungeplant. Und manchmal sind sie ganz anders geplant, als sie dann letztendlich herauskommen. In diesem Beitrag wollte ich zum Beispiel Werke vorstellen, in denen Vögel die Hauptrolle spielen. Beim Recherchieren, Durchhören und Stöbern bin ich dann darauf gekommen, dass einige Werke, bei denen ich dachte, dass es um Vögel geht, gar keine echten Vögel sind. Oder dass keine Vögel im eigentlichen Sinne gemeint waren. Sehr bald hat sich dann der Gedanke entwickelt, Werke vorzustellen, die alle etwas mit dem „Fliegen“ zu tun haben. Und das ist es dann auch geworden.

Kees Vlak: Os Passaros de Brasil

Os Passaros do Brasil Kees Vlak

Manche guten Werke geraten manchmal in Vergessenheit. Und um einige ist es echt schade! Ich finde, dieses Werk von Kees Vlak – entstanden im Jahr 1996 – gehört dazu.

Os Passaros de Brasil heißt übersetzt „Die Vögel von Brasilien“. Vielleicht dachte Kees Vlak bei einem Urlaub in Brasilien: „Das sind aber schräge Vögel hier…“ – man weiß es nicht… Aber wenn man die Beschreibung des Werkes in der Partitur liest stellt man fest, dass nicht wirklich die brasilianischen Vögel in den drei Sätzen gemeint sind, sondern die Brasilianer selbst.

Hier die Beschreibung des Werkes, wie sie in der Partitur steht:

Brasilien ist ein Schmelztiegel von verschiedenen Rassen: unter ihren Vorfahren gab es Schwarze, Indianer, Weiße und sogar Chinesen. So gibt es viele schöne Typen von Menschen mit sehr verschiedenen musikalischen Begabungen: die Schwarzen haben die Rhythmik, die Indianer die Melancholie und die Weißen die schöne Harmonie.

1. “Pássaros Coloridos” (Buntfarbige Vögel): Ab und zu fasst der Komponist den Titel wortwörtlich auf und imitiert einen Amazonasvogel mit einer Okarina (oder einer Panflöte)

2. “Pomba Triste” (Traurige Taube): Man denkt an die Sambamädchen die mit Karneval nicht immer Spaß haben, sondern damit Geld verdienen können. Dieser Teil hat einen Bossa-Nova-Rhythmus.

3. “Os Pássaros do Carnaval” (Die Vögel des Karnevals): Hier gibt es einen schnellen Samba den wir vom Karneval in Rio so gut kennen. Die “Vögel des Karnevals” tanzen auf dem typischen Sambarhythmus und alle Festbesucher singen spontan eine schöne Melodie.

©Molenaar

Robert Sheldon: Flight of the Piasa

Flight of the Piasa Robert Sheldon

Der Piasa ist ein mythologisches Fabelwesen aus den Geschichten der Ureinwohner Amerikas nahe dem Mississippi. Er wird beschrieben als Drachenvogel mit einer grässlichen Menschenfratze und blutroten Augen. Gefährlich wird er durch ein Hirschgeweih auf der Stirn und scharfen Reißzähnen. Die lederartigen Flügel haben gefährliche Stacheln. Trotzdem kann der Drachenvogel, dem eine Flügelspannweite von ungefähr 5 Metern nachgesagt wird, sehr schnell fliegen. Eine Legende erzählt, wie der Drachenvogel Piasa von einem Häuptling nach einem Traum heldenhaft besiegt wurde.

Richard L. Saucedo: Flight of the Thunderbird

Flight of the Thunderbird Richard L. Saucedo

Auch der Donnervogel gehört in die indianische Mythologie. Viele Totempfähle der Indianer zeigen ihn – manchmal als Rabe, aber auch als Adler oder Truthahn. Ihm wird in Legenden zugeschrieben, dass er zwar intelligent, aber immer auch mächtig und zorngeladen ist. Diese Legenden stammen von den Indianern in Kanada und von der Westküste Amerikas.

Mathias Wehr: Infinity

Infinity Mathias Wehr

Infinity vertont das Märchen vom Wundervogel und den beiden Bettelknaben. Es stammt aus der Oberpfalz. Die Geschichte ist im Verlauf der Komposition nachzuvollziehen, der Text ist an den entsprechenden Stellen in der Partitur verzeichnet.

Hardy Mertens: Butterfly Lovers

Für Erhu oder Violine & Blasorchester

HaFaBra Music

Wieder ein Märchen. Dieses Mal aus China! Es ist eine Geschichte von zwei Liebenden, die ähnlich wie Romeo und Julia, im Leben nicht zueinander finden. Geschrieben ist das Werk für ein chinesisches Saiteninstrument, die Erhu. Es kann aber auch mit Violine gespielt werden.

Oscar Navarro: The Fly

The Fly Oscar Navarro

Fliegen können sehr lästig sein. Besonders, wenn man eine im Schlafzimmer hat. Ständig setzt sie sich auf’s Gesicht und hält uns vom Schlafen ab. Es hilft nichts, wir müssen mit einer Fliegenklatsche Jagd auf sie machen. Und genau das beschreibt Oscar Navarro in The Fly. Sehr lustig! Bedarf aber natürlich einer Choreographie…

Dominik Wagner: Early Bird Overture

Musikverlag Frank

“Der frühe Vogel…” war ich früher nie… heutzutage schätze ich die frühen Morgenstunden, in denen noch kein Telefon klingelt und man ganz in Ruhe arbeiten kann. Nicht selten sitze ich schon früh um 7 Uhr (oder noch früher) am Schreibtisch. Ich habe mich beim Hören des Werks gefragt, ob der Komponist wohl auch zu den frühen Vögel gehört… Gehört er nicht.

Trotzdem beschreibt er in seiner Early Bird Overture die Morgenstunden, die von Vorfreude und Neugierde auf den kommenden Tag geprägt sind.

Otto M. Schwarz: Up in the Sky

Up in the Sky Otto M. Schwarz

Der Traum vom Fliegen – so alt wie die Menschheit. Heißluftballons waren im 18. Jahrhundert die erste Erfindung, die den Menschen sicher vom Boden abheben ließen. Aber natürlich fliegen Heißluftballons nicht – sie fahren…

Thomas Doss: From Crystals and Eagles

From Crystals and Eagles Thomas Doss

Nach einem Flug über die Alpen konnte Thomas Doss nachempfinden, was Adler sehen, wenn sie über schnee- und eisglitzernde, sonnenbeschienene Berge fliegen.

James Curnow: Where Never Lark or Eagle Flew

Where never lark or eagle flew James Curnow

Ich habe es schon einmal im Beitrag über Jim Curnow zu seinem 75. Geburtstag geschrieben: Dieses Werk gehört zu meinen Lieblingswerken von ihm. Es wurde inspiriert von einem Gedicht von John Gillespie Magee Jr., einem US-Amerikaner, der Pilot im 2. Weltkrieg und ein Poet war. Er beschreibt darin die erhabenen Gefühle beim Fliegen im Flugzeug in die Höhen, in die sogar Lärchen und Adler niemals kommen, ist sich aber auch dessen bewusst, dass die Fliegerei durchaus auch gefährlich werden kann. Er starb wenige Wochen nachdem er das Gedicht geschrieben hat bei einer Luftkollision über England.

Hier das Gedicht:

High Flight

John Gillespie Magee, Jr

Oh! I have slipped the surly bonds of earth,
And danced the skies on laughter-silvered wings;
Sunward I’ve climbed, and joined the tumbling mirth
Of sun-split clouds, – and done a hundred things
You have not dreamed of – Wheeled and soared and swung
High in the sunlit silence. Hov’ring there
I’ve chased the shouting wind along, and flung
My eager craft through footless halls of air…
Up, up the long, delirious, burning blue
I’ve topped the wind-swept heights with easy grace
Where never lark or even eagle flew –
And, while with silent lifting mind I’ve trod
The high untrespassed sanctity of space,
Put out my hand, and touched the face of God.

Benjamin Yeo: Flight – Adventures in the Sky

Flight Benjamin Yeo

In der Werkbeschreibung des Verlags ist über dieses Werk zu lesen: „Flight ist ein programmatisches Werk, dass in sechs kurzen Sätzen die Flugerfahrungen eines jungen Piloten beschreibt. Man hört den Motor anspringen; die Maschine hebt ab und setzt zu einer musikalischen Reise an. Atemberaubende Aussichten, Turbulenzen und dann kündigt sich auch noch ein ordentlicher Sturm an. Aber glücklicherweise geht alles gut…einige besondere Effekte, wie zum Beispiel ein Propeller und die Verwendung von Whirlies verleihen diesem Werk eine extra Dimension.“

Julie Giroux: To walk with wings

Musica Propria

Und wieder: der große Traum vom Fliegen! Julie Giroux beschreibt die Bemühungen des Menschen über die Jahrhunderte hinweg ein Fluggerät zu erfinden. Es fängt mentale Bilder von Männern ein, die mit Stoffflügeln von Klippen springen, beschreibt den ersten richtigen Flug, Versuche und Irrtümer, die Komik verschiedener Erfindungen, die kalte, brutale Stärke von Metallmaschinen, das Surren des Computerzeitalters, die Tragödie des Weltraum-Shuttles Challenger und der allgemeine Geist des Menschen und sein Wunsch, durch den Weltraum und darüber hinaus zu reisen.

Obwohl das Stück die Geschichte des Fliegens erzählt, liegt die wahre treibende Kraft hinter der Musik in den Fragen: “Wer sind wir?” und “Was ist da draußen?”

Bonus

Zequinha de Abreu, arr. Naohiro Iwai: Tico Tico (Der Spatz im Maismehl)

Tico-Tico Iwai

Das Bonus-Werk ist wieder einmal nicht aus der Gattung der Originalliteratur für Blasorchester. Aber Spatzen, die sich in Maismehl tummeln und selbiges überall verstreuen sind eine zu lustige Vorstellung um sie nicht in diese Liste der „fliegenden“ Blasorchesterwerke aufzunehmen.

Wieder habe ich entschieden, mich ganz bewusst auf 12 Blasorchesterwerke (plus ein Bonus-Track) zu beschränken. Ziel dieser Blasorchester-Repertoire-Beiträge ist einerseits Euch eventuell unbekannte Werke vorzustellen und dass Ihr Euch überhaupt mit originalen Blasorchesterwerken beschäftigt. Ich denke oft, dass sich viele Dirigentinnen und Dirigenten viel zu wenig mit den erhältlichen Werken auseinandersetzen. Den Überblick über das Repertoire zu behalten ist heutzutage unmöglich geworden. Keiner kennt alle Originalwerke für Blasorchester, die es gibt. Und viele ältere Werke geraten durch die jährliche (scheinbar exponentielle) Zunahme des Repertoires in Vergessenheit. Sehr viele zu Unrecht! Ich möchte Euch deshalb auch immer wieder ältere gute Werke vorstellen.

Oft höre ich von Dirigenten, es gibt viel zu wenig gute Werke. Das löst in mir leider immer wieder den Gedanken aus: „Offensichtlich beschäftigst Du Dich zu wenig mit dem Repertoire…“.

Der vermeintlich einfache Weg ist es für viele Dirigentinnen und Dirigenten Bearbeitungen aus Pop, Film und Musical zu programmieren. Diese Art Werke sind viel schneller ausgesucht und es scheint, dass man in puncto Akzeptanz durch MusikerInnen und Publikum auf der sicheren Seite ist. Auch in der Vorbereitung der Probe sind Bearbeitungen viel schneller erfasst. Die Melodie kennt der Dirigent ja schon mal…

Viel mühsamer ist es, passende, dem Orchester angemessene originale Werke auszuwählen und diese den MusikerInnen zu vermitteln, sie einzustudieren und schließlich beim Publikum auch Erfolg damit zu haben. Ich werde aber ganz sicher nicht müde, Euch immer wieder zum Kennenlernen von Originalwerken zu animieren. Die Vorbereitung eines Konzertprogramms dauert länger, aber es lohnt sich!

Ich habe festgestellt, dass diese Repertoire-Beiträge vor allem in Facebook immer wieder zu Diskussionen anregen. Zuletzt war das mit dem Beitrag 12 Blasorchesterwerke für den Ruhepunkt im Konzert der Fall. Und Ihr habt nicht nur diskutiert, sondern gleichzeitig Eure Favoriten vorgestellt. Somit ist für mich ein weiteres Ziel erreicht: Das Empfehlen guter Werke untereinander. Wie schon geschrieben, es ist unmöglich, dass jemand das komplette Repertoire im Kopf hat. Deshalb sind wir aufeinander angewiesen.

Für mich ist jeder Platz in einem Konzertprogramm, der mit einem Originalwerk für Blasorchester besetzt ist, ein Erfolg. Dafür setze ich mich ein. Für die Komponisten, die Originalwerke für Blasorchester schreiben, setze ich mich ein. Hört sich vielleicht etwas komisch an, aber das ist seit 30 Jahren meine Lebensaufgabe. Und so mache ich dann auch weiter.

Zum Schluss wieder die Aufforderung: Schreibt Eure eigenen Favoriten an Werken, die mit Fliegen im weitesten Sinne zu tun haben, unten in die Kommentare! Und wenn Ihr einen speziellen Wunsch nach Werken zu einem bestimmten Thema habt: Mail an alexandra@kulturservice.link.

Die Titel und Covers in diesem Beitrag sind mit sogenannten Affiliate-Links hinterlegt, die direkt in den Online-Shop des Hebu-Musikverlags führen. Dort findet Ihr weitere Informationen zu Schwierigkeitsgrad, Lieferbedingungen und Preis und natürlich noch viele weitere Werke. Wenn Ihr Euch entschließt, eines dieser Werke dort zu bestellen fließt ein kleiner Beitrag für die Arbeit und zur Unterstützung des Blasmusikblog.com an die Autorin. Der Hebu-Musikverlag trägt somit zum Fortbestand dieser Plattform bei. Die Autorin bleibt in ihrer journalistischen Arbeit jedoch frei, unabhängig und selbstständig.

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    5 thoughts on “12 Blasorchesterwerke mit allem was fliegt… oder nicht.

    • 6. April 2020 at 13:39
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      Für den Metafoorabschluss 2020 habe ich folgende Stücke zum Thema “Rund ums Fliegen” rausgesucht.

      * Symphonic Ouverture – James Barnes

      * Hymn to the infinity Sky – Sotoshi Yagisawa

      * Seventh Suite for Band – Alfred Reed

      * Through countless Halls of Air – Francis McBeth

      * The Fly – Oscar Navarro

      Alle Stücke sind Schwierigkeisgrad 5 – 6

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    • 6. April 2020 at 18:10
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      Mountains of Switzerland – Oscar Navarro

      Erzählt wie ein Vogel über die Schweizer Alpen fliegt.

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    • 12. April 2020 at 12:42
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      Es gibt ja nicht nur friedliche Geschichten ums glorreiche Fliegen.
      Ron Goodwin hat z.B. da einige bekannte Stücke rund um die Fliegerei komponiert:

      Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten
      Aces High March ( Battle of Britain )
      oder ein Medley über seine Musik von Roland Smeets mit all diesen Stücken : Goodwin!

      In “Scramble!” greift Nigel Hess auch das Thema Luftwaffe auf.
      Dieser Aufruf gilt den Fliegern um zu ihren Flugzeugen zu eilen um sofort zu starten.

      Und wer kennt nicht den “Flieger – Marsch” von Hermann Dostal?

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    • Pingback: Blasmusikblog Monatsrückblick April 2020 – Blasmusik

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