Samstag, Oktober 12, 2024
OrganisationVereinsmanagement

Hilfe! Wir finden keinen 1. Vorsitzenden…

Nicht so schlimm. Denn diese Situation gibt uns die Gelegenheit und die Notwendigkeit über unsere bisherigen Organisationstrukturen nachzudenken. Denn das herkömmliche Vorstandsmodell mit 1. und 2. Vorsitzenden, Schriftführer, Kassierer sowie mehreren aktiven und passiven Beisitzern – oder ähnlichen Postenverteilungen – ist längst nicht mehr zeitgemäß und auf Grund der heutigen Lebens-, Freizeit-, Familien- und Arbeitswelt oft in den Musikvereinen nicht mehr umsetzbar.

Doch diese Strukturen sind nicht nur weit verbreitet, viele denken, sie wären Gesetz. Und schließlich stehen sie doch auch in der Satzung drin, oder?

In Zukunftswerkstätten oder in Workshops zum Teambasierten Vereinsmanagement frage ich die Teilnehmer:innen oft wenn wir auf das Thema Vorstands- bzw. Organisationsstrukturen zu sprechen kommen: „Wer ist der ‚Chef‘ im Musikverein?“. Die Antwort ist in den meisten Fällen: „Der 1. Vorsitzende“. Manche denken auch, es wäre der/die Dirigent:in. Meist stelle ich die Frage dann noch einmal in anderer Weise: „Was ist das höchste Organ in einem Verein?“ Zu 50% kommt dann die Antwort: „der Vorstand“. Die anderen 50% bringt diese Art der Fragestellung auf die korrekte Antwort: Die Mitgliederversammlung!

„Ich will gar nicht die Chefin sein“, hat eine (fast) verzweifelte 1. Vorsitzende in einer Zukunftswerkstatt mal gesagt, „ich will doch, dass wir das zusammen machen.“ Es ist schon ein Phänomen, was die Begrifflichkeit „1. Vorsitzende“ in uns auslöst. Automatisch denken wir in hierarchischen Strukturen. Beispielsweise wie in einem Inhaber-geführten Familienunternehmen. Oder wie es in vielen Unternehmen eben noch der Fall ist: Es gibt einen Chef, der ist Ansprechpartner für alles und er sagt auch, wo es lang geht. Was wir von vielen Arbeitgebern kennen ist auch in unseren Vereinen gewohntes Bild. Das war eben schon immer so oder um im üblichen Sprachgebrauch zu bleiben: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Und schließlich steht es doch so in der Satzung drin… Ja! Das stimmt wohl, aber diese Satzung haben wir uns einst selbst gegeben. Diese wurde in vielen Fällen auf Empfehlungen der Blasmusikverbände anhand von Mustersatzungen erstellt. In den Mustersatzungen, die die Blasmusikverbände zur Verfügung stellen, ist auch eben das herkömmliche Vorstandsmodell enthalten, wie beispielsweise beim BVBW Blasmusikverband Baden-Württemberg (Download Mustersatzung BVBW) aus dem Jahr 2013 oder beim BDB Bund Deutscher Blasmusikverbände (Download Mustersatzung BDB) aus dem Jahr 2011. Während beim BVBW (er vertritt die württembergischen Musikvereine) der Paragraf über die Zusammensetzung des Vorstands sehr kurz beschrieben ist und quasi einen Vorsitzenden, ein Stellvertreter und einen Schatzmeister empfiehlt, empfiehlt die Mustersatzung des BDB (er vertritt – obwohl der Verbandsname suggeriert, dass er für alle deutschen Blasmusikverbände das Dachorgan ist – nur die badischen Musikvereine plus Ausnahmen) einen sehr viel größeren Vorstand. Empfohlen wird in §10 Gesamtvorstand:

“Der Vorstand besteht aus

  1. Dem 1. Vorsitzenden,
  2. Dem stellvertretenden Vorsitzenden
  3. Dem Schriftführer
  4. Dem Kassierer/Schatzmeister
  5. Dem Jugendleiter
  6. Und bis zu 6 Beisitzern”

Für diejenigen, für die das wichtig ist: Keine der beiden beispielgebenden Mustersatzungen legt Wert auf gendergerechte Sprache. Dieses Thema war 2011 bzw. 2013 auch noch nicht so relevant, wie das heutzutage diskutiert wird.

Vereinsvorstandschaften halten sich in der Regel bei der Erstellung oder Änderung einer Satzung an die Empfehlungen der Blasmusikverbände. Sie können darauf vertrauen, dass diese rechtssicher erstellt sind. Aber einen Zwang, sie genau so zu erstellen, gibt es natürlich nicht. Sie sind eben „Muster“. Vereinsverantwortliche sind auf diese Muster-Satzungen gewissermaßen auch angewiesen, da sie in der Regel keine juristische Ausbildung haben oder sich allgemein in der Formulierung unsicher sind.

Die Vereinssatzung ist die Verfassung, die wir uns in den Vereinen selbst geben. Streng genommen stellt sie einen Vertrag dar. Und es herrscht Vertragsfreiheit. Eingeschränkt natürlich durch das Grundgesetz und das StGB. Wir dürfen beispielsweise nicht darin gegen die guten Sitten verstoßen oder jemanden auf Grund seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligen oder bevorzugen (aus GG, Fassung vom 28.6.2022). Wenn wir in die Vereinsparagrafen im BGB reinschauen, dann sehen wir auch, dass wir größtmögliche Freiheit bei der Erstellung der Satzung bekommen:

BGB §26 regelt den Vorstand und die Vertretung:

„(1) Der Verein muss einen Vorstand haben. Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich; er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Der Umfang der Vertretungsmacht kann durch die Satzung mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden.
(2) Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so wird der Verein durch die Mehrheit der Vorstandsmitglieder vertreten. Ist eine Willenserklärung gegenüber einem Verein abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Mitglied des Vorstands.“
(entnommen aus Bundesministerium der Justiz im Oktober 2022: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__26.html , so auch alle folgenden Zitate aus dem BGB.)

Hier sehen wir ganz genau, dass die Empfehlungen der Mustersatzungen nicht so im Gesetz stehen, sondern sehr frei gehalten sind: „Der Verein muss einen Vorstand haben.“

BGB §27 regelt die Bestellung und Geschäftsführung des Vorstands:

„(1) Die Bestellung des Vorstands erfolgt durch Beschluss der Mitgliederversammlung.
(2) Die Bestellung ist jederzeit widerruflich, unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung. Die Widerruflichkeit kann durch die Satzung auf den Fall beschränkt werden, dass ein wichtiger Grund für den Widerruf vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung.
(3) Auf die Geschäftsführung des Vorstands finden die für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 664 bis 670 entsprechende Anwendung. Die Mitglieder des Vorstands sind unentgeltlich tätig.“

Und dieser Paragraf §27 weist zusätzlich darauf hin, dass der Vorstand nicht über der Mitgliederversammlung steht, sondern gewissermaßen zur Erledigung der anfallenden Aufgaben und der Übernahme der Verantwortung für den Verein von dieser eingesetzt ist.

Dass mit einem „Vorstand“, nicht wie im Sprachgebrauch beispielsweise der badischen Bevölkerung, nicht der 1. Vorsitzende gemeint ist, sehen wir nochmals in BGB §28:

„Bei einem Vorstand, der aus mehreren Personen besteht, erfolgt die Beschlussfassung nach den für die Beschlüsse der Mitglieder des Vereins geltenden Vorschriften der §§ 32 und 34.“

Ich kann hier nur aus badischer Sicht sprechen bzw. schreiben, da ich den Sprachgebrauch nicht in allen deutschen Dialekten kenne. Und bei uns ist es eben so, dass mit „der Vorstand“ eben der 1. Vorsitzende gemeint ist. Wenn wir vom gesamten Vorstandsgremium sprechen, so ist das „die Vorstandschaft“. Über die verwirrenden Begrifflichkeiten haben wir tatsächlich vor kurzem in einer Zukunftswerkstatt diskutiert. Und ehrlich gesagt, kommt mir die Begrifflichkeit „Vorstandschaft“ auch gelegen, weil ich in den Workshops dann immer sage: „Die Vorstandschaft schafft“… Das soll klar machen, dass viele Musiker:innen auch tatsächlich so denken: Die Vorstandschaft erledigt die Aufgaben, dafür sind sie gewählt, ich komme zum Musik machen.

Ja, und dann ist da noch viel Halbwissen bezüglich der Haftung im Umlauf. Ich weiß nicht, wie oft ich in meinem Dozenten-Leben für Vereinsverantwortliche den Satz: „Schließlich hafte ich als 1. Vorsitzender persönlich mit meinem Privatvermögen, wenn was passiert – da will ich auch sagen, wo es lang geht.“ gehört habe…

Über die Haftung des Vorstands bzw. der einzelnen „Organmitglieder“ (also Vorstandsmitgliedern bzw. Vereinsverantwortlichen) steht im BGB in §31a:

„(1) Sind Organmitglieder oder besondere Vertreter unentgeltlich tätig oder erhalten sie für ihre Tätigkeit eine Vergütung, die 840 Euro jährlich nicht übersteigt, haften sie dem Verein für einen bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Satz 1 gilt auch für die Haftung gegenüber den Mitgliedern des Vereins. Ist streitig, ob ein Organmitglied oder ein besonderer Vertreter einen Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat, trägt der Verein oder das Vereinsmitglied die Beweislast.
(2) Sind Organmitglieder oder besondere Vertreter nach Absatz 1 Satz 1 einem anderen zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, den sie bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursacht haben, so können sie von dem Verein die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde.“

Also, wer die Zeltstange ansägt, haftet für den Schaden, den er damit anrichtet, wenn das Zelt zusammenbricht, persönlich. Ebenso haftet der Kassierer, wenn er mit Geld aus der Vereinskasse seinen Urlaub in Hawaii bezahlt. Im Übrigen wird es wohl keinen Musikverein mehr geben, der nicht eine Haftpflichtversicherung hat.

Das mit der Haftung habe ich hier nochmals dargelegt, da ich auch schon mit Vereinsverantwortlichen konfrontiert war, die der Überzeugung waren, dass wir in den Vereinen nur noch mit Mühe 1. Vorsitzende auf Grund der damit zusammenhängen persönlichen Haftung bekommen.

Warum dieser große schriftliche Ausflug in die Welt des Bürgerlichen Gesetzbuches, wenn der Beitrag doch darum gehen sollte, dass wir unser Vorstandsgremium in den Musikvereinen zeitgemäß aufstellen müssen?

Nun, die Antwort ist ganz einfach: Um Euch den Gedankengang klar zu machen, dass, nur, weil es schon immer so war, wir keineswegs an einem 1. Vorsitzenden festhalten müssen. Denn mit dieser Begrifflichkeit assoziieren wir auf Grund jahrzehntelangem, traditionellem Sprachgebrauch, dass beim 1. Vorsitzenden alle Fäden des Vereins zusammenlaufen und dass er für alles im Musikverein verantwortlich ist. Alle Musiker:innen bzw. Mitglieder kommen zuerst mit allem, was sie auf dem Herzen haben, zu ihm. Von ihm wird verlangt, dass er „Führungskraft“ ist – eine Anforderung und Erwartung an ihn, denen nicht viele gerecht werden können. Wenn nun diese Person ihren Posten aufgibt, ist es gar nicht mehr so einfach, jemanden zu finden, der die Aufgabenlast, die auf den Schultern eines 1. Vorsitzenden und auch die Komplett-Verantwortung, die in dieser Person gesehen wird, übernehmen möchte.

Hier soll nicht der Eindruck entstehen, dass es nicht auch Persönlichkeiten gibt, die das Amt des 1. Vorsitzenden gerne übernehmen oder es gerne ausführen und dies auch können. Aber diese Personen werden in unserer heutigen Welt immer rarer, weshalb wir gründlich über unsere Vorstands- und Organisationsstruktur – wie eingangs schon erwähnt – nachdenken sollten. Verteilung der Verantwortung Ressort-gemäß, Augabenverteilung auf viele, im Idealfall auf alle Schultern der Musiker:innen, Teamarbeit, Projekt- und Arbeitsgruppen sind die Lösungsansätze – auf dem Blasmusikblog schon oft thematisiert im Modell des Teambasierten Vereinsmanagements, das ich für Musikvereine entwickelt habe.

Teambasiertes Vereinsmanagement mit Logo

Verschweigen möchte ich in diesem Zusammenhang nicht, dass mir schon 1. Vorsitzende begegnet sind, die auf Grund ihrer Persönlichkeit und ihres Charakters die Fäden deshalb gerne in der Hand halten, weil sie alles unter Kontrolle behalten möchten (Kontrollzwang als Wesensmerkmal), lieber alles selbst erledigen („dann weiß ich, dass es gemacht und richtig gemacht ist“) oder sich selbst in der Position gefallen, die ihres Erachtens oder auch tatsächlich, in der eigenen Gemeinde ein gewisses „Standing“ hat.

Tja, und dann gibt es noch diejenigen Vereinsvertreter, die der absoluten Überzeug sind: „Einer muss den Hut aufhaben. Das weiß ich auf Grund meiner jahrzehntelangen Erfahrung.“. Gar nicht so einfach für mich als Dozentin diese jahrelange antrainierte Haltung und Erfahrenswelt zu widerlegen. Aber immer eine schöne Herausforderung, der ich mich sehr gerne stelle!

Es ist für mich in gewisser Weise etwas respektlos, anderen Menschen nicht zuzutrauen, dass sie für einen gewissen Bereich die Verantwortung übernehmen können. Und zwar vollumfänglich, ohne Kontrollorgan. Oder Musiker:innen nicht zuzutrauen, dass sie ohne Anleitung, selbstorganisiert Aufgaben erledigen können. Oder dass diese gar unzuverlässig sind und dass man sowieso nicht erwartet, dass diese die übernommenen Aufgaben erledigen. „Erledigen in welchem Sinne?“, frage ich mich da immer. Im Sinne desjenigen, der die Aufgaben „delegiert“ hat? Bekanntlich gibt es viele Wege nach Rom – um das abgedroschene Sprichwort abgeändert zu bemühen. Korrekt heißt es: „Alle Wege führen nach Rom.“ Ich denke, Ihr wisst, was ich meine und brauche das nicht weiter auszuführen.

Abgeben ist für manche schwierig. Anzunehmen, dass andere Personen gewisse Dinge anders angehen, auch. Wichtig ist, dass wir die gemeinsamen Ziele, die wir zuvor alle selbst definiert haben, nicht aus den Augen verlieren. Niemand sollte für sich denken, dass er die Weisheit gepachtet hat und andere unwissend und unzuverlässig sind. Verantwortung „abzugeben“, bedeutet auch, zu „vertrauen“. Vertrauen schafft eine bessere Vereinsatmosphäre und verhindert auch sogenannte „Unzuverlässigkeit“. Wenn wir möchten, dass die Aufgaben im Musikverein nicht nur auf wenigen Schultern verteilt sind, dann müssen wir Aufgaben abgeben. „Ja“, sagen viele Workshop-Teilnehmer:innen dann, „wir als Vereinsverantwortlich müssen delegieren.“ Nun, „delegieren“ reicht nicht. Wir müssen tatsächlich Aufgaben „abgeben“. Wenn wir „delegieren“ beauftragen wir jemanden, eine Aufgabe zu erledigen, für die wir selbst die Verantwortung behalten. Zum Delegieren gehört Kontrollieren. Wenn wir als Vereinsverantwortliche „delegieren“ müssen wir auch „kontrollieren“, ob die Aufgabe erledigt ist. Wenn wir die Aufgabe „abgeben“, dann geht auch die Verantwortung auf die andere Person für diese Aufgabe über. Wenn wir als Verantwortliche weniger Aufgaben und weniger Verantwortung als Entlastung haben möchten, dann müssen wir die Verantwortung für die Aufgabe uneingeschränkt mit abgeben. Und Vertrauen haben. Sonst haben wir nichts gewonnen.

Und, ehrlich, können wir Fehler machen? Klar, jeder macht mal etwas falsch. Aus Unwissenheit oder Gedankenlosigkeit. Aber, was ist genau ein Fehler? „Feler“ ohne h zu schreiben ist ein Fehler. Word erinnert mich daran und es ist leicht korrigiert: „Fehler“. Welche Fehler können wir als Vereinsverantwortliche in den Musikvereinen machen? Wir können mit dem, was wir unternehmen und in die Wege leiten die gesteckten Ziele nicht erreichen. Aber war dieser Weg dann ein Fehler? Ein Fehler wäre, gar nichts zu tun. Dann hätten wir auch diese Erfahrung nicht gemacht, dass dieser Weg nicht zum Ziel führt. Jeder ist auch mal vergesslich. Ist man dann gleich unzuverlässig? Nein, man ist menschlich. Weder wenn jemand innerhalb des Musikvereins vermeindlich „etwas falsch“ macht, noch wenn jemand etwas vergisst zu erledigen: Es stirbt keiner! Also, nachdenken, analysieren, diskutieren, Stellschrauben drehen und nochmals machen.

Ein Musikverein, bei dem ich vor kurzem zu Gast war, hat letztes Jahr ein Projekt-Konzert  veranstaltet, um ehemalige Musiker:innen zu reaktiveren. Die Vereinsverantwortliche sagte zu mir: „nur 3 sind danach tatsächlich geblieben“, ich sagte zu ihr: „Wow, 3 Musiker:innen gewonnen!“. Meine Empfehlung war: Macht das doch nächstes Jahr bzw. alle zwei bis drei Jahre wieder! Selbst wenn jedes Mal nur ein:e Musiker:in wiederkommt, ist das doch toll! Und das Projekt-Konzert steht als klasse Event auch noch auf der Erfolgs-Seite!

Noch einmal zurück zur Behauptung „einer muss den Hut aufhaben“. Teamarbeit funktioniert tatsächlich ohne einen Teamleiter nicht. „Aha“, sagt der aufmerksame Workshopteilnehmer, „also doch eine Führung“. Nein. Nicht in der Weise, was für uns allgemein eine „Führungskraft“ in der Berufswelt ist. Aufgabe des Teamleiters ist es nicht – wie es beispielsweise bei einer Führungskraft in einem Unternehmen der Fall ist – den Teammitgliedern zu sagen, was sie zu machen haben und wie sie es zu erledigen haben. Er legt auch nicht die Ziele des Musikvereins fest – wie Führungskräfte das in der Regel in den Unternehmen tun. Aufgabe ist es hingegen, das Team zunächst ins Arbeiten zu bringen, also die Teamarbeit „ins Rollen“ zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie „am Rollen“ bleibt. Sie formen idealerweise in unserer Musikvereinsumgebung eine freundschaftliche kleine Einheit, die sich einer gewissen Sache – beispielsweise eines besonderen Projektes – angenommen haben. Diese Haltungsweise fördert innerhalb des Teams die Arbeitsbereitschaft, die Motivation und die Kreativität. Das komplette Potential wird ausgeschöpft, da alle Teammitglieder gefragt sind, mitzudenken und nicht nur ausführende Personen sind. In vielen Unternehmen wäre diese Arbeitsweise auch ergebnisreicher. Dies sind übrigens keine Alexandra-Behauptungen. Das sind in der modernen Arbeitswelt die durch agiles Arbeiten gewonnenen Erkenntnisse. (Literaturhinweis: Oestereich/Schröder: Das kollegial geführte Unternehmen – Ideen und Praktiken für die agile Organisation von morgen*, Vahlen-Verlag. *Affiliate-Link)

Es gibt noch eine weitere Aussage, die mir bei meiner Arbeit mit den Musikvereinen immer wieder begegnet: „Die Leute wollen sich nicht mehr binden bzw. verpflichten und keine Verantwortung mehr übernehmen.“ In gewisser Weise scheint dies schon in unsere momentane Welt zu passen. Wir reden ja auch immer darüber, dass ein gewisser Werteverfall eingesetzt hat. In den Zukunftswerkstätten in den Musikvereinen sehe ich persönlich das (noch) nicht. Wenn wir den Musiker:innen die Möglichkeit geben, sich aktiv in einem Teilbereich, einer Arbeits- oder Projektgruppe zu einem bestimmten Thema oder auch nur für eine überschaubare Zeit einzubringen, dann wird das auch angenommen – gemäß Kompetenzen, Vorlieben und der zur Verfügung stehenden Zeit derjenigen. Ich habe noch keine Zukunftswerkstatt erlebt, in denen wir zur Lösung der an diesem Tage definierten Probleme überhaupt keine Personen für Arbeitsgruppen motiviert haben. Es gibt es schon einmal, dass für eine bestimmte Arbeitsgruppe sich keine Leute finden. Dann wird dieses Problem eben nicht angegangen oder ganz einfach vertagt (das „tötet“ auch keinen und bedroht nicht die Existenz des Vereins). Allerdings habe ich es in diesem Fall auch oft erlebt, dass sich in einer Kaffee-Pause dann doch Musiker:innen gefunden haben, die das beschriebene Problem in einer Arbeitsgruppe lösen wollen. “Applaus!”

Vereinsverantwortliche sind in der Tat manchmal erstaunt, wie schnell sich die Arbeitsgruppen im Laufe der Zukunftswerkstatt füllen. Und zwar ganz oft mit Menschen, die noch keine Aufgabe im Verein haben. Für mich selbst ist das nicht erstaunlich: Die Zukunftswerkstatt bietet ja gerade jenen, die nicht im Vorstandsgremium mitarbeiten, die Gelegenheit, sich und ihre Ideen einzubringen. Außerdem werden an diesem Tag die Probleme so ernst genommen, dass das Ergebnis nicht „man müsste mal“, „mal sollte mal“ oder „wir könnten mal“, sondern sehr konkret als Lösungs-Maßnahmen (Was wird gemacht? Wer macht’s? Bis wann ist es erledigt?) vom ganzen Musikverein beschlossen werden.

Der Musikverein ist ein Ort, an dem wir unsere Freizeit verbringen. In unserer Freizeit wollen wir Spaß haben, eine tolle Zeit mit Musik und Freunden erleben. Das gilt nicht nur für das Musizieren an sich, sondern auch für die Vereinsarbeit. Ärger haben wir in unserer Arbeitswelt schon genug… Wir haben es alle selbst in der Hand die Voraussetzungen dafür zu schaffen!

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Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    2 thoughts on “Hilfe! Wir finden keinen 1. Vorsitzenden…

    • Hallo Alexandra,
      toller Beitrag, Kompliment! Da wird mit vielen Dingen aufgeräumt die aus grauer Vorzeit im Raum stehen. Erstaunlich wie lange sich solche Sachen halten.
      Im BVBW ist im Grundpaket der Versicherung das jeder Verein über den Rahmenvertrag hat seit vielen Jahren eine Vermögensschadenhaftpflicht enthalten, die eben dann auch noch greift, wenn eben ein Fall eintreten sollte bei dem der/die Vorsitzenden einen nicht absichtlich herbeigeführten Schaden verursacht haben. Das war damals schon weitsichtig und ist auch heute immer noch sinnvoll um diese erste Angst zu nehmen ein Amt zu bekleiden.
      Viele Grüße und Danke für deine tollen Blogs
      Heiko Peter Melle

      Antwort
      • Hallo Heiko, herzlichen Dank für Deinen Kommentar und das nette Kompliment!
        Viele Grüße
        Alexandra

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