Blasmusiker und die Blasmusikliteratur

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Die Umfrage zum Thema Welche originalen Blasorchesterwerke sollte jeder einmal gespielt haben? war eine richtig schwere Geburt…

Die Frage habe ich im zur Umfrage gehörenden Beitrag und nochmals im Vorspann der eigentlichen Umfrage wie folgt präzisiert:

„Es geht bei dieser Frage weder um die Vogelwiese noch um den Böhmischen Traum. Bei dieser Frage geht es um Werke, die als Konzertwerke oder als Sinfonische Blasmusik bezeichnet werden können. Also keine aus den Genres Polka, Walzer, Marsch – die ja im Prinzip auch Originalwerke sind. Allerdings können das durchaus auch unterhaltende Werke sein.

Es geht bei dieser Umfrage auch nicht um die besonders schwierigen Werke. Der Schwierigkeitsgrad ist nicht ausschlaggebend. Wichtig ist, eine Liste zusammen zu bekommen, die gleichzeitig auch eine Empfehlungsliste sein kann für junge Dirigentinnen und Dirigenten. Werke eben, die jeder Dirigent / jede Dirigentin kennen sollte und die gerade deshalb für Dirigier-Anfänger als Leitfaden dienen können, mit welchen Werke sie sich unbedingt beschäftigen sollten.“

Blasmusiker & die Genres…

Nun, was soll ich sagen, das ging teilweise gründlich schief… Der Florentiner Marsch, der auch das Genre „Marsch“ im Titel führt, wurde sechs Mal genannt. Ebenso wurde mehrfach Arsenal von Jan Van der Roost genannt. Ich finde ja auch, dass Arsenal jeder Blasmusiker einmal gespielt haben sollte. Aber, Arsenal ist halt nun mal auch ein Konzertmarsch und war somit in der Umfrage nicht gefragt.

In der Umfrage, bei der es explizit um „originale Blasorchesterwerke“ ging, wurden auch Pop- und Film-Medleys genannt. 80er-KULT(tour), Moment for Morricone, Grönemeyer!, Phantom der Oper & Co mögen zwar nette Unterhaltungswerke sein, aber es sind nun mal keine Originalwerke sondern Bearbeitungen!

Kennen sich die BlasmusikerInnen tatsächlich nicht mit den verschiedenen Genres aus?

Blasmusiker & die Titel…

Zahlreiche Titel in den Ergebnislisten waren falsch geschrieben. Die lustigste Schreibweise: Mandarinarella. War ohne Komponisten-Angabe, aber ich schätze mal, dass die Marinarella von Julius Fucik gefragt war… Oder el carminoreal… Da war natürlich sofort klar, dass El Camino Real von Alfred Reed gemeint war.

Sowieso ein Phänomen, das ich seit ich mich in der Blasorchester-Szene bewege, beobachte: Die BlasmusikerInnen kennen die Titel nicht, die sie spielen. Die Komponisten-Namen schon gar nicht. Ganz zu schweigen von den Verlagen, in denen das jeweilige Werk erschienen ist. Nun, nicht schlimm. Hauptsache die Dirigentinnen und Dirigenten kennen Titel, Komponist, Verlag. Obwohl mir auch schon Dirigentinnen und Dirigenten begegnet sind, bei denen ich mir gedacht habe, dass sie sich schon ein bisschen besser mit der gängigen Blasorchesterliteratur auskennen und sich mehr damit beschäftigen sollten…

Blasmusiker & die Komponisten…

Zahlreiche Werke wurden ohne Komponistennamen angegeben. Entweder man traut mir zu, dass ich sowieso zu jedem Werk den Komponisten kenne (was meistens, aber nicht immer der Fall ist), oder… ja, ich weiß auch nicht so genau. Im einleitenden Text habe ich darum gebeten, jeweils den Titel und den Komponisten zu nennen. In ca. 30% der angegebenen Titel vergebens…

In keiner Ensemble-Art werden so viele Kompositionen von noch lebenden Komponisten gespielt, wie in der Blasmusik (inklusive Brass Band und Fanfareorchester). Gehört es da nicht zur Allgemeinbildung von Blasmusikern, dass man die wichtigsten noch lebenden Komponisten kennt?

Wie oben schon geschrieben, hatte ich darum gebeten, Titel und Komponist anzugeben. Gleich einer der ersten schrieb in die erste Möglichkeit: „Alles von Kolditz“. Nun. Tatsache ist, dass nun kein einziges Werk von Kolditz in der 100-Titel-Liste originaler Blasorchesterwerke, die jeder Blasmusiker einmal gespielt haben muss, drin steht. Ein anderer Umfrage-Teilnehmer schrieb: „Alles von Grainger“. Der hat (im Gegensatz zum Kolditz-Fan) ganz sicher recht. Alle Werke von Grainger sollte jeder Blasmusiker einmal gespielt haben. Aber leider ist das halt auch keine auswertbare Antwort. Nun, so viel kann ich schon mal verraten, Grainger ist mit einigen Werken in der Liste trotzdem vertreten.

Blasmusiker & diese Umfrage

Ich hoffe, dass diese „Unfälle“ mit den falschen Genres nur dem geschuldet ist, dass die einleitenden Texte nicht richtig gelesen wurden. Vermutlich ist den Leuten nur das Wort „Blasorchesterwerke“ ins Auge gesprungen und sie haben gleich los geschrieben. Diese Erklärung würde mir natürlich sehr viel besser gefallen, als die, dass den Blasmusikern nicht klar ist was mit „Originale Blasorchester, die auch als Konzertwerk oder Sinfonische Blasmusik benannt werden können“ gemeint ist. Wobei mir tief in meinem Inneren eine Stimme sagt: Manche wissen’s echt nicht… Die Begrifflichkeiten sind in unserer – vergleichsweise – jungen Szene vielen wirklich nicht klar. Es ging mit der originalen Blasorchesterliteratur ja schließlich erst vor ungefähr 70 Jahren so richtig los.

Wir haben in unserer Blasorchesterszene das große Glück Komponisten zu haben, die genau für unsere Art Orchester schreiben. Die sich ganz genau mit Blasorchester auskennen. Sie wissen mit den Klangfarben der verschiedenen Instrumentenkombinationen zu spielen. Es werden überwiegend populäre, gut klingende Werke geschrieben, die sowohl den Musikern als auch dem Publikum gefallen. Diese Komponisten schreiben Werke, die mehrfach (hundertfach, tausendfach), überall auf der Welt, gespielt werden. Welcher zeitgenössische Komponist für Sinfonie-Orchester kann das für seine Werke behaupten? Ich habe einen englischen Komponisten einmal gefragt, warum er für Blasorchester schreibt. Seine Antwort war eindeutig: „Die Blasorchester spielen meine Werke – im Gegensatz zu den Sinfonieorchester. Mehrere Sinfonien für Sinfonieorchester schlummern noch ungespielt in meiner Schublade.“

Unsere (noch lebenden) Komponisten sollten wir unterstützen wo es nur geht. Hauptsächlich damit natürlich, dass vermehrt diese originale Blasmusik programmiert wird und weniger Bearbeitungen von Pop-, Film, Musical-Melodien. Und wir sollten dafür sorgen, dass wir auch weiterhin und in Zukunft gute, spielbare Werke bekommen.

Für die Erneuerung des Repertoires wird in Deutschland viel zu wenig getan. Das ist sicherlich ein Grund, warum wir so wenige deutsche Komponisten haben, die für Blasorchester schreiben und über die Grenzen hinaus erfolgreich damit sind. Mit etwas Neid schaue ich da immer auf andere Länder. Außerhalb Deutschlands werden viel mehr Kompositionsaufträge von Blasorchestern an Komponisten vergeben. In den meisten europäischen Ländern – außer Deutschland – gibt es regelmäßig Kompositionswettbewerbe. Kein Wunder, dass zum Beispiel Österreich viele erfolgreiche Blasorchesterkomponisten hat. Schauen wir auf den Wettbewerb „Symphonic Wind Composers Projects“, der letztes Jahr in Österreich stattgefunden hat. Die Teilnehmer konnten sogar an einem Fortbildungsseminar bei einem renommierten Komponisten teilnehmen. Drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Neues Repertoire erhalten, junge Komponisten unterstützt und für ihre Aus- bzw. Fortbildung gesorgt. Das ist genau das, was ich mir für Deutschland wünsche! Die Entwicklung der deutschen Blasorchesterliteratur liegt bei keinem der vielen Blasmusikverbände im Fokus. Ein Versuch wird dieses Jahr an der BDB-Musikakademie gestartet. Erstmalig wird ein Studiengang Blasorchesterkomposition mit Rolf Rudin gestartet. Wie ich heute gelesen habe, beginnt dieser Studiengang mit 9 angehenden Komponistinnen bzw. Komponisten. Schon viele Jahre lang gibt es in Marktoberdorf beim jährlichen Sommerkurs die Möglichkeit, beim eingeladenen Gastdirigenten (immer ein Komponist) Kompositionsunterricht (eine Woche lang) zu nehmen.

In der Schweiz ist im Gegensatz dazu das Fach Blasorchesterkomposition an der Hochschule der Künste Bern verankert. Was für ein Unterschied in der Wertigkeit! Außerdem gab es letztes Jahr einen Kompositionswettbewerb im Tessin, bei dem der 1. Preis mit 5.000 CHF dotiert ist. Das ist doch mal was…

Ein paar junge Kompositionstalente sehe ich in Deutschland. Diese unterstütze ich im Rahmen meiner Möglichkeiten. Sie bekommen nur leider wenig Chancen. Ihre Werke gehen teilweise unter. Sie haben nicht das Geld und die Macht, auf sich und ihre Werke aufmerksam zu machen. Sie haben so gut wie keine Lobby und nahezu keine Unterstützung durch die Verbände. Außerdem ist es mittlerweile sehr schwierig geworden, einen Verlag zu finden, der sich mit Leib und Seele für neue Komponisten einsetzt. Einen Verlag, bei dem die Künstlerpersönlichkeit im Vordergrund steht und nicht nur jeweils ein einzelnes Werk. Die Möglichkeiten der Verlage sind mittlerweile beschränkt. Und es ist natürlich wichtig, dass die Bestands-Komponisten im Verlag gehegt und gepflegt werden. Bei den Verlagen gibt es auch ein sehr großes Dilemma: Gute Aufnahmen sind nach wie vor für den Verkauf von Blasorchesterwerken wichtig. Nur, dass für diese Aufnahmen heutzutage keiner mehr angemessen bezahlen möchte. Oder wann hast Du die letzte CD gekauft, lieber Leser, liebe Leserin?

Bei der Werbung für diese Umfrage in Facebook schrieb ein User: „Entschuldigung, aber können Sie, Frau Link, mir den Sinn und Zweck dieser Umfrage erläutern? Jedes Orchester ist anders. Man sollte Werke spielen, die den Musikern gefallen und ihrem Leistungsstand entsprechen. Was soll also so eine in meinen Augen sinnlose und damit überflüssige Umfrage?“

Mir sind mehrere Blasmusiker gleich zur Seite gestanden:

„…nur weil Sie etwas nicht verstehen, heißt es nicht, dass es sinnlos und überflüssig ist! Es geht hier um die “Muss man unbedingt mal gespielt haben!”-Werke, egal welchen Leistungsstand das eigene Orchester hat. Vielleicht auch Werke, die man unbedingt gerne mal spielen würde. Bei der Auswertung könnte man ja vielleicht auch den Schwierigkeitsgrad berücksichtigen. Und natürlich spielt da auch der persönliche Geschmack mit rein.“

„Es ist sicher auch interessant zu sehen, welche Werke sich als „Standardwerke“ herauskristallisieren.“

„…So eine Umfrage kann unter Umständen auch eine Hilfestellung bei der Findung von Werken für so manches Orchester sein…“

Nun, bessere Antworten hätte ich selbst kaum geben können. Es geht bei dieser Umfrage darum heraus zu filtern, welche Werke denn mittlerweile zu den Standardwerken gehören. Ein kleiner roter Faden, der es beispielsweise jungen Dirigenten erleichtern soll, sich in der Vielfalt der Blasorchesterwerke, die uns zur Verfügung stehen, zurecht zu finden. Aber auch für Dirigenten jeden Alters. Die Liste kann zum blasmusikalischen Allgemeinwissen beitragen. Sie lädt zum Stöbern und Kennen lernen ein und sie trennt die Spreu vom Weizen. Schließlich sind nicht alle Werke, die geschrieben werden, gleich gut. Bei Mozart sind viele Sinfonien beispielsweise auch zurecht in Vergessenheit geraten. Es ist für keinen Komponisten möglich, nur Top-Werke zu produzieren.

Die Liste wird außerdem dazu beitragen, dass vermehrt Originalwerke programmiert werden. Es ist sehr leicht, Bearbeitungen und Arrangements auf die Konzertprogramme zu setzen. Die Melodien sind bekannt. Es braucht für den Dirigenten nicht viel Vorbereitungszeit. Ein originales Konzertwerk braucht sehr viel mehr Partiturstudium. Damit ist sehr viel mehr Arbeit verbunden als beispielsweise ein neues Queen-Medley oder eine neue Polka für die Probe vorzubereiten. Leider kenne ich zu viele Dirigenten, die diese vermeintlich leichten Wege gehen und teilweise gänzlich die Finger von Kompositionen lassen. Oder sie auf die leichte Schulter nehmen und den Inhalt der Partitur nicht erfassen. Hier könnte ich wieder die Dirigentenausbildung kritisieren. Tue ich aber nicht, schließlich liegt es in der Pflicht jedes Dirigenten, die Literatur kennen zu lernen und sich intensiv damit zu beschäftigen.

Was den Schwierigkeitsgrad betrifft: Ich kann jetzt schon versprechen, dass die Liste der 100 Werke (in Abhängigkeit der Anzahl der Nennungen) Stücke in den Schwierigkeitsgraden 3 – 6 enthält. Völlig unbegründet also der Hinweis, dass Orchester Stücke ihrem Leistungsstand entsprechend wählen sollen. Das kann ich zu 100% unterstreichen! Und es sind eben für jeden Leistungsstand Werke enthalten. Dabei rede ich von unseren Blasorchestern, also den Hauptorchestern, nicht den vorgeschalteten Jugend- bzw. Vororchestern. Ganz davon abgesehen: In der Liste stehen automatisch Werke, die jeder Blasmusiker kennen sollte. Ob er sie nun spielen kann oder nicht.

Was den Halbsatz „…Werke, die den Musikern gefallen…“ betrifft. Auch hier kann ich versichern, dass alle Werke in der Liste auch der überwiegenden Anzahl der Musiker gefallen. Ob sie sie nun spielen können oder nicht. Mir ist noch keiner begegnet, dem Lord of the Rings von Johan de Meij, Oregon von Jacob de Haan oder die beiden Holst-Suiten nicht gefallen. Diese Werke kennen vielleicht nicht alle Blasmusiker, geschweige denn, dass jeder sie schon gespielt hat (der Schreiber des Facebook-Kommentars vielleicht auch nicht). Aber vielleicht wird die Liste ja auch eine Einladung, diese Werke einmal kennen zu lernen. Ich habe die Liste ja schon gesehen und ich für mich, als eingefleischte Blasmusikern, kann sagen: Wirklich alle Titel der Liste möchte ich einmal spielen! Okay, die meisten davon habe ich schon gespielt…. Teilweise mehrfach…

„Man sollte Werke spielen, die den Musikern gefallen und ihrem Leistungsstand entsprechen.“ Schrieb der Kritiker dieser Umfrage auf Facebook. Nun, wer sagt, dass die Blasmusikerinnen und Blasmusiker in dieser Umfrage Titel nennen, die den Musikern nicht gefallen und nicht deren Leistungsstand entsprechen? Es muss ja einen Grund geben, warum die Blasmusiker, die Titel in der Umfrage genannt haben, gerade diese Titel angegeben haben. Warum sie gerade diese Blasorchesterwerke als spielenswert empfinden. Sicherlich nicht, weil diese Blasorchesterwerke grauslig oder scheußlich sind, also niemandem gefallen und schon gar keiner spielen kann. Wohl eher das Gegenteil ist der Fall, oder?

Die Halligalli-Blasmusik, die Land auf Land ab überall auf Festen und Festivals gespielt wird, ist laut genug. Ich denke, dass wir lauter mit unserer originalen Blasmusik werden sollten. Dann schaffen wir es auch irgendwann, dass nicht die gesamte Blasmusik in den Topf „Bier und Bratwurst“ geworfen wird, sondern dass die Menschen – die Blasmusiker und das Publikum – differenzieren. Dass sie endlich merken, dass es verschiedene Arten von Blasmusik gibt. Auch deshalb diese Umfrage. Ich arbeite auf jeden Fall weiter an meiner Lebensaufgabe, originale Blasorchesterwerke, die als Konzertwerke oder auch Werke der sinfonischen Blasmusik bezeichnet werden können, ins Rampenlicht zu rücken.

Eure Meinung gerne weiter unten auf dieser Seite in die Kommentare. Danke.

PS Sowohl der Böhmische Traum als auch die Vogelwiese wurden in der Umfrage als „Originale Blasorchesterwerke, die jeder Blasmusiker einmal gespielt haben sollte“ genannt. Für manche scheint das wirklich das höchste aller Genüsse zu sein… Nun denn…

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    9 thoughts on “Blasmusiker und die Blasmusikliteratur

    • 23. Januar 2021 at 13:48
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      Hallo Alexandra, leider hab ich die Umfrage verschnarcht, bin aber äußerst gespannt… natürlich kann ich mir als ( alter;) engagierter Hornist schon viele Nennungen denken , bin genauso gespannt was ich nicht kenne und unbedingt Mal spielen sollte !!
      Ich geb dir zu 100% in allen o.g. Punkten Recht , allerdings gibt’s genug KollegInnen die uns engagierte Musiker kopfschüttelnd beobachten…Wenn ich stolz und voller Euphorie vom SoKu Marktoberdorf, Tiroler Bläserwoche mit Komponistenworkshop oder vom Bläserurlaub in Bad Goisern schwärme und berichte , werde ich von 80-90% belächelt und der Rest findet’s zum Teil gut , macht aber selbst höchstens beim Orchesterseminar um die Ecke mit…
      Na ja, selbst schuld….LG aus dem Saarland, Jörg Schneider

      Reply
    • 23. Januar 2021 at 18:50
      Permalink

      Hallo Alexandra,
      voll ins “Schwarze” getroffen; danke für diesen ausgezeichneten und differenzierten
      Kommentar.
      LG, Herbert

      Reply
    • 24. Januar 2021 at 0:24
      Permalink

      Hallo Frau Link,
      dieser deprimierende Lagebericht zur “Literaturkenntnis von vielen Blasmusikakteuren” bestätigt einmal mehr meine in 40 Jahren gewonnenen Erkenntnisse:
      1. Die Blasmusikszene, bzw. ein Großteil der Akteure schwimmt nach wie vor in ihrer eigenen Blase, meist weit abseits vom tatsächlichen Kulturbetrieb.
      2. Der Dilettant schreckt wirklich vor nichts zurück – und
      3. Jeder macht so gut erkann – manche können einfach nicht besser.

      Herzliche Grüße aus dem Kraichgau
      Michael Ruf

      Reply
    • 24. Januar 2021 at 12:44
      Permalink

      Liebe Frau Link
      Ich lese Ihre spannenden Blogbeiträge immer sehr gerne. Dass Sie aber alle Musikant*innen, welche Polkas, Märsche oder Arrangements von Pop- und Filmmusik präferieren in einen Topf werfen, finde ich etwas schade. Selbstverständlich kann ein grösserer Fokus auf Originalwerke zum Erfolg führen, dass dies jedoch nicht zu jedem Verein passt erlebe ich in der MG Lyss tagtäglich. Seit wir nämlich ausschliesslich Arrangements aus dem populären Bereich spielen sind die meisten unserer Mitglieder wesentlich motivierter.
      Als Dirigent und studierter Musikwissenschaftler kann mir kaum vorgeworfen werden, mich mit Musik zu wenig auszukennen. Trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, dass ich viele Werke auf Ihrer Liste nicht kennen werde. Ich weiss dafür, wie man mit einem Blasmusikverein Hip-Hop auf die Bühne bringen kann. Ich will hier nicht das eine gegen das andere ausspielen, sondern einfach klarmachen, dass für mich beides seinen Wert hat.

      Liebe Grüsse aus der Schweiz
      Yves Chapuis

      Reply
    • 24. Januar 2021 at 13:18
      Permalink

      Hallo Alexandra, danke für deinen Artikel!

      Ein paar Worte zur Gattung bzw. dem Genre:
      Wenn du Marsch in einer Reihe mit Polka und Walzer nennst, ist das ein ziemlich deutlicher Verweis auf (u.a.) böhmische Bierzelt-Musik. Die deutliche frage nach konzertanter Blasmusik lässt einen dann vermuten, dass Konzertmärsche & Co. auch gewünscht sind. Es ist schwierig, so eine Abgrenzung in wenigen Sätzen zu formulieren. Schließt du mit Marsch generell alle militärisch anmutenden 2/2 und 4/4 Stücke aus, wie z.B. den Marsch aus der 2nd Suite von Holst? Sind Walzer generell alle 3/4-Tänze, oder sogar jegliche Tanzmusik? Was ist mit “The Lost Lady Found” aus Graingers Lincolnshire Posy?
      Ist es nur dann in Ordnung, wenn diese Gattungen in ein größeres Werk eingebettet sind?

      Der Florentiner Marsch ist in meinen Augen künstlerisch wertvoller als 50% der Blasorchesterliteratur die in den letzten Jahren auf den Markt geklatscht wurde, auch wenn er sich einiger Klischee-Elemente bedient. Da kann ich verstehen, dass viele ihn auf dieser Liste sehen wollen.

      Originale sinfonische Blasmusik ist ein schwieriger Begriff in sich. Bis wann ist ein Stück noch eine Bearbeitung? Komposition an sich meint ja das “Zusammenstellen” von vorhandenem. Es gibt wenige Komponisten, denen nachgesagt wird, “Neues zu schaffen” (gerade Frankreich, Österreich und Polen im 20. Jhdt.), aber selbst die sind umstritten. Würde man klassische Volkslied-Verschnitten (z.B. Holst, Vaughan-Williams, Grainger, Stravinsky) je wagen anzunehmen, dass dies keine Kompositionen sind? Wohl kaum! Sacre du printemps gehört zu den Meilensteinen der Komposition im 20. Jahrhundert. Hier wird allerdings das grundlegende Material völlig zerlegt und “verunstaltet”, ist also schwer vegleichbar mit den daneben fast schon “plumpen” Suiten von Holst und Grainger (nicht böse gemeint, ich fnde beide toll), wo neben eine tollen Instrumentierung das höchste der Gefühle kurze kontrapunktische Abschnitte sind. Womit wir beim Kollegen Kraas sind. (das Stück heißt übrigens 80er KULT(tour) 😉 ). Viele “Volkslieder” zu einem großen Werk zusammengetragen und hervorragend instrumentiert mit gelegentlich (sogar 3facher) Kontrapunktig. Ist das jetzt weniger wert, als ein Grainger, nur weil wir die Originale kennen? Oder müssen wir hier Abzug beim Handwerk geben? Der Schwierigkeitsgrad sollte ja keine Rolle spielen. Garnicht so leicht zu beantworten wie ich finde!

      Insofern möchte ich dir nochmal für deine Gedanken danken aber dir empfehlen, dich nicht zu sehr mit der Frage nach der Gattung zu stressen. Die Klassiker streiten (und scheitern) seit Jahren über und an der Definition von U- und E- Musik. Ich bezweifle, dass es nach den geltenden Kriterien auch nur 0,1% der sogenannten “sinfonischen Blasmusik” in diese Kategorie schaffen würde. Bernstein war einer der großen Verfechter gegen eine solche Aufteilung. Die Leute zum darüber nachdenken zu animieren halte ich indess immer für eine gute Sache! 🙂

      Viele Grüße,
      Julien

      Reply
    • 24. Januar 2021 at 14:32
      Permalink

      Hallo Alexandra, ich stimme dir in deinen Berichten ganz oft bei, aber ich bin der Meinung, dass du diesmal mit Kanonen auf Spatzen schießt. Zuerst einmal finde ich es toll, dass anscheinend viele deinem Aufruf zur Teilnahme an dieser Umfrage gefolgt sind. Den Anfang habe ich über Facebook mitbekommen, wo einige schon in die Kommentare ihre (meist nicht der Frage entsprechenden) Favoritentitel eingetragen haben und du noch sehr geduldig und korrigieren geantwortet hast. Dass dir mit der Zeit und mit zunehmenden „falschen“ Antworten vielleicht „die Hutschnur platzt“, ist auch verständlich. Manchen deiner Ausführungen im obigen Text kann ich aber nur bedingt beipflichten.

      Bei den Genres und speziell beim Thema Marsch bin ich beispielsweise nur bedingt bei dir. Arsenal ist für mich ein Konzertmarsch und gehört zur originalen Blasmusikliteratur, so wie der Grand March von Soichi Konagaya und noch viele andere auch. Darüber lässt sich sicher streiten, und wenn du die Märsche in der Auflistung nicht haben willst, ist das verständlich. Aber zu schreiben „das ging gründlich schief…“ ist für mich nicht ganz nachvollziehbar. Dass Rock-, Pop-, Musical- und Filmbearbeitungen in der Liste nichts zu suchen haben, ist natürlich absolut richtig. Du führst aber weiter unten Grainger auf – hat der nicht auch englische Volkslieder „arrangiert“? Und ich hatte Alfred Reeds „Russian Christmas Music“ aufgelistet, das zu einem großen Teil aus einem alten russischen Weihnachtschoral besteht. Das ist aber vielleicht jetzt Haarspalterei und soll keinesfalls besserwisserisch rüberkommen.

      Dass Titel falsch geschrieben werden, ist glaube ich etwas dem Zeitgeist geschuldet. Rechtschreibung ist in dieser schnelllebigen Zeit leider nicht mehr das wichtigste. Und auch das genaue Durchlesen und Erfassen von Texten gerät immer mehr ins Hintertreffen! Das ist auch etwas, worüber man sich echauffieren kann – wenn man will. Aber du schreibst ja richtigerweise, dass vor allem die Dirigenten wissen sollten, von wem sie was ihrem Orchester auflegen.

      Mit den guten jungen Komponisten gebe ich dir Recht. Aber beispielsweise steckt in „80er KultTour“ von Thiemo Kraas m.E. hervorragende musikalische Arbeit – genauso wie sein Originalwerk „Crossbreed“ sehr gut kompomiert ist. Da ist von der musikalischen Arbeit her kein Unterschied zu erkennen. Und ich vermute, dass Herr Kraas sein „80er KultTour“ häufiger verkauft hat als Crossbreed. Warum sollten wir junge deutsche Komponisten dann „hauptsächlich damit natürlich (unterstützen), dass vermehrt diese originale Blasmusik programmiert wird und weniger Bearbeitungen von Pop-, Film, Musical-Melodien“?

      Der pauschale Vergleich unserer Blasmusik ohne geografische Gesichtspunkte finde ich auch schwierig. Du weißt, dass ich aus einer Ecke Deutschlands komme, in der es eine der Hauptaufgaben der dörflichen Blasmusikvereine ist, Unterhaltungsmusik auf Wein- und Bierfesten zu präsentieren. Hier ist nun mal ein Popmedley passender als ein sinfonisches Originalblasmusikwerk. Die Musiker und auch die Zuhörer nehmen in unserer Gegend die böhmische Musik und ihre richtige Ausführung sehr ernst. Auch hierüber steht natürlich absolut die Qualität, und dies abwertend als Halligallimusik abzutun ist m.E. nicht sehr hilfreich. Es gehört zu unseren Festen mit Bier und Bratwurst auch die Blasmusik – es geht absolut nicht ohne, und das ist finde ich auch eine tolle Errungenschaft, die man nicht pauschal schlecht reden sollte.

      An der Umfrage habe ich trotzdem sehr gerne teilgenommen und ich glaube, ich habe sie auch in deinem Sinne richtig ausgeführt! Ich bin gespannt auf das Ergebnis und freue mich schon weitere Umfragen und auf den nächsten Blog von dir. Der Austausch unter uns Blasmusikern ist absolut wichtig und gelingt dir über diese Plattform hervorragend. Danke schön!

      Reply
    • 24. Januar 2021 at 15:20
      Permalink

      Liebe Alexandra,

      ich schätze Deine Arbeit für die Welt der „Blasmusik“ sehr, sowohl in journalistischer wie auch inhaltlicher Hinsicht.

      Deshalb wirst Du mir nicht gram sein, wenn ich Deinem Anliegen hier aus verschiedenen Gründen widerspreche.

      Zuvorderst – und das ist eine grundsätzliche Diskussion, die sicher in einem anderen Rahmen noch mal fortgeführt werden muss, komme ich mit dem Topos „Blasmusiker“ überhaupt nicht klar. Er widerspricht sowohl meiner musikalischen Sozialisation als auch meinem Selbstverständnis als Musikpädagoge und Dirigent.

      Weiter finde ich die Fragestellung der Umfrage mindestens irreführend und das hängt mE auch mit der Begriffsverwendung „Blasmusiker“ zusammen. Damit zusammen hängt meine Überzeugung, dass eine Genretrennung – vor allem, wie Du sie vornimmst – ein wenig aus der Zeit gefallen scheint bzw. weniger nett ausgedrückt, altmodisch ist.

      Zur sog. „sinfonischen Blasmusik“: ich habe sehr geschmunzelt über das Argument des Komponisten, dass er lieber für BO schreibt, weil dann seine Werke gespielt würden. Hier liegt mE ein fundamentales Missverständnis bzgl. der Kunstauffassung vor. Meine These ist, dass die Werke gerade deshalb gespielt werden, weil sie (vorwiegend) eben klingen wie die Sinfonik des 19. Jh. , die ja bis dato auch den Filmmusiksound etc. prägt. Ähnliche Diskussionen gibt es auch in Amateursinfonieorchestern, wenn es die Auswahl zwischen Schumann, Bernstein oder Rihm/Hölszky/Seither etc. geht.
      Über den wohlwollenden Eklektizismus moderner Blasorchesterkomponisten habe ich mich an anderer Stelle schon einmal ausgelassen. Ich gönne jedem
      Einzelnen dieser wunderbaren Menschen ihren Erfolg. Aber wahrhaft vorwärts weisende Kunst, wie sie Beethoven im frühen 19. Jh, Schönberg oder Webern im frühen 20. Jh, Berio oder Nono in der 2. Hälfte des 20. Jh. oder eben dato Rihm etc. vorweisen, ist das nicht und kann das nicht sein. Das ist auch absolut in Ordnung. Dann sollte man den Stilmix der heutigen Blasorchester, der sich ja aus eben diesem Eklektizismus und der globalen Verfügbarkeit von Musik ergibt, nicht über mE schon lange nicht mehr existierende Genregrenzen kritisieren.

      Zum Begriff des Musikers: ich bin überzeugt, dass es längst Realität ist, bspw. als Klarinettist heute eine Mozart-Sinfonie zu proben, morgen den „Böhmischen Traum“ auf einer Féte zu spielen, übermorgen ein Jahreskonzert des Orchestervereins mit Reed, Morricone und Doss vorzubereiten, tags darauf Saxophon in einer BigBand zu spielen und am Wochenende entweder Baermann oder Brahms zu üben. Dito für eine Tubistin, einen Schlagwerker, eine Euphonistin usw.
      Es wäre mir persönlich ein Graus, mich nur in einer einzigen Klanglichkeit musikalisch ausdrücken zu können. Vielleicht muss man aber auch erst alt werden, um bspw. zur hohen Kunst der Kammermusik oder dem Weisenblasen finden zu können.

      Kurzum: es ist mir entschieden zu einfach gedacht, in einem monotonen (im wahrsten Wortsinne) Blasorchesterwesen – und sei es noch so „sinfonisch“ – zu verharren. Dabei gönne ich Jedem und Jeder das persönliche Genussempfinden beim individuellen Tun.
      Dieses Tun aber von der (angenommenen) Warte einer „sinfonischen“ Blasorchesterwesens zu beurteilen ist ebenso altmodisch wie die (in Teilen noch existente) Arroganz von scheinbaren Sinfonieorchestermusikern (was für ein Wortungetüm)

      Ich habe nicht nachgeschaut, ob Karel Husas „Music for Prague 1968“ auf der Liste steht und an welcher Stelle. Warum man aber die gespielt haben sollte und eine wunderbare Adaption bspw. eines Werke von Ferde Grofé wie „Rodeo“ nicht, erschließt sich mir nicht wirklich.

      Wie „original“ ist die „Gran Partita“ im Vergleich zu einer eigens beauftragten Harmonieversion der Egmont-Ouvertüre? Noch schlimmer: was davon ist E uns was U?

      Alles für sich sicher diskutable Positionen. Umso mehr, siehe oben, bin ich Dir sehr dankbar für diese Art Rahmen, den Du mit Deinem Blog bildest. Vielleicht würde es sich lohnen, den Rahmen ein bisl weiter zu spannen, damit der Vorwurf der Nabelschau nicht wirkt.

      Verbundene Grüße aus Leipzig

      Reply
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