Wie die Verzahnung von Kindern und Jugendlichen aus den Jugendensembles mit den Musiker:innen im „großen“ Blasorchester gelingt

Round-Up zum Thema Integration von „Neuen“ im Blasorchester Teil 1

Ein wesentlicher Bestandteil zur erfolgreichen Integration von jungen Musiker:innen im Blasorchester des Musikvereins ist die frühe Einbindung in alle Aktivitäten des Musikvereins, ein wohl überlegter Zeitpunkt des Eintritts in das Stammorchester (Hauptorchester) und die erste Zeit in der “erwachsenen” Proben- und Konzertwelt. Zu diesen drei Themen habe ich bei einigen Musikvereinen über die dort vorherrschende Praxis nachgefragt. Es freut mich sehr, dass Carina Löwe von JBO und SBO Leipzig, Jakob Hiemetsberger vom Jugendorchester und Musikverein Kaltenberg (AT), Susanne Bader vom Musikverein Oßweil e.V . / Stadtkapelle Ludwigsburg, Eva Benedikt vom Musikverein Gratwein (AT), Cordula Zankl von der Steinhauer Musikkapelle Adnet (AT) und Nicole Maack vom Sinfonischen Blasorchester „Flutissima“ Bardowick sich meinen Fragen stellten und hier auf dem Blasmusikblog von ihren Musikvereinen zur Inspiration für Euch alle erzählen.

Im ersten Beitrag zum Thema Integration geht es um die frühe Einbindung schon vor Eintritt in das Hauptorchester. Lest im Folgenden die Antworten der fünf Teilnehmer:innen an diesem Round-Up auf die Frage:

Was tut Ihr im Musikverein um die Kinder und Jugendlichen, die noch nicht im Großen Blasorchester (Hauptorchester, Stammorchester) mitspielen, in Eure Vereinsaktivitäten einzubinden? Wir sorgt Ihr für die Verzahnung und Verbindung von Jugendensemble(s) und Hauptorchester?

Carina Löwe, JBO und SBO Leipzig, DE

Bei uns im Verein (JBO Leipzig e.V.) gibt es regelmäßige gemeinsame Veranstaltungen vom Nachwuchsorchester und dem Großen Blasorchester (SBOL – Symphonisches Blasorchester Leipzig). Von gemeinsamen Proben mit gemeinsamen Pausen über gemeinsame Konzerte. Die Konzerte werden unterschiedlich gestaltet: teilweise komplett zusammen, dann wird auschließlich das Repertoire der Kinder gespielt. Oder zu den Weihnachts- und Jahreskonzerten spielt jedes Ensemlbe sein eigenes Programm und am Ende gibt es noch 1-2 gemeinsame Stücke. 

Die Verbindung wird außerdem durch unser Nachwuchsteam geschaffen. Die Jugendgruppenleiter sind Mitglied beider Ensembles. Desweiteren helfen des öfteren Musiker des SBOL beim Nachwuchsorchester aus. Es besteht also regelmäßiger Kontakt zwischen den Kleinen und Großen. Desweiteren gibt es auch gemeinsame außermusikalische Veranstaltungen wie unsere diesjährige Weihnachtsfeier, die für alle Mitglieder des Vereins angeboten werden. 

Informationen über das Orchester: JBO und SBO Leipzig

Jakob Hiemetsberger, Jugendorchester und Musikverein Kaltenberg, AT

Unser Verein unterhält ein Jugendorchester, das Kindern ermöglicht, nach etwa zwei Lernjahren mitzuspielen. Wir haben keine fest definierten Eintrittskriterien für das Jugendorchester festgelegt, da das Niveau der Kinder von verschiedenen Faktoren wie ihrer persönlichen Entwicklung, ihrem Alter und ihren musikalischen Vorerfahrungen abhängt. Einige Kinder haben möglicherweise zuvor ein anderes Instrument gelernt und können daher schneller in das Jugendorchester einsteigen.

Nun zur eigentlichen Frage: Das Jugendorchester setzt sich ungefähr zur Hälfte aus Kindern zusammen, die noch nicht im großen Blasorchester spielen, und zur Hälfte aus Jugendlichen bis etwa 20 Jahren, die bereits im großen Blasorchester aktiv sind. Diese älteren Jugendlichen sind nach ihrem Eintritt in das große Orchester verpflichtet das Jugendorchester für weitere zwei Jahre zu unterstützen. Bisher engagierten sich diese Jugendlichen jedoch freiwillig immer für eine deutlich längere Zeit als zwei Jahre im Jugendorchester. Diese Regelung ist vorteilhaft für alle Beteiligten: Zum einen wäre es für uns als Verein mit einem kleinen Einzugsgebiet schwierig, ein funktionsfähiges Jugendorchester nur mit Kindern zu führen. Gleichzeitig werden neu hinzukommende Kinder von den älteren Jugendlichen begleitet und an das Musizieren im Orchester herangeführt. Außerdem müssen die Jugendlichen im Jugendorchester sowohl soziale als auch musikalische Verantwortung übernehmen, was wiederum dem großen Blasorchester zugutekommt.

Zusätzlich gibt es Berührungspunkte zwischen dem großen Blasorchester und dem Jugendorchester bei verschiedenen Veranstaltungen wie Jahreshauptversammlungen, Konzerten und Festen. Gemeinsame Veranstaltungen oder Auftritte hat es bisher nicht gegeben.

Informationen über das Orchester: Jugendorchester und Musikverein Kaltenberg

Susanne Bader, Musikverein Oßweil eV, Stadtkapelle Ludwigsburg, DE 

Unsere Crazy Music Kids (Schülerorchester) und das Jugendorchester haben ihren eigenen festen Jahresablauf, repräsentieren den Verein bei diversen Anlässen und Festen der Stadt: Wettemarktfest, Weihnachtsmarkt, etc.

Dazu haben die beiden Orchester ihre gemeinsame Kinderweihnachtsfeier und einen festen Spieltermin beim Musikfest des Vereins. Bei diesem, aber auch anderen Veranstaltungen des großen Orchesters helfen die Jugendlichen.

Einmal im Jahr gibt es für das Jugendorchester eine Schnupperprobe im großen Orchester. Egal, ob man dran ist, zu wechseln, oder erst gerade frisch im Jugendorchester angekommen ist.

Musiker des grossen Orchesters fahren mit auf Probefreizeiten und halten dort die Registerproben.

Informationen über das Orchester: Musikverein Oßweil eV, Stadtkapelle Ludwigsburg

Eva Benedikt, Musikverein Gratwein, AT

Wir haben eine Orchesterklasse (=Bläserklasse) in der 3. und 4. Klasse Volksschule. Diese hat eigene Konzerte am Schulschluss und auch gemeinsam mit unserem Jugendblasorchester (Alter 10 – 16). Das JBO spielt ebenfalls eigene Konzerte und auch bei den 2 großen Konzerten des Stammorchesters. So hat das kleinere immer Kontakt zum nächst größeren Orchester. 
Zusätzlich machen wir außermusikalische Aktivitäten, wo die Jugendlichen des JBO und des Stammorchesters gemeinsam etwas unternehmen. FlipLab, EscapeRoom, Lagerfeuer, …
Sie basteln auch immer Dekoration oder ähnliches für die großen Konzerte.

Informationen über das Orchester: Musikverein Gratwein

Cordula Zankl, Steinhauer Musikkapelle Adnet, AT

In unserem Verein haben wir ein Konzept, das von der musikalischen Frühförderung (ab 4 Jahre), über die Bläserklasse (aufgeteilt in eine für Schüler:innen, welche im Fünf-Ton-Raum spielen können bzw. ganz am Anfang stehen und welche die bereits ein Jahr Unterricht hinter sich haben) hin zu projektmäßigen Jugendensembles und Orchester. (Hier haben wir noch etwas Aufholbedarf, dies noch besser und zielgerichteter zu steuern – da sind einige Aktivitäten und Aktionen in Planung für das kommende Jahr.)

Grundsätzlich versuchen wir als Verein bzw. ich als Hauptverantwortliche Person für die Jugendarbeit. Ich bin allerdings nicht der Jugendreferent bei uns im Verein (!) – das teilen wir etwas anders auf und zwar: eine Musikerin und ich sind verantwortlich für die Anwerbung junger (und junggebliebener) Musiker, ebenso für die Koordination mit dem Musikschulwerk und wir versuchen für unsere Bläserklasse und Ensembles diverse Auftritte im Jahr zu organisieren. (z. B. Martinsfest im Kindergarten, karitativer Punschstand der örtlichen Vereine, diverse Veranstaltungen in den Schulen, etc.) Die Jugendreferenten unterstützen hier lediglich und sind danach, sobald die Schüler eingetreten sind in den Verein für alles verantwortlich und hier unterstütze wiederum ich sie, in deren Arbeit.

Zusätzlich geben wir beim Jahreskonzert für alle Schüler der Bläserklassen sogenannte VIP Karten aus. Das sind speziell gestaltete Konzertkarten mit dem Logo unseres Vereines drauf. Dies verteilen der Obmann, Kapellmeister und Jugendreferent an die Kinder, zum einen kommen wir einmal am Ende einer Bläserklassenstunde und zum anderen, die Kinder, die wir nicht antreffen, zu denen bringen wir es persönlich nach Hause. Beim Konzert werden die Kinder dann vom Obmann bzw. Stellvertreter zu eigens für sie reservierten Plätzen begleitet (es steht auch auf dem Reservierungsschild VIP drauf). Im Konzert werden sie dann auch separat vom Obmann begrüßt und bei den Schlussworten des Kapellmeisters bedacht. –> Das kommt bei allen Konzertbesuchern unglaublich gut an und für die Kinder ist dies wirklich eine große Freude und Ehre, dass sie hier so hervor gehoben werden. (Wertschätzung)

Wir laden die Bläserklassenkinder bzw. Projektkinder zweimal im Jahr zu einer offenen Probe ein. Hier studieren alle beteiligten zwei, drei gleiche Stücke ein (auch die “großen” im Verein) und nach der Probe gibt es ein geselliges Zusammensein von allen bei Snacks und Getränken.

Wirklich wichtig für diese Verzahnung ist, dass sich eine Person im Verein dafür verantwortlich fühlt. Das kann nicht den Jugendreferenten umgebunden werden. Die haben ohnehin eine große Aufgabe. Es braucht jemanden (idealerweise mit Erfahrung in der Jugendarbeit), der/die sich verantwortlich fühlt dafür und dies auch alles organisiert und koordiniert.

Informationen über das Orchester: Steinhauer Musikkapelle Adnet

Nicole Maack, Sinfonisches Blasorchester „Flutissima“ Bardowick, DE

Die Konzerte des Hauptorchesters sind ein fester Termin für die Flutissima YoungStars und auch die MusikerInnen und Musiker des Hauptorchesters statten den Konzerten der Jugendlichen Besuche ab. Die gegenseitige Hilfe an den außermusikalischen Stellen im Konzert ist eine Selbstverständlichkeit. Die YoungStars haben genau wie das Hauptorchester ein Probenwochenende, an dem Musikerinnen und Musiker des Hauptorchesters als Dozenten und Betreuer teilnehmen. Auch die Spieleabende der YoungStars, die alle 6 Wochen stattfinden, werden von den Jugendwarten des Hauptorchesters organisiert und durchgeführt. Bei ausgewählten Konzerten des Hauptorchesters spielt das Jugendorchester als „Vororchester“ und es gibt ein gemeinsames Stück.

In unserem Musikverein Flutissima Bardowick e.V. gibt es drei Besetzungen: Das Sinfonische Blasorchester, das Jugendorchester – die „Flutissima YoungStars“ und die Erwachsenen-BläserKlassen „Never too late“. Alle drei haben eigene Konzerte und Veranstaltungen. Eine der Herausforderungen ist, die Jugendlichen und Erwachsenen aus den Ausbildungsorchestern ins „große“ Orchester zu leiten. Als wichtigste Punkte haben wir die Attraktivität des Orchesters für junge Musikerinnen und Musiker, die musikalische Herausforderung (nicht Überforderung) und die persönliche Verknüpfung der Musikerinnen und Musiker identifiziert. Bei einem Musikverein mit 160 aktiven Mitgliedern keine leichte Aufgabe. Es ist eine ständige Herausforderung und erfordert laufend Maßnahmen, die beweglich sind.

Informationen über das Orchester: Sinfonisches Blasorchester „Flutissima“ Bardowick

Herzlichen Dank an Carina Löwe, Jakob Hiemetsberger, Susanne Bader, Eva Benedikt, Cordula Zankl und Nicole Maack für die Mitarbeit an diesem Round-Up Post zur Integration von jungen Musikerinnen und Musikern im Musikverein. Das Teilen Eurer Erfahrungen ist Inspiration für alle Vereinsverantwortlichen, insbesondere Jugendleiter:innen bzw. Jugendreferent:innen!

Möchte von den Leserinnen und Lesern des Blasmusikblogs noch etwas ergänzen? Schreibt Eure Best-Practice-Erfahrungen gerne in das Kommentarfeld weiter unten auf dieser Seite!

Die Round-Up-Serie zum Thema Integration von jungen Musikerinnen und Musikern im Überblick:

Wie die Verzahnung von Kindern und Jugendlichen aus den Jugendensembles mit den Musiker:innen im „großen“ Blasorchester gelingt
Kriterien für die Übernahme von Jugendlichen ins „große“ Blasorchester
Willkommensrituale für „Neue“ im Blasorchester

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    One thought on “Wie die Verzahnung von Kindern und Jugendlichen aus den Jugendensembles mit den Musiker:innen im „großen“ Blasorchester gelingt

    • 4. Februar 2024 at 9:41
      Permalink

      In meinem Verein sind gerade 20 Jugendliche aus den Bläserklassen / Jugendorchestern neu ins Hauptorchester gekommen. Das ist damit auf einmal von ca. 40 auf ca. 60 Personen angewachsen. Alle jungen Musikerinnen und Musiker haben das Silberabzeichen.
      Eine spannende Zeit. Die ersten Proben waren positiv und verliefen musikalisch viel problemloser, als ich es erwartet habe.
      Die Neuen haben in jeder Instrumentengruppe einen Paten/Patin bekommen, die sich um alle Belange der neuen kümmern und Ansprechpartner sind. Das Jugendleiter-Team und der Vorstand sind sehr aktiv und in Kontakt mit den Jugendlichen und Eltern, damit alles möglichst reibungslos verläuft.
      Ich versuche in den Proben, die Jugendlichen schrittweise ins Repertoire einzuarbeiten. Wir proben im Moment wenige, gute Konzertstücke , um die ensembletechnisch-musikalischen Schwerpunkte des Orchesters zu vermitteln (English Folk Song Suite und St. Florian Choral bis jetzt). Dann spiele ich in jeder Probe ein oder zwei Stücke aus dem Repertoire einmal durch und probe diese dann ausführlich eine Woche später. So kann sich jeder gezielt auf die nächste Probe vorbereiten. (Bisher haben wir in drei Proben Im Weissen Rössl, 80-er Kult Tour, Inglesina und The Brigadier gemacht.)
      Bisher ist die Stimmung in der Gruppe gut (und die Intonation ist schon fast gut )
      Mal sehen, wie es sich weiter entwickelt.

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