Blasmusikaspekte: Spartenreichtum Blasorchester – Fluch und / oder Segen

Ein Interview mit Dominik Wagner

Ein Blasorchester kann durch seine musikalischen Möglichkeiten ein breites Spektrum verschiedener Genres abdecken. Es kann einen großen sinfonischen Klangkörper erzeugen, aber auch klingen wie eine Big Band, überzeugend Bearbeitungen aus Film/ Musical und Computerspielmusik wiedergeben und natürlich auch den traditionellen Klang der Blasmusik aufleben lassen. Wie spiegelt sich dieser Spartenreichtum in den Konzertprogrammen wider?

Wenn ich in ein Konzertprogramm blicke (durchaus auch bei meinen eigenen) fällt mir immer wieder dieselbe Gliederung auf. Eröffnungswerk – Hauptwerk (meist Originalliteratur) – evtl noch ein Hauptwerk oder klassische Bearbeitung. Im 2. Teil dann meist ein Traditionelles Werk, Konzertmarsch oder Polka, einmal Musical, einmal Filmmusik, einmal Jazz/Big Band und noch ein Medley eines bekannten Künstlers aus Rock und Pop. Es scheint als ungeschriebenes Gesetz zu gelten, all diese Sparten abdecken zu müssen und im Konzertprogramm auch einzubeziehen, selbst wenn es nicht zum Gesamtkonzept des Programms passt. Die Gründe dafür sind oft einleuchtend und auch nicht durchaus verkehrt, doch müssen wir als Blasorchester immer zwingend all diese verschiedenen Facetten abliefern? Die Möglichkeiten dieses „Spartenreichtums“ ist natürlich etwas positives, so können wir durch einen Reichtum an verschiedenen Stilistiken auch für die verschiedenen Vorlieben der Musiker und den Nachwuchs attraktiv bleiben, sowie eine breite Zuhörerschaft über das Fachpublikum hinaus ansprechen, da ja quasi für fast jeden was dabei ist. Allerdings bringt es auch die ein oder andere Schwierigkeit mit sich.

Inwieweit hat die Erwartungshaltung des Publikum Einfluss auf die Programmgestaltung?

Natürlich ist die Schwierigkeit in der Programmgestaltung, es jedem Musiker und Zuhörer ein Stück weit recht machen zu wollen und zumindest für jeden ein Werk im Programm zu haben, wo man sicher ist, dass ihnen das gefällt. So unterschiedlich unsere Musiker sind, so unterschiedlich ist das Publikum. Daher ist eine Publikumsanalyse nicht verkehrt, da man ja im besten Falle volles Haus haben möchte und dass die Hörer im kommenden Jahr wiederkommen. Da zum Beispiel der Großteil des Publikums bei einem Musikvereins Jahreskonzert meist aus Freunden und Verwandten der Musiker und Vertreter ortsansässiger und benachbarter Vereine besteht, haben wir natürlich ein breit gefächertes Publikum mit unterschiedlichsten Hörgewohnheiten und verschiedenen Geschmäckern, denen wir mit einem breit gefächerten Programm gerecht werden wollen.

Welche Schwierigkeiten siehst du in einem solch breit gefächerten Repertoire?

Eine Schwierigkeit ist ganz klar, dass die verschiedenen Stilistiken verschiedene Spielweisen benötigen, die nicht immer komplett gegeben sind. So war ich zum Beispiel schon bei Konzerten, bei denen das Orchester unglaublich toll sinfonische Werke interpretiert hat, aber dann bei einer Big Band Nummer absolut kein Gespür für Swing-Phrasierung und Rhythmik offenbart hat. Andererseits dann wiederum ein Konzert, wo das Orchester gegrooved hat ohne Ende, aber kaum Fluss in Melodik und Agogik einer klassischen Transkription bekommen hat. Den verschiedenen stilistischen Besonderheiten gerecht zu werden innerhalb eines Konzertes ist auch in der Vorbereitung äusserst anspruchsvoll und braucht viel Zeit und Konzentration. Natürlich ist es im Probebetrieb auch nicht schlecht diese Abwechslung zu haben, damit keine Langeweile entsteht. Allerdings braucht es auch dort immer wieder etwas Zeit sich den neuen musikalischen Begebenheiten anzupassen, um am Ende überzeugend die Musik stilecht wiederzugeben.

Wie gehst du selbst in deiner Programmgestaltung damit um?

Auch ich bin, gerade bei Jahreskonzerten meiner Musikvereine, ein großer Freund von Vielseitigkeit. Allerdings möchte ich dem Konzertprogramm und dem roten Faden oder klar definierten Motto gerecht werden. Wenn dann etwas nicht passt, wird es auch nicht gespielt. Das ist immer wieder mal schwer für meine Musiker, da viele Angst haben, dass zum Beispiel die älteren Stammhörer nicht kommen, wenn zum Beispiel kein Marsch im Programm steht. Sie sind aber in der Regel dennoch da. In Gesprächen mit ihnen sagen sie selbst, dass in diesem Programm kein Marsch reingepasst hätte und sie wissen, dass sie ein anderes Mal wieder einen schönen Marsch hören werden, der dann auch ins Konzept passt und überzeugend musiziert wird. Desweiteren achte ich auch darauf die Zeit in der Vorbereitung zu haben, um auf stilistische Besonderheiten eingehen zu können. So gibt es durchaus Konzerte in der keine Filmmusik, Jazz, oder traditionelle Musik erklingt, aber das Konzertprogramm ist in sich abgestimmt, ein roter Faden ist deutlich erkennbar und die Musik gut vorbereitet und überzeugend musiziert. Durch viele Jahre ausverkauftes Haus bei meinem Musikverein sehe ich mich zwar darin bestätigt, weiß aber auch, dass es darüberhinaus noch andere Faktoren gibt, die dazu kommen, sowie durchaus auch regionale Unterschiede.

Was wünscht du dir manchmal, wenn du dir Konzertprogramme anschaust?

Manchmal wünsche ich mir mehr Mut. Mut zum „Risiko“ und dem Publikum Werke bieten, die ihnen etwas Neues aufzeigen, das sie noch nicht kennen. Meine Erfahrung mit Konzerten auf der ganzen Welt mit unterschiedlichsten Ensembles ist, dass jedes Publikum für fast jede Musik begeistert werden kann, vorausgesetzt sie ist überzeugend gespielt! Unablässig dafür ist natürlich, als Dirigent den Musikern die Musik klar zu vermitteln und ihre Bereitschaft Neues auszuprobieren. Beim Konzert das Werk angebracht einzuführen (ohne ausschweifende Fachsimpelei) oder einfach ohne Ankündigung spielen. Ich liebe es, mein Publikum auch mal zu überraschen und habe damit fast ausschließlich positive Erfahrungen gemacht. Ich freue mich immer Sätze zu hören wie: „Sowas habe ich noch nie gehört“, „Wow, dass sowas überhaupt geht“ und ähnliches. Das sind die Hörerfahrungen die beim Publikum hängen bleiben und Eindrücke, die sie mit nach Hause nehmen werden. Natürlich wird es immer dem ein oder anderen nicht gefallen, wenn es zu modern oder zu ungewohnt ist, dennoch wird man anerkennen, wenn es überzeugend gespielt wird. Und es wird immer ein Stück im Konzert geben das dem ein oder anderen nicht so gefällt. Das ist nur natürlich und auch vollkommen in Ordnung so.

Vita Dominik Wagner

Dominik Wagner
Dominik Wagner

Der aus Laufenburg-Luttingen stammende Dirigent und Komponist Dominik Wagner (Jahrgang 1986) studierte Jazz Trompete, Komposition und Blasorchesterleitung an der Musikhochschule Stuttgart. Als Dirigent und Komponist ist er hauptsächlich in der Bläserwelt aktiv und seine Stücke werden weltweit aufgeführt.
Unter anderem schreibt er für die Formation „Blechsach“ (Sieger des SWR4 Blechduells) und arbeitete als Gastdirigent mit Uraufführungen bereits mit dem Kreisverbandsorchester Stuttgart, dem Jugendmusikcamp des BVBW, der Brass Band B10 und anderen.
Sein Werk «Early Bird Overture» wurde beim «1st int. Composition Contest» der Mantzaros Philharmonic Society Corfu/Greece mit dem 2. Platz ausgezeichnet.
Als fester Dirigent betreut er den Musikverein Stetten/Filder. Daneben leitet er das von ihm gegründete Projektorchester Filder Wind Symphony, das Kreisjugendblasorchester Olpe, sowie zur Zeit als Gastdirigent die Brass Band B10. Als Kreisverbandsdirigent des KV Rems-Murr leitet er das dortige Verbandsorchester.
Er unterrichtet Trompete, Dirigieren und Komposition an der Musikschule Schorndorf, Süßen, sowie privat. Als Dozent und Workshopleiter zu verschiedenen Themen war er unter anderem beim Int. Blasmusik Kongress in Neu-Ulm zu sehen. 2017/18 besuchte er zudem die Intern. Fortbildung für Juroren der CISM an der Bundesakademie Trossingen.  

​Wenn er mal Abstand zur Musik braucht trifft man ihn sehr wahrscheinlich im Europaparkstadion in Freiburg an 🙂

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

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