Qualitätsmerkmale eines guten Blasorchester-Arrangements

Round-Up-Post „Gute Blasorchester-Arrangements“ Teil 1

In insgesamt 3 Beiträgen schreiben 5 Dirigent:innen welche Qualitätsmerkmale ein gutes Blasorchester-Arrangement (Pop, Rock, Film & Co.) ausmacht, nach welchen Kriterien sie selbst Arrangements auswählen und was für sie gelungene Arrangements nach ihren Kriterien sind.

Herzlichen Dank an Dee Boyd (DE), Michael Geiger (DE), Anton Lang (AT), Harald Vetter (DE) und Michael Wyss (CH) für Euer Mitwirken an diesen Beiträgen!

In diesem ersten Beitrag geht es um Qualitätsmerkmale eines guten Blasorchester-Arrangements.

Dee Boyd

Dee Boyd
Dee Boyd

Dirigentin des Musikvereins und der Jugendkapelle Kirchzarten, der Black Forest Brass Band und dem Jugendblasorchester Breisgau im OBV. Im Oberbadischen Blasmusikverband OBV ist sie Verbandsjugendleiterin und Vorsitzende der Bläserjugend. Sie unterrichtet Blechblasinstrumente an der Jugendmusikschule Hechingen und Umgebung.

Die ersten drei Qualitätsmerkmale, die mir spontan in den Kopf kommen, sind: ein bekannter Komponist/Arrangeur, eine Standardinstrumentierung und Unterhaltung!

Vielleicht wäre es ein guter Anfang zu überlegen, was genau ein Arrangement ist? Oder, was ist eigentlich der Sinn von Arrangements?
Sie können:

– arrangiert werden, um ein beliebtes Stück einem breiteren Publikum/Ensembletyp zugänglich zu machen   

– arrangiert werden, um für ein bestimmtes Niveau eines Ensembles geeignet zu sein (z.B. es leichter oder schwieriger zu arrangieren)

– arrangiert werden, um für eine bestimmte Besetzung oder Ensembleart/-größe/ Instrumentierung zu passen

– arrangiert werden, um ein Stück umzugestalten, z. B. von Klassik zu Swing oder einem anderen Musikstil; Medley aus mehreren Stücken zusammen; in einfacheren oder komplexeren Stilen; Hinzufügen von Variationen usw.

Ich bin der Meinung, dass ein Arrangement nicht immer eine exakte Kopie des Originals sein muss, das einfach für Blasorchester umgeschrieben wurde… Das ist das Schöne an Arrangements!

*Kollegen Dirigenten, bitte erschießt mich nicht!*

Natürlich ist es sehr wichtig, Originalrepertoire zu spielen, das speziell für Blasorchester komponiert wurde. Ich stimme voll und ganz zu, aber wenn ich ganz ehrlich bin, würden wir Dirigenten uns selbst belügen, wenn wir sagen würden, wir könnten es vermeiden, Arrangements zu spielen. Irgendwann in unserer Konzertplanung ist die Verwendung von einem oder mehreren Arrangements in der Regel unvermeidbar!

Michael Geiger

Michael Geiger
Michael Geiger

Michael Geiger ist bei der Städtischen Musikschule Wertheim für den Bläser-Bereich zuständig, dort unterrichtet er Bläserklassen und das JBO. Außerdem ist er Schulleiter der Musikschule Werbach, dort unterrichtet er Bläserklassen und das Blasorchester der Musikschule. Er dirigiert die Musikkapelle Dertingen und das Sinfonische Blasorchester der Musikkapelle Lengfurt. Michael Geiger ist Mitinitiator und Dirigent des New Ears Wind Band Projects und Generalsekretär WASBE Sektion Deutschland.

Es gibt für mich drei allgemeine Qualitätsmerkmale, wobei diese eng miteinander verknüpft sind:

1. Es muss handwerklich gut gemacht sein. Der Arrangeur muss das Stück zunächst bis ins Detail kennen, was auch ein fundiertes theoretisches Wissen voraussetzt. Blasinstrumente klingen naturgemäß anders als z.B. Streicher. Der Grund hierfür liegt u.a. in der Obertonstruktur und dies wirkt sich gegebenenfalls auf die Satzstruktur eines Arrangements aus.

Ein häufig unterschätzter Aspekt ist auch das Notenbild. Gut leserliche Noten erleichtern das Proben enorm, schlechte erschweren es.

2. Es muss mit Rücksichtnahme auf den jeweiligen Schwierigkeitsgrad an die etwaigen Fähigkeiten der Instrumentalisten angepasst sein. Ein guter Arrangeur kennt sich mit den Instrumenten aus, für die er schreibt. Gerade im Amateur-Bereich sind gut spielbare Arrangements, die auf den jeweiligen Instrumenten technisch gut zu spielen sind, eine Erleichterung für alle Beteiligten. Dieser Aspekt führt auch schon zum nächsten:

3. Die Musik muss sinngemäß für die jeweilige Besetzung “übersetzt” worden sein. Wenn man für Ober- bis Höchststufe schreibt, muss man unter Umständen nicht so stark Rücksicht auf die technischen Fähigkeiten der Musiker nehmen. Man kann gewissermaßen so nah wie möglich am Original bleiben. Aber auch hier gibt es immer wieder Passagen, bei denen Blasinstrumente an ihre Grenzen kommen. Ein Beispiel: Eine sehr hohe, leise Passage in den Violinen könnte man in die Piccolo setzen, wenn man nur deren Tonumfang betrachtet. Ob es Sinn ergibt, also das gewünschte klangliche Ergebnis bringt, ist eine andere Frage.

Anders schaut es natürlich aus, wenn man Werke für Jugendblasorchester oder sogar Bläserklassen arrangiert. Selbstverständlich muss man hier etliche Abstriche machen. Aspekte wie Besetzung, Form, Tonart und Rhythmen müssen in den meisten Fällen neu überdacht werden. Dennoch kann es einem guten Arrangeur gelingen, die Musik so weit zu vereinfachen, dass sie auch für junge Musiker spielbar ist und dennoch ihren Kern nicht verliert. Ich weiß, dass die Meinungen hier auseinandergehen. Aber warum sollen junge Musiker nicht auch schon früh die Chance bekommen, einige große Werke der vergangenen Jahrhunderte kennenzulernen? Ich denke, dass hier der pädagogische Aspekt überwiegt.

Ein gutes Blasorchester-Arrangement erkennt man daran, dass man nicht merkt, dass ein Blasorchester spielt. Soll heißen, man vermisst im Vergleich zum Original nichts.

Anton Lang

Anton Lang
Anton Lang

Kapellmeister der Musikkapelle Dölsach, AT

Ein gutes Blasorchester-Arrangement sollte immer rund und in sich geschlossen sein. Die Harmonien müssen natürlich dem Blasorchester gewogen sein, da sonst meist für ein Werk zu viel Probenzeit gebraucht wird und die Musiker:innen zudem den Spass bzw. die Geduld verlieren können. Desweiteren soll ein Arrangement mehrere Tempo-Abstufungen, Differenzierungen, Rallentandos, Accelarandos drin haben, um nicht langweilig zu werden. Es kommt auch auf das Genre an und ob es ein Medley ist oder ein einzelnes Stück.

Harald Vetter

Harald Vetter
Harald Vetter

Harald Vetter leitet den Musikverein Immenstaad sowie den Musikverein Dettingen. Er ist Student für Blasorchesterleitung im Privatstudiengang Metafoor bei Alex Schillings in Staufen.

Grundsätzlich sollte ein gutes Arrangement die gleichen Qualitätsmerkmale erfüllen wie ein gutes sinfonisches Werk für Blasorchester. Die einzelnen Instrumente sollten die Möglichkeit haben, sich klanglich zu entwickeln und ihren „Platz“ im Werk haben. Als ich mein Orchester neu übernommen habe, kam in den ersten Proben der Baritonsaxophonist zu mir und bat mich darum, im Unterhaltungsprogramm Tenorsaxophon spielen zu dürfen. Auf Nachfrage nach dem Grund gab er an, nicht immer die gleiche Stimme wie die Tuba spielen zu wollen. Etwas ähnliches sagte mir aktuell ein Oboist, der nur auf das Konzert hin dazukommt, weil er im Unterhaltungsprogramm keine wirkliche Oboenstimme spielen kann. Diese beiden Aussagen bestätigten, was mein Dozent mir immer sagte: Die Musiker wollen nicht irgendwelche anderen Stimmen mitspielen, sie wollen eigenständige Stimmen spielen und dabei auch mal die Möglichkeit bekommen, ohne andere Register alleine spielen zu können. Ich denke, dies ist ein Faktor, den man in der Beurteilung und anschließenden Auswahl von Arrangements viel mehr berücksichtigen muss.

Michael Wyss

Michael Wyss
Michael Wyss

Michael Michael Wyss unterrichtet Saxophon an der Musikschule Region Burgdorf. Er ist Mitglied der Musikkommission des Bernischen Kantonalmusikverbandes. Michael leitet die Musikgesellschaft Hasle-Rüegsau und die Musikgesellschaft Allmendingen/Thun, CH.

Für ein gutes Blasorchester-Arrangement von Pop-, Jazz-, Musical oder Showstücken braucht es aus meiner Sicht einen Song mit einer starken Melodie. Arrangeure finden sich oft mit der Herausforderung konfrontiert, dass solche Stücke primär von einem Gesangspart mit Text leben. Wenn dieser Text wegfällt, muss die Melodie also umso stärker und in sich schlüssig sein, damit der Song trotzdem etwas aussagt. Unter Umständen wird die Melodie trotzdem noch auf Blasinstrumente angepasst. Werden beispielsweise Tonwiederholungen, welche im Original nur wegen des Textes entstehen, durch melodische Umspielungen oder Vereinfachungen ersetzt, zeichnet das für mich ein gutes Arrangement aus.
Ein weiteres Qualitätsmerkmal ist eine spannende Instrumentierung, die die vielen Facetten eines Blasorchesters zeigen. Das Arrangement versucht nicht in erster Linie den Originalsong zu imitieren, sondern gewinnt durch die Blasorchesterinstrumentierung an neuen Klängen, neuen Farben, neuer Abwechslung. Dies kann etwa durch interessante Paarungen in der Melodie, durch rhythmische oder strukturelle Variation der Begleitung oder sogar durch Reharmonisation oder Taktartwechsel geschehen.

Ein drittes Qualitätsmerkmal ist für mich als ausgebildeter Jazzmusiker, wenn ein Swingstück korrekt notiert wird: Mit Achtelnoten und dem Hinweis oben links, das Stück ternär zu spielen. Es ist aus meiner Sicht nicht nur richtig, sondern auch einfacher, anstatt mittels Triolen oder Punktierungen eine Annäherung an den Swing zu versuchen. Richtig Swing zu spielen, will geübt sein. Das klappt meiner Meinung nach besser, wenn der Swing als Phrasierung oder Feeling, und nicht als Rhythmus verstanden wird. Hier ein gutes Beispiel bei dem man auch den Wechsel zwischen Swing und „straight“ hervorragend üben kann: And All That Jazz (Musical Chicago) John Kander / Arr. Michael Brown.

Die Reihe „Gute Blasorchester-Arrangements“ mit Beiträgen von Dee Boyd, Michael Geiger, Anton Lang, Harald Vetter und Michael Wyss im Überblick:

Qualitätsmerkmale eines guten Blasorchester-Arrangements
Auswahlkriterien für ein Blasorchester-Arrangement
Gelungene Blasorchester-Arrangements

Ein großes Dankeschön an die 5 Dirigent:innen für ihre Mitabeit an diesen Round-Up-Posts.

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    4 thoughts on “Qualitätsmerkmale eines guten Blasorchester-Arrangements

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