Entspricht das Spielen im Musikverein überhaupt noch dem Zeitgeist?

Antworten von Meike Koch, Rainer Gehri, Jenny Harenburg und Julian Waibel

Die Frage „Entspricht das Spielen im Musikverein überhaupt noch dem Zeitgeist?“ habe ich vier engagierten Blasmusiker:innen gestellt. Die vier Beiträge sind sehr unterschiedlich. Interessant zu lesen, wie Meike Koch (Musikverein Winterbach), Rainer Gehri (Musikverein Hausen, Präsident des Blasmusikverband Kaiserstuhl-Tuniberg und Vizepräsident des BDB – Bund Deutscher Blasmusikverbände), Jenny Harenburg (Musikverein „Viktoria“ Altenmmittlau) und Julian Waibel (Musikverein Beuren) den Begriff „Zeitgeist“ in Verbindung mit „Musikverein“ interpretieren, die Frage aus unterschiedlicher Sicht beleuchten und wie sie gleichzeitig doch sehr ähnliche Aussagen (unabhängig voneinander) treffen.

Meike Koch, Musikverein Winterbach

Meike Koch, Musikverein Winterbach
Meike Koch

Für mich stellt sich da zunächst einmal die Frage wie man den aktuellen Zeitgeist überhaupt definieren soll und ich denke auch, wenn man verschiedenen Personen diese Frage stellt, wird es immer eine andere Antwort mit verschiedenen Schwerpunkten geben. Und genauso ist es doch in einem Musikverein zu spielen oder in einem Verein allgemein zu sein. Viele verschiedene Charaktere, Altersklassen und Ansichten treffen aufeinander. Deshalb muss man das etwas trennen, beziehungsweise sich auch bewusst machen, dass es keine klare Antwort dafür gibt.

Wovon ich aber überzeugt bin, ist, dass sich Musikvereine in einen Wandel begeben und diesen auch zulassen müssen. Das bedeutet nicht unbedingt, dass sie sich komplett am vielleicht vorherrschenden Zeitgeist orientieren, sondern einfach verschiedene Denkmuster und Vorgehensweisen immer wieder hinterfragen beziehungsweise aufbrechen müssen. Das bedeutet, dass man nicht jeden Trend mitgehen muss, aber auch vermeiden soll, in der Vergangenheit festzustecken.

Und dabei sollte sich der Vorstand und/oder die musikalische Leitung auch bewusst sein, dass in einem Musikverein nicht nur der gleiche Prototyp Mensch sitzt, sondern wie bereits erwähnt, verschiedene Charaktere und Generationen aufeinandertreffen. Genau das macht dieses Hobby gerade so spannend. Und dabei gilt es, langjährige und treue Mitglieder nicht mit einer Neuerung nach der anderen zu überfordern, sich aber gleichzeitig auch für neue Mitglieder, den Nachwuchs und das Publikum attraktiv zu gestalten. Ist es zum Beispiel noch zeitgemäß in einer Uniform zu spielen, oder kann es für das Jugendorchester auch mal eine Sportjacke sein? Soll dieses Jahr wieder ein traditionelles Jahreskonzert in der Mehrzweckhalle gespielt werden, oder sollte man vielleicht doch einmal ein neues Konzertformat ausprobieren? Obwohl diese Fragen provokativ formuliert sind, sollten sie von jedem Musikverein individuell beantwortet werden. Und dabei gibt es keine falsche Antwort, wenn sich der Verein über seine Ziele und seinen persönlich präferierten Zeitgeist (das Fahrwasser) bewusst ist.

Und um den Bogen zu schlagen und eine Antwort auf die sehr komplexe Frage des Zeitgeists zu finden: Inmitten der zahlreichen Konflikte weltweit und in unserem Land sollte das Konstrukt „Musikverein“ als gelebte Demokratieförderung gesehen werden, in dem Werte wie Gleichberechtigung, Vielfalt, Gemeinschaft und kulturelle Bildung gelebt werden. Und darum halte ich es für höchst zeitgemäß sich in einem Musikverein zu engagieren, mitzuspielen oder zuzuhören.

Rainer Gehri, Präsident Blasmusikverband Kaiserstuhl-Tuniberg

Rainer Gehri, Präsident BVKT
Rainer Gehri

Entspricht das Spielen in einem Musikverein noch dem Zeitgeist ?

In der Tat, eine sehr schwierige Frage. Vor ca. 50 Jahren einfacher zu beantworten.

Vor knapp 50 Jahren gab es in vielen Ortschaften nur wenige Alternativen zu den Musikvereinen. Da war es üblich, dass man in meist größeren Gemeinschaften (altersmäßig) ein Instrument erlernte. Relativ bald kam die Gruppe dann zum großen Hauptorchester und man war sofort Teil einer musikalischen Gemeinschaft. Jeder trug auf seine Weise dazu bei, dass der Verein „musikalisch und finanziell“ erfolgreich war. Ohne zu murren machte man alles mit, weil mehrere aus der gleichen Altersgruppe mit dabei waren. Unvergessliche Stunden haben wir so gemeinsam erlebt. Viele Unternehmungen gemeinsam durchgezogen. Dadurch aber auch viel fürs Leben gelernt. Gemeinschaft, Organisation, Erfolgserlebnisse, handwerkliches Geschick, Mitanpacken, Vielfalt, Verantwortung, Vertrauen etc., man könnte noch vieles erwähnen. Der damalige Vorstand unterstützte uns jederzeit und ließ uns viel Freiraum. Ja die alten Zeiten…. Der Verein war damals Ort der Gemeinschaft und funktionierte fast von selbst, bis die (altersmäßig gleiche) Gruppe aufgrund von Studium, Wegzug, Familie, etc. langsam aber sicher auseinanderbrach.

Einige sind geblieben und pflegen diese Gemeinschaft noch weiterhin. Wer musikalisch ambitioniert war, suchte seine Herausforderung in überregionalen Orchestern. Auch da konnte man, wie in den Vereinen selbst, Freundschaften fürs Leben finden.

Vieles hat sich in den letzten 50 Jahren verändert. Die Gesellschaft, die Einstellung der Eltern, die Kinder und Jugendlichen selbst – und die Vereine?

Mit der Einführung der Bläserklassen vor ca. 17 Jahren, hatte man erkannt, dass der reine Einzelunterricht nicht der richtige Weg ist. Wichtig ist, dass man relativ schnell Teil einer Gruppe wird, die dann musikalische Erfolge erzielt. Wichtig ist auch, dass der Verein die Kinder dabei ständig unterstützt und die Gruppierungen zur Verfügung stellt. Auch der Kontakt zur Elternschaft und die Integration in den Verein ist dabei sehr wichtig, aber leider nicht so einfach. Bei den Konzerten verlassen die Eltern mit ihren Sprösslingen das Konzert, sobald die Juka fertig ist. Der Übergang von der Juka, zum Hauptorchester findet manchmal zu schnell oder zu schroff statt. Ein fließender Übergang sollte stattfinden. Aber oft wechseln die Jugendlichen nach dem JMLA in Bronze ins Hauptorchester und verlassen zeitgleich die Juka. Damit sind sie oft total überfordert und schmeißen relativ schnell hin. Oft scheitert es auch, weil niemand gleichaltriges im Verein mitspielt.

Eine Patentlösung gibt es leider nicht, sonst hätten viele Vereine keine Nachwuchsprobleme.

Ein weiterer Aspekt kommt noch dazu. Der Musikverein besteht aus vielen verschiedenen Musikerinnen und Musiker, die unterschiedliche musikalische Zielsetzungen haben.

So muss am Ende der Verein in vielerlei Hinsicht eine gute Lösung für alle Beteiligten finden. Corona hat die Situation nicht leichter gemacht, sondern vieles verändert.

Allein schon das Thema Probenbesuch würde eine komplette Diskussionsrunde füllen.

Es ist nicht einfach einen Verein zu führen und somit überhaupt Führungskräfte in den Vereinen zu finden oder zu gewinnen.

Auch wir, beim Blasmusikverband Kaiserstuhl-Tuniberg (BMVKT) überlegen, wie wir den Verband zukunftsfähig gestalten können. Wir werden dazu, vor unserer nächsten Hauptversammlung, zu einem Dialog zum Thema „BMVKT in der Zukunft“ einladen. Ich bin gespannt, wie viele Vertreter unserer Mitgliedsvereine uns dabei unterstützen werden.

Es fehlt noch meine Antwort auf die Eingangsfrage:

Ich würde auf jeden Fall mit „Ja“ antworten. Allerdings muss man nicht immer beim Heimatverein bleiben. Möglicherweise findet man anderweitig einen Verein, wo die „Bedingungen“ persönlich besser passen.

Mein Slogan: Ein Musiker soll musizieren, egal wo, Hauptsache er tut es und hat Spaß dabei.

Jenny Harenburg, Musikverein „Viktoria“ Altenmittlau

Jenny Harenburg
Jenny Harenburg

Zeitgeist – um einen Round-up Post für den Blasmusikblog zu schreiben habe ich, um sicher zu gehen erst mal gegoogelt. Was bedeutet das überhaupt, „Zeitgeist“.

Wikipedia sagt: „Zeitgeist ist die Denk- und Fühlweise (Mentalität) eines Zeitalters.“ Unter dieser Prämisse und als überzeugte Verfechterin des Konzeptes Musikverein kann ich ganz klar sagen: JA! Das Spielen in einem Musikverein entspricht dem Zeitgeist! Wir passen in die heutige Mentalität. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass wir sie positiv beeinflussen.

Ein Instrument zu lernen, mit anderen zu musizieren, Teil von etwas zu sein und nicht zuletzt die Musik zu erleben, die einem hier und da auch mal eine Gänsehaut verpassen kann, wird hoffentlich noch lange nicht aus der Mode kommen.  

In Hessen steht im neuen Koalitionsvertrag der Landesregierung, dass Kinder in Grundschulen wieder Blockflöte lernen sollen. Der Aufschrei in den sozialen Medien war groß.

„Es gibt ja wohl Wichtigeres“ oder „Wer soll das denn machen? Nicht umsetzbar!“ An der Grundschule in unserem Ort übernimmt den Blockflötenunterricht der Musikverein.

Und ich denke genau das ist ein Argument, warum Musikvereine in keinem Zeitalter fehlen dürfen. Unser pädagogischer Auftrag.

Zugegeben, es ist Arbeit den Nachwuchs heranzuziehen, um auch im Zeitgeist der zukünftigen Zeitalter eine Rolle zu spielen. Aber die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen an einem Instrument, um im Musikverein aktiv zu sein, war immer schon „Arbeit“. Ich kann hier nur die enge Zusammenarbeit mit Schulen empfehlen. Die sind dankbar dafür und der Nachwuchs für die Vereine wird sichergestellt. 

Zusätzlich zu erwähnen ist der Beitrag, den wir mit unserer Musik leisten. Wer spielt, wenn 2 Stunden Unterhaltungsmusik beim Dorffest gebraucht werden, jemand das Kirchenamt umrahmen soll, ein Konzert gespielt oder sonst irgendwo Musik gebraucht wird? Die Musikvereine. Wir sind ein fester Bestandteil des Zeitgeistes.

Erst kürzlich habe ich die Aktion „Sinfonischer Hoagascht“ des Bayrischen Rundfunks und des Bayrischen Musikverbandes gesehen, bei der Sir Simon Rattle als neuer Leiter des Symphonieorchesters des Bayrischen Rundfunks, bayrische Blasorchester besucht (Symphonischer Hoagascht – Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (brso.de)).

Er war m. E. ehrlich begeistert, was die Blasmusik so alles kann und welche Vielfalt an Literatur für unser Genre geschrieben wird.

Und meist sind die Komponisten unserer Literatur noch am Leben und man kann sich mit ihnen über ihre Stücke unterhalten oder sie zum Konzert einladen. Klappt jetzt mit Mahler oder Beethoven nicht, es sei denn man hat einen sixth sence.

Wie unglaublich schön, wenn sich einer der besten Dirigenten der Welt medienwirksam für Blasmusik und Musikvereine interessiert. Und wenn von Rundfunkanstalten und Musikräten Rahmenbedingungen geschaffen werden, um so etwas möglich zu machen. Mal schauen, ob wir das in Hessen auch mal hinbekommen und Alain Altinoglu, Chefdirigent des HR-Sinfonieorchesters hessische Musikvereine besucht. Ich werde es dem Hessischen Rundfunk mal vorschlagen.

Kurzum, Musikvereine sind ein deutscher Kulturschatz, den es zu hegen und pflegen gilt. Unser Hobby entspricht dem Zeitgeist und bietet uns als Musikerinnen und Musikern in der jetzigen Zeit eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie wir unser Hobby gestalten wollen. Literatur, Digitalisierung, Events, Gemeinschaftsprojekte, …, es gibt unendliche Möglichkeiten, wie wir unser Vereinsleben gestalten können.

Dennoch, wir Musikvereine, wie auch alle anderen Vereine, müssen stets sehr aktiv in der Kinder- und Jugendförderung sein, um auch dem Zeitgeist von morgen noch zu entsprechen.

Darum sollten Jugendliche auch immer im Vorstand eingebunden werden und ermutigt werden Verantwortung zu übernehmen. Sie machen lassen, wie sie es möchten und eine anständige Fehlerkultur leben, wenn mal was nicht so klappt. „Das haben wir schon immer so gemacht.“ oder „Das geht sowieso nicht.“ entsprechen nämlich nicht dem Zeitgeist.

Julian Waibel, Musikverein Beuren

Julian Waibel © Joaquim Ribeiro Metz (Instagram: jori.media_design)
Julian Waibel (© Joaquim Ribeiro Metz)

Ich sehe ständig solche Feste, auf denen Musikvereine in scheinbar bayerischer, pseudovolkstümlicher, moderner Dirndl-Lederhosen-Mode auftreten. Das scheint gerade in zu sein. Es gibt hier wohl einen Zeitgeist, dem viele Musikvereine folgen. Pop wird doch schon lange auf den Volksfesten gespielt und man bemüht sich um Modernität. Jeder zweite Verein hat Stücke wie Abba Gold oder The Cream of Clapton im Repertoire. (Ich kann sie nicht mehr hören). Eine Anpassung der Sommerprogramme an den „Zeitgeist“ gibt es also schon länger, als ich es überblicken kann. Feste auf dem Dorf laufen, die Jugend wird abgeholt, säuft sich ordentlich einen rein und feiert die Blaskapelle ab. Ich freu mich, wenn ich dann Unterhaltungsmusik aus den letzten Jahren höre, aber 80-s scheint auch gerade in zu sein. 

Anders sieht es bei den „Jahreskonzerten“ von Musikvereinen aus. Ich bewundere gerade hier immer wieder die Vielfalt dessen, was so gespielt wird. Die Kapellen spannen oft einen von (sogenannter) traditioneller Volksmusik über Klassik und symphonischer Blasmusik bis hin zu modernem Pop. Gerade bei diesen Jahreshighlights lohnt es sich zuzuhören, wo der Musikverein nicht Unterhalter im Hintergrund ist, sondern im Mittelpunkt steht. Da ist meist für jeden was dabei, Musik für junge und alte Leute. Leider kommen jüngere Leute aber gar nicht zu diesen Konzerten. Mit Anzeigen im Gemeindeblatt lockt man halt niemanden aus meiner Alterskohorte zum Konzert. Wenn ich mir den Altersschnitt der Zuhörer anschaue, dann frage ich mich, ob es das so in 20 Jahren noch geben wird. Ein wesentlicher Teil unseres Publikums ist dann leider verstorben. Monotone oft viel zu lange Begrüßungsreden, bei denen Pfarrer, Ortsvorsteher und Vorsitzende anderer Dorfvereine gegrüßt werden, anzuhören, abgelesene Ansagen immer gleichen Charakters zu erleben, Geehrte zu beklatschen, usw., das wirkt aus der Zeit gefallen. – Entschuldigung, aber für sowas bin ich vielleicht zu jung. (Und das heißt nicht, dass ich Geehrte oder Ortsvorsteher nicht schätze). Ehrlich gesagt denke ich, das geht nicht nur Leuten wie mir in ihren 20ern so, sondern auch viele Leute, die 20 Jahre älter sind, empfinden das als altmodisch, schon seit sie in den Blaskapellen spielen. 

Ich kenne einige Leute, die nicht mehr im Musikverein spielen, weil ihnen deren Altbackenheit ein Graus ist. Zum Glück spielen manche weiter in Auswahlorchestern oder in den Musikvereinen, die auf symphonische Programme umgestiegen sind. Andere Leute gehen der Blasmusikszene deshalb verloren, weil ihnen das alles zu altmodisch ist. Sich in einem Verein zu engagieren, ist gar nicht aus der Zeit gefallen, nicht die Blasorchesterliteratur und erst recht nicht das gemeinsame Musizieren. Schiebt das dann bitte nicht auf einen „Zeitgeist, wegen dem die jungen Leute ja nicht mehr mitspielen“, wenn euer Verein halt verpennt hat, sich in den letzten 40 Jahren einen Zentimeter zu modernisieren! “Das war schon immer so.” Diesen Satz kann ich nicht mehr hören.

Manche schaffen es, sich zu modernisieren, mit der Zeit zu gehen. Für manche Vereine gilt: Wenn ihr euren Verein in den nächsten 20 – 30 Jahren richtig an die Wand fahren wollt, dann macht genau so weiter!

Herzlichen Dank an Maike Koch, Rainer Gehri, Jenny Harenburg und Julian Waibel für die Beantwortung der Frage „Entspricht das Spielen im Musikverein überhaupt noch dem Zeitgeist“ aus ihrer Sicht!

Und wie würdest Du, geschätzte:r Leser:in des Blasmusikblogs diese Frage beantworten? Schreib’s in das Kommentarfeld weiter unten auf dieser Seite! Dankeschön.

Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    4 thoughts on “Entspricht das Spielen im Musikverein überhaupt noch dem Zeitgeist?

    • 9. Januar 2024 at 21:22
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      weil das Thema so spannend ist, hier meine Stichpunkte:
      als kleiner Trommler habe ich beim Militärmusiker und Dirigent einer Stadtkapelle im Allgäu gelernt und dann gleich in meinem Heimatverein gleichzeitig mitgespielt. In Tracht.
      Kirchenmusik, Tanz und Fremdenverkehrs-Veranstaltungen damals in den 60er Jahren waren für uns Alltag. Tolle Ausflüge mit Instrumente an Bord boten für uns junge Musikanten die fröhlichsten-unvergessenen- Stunden. Bei der Bundeswehr (W15) war ich 12 Monate Teil der Heeresmusik und genoss einen Auslandsaufenthalt in England. Damals war die Militärmusik noch verpönt, aber wir waren auch dabei wie das Orchester die ersten CD´s erstellten und das Repertoire auf Vordermann brachte. Durch meine berufliche Entwicklung lebte ich an verschiedenen Orte in Baden-Württemberg und war stets auch bei der dortigen Kapelle dabei. Mein musikalisches Interesse brachte mich vom Schlagzeug hin zur Tuba, aber auch zu Bariton/Euphonium und nicht zuletzt zur Posaune. Eigenartig für mich war die Erfahrung: immer wenn ich mein Instrument gerade so beherrscht habe und im Orchester mitspielen konnte, hatte ich auch schon die ersten Schüler unter meinen Fittichen.
      Das hat mir richtig Spaß gemacht, denn dadurch wurde auch ich selbst am Instrument besser!
      Was ich von Anfang an sehr mochte war, dass die Altersstruktur im Orchester stets von ca. 10 bis ca. 80 Jahre galt.
      Eine Zeit war ich auch Funktionär, bis hin zum Verbandsvorsitzenden. Diese Arbeit hat mir gezeigt, dass die Vereine selbst gut funktionieren. Die Verbände aber sollten sich öfter fragen, ob ihre Organisation wirklich richtig tickt.- Also hier sind erdrutschartige Veränderungen sichtbar geworden, speziell in digitaler Hinsicht.
      Nun aber humorvoll weiter denken und Spaß am Musizieren haben-
      Im Alter von 71 Jahren habe ich das immer noch an allen Instrumenten, die ich spielen kann….

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    • 10. Januar 2024 at 20:35
      Permalink

      ich glaube nicht, dass das Musizieren per se im Konflikt steht mit einem “Zeitgeist”. Wo ich Unzeitgeistiges vermute, ist viel mehr der, salopp formuliert, ewiggestrige “Vereinsmief”, und da ist es egal, ob das Kaninchenzüchter:innen sind oder Eisenbahnmodellbauende. Nicht die eigentliche Tätigkeit im Sinn des Vereinszwecks steht zur Diskussion, sondern dessen Führung, Flexibilität und Aufgeschlossenheit. Partizpativ versus Autoritär, Offenheit versus Traditionsverankerung, Behäbigkeit versus Risikofreude etc.
      Wenn man Nachwuchs haben will, muss man auch offen sein für dessen möglicherweise “verqueren” Ideen und Wünsche. Man muss nicht jeden Trend mitmachen, aber soll sich immer wieder die Frage stellen, “sind das noch wir?” oder “wieso nicht? Auch das sind wir!”

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    • 11. Januar 2024 at 9:27
      Permalink

      Die Vereine müssen ständig sich anpassen und verändern. Angepasst an Besetzung, Altersstruktur und Verfügbarkeit der Mitglieder. Denn nebenbei gehen die Meisten arbeiten, haben Familie und ggfs noch andere Interessen. Aus der Gruppe von Nachwuchsmusikern die mit mir gemeinsam ins große Orchester kamen bin ich die letzte die noch aktiv spielt. Ist jetzt 30 Jahre her. 6 Mädels, allesamt im hohen Holz. Jugendorchester gab es (in dem Zeitraum) nicht, erst später wieder. Ich habe so viele Nachwuchsmusiker kommen und gehen sehen. Nur wenige bleiben so lange dabei.
      Seit Corona würde ich in unserem Fall von einem Schwund von ca 20 Musikern sprechen. Sie haben die Zeit anders genutzt und tun es auch weiterhin. Reaktivieren? schwierig. Die Besetzung ist dadurch sehr Blechlastig. 10 Trompeten, Euphonium, Bariton und Horn je 4. Keine Flöte und 3 Klarinetten je zwei Alt- und Tenorsaxe. Sehr unausgewogen. Und auch der Umgang mit Ehemaligen, die Sprüche die sie teilweise sich anhören dürfen, da wundert es mich nicht wenn die Lust vergeht. Denn mir vergeht sie dadurch auch und denke über einen Wechsel nach. Noch einer weniger. Mal sehen. Deshalb schreibe ich hier anonym. Ich weiß noch nichts was ich mache. Aber es muss sich wieder was ändern, denn die Nachwuchsarbeit ist komplett eingeschlafen und wenn sie so weiter machen war es das. Leider kann ich mich selbst nicht im Vorstand engagieren, da ich beruflich eingebunden bin und auch Familie und Haushalt habe.
      Zeitgeist ist niemals gleich und man muss -egal wo und egal wie – mit der Zeit gehen.

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    • 13. Januar 2024 at 11:13
      Permalink

      Ich denke, man muss hier differenzieren. Was ist der “Zeitgeist”? Wenn es dem Zeitgeist entspricht (und vieles spricht dafür), sich möglichst nicht dauerhaft zu binden und zu engagieren, sondern sich immer alles offen zu halten, um dann spontan zu entscheiden, auf was man gerade Lust hat und was in dem Moment am meisten Spaß bringt, dann entspricht das Spielen im Musikverein vielleicht nicht mehr dem “Zeitgeist” (so wie übrigens das Engagement in vielen anderen Vereinen auch). Aber vielleicht ist es ja auch lohnend, sich diesem Zeitgeist gerade nicht hinzugeben, sondern sich ihm zu widersetzen?
      Wenn ich die Frage etwas umformuliere und frage, ob das Spielen im Musikverein noch “zeitgemäß” ist, dann ist meine Antwort ein klares “Ja”! Denn das Musizieren an sich und noch mehr das Musizieren in einer Gemeinschaft hat so viele positive Effekte, die absolut zeitlos sind und deshalb auch heute noch wirken. Das reicht von Effekten auf die Bildung über soziale Aspekte bis hin zur Gesundheit. Ich empfehle hierzu die Publikation “Positive Aspekte des Musizierens” (https://frag-amu.de/publikation-positive-aspekte-des-musizierens/). Und nirgends ist gemeinsames Musizieren besser möglich als im Musikverein.
      Das heißt aber natürlich nicht, dass alles gut ist, wie es ist und dass Musikvereine sich nicht verändern müssen. Auf Veränderungen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und des “Zeitgeists” (um dieses Wort noch mal aufzugreifen) muss man reagieren und sich anpassen. Dazu gehört zum Beispiel, dass nicht mehr zeitgemäße Vereinsstrukturen verändert werden und dass man auch mal alte Traditionen überwindet und offen ist für Neues. Aber dazu wurde ja im Beitrag oben und in den Kommentaren schon vieles geschrieben.

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