Ehrenamt – „Der Depp für Alles“ reloaded

Im Rahmen meiner Umfrage zur „Zukunft der Musikvereine“ haben wir ihn schon enttarnt: den Depp für alles. Eigentlich muß ich schreiben, er hat sich selbst geoutet, als er – nach seiner Funktion im Musikverein gefragt – genau das geantwortet hat: „Ich bin der Depp für Alles.“

Eine der Reaktionen auf Facebook auf diesen Beitrag war: „Braucht das nicht jeder Verein? Einen Deppen für Alles?“

Nun, ob das jeder Musikverein braucht, darüber bin ich mir nicht sicher. Wenn es so jemanden gibt, der alles im Verein allein tut, für alle der Ansprechpartner ist, der sich für alles Verantwortlich fühlt und der sich in allem und jedem in Musikverein auskennt, dann muß ich sagen: hier läuft etwas grundlegend schief, hier ist die Vereinsführung grundsätzlich schlecht organisiert.

Ein Musikverein, ein Verein überhaupt, lebt vom ehrenamtlichen Engagement vieler Menschen. Es gibt in Deutschland mehr als 31 Millionen Menschen, die sich im sozialen, kulturellen oder gesellschaftlichen Bereich ehrenamtlich engagieren. Eine ehrenamtliche Arbeit ist in meinem Lieblingsbuch „Marketing für Nonprofit-Organisationen“ von Manfred Bruhn wie folgt definiert:

  • Es handelt sich um eine freiwillige Tätigkeit
  • Es besteht eine organisatorische Bindung an eine bestimmte Institution
  • Es handelt sich um eine nebenberufliche, unentgeltliche Tätigkeit
  • Es gibt nur eine geringe bzw. keine spezifische Ausbildung der Ehrenamtlichen
  • Der Nutzen der Tätigkeit kommt primär Dritten zugute.

Weiter ist bei Bruhn zu lesen: „Während bei hauptberuflich tätigen Mitarbeitenden einer Nonprofit-Organisation u. a. auch monetäre Anreize ein Grund für ihr Engagement sind, stellt sich die Frage, welche Motive ehrenamtlich Tätige für ihre Mitarbeit haben.“ Zu folgenden Antworten kommt Bruhn:

  • Sinnvolle Nutzung der Freizeit
  • Kontaktbedürfnisse
  • Sammeln von persönlichen Erfahrungen
  • Soziale Anerkennung
  • Persönliche Befriedigung
  • Gefühl „gebraucht zu werden“
  • Spaß und Freude

Bruhn stellt weiterhin heraus, dass sich Menschen noch mehr ehrenamtlich zur Verfügung stellen würden wenn

  • sich das Gefühl einstellt, wirklich etwas bewirken zu können
  • man ganz sicher gehen könnte, nicht ausgenutzt zu werden
  • die Hilfe mit Hoffnung verbunden sein würde
  • man mit seiner Hilfe nicht so allein gelassen fühlen würde

Da stecken schon mal ganz viele Gedanken drin, die uns für unsere Musikvereine von Nutzen sein können und uns zum Nachdenken bringen.

Bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit geht es zunächst einmal darum, die Aufgaben innerhalb des Musikvereins zu erfassen. Anschließend werden diese Aufgaben in „Stellen“ zusammen gefasst, geeignete Personen für diese geschaffenen Stellen gesucht und jeweils ein geeignetes Team zusammen gestellt, das die Tätigkeiten und Aufgaben übernimmt. Für ehrenamtliche Arbeit, wie zum Beispiel einem Vorstandsposten, ist es wichtig, eine genaue Stellenbeschreibung zu haben, damit der oder diejenige genau weiß, was zu tun ist. Die Aufgaben sollen ganz klar umrissen sein. Viele Menschen lehnen einen „Posten“ ab, weil Sie Angst vor zu viel Verantwortung haben oder nicht genau wissen, was auf sie zukommt. Mit der Stellenbeschreibung werden diese Bedenken aufgehoben.

Wichtig ist auch, dass den verschiedenen “Stellen” bzw. “Posten” ein eigenes Budget zugedacht wird, damit die Teams relativ frei arbeiten können.

Viele Menschen haben Mühe, sich längerfristig in einem „Posten“ zu engagieren. Viele Dinge innerhalb eines Musikvereins eignen sich jedoch hervorragend dafür, sich nur kurzfristig oder in einem klar umrissenen Zeitrahmen zu engagieren. Ich denke da an die Installierung von Teams oder Projektgruppen, beispielsweise für die Erstellung der Homepage, der Entwicklung eines Imageflyers oder längerfristig ein Freizeitkomitee, das nur für den jährlichen Vereinsausflug zuständig ist, ein Deko-Team, das nur tätig wird für die Dekoration des Konzertsaals bei einem Konzert oder eine Arbeitsgruppe, die sich zum Ziel setzt, das Notenarchiv aufzuräumen. Um diese Art von Aufgaben erledigen zu lassen braucht es nicht die Mithilfe eines Vorstands. Wenn auch die Vorstandschaft geschickt in Teams aufgeteilt ist bedeutet das zusammen mit den oben genannten kurzfristigen oder anlassbezogenen Teams eine enorme Entlastung in der gesamten ehrenamtlichen Tätigkeit. In so einem Arbeitsumfeld finden wir dann auch eher wieder Leute, die einen sogenannten „verantwortungsvollen“ Job innerhalb des geschäftsführenden Vorstand übernehmen.

Um es nochmals ganz deutlich zusagen: „Die Deppen für Alles“ sind nur nicht in der Lage, die Aufgaben zu strukturieren, zu organisieren und zu delegieren. Es muß wirklich nicht sein, dass nur ganz wenige Personen innerhalb des Musikvereins sich außermusikalisch engagieren für alle anderen. Das Prinzip der Verteilung der Aufgaben auf viele Schultern ist lediglich eine Frage der Organisation und der gelegentlichen Kontrolle. Jemand, der sämtliche Aufgaben lieber selbst erledigt und nicht fähig ist, die Aufgaben zu delegieren ist als Vorstand völlig ungeeignet. Ebenso Personen, die nicht damit leben können, dass andere Menschen die Aufgaben anders, aber ebenso erfolgreich erledigen können.

Fast zum Schluß dieses Beitrags möchte ich unbedingt noch erwähnen, dass eine Umstrukturierung der Vorstandschaft nur da sinnvoll ist, wo es Probleme gibt. Bei einer funktionierenden Vorstandschaft nach herkömmlichem Muster besteht überhaupt keine Notwendigkeit, irgendetwas zu ändern! Never change a winning team!

Im ehrenamtlichen Bereich ist man sehr darauf angewiesen, dass die Personen, die gewisse Aufgaben übernommen haben, diese auch gewissenhaft ausführen. Es gibt keine Handhabe, wenn jemand auf seinem Posten nicht funktioniert oder nur bedingt funktioniert. Dies führt oft zu Unmut und Ärger innerhalb des Musikvereins. Leider habe ich für solche Fälle noch keinen Lösungsansatz gefunden. Was machen wir mit ehrenamtlich Tätigen, die ihren Job nicht, nicht vollständig oder schlecht machen? Wie gehen wir mit ihnen und damit um? Vielleicht hast Du eine Idee, geschätzter Blasmusikblog-Leser? Gerne darfst Du uns Deine Antwort und Deine Meinung weiter unten auf dieser Seite in das Kommentarfeld schreiben.

PS. Heute ist übrigens „Tag des Ehrenamts“ – traditionell werden an diesem Tag vom Bundespräsidenten Orden an besonders verdiente Ehrenamtliche verliehen.

 

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Alexandra Link

Musik ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Musizierende Menschen zusammen zu bringen meine Leidenschaft.

    9 thoughts on “Ehrenamt – „Der Depp für Alles“ reloaded

    • 7. Dezember 2016 at 18:24
      Permalink

      Hierzu bin ich genau Deiner Meinung: Der “Depp für alles” darf sich nicht wundern, wenn immer mehr Aufgaben auf seine Schuldern geladen werden. Was passiert, wenn solch eine Person überraschend
      kranksbedingt (ggf. längere Zeit) ausfällt? Das Ziel verantwortlicher Vorstände muß sein, dass auch in solch einem Fall alles (fast) reibungslos weitergeht. Sicher, es ist nicht immer einfach, den Vorstand so zu instruieren, damit das Uhrwerk weiterläuft. Aber ich glaube, dazu gibt es in der Praxis keine Alternative. Nur wenn die Crew das Schiff und die Route kennen, kann sie u.U. auch ohne Kapitän das
      Ziel erreichen.
      Übrigens spreche ich einfach mit den Vorständen, die ihre Aufgaben nicht oder nur schlecht wahrnehmen und bitte sie, nicht mehr zu kandidieren. Zum Glück passiert das extrem selten, aber an einer Aussprache führt m.E. kein Weg vorbei.

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      • 7. Dezember 2016 at 20:00
        Permalink

        Hallo Steffen, vielen Dank für Deinen wertvollen Beitrag! Ich denke auch, an einer Aussprache führt nichts vorbei, allerdings sind das manchmal wirklich schwierige Situationen… Viele Grüße, Alexandra

        Reply
    • 8. Dezember 2016 at 2:00
      Permalink

      Der Knackpunkt ist: Delegieren von Aufgaben ist eine sehr anspruchsvolle Sache. “Mach mal” – das funktioniert nie. Delegieren erfordert präzise Aufgabenbeschreibungen und in der Anfangsphase eine detaillierte Anleitung. Der damit verbundene Aufwand ist nicht zu unterschätzen. D. h. Delegieren setzt bereits von Seiten des Vorstands ein extrem professionelles Verhalten voraus.

      Reply
      • 8. Dezember 2016 at 7:52
        Permalink

        Hallo Florian, da bin ich ganz Deiner Meinung. Gruß Alexandra

        Reply
    • 3. Januar 2017 at 22:01
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      Ich schließe mich dem absolut an. Wie schon oft gesagt, scheint mir vor allem die Blamu (neben den Schrebergärten) ein Hort des Vereinswesens zu sein, wo sehr oft nur Vorstände Aufgaben übernehmen, die strategische und Marketingaufgaben beinhalten. Hier wird viel zu oft am Status quo festgehalten, statt in kleinen, zielorientierten Projektteams unabhängig von Vorstandspositionen zu arbeiten. Klar muss jemand die organisatorische und finanzielle Verantwortung übernehmen. Aber dazu reichen laut BGB 3 Personen.
      Prinzipiell kann aber ein Jeder in einem Verein Aufgaben übernehmen.
      Wenn man dann noch das ewige Vergangenheitsgedusel lässt, kann eigentlich die Blamu ob ihrer Innovationskraft und Vielfalt eines der stärksten bürgerlichen Musikausübungsformen werden.

      Reply
      • 4. Januar 2017 at 7:48
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        Vielen Dank für Deinen Kommentar, Norman. Interessante Abkürzung, die Du für die Blasmusik verwendest…;-)

        Reply
    • 17. März 2017 at 15:36
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      Hallo. Vielleicht fällt es dem “Depp für Alles” einfacher, wenn er auch die verdiente Anerkennung und Wertschätzung erhält für sein Engagement! Gegen aussen steigt dadurch auch das soziale Prestige und vielleicht möchten dann plötzlich andere Mitglieder auch so ein “Depp” sein:) Ich habe dafür eine spezielle soziale Plattform vor einer Woche aufgeschaltet, wo das Ehrenamt sichtbarer wird und Freiwillige mit einem Leistungsnachweis honoriert werden können. Schaut doch mal rein. http://www.qu-dos.club. Danke.

      Reply
    • Pingback: Über die Harmonie in der Vorstandschaft – Blasmusik

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